Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.05.2021, Az.: 11 LA 103/20

Begründung; Datenlöschung; effektiver Rechtsschutz; Einwohnerzahl; ernstliche Zweifel; Finanzhoheit; Gemeinde; Klagebefugnis; kommunale Selbstverwaltung; Kommune; Melderegister; Recht auf informationelle Selbstbestimmung; Register; Schutznormtheorie; Standardfehler; Statistik; subjektiv-öffentliche Rechte; Verfahrensfehler; Volkszählung; Zensus 2011

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.05.2021
Aktenzeichen
11 LA 103/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71147
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 19.02.2020 - AZ: 1 A 85/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bestehen ernstliche Zweifel daran, dass das erstinstanzliche Gericht das Vorliegen einer Klagebefugnis zu Recht verneint hat, lässt sich aber bereits im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, dass die vom Verwaltungsgericht tenorierte Klageabweisung im Ergebnis richtig ist, weil die Klage im angestrebten Berufungsverfahren als unbegründet abgewiesen werden müsste, bedarf es nicht der Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2. Da die Feststellung der Einwohnerzahl einer Gemeinde jedenfalls mittelbar Auswirkungen auf den Umfang der einer Gemeinde nach anderen Rechtsvorschriften zustehenden Finanzleistungen hat, besteht zumindest die zur Bejahung einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche aber auch ausreichende Möglichkeit, dass eine Gemeinde durch die von ihr als zu niedrig und fehlerhaft gerügte Feststellung der Einwohnerzahl in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG verletzt wird.
3. Zur Frage, wann ein Bescheid, mit dem die amtliche Einwohnerzahl einer Gemeinde feststellt wird, hinreichend begründet i.S.d. § 39 Abs. 1 VwVfG ist.
4. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 räumt den Gemeinden kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung des sog. einfachen relativen Standardfehlers von höchstens 0,5% ein. Eine Überschreitung des in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 geregelten Standardfehlers um 0,2% begründet somit keinen Anspruch einer Gemeinde auf Aufhebung des die Einwohnerzahl feststellenden Bescheids.
5. Es besteht kein Anspruch auf Ermittlung der "wahren" oder "richtigen" Einwohnerzahl. Gefordert werden kann nur das zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Zwecke notwendige Maß an Genauigkeit im Sinne einer realitätsnahen Ermittlung.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 19. Februar 2020 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Die Klägerin ist eine niedersächsische Universitätsstadt. Sie wendet sich gegen die von dem Beklagten im Rahmen des Zensus 2011 vorgenommene Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl in ihrem Stadtgebiet.

Nach der im Jahr 1987 als Vollerhebung durchgeführten Volkszählung fand zum Stichtag 9. Mai 2011 in Deutschland auf der Grundlage des Zensusgesetzes 2011(ZensG 2011) erstmals eine registergestützte, durch Haushaltsstichproben und eine Vollerhebung in Gemeinschaftsunterkünften ergänzte und mit einer Gebäude- und Wohnungszählung kombinierte Bevölkerungszählung statt. Ziel dieses Verfahrens war u.a. die Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen von Bund, Ländern und Gemeinden. Der Beklagte ist nach dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Zensusgesetz 2011 (Nds. AG ZensG 2011) dafür zuständig, die durch den Zensus 2011 ermittelten amtlichen Einwohnerzahlen des Landes und der Gemeinden festzustellen.

Im Juli 2013 leitete der Beklagte ein Anhörungsverfahren ein und teilte der Klägerin mit, dass er beabsichtige, die amtliche Einwohnerzahl für das Stadtgebiet der Klägerin zum 9. Mai 2011 mit 115.843 Personen festzustellen. Dem Schreiben war ein „Datenblatt mit Angaben zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahl der Gemeinde Göttingen, Stadt, Bevölkerung zum 9. Mai 2011“ beigefügt, in dem die einzelnen Zahlen des Melderegisterbestands (117.639 Hauptwohnungen, 11.345 Nebenwohnungen), der ermittelten statistischen Korrekturen von Über- und Untererfassung von Personen mit alleinigem oder Hauptwohnsitz im Melderegister nach Mehrfachfalluntersuchung (-1173), der Erhebungen an Anschriften mit Sonderbereichen (738) und der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis (-1361) angeführt waren. Zudem wurde nachrichtlich mitgeteilt, dass die Genauigkeit der Ergebnisse der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis zur Ermittlung der neuen Einwohnerzahl 0,70 % betragen habe und die Bevölkerung zum 31. Dezember 2011 gemäß Bevölkerungsfortschreibung auf Grundlage des Zensus 2011 116.052 und der Volkszählung 1987 121.364 umfasst habe. Auf einem weiteren dem Bescheid beigefügten Blatt wurden die Auswahlsätze der nach § 7 ZensG 2011 auf Stichprobenbasis erfolgten Haushaltsbefragungen aufgelistet.

Mit an den Beklagten adressiertem Schreiben vom 30. September 2013 führte die Klägerin aus, dass die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl in einigen Punkten fragwürdig geblieben sei. Sie bat um die Beantwortung der im Einzelnen aufgeführten Fragen sowie um Offenlegung der einzelnen Berechnungsschritte und -grundlagen zuzüglich des entsprechenden Zahlenmaterials. Der Beklagte reagierte darauf mit Schreiben vom 31. Januar 2014, in dem er auf die von der Klägerin vorgetragenen Einwände einging und umfangreiche Erläuterungen dazu machte. Zudem fügte er seinem Schreiben ein sog. „erweitertes Datenblatt“ mit Stand vom 31. Januar 2014 sowie ein „Zusatzblatt Haushaltsstichprobe“ bei. Am 8. April 2014 nahm ein Mitarbeiter der Klägerin (Leiter des Referats 06 - Statistik und Wahlen) in den Räumlichkeiten des Beklagten Einsicht in die ihm dort zur Verfügung gestellten Datensätze.

Mit Bescheid vom 28. April 2014 stellte der Beklagte gegenüber der Klägerin mit Stand vom 9. Mai 2011 eine amtliche Einwohnerzahl von 115.843 Personen fest und fügte als Anlagen die bereits mit dem Anhörungsschreiben übersandten Datenblätter bei.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 20. Mai 2014 Klage erhoben. Auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Mai 2014 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens im November 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Die von der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (I.) und des Vorliegens eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (II.) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

I. Die Begründung des Zulassungsantrags ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufzuzeigen.

Ernstliche Zweifel sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Dafür ist nicht erforderlich, dass bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062, juris, Rn. 16, m.w.N.). Allerdings liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils dann nicht vor, wenn lediglich einzelne Rechtssätze, tatsächliche oder unterlassene Feststellungen zu Zweifeln Anlass geben, das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542, juris, Rn. 9). Da der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorrangig der Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit dient, müssen sich die Zweifel auf die Richtigkeit des Urteils in seinem Entscheidungssatz, also auf das Entscheidungsergebnis auswirken (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 26.3.2003 - 8 ZB 02.2918 -, juris, Rn. 8). § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will demgemäß den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren (nur) in den Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist. Demgegenüber verlangt § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, die Berufung wegen eines Fehlers zuzulassen, der für den Ausgang des Berufungsverfahrens und damit für das Ergebnis des Prozesses aller Voraussicht nach bedeutungslos bleiben wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, juris, Rn. 9).Lässt sich somit bereits im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit im Ergebnis richtig entschieden hat und die angestrebte Berufung deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, juris, Rn. 10). Danach führt ein Antrag auf Zulassung der Berufung etwa dann nicht zum Erfolg, wenn zwar ernstliche Zweifel daran bestehen, dass das erstinstanzliche Gericht das Vorliegen einer Klagebefugnis zu Recht verneint hat, sich aber bereits im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen lässt, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren im Ergebnis richtig entschieden hat, weil die Klage im angestrebten Berufungsverfahren als unbegründet abgewiesen werden müsste (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, juris, Rn. 9 f.; dasselbe, Beschl. v. 3.6.1977 - IV B 13.77 - BVerwGE 54, 99, juris, Rn. 8 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 25.3.2013 - 11 ZB 12.2712 -, juris, Rn. 15; derselbe, Beschl. v. 19.3.2013 - 20 ZB 12.1881 -, juris, Rn. 2; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 144, Rn. 3; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 124, Rn. 7a).

Ausgehend von diesen Maßstäben bedarf es vorliegend nicht der Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Aus Sicht des Senats bestehen zwar ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht, dass es der Klägerin an der für die Zulässigkeit der Klage erforderlichen Klagebefugnis fehle (1.). Es lässt sich jedoch bereits im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, dass die vom Verwaltungsgericht tenorierte Klageabweisung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, weil die Klage im angestrebten Berufungsverfahren als unbegründet abgewiesen werden müsste (2.).

Mit gerichtlicher Verfügung vom 12. Februar 2021 hat der Senat die Beteiligten auf die soeben dargelegten Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hingewiesen und ihnen zur Wahrung rechtlichen Gehörs die Möglichkeit eines ergänzenden Vortrags zur Begründetheit der Klage eingeräumt (siehe zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, juris, Rn. 11; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, a.a.O., § 124, Rn. 7a). Davon haben beide Parteien Gebrauch gemacht (siehe den Schriftsatz der Klägerin vom 22.2.2021, Bl. 265 ff. GA, und den des Beklagten vom 30.3.2021, Bl. 316 ff. GA).

1. Die Klägerin hat im Rahmen des Zulassungsverfahrens hinreichend dargelegt, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klage sei bereits unzulässig, weil es der Klägerin an der nach § 42 Abs. 2 VwGO für die Zulässigkeit einer Klage erforderlichen Klagebefugnis fehle, ernstlichen Richtigkeitszweifeln unterliegt. Das Verwaltungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorliegen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO bei einer Anfechtungsklage die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte durch den angefochtenen Verwaltungsakt voraussetzt. Es hat weiter zu Recht ausgeführt, dass sich Kommunen in Bezug auf die Festsetzung ihrer Einwohnerzahl dann auf eine mögliche Verletzung ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Finanzhoheit berufen können, wenn landesrechtliche Regelungen an die amtlich festgestellte Einwohnerzahl kommunale Finanzzuweisungen anknüpfen und dass dies in Niedersachsen in verschiedenen Landesgesetzen der Fall ist. Soweit das Verwaltungsgericht jedoch sodann im Weiteren die Ansicht vertreten hat, dass sich die Klägerin im vorliegenden Fall unter Zugrundelegung ihres Vortrags nicht auf eine mögliche Verletzung ihres verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts berufen könne, weil sie sich nur auf finanzielle Auswirkungen der Festsetzung der Einwohnerzahl berufe, es an der erforderlichen hinreichenden Substantiierung des Klagevortrags fehle und die Erheblichkeitsschwelle der geltend gemachten Rechtsverletzung bei den von der Klägerin vorgetragenen finanziellen Auswirkungen von 650.000 EUR bzw. einem rechnerischen jährlichen „Verlust“ von 1.895.200 EUR nicht erreicht werde, folgt der Senat dem nicht. Aus Sicht des Senats besteht vorliegend vielmehr die Möglichkeit, dass die Klägerin durch die von ihr als zu niedrig und fehlerhaft gerügte Feststellung der Einwohnerzahl in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG verletzt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.8.2015 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 19; Hessischer VGH, Urt. v. 19.9.1991 - 6 UE 2588/89 -, juris, Rn. 29; Bayerischer VGH, Urt. v. 21.12.1994 - 4 B 93.244 -, juris, Rn. 29; VG Hamburg, Beschl. v. 30.4.2015 - 10 E 2183/15 -, juris, Rn. 10; VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 28 ff.; VG Regensburg, Urt. v. 6.8.2015 - RO 5 K 13.2149 -, juris, Rn. 222 ff.; VG Cottbus, Urt. v. 27.6.2013 - 1 K 951/10 -, juris, Rn. 25 ff.; VG Oldenburg, Urt. v. 12.9.2019 - 12 A 127/15 -, Veröff. n.b., S. 8 UA).

Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden garantiert nicht nur deren generellen Bestand (sog. institutionelle Garantie) und eine eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung, sondern es umfasst - wie Art. 28 Abs. 2 Satz 3 HS. 1 GG klarstellt - auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung, also eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.1986 - 2 BvR 1241/82 -, juris, Rn. 12). Die Selbstverwaltungsgarantie erschöpft sich dabei nicht nur in einer objektiv-rechtlichen Garantie, sondern beinhaltet auch subjektive Abwehrrechte, die grundsätzlich auch gerichtlich geltend gemacht werden können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.8.2015 - 2 BvF 1/15 -, BVerfGE 140, 99, juris, Rn. 19; BVerwG, Urt. v. 15.6.2011 - 9 C 4/10 -, BVerwGE 140, 34, juris, Rn. 16; Engel, in. Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 28, Rn. 42; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2020, Art. 28, Rn. 46). Dies kommt nicht zuletzt durch Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG zum Ausdruck, wonach Gemeinden wegen der Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts Verfassungsbeschwerde erheben können (vgl. Engel, in; Sachs, a.a.O., Art. 28, Rn. 45; Mehde, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 28, Rn. 45).

Die streitgegenständliche amtliche Feststellung der Einwohnerzahl wirkt sich auch zumindest mittelbar auf die kommunale Selbstverwaltung aus, da die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl Grundlage für eine Vielzahl von weiteren Entscheidungen ist. Ausweislich der Begründung zum Entwurf des Zensusgesetzes 2011 dient die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl in nahezu 50 Bundes- und Landesgesetzen als Bemessungsgrundlage (u.a. beim Länderfinanzausgleich, bei allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen, im kommunalen Finanzausgleich und bei der Wahlkreiseinteilung, siehe BT-Drucks. 16/12219, S. 51). Speziell für Niedersachsen sind in diesem Zusammenhang beispielhaft die bereits vom Verwaltungsgericht im Einzelnen angeführten Vorschriften im Niedersächsischen Gesetz über den Finanzausgleich (NFAG), im Gesetz zur Regelung der Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen (NFVG), im Gesetz über finanzielle Leistungen des Landes wegen der Einführung der inklusiven Schule (NInklSchulFinG) und in dem Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG) zu nennen, wonach die den Gemeinden zu gewährenden finanziellen Zuweisungen jeweils an die Einwohnerzahl anknüpfen.

Vorliegend beruft sich die Klägerin darauf, dass die streitgegenständliche Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl zu niedrig und fehlerhaft ermittelt worden sei und sie dadurch in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt werde. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit der streitgegenständlichen Feststellung verweist die Klägerin u.a. auf eine Überschreitung des in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 angeführten sog. einfachen relativen Standardfehlers, auf eine Abweichung von den im Melderegister enthaltenen Daten sowie auf zwei von ihr vorgelegte Schriftstücke. Dieser Vortrag ist aus Sicht des Senats hinreichend substantiiert, um die im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche aber auch ausreichende Möglichkeit darzulegen, dass die Klägerin durch die amtliche Feststellung ihrer Einwohnerzahl in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG verletzt wird. Ob die von der Klägerin geltend gemachten Rechtsverstöße tatsächlich vorliegen und subjektiv-öffentliche Rechte der Klägerin verletzen, ist demgegenüber nicht Gegenstand der Zulässigkeitsprüfung, sondern allein eine Frage der Begründetheit der Klage (vgl. Schmidt-Kötters, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.1.2021, § 42, Rn. 108; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider, a.a.O., § 42, Rn. 70).

Für die Bejahung der Klagebefugnis spricht auch, dass eine Gemeinde im Rahmen eines Streits über die Höhe konkreter Finanzzuweisungen mit dem Einwand, die amtliche Einwohnerzahl sei zuvor in dem der Feststellung zugrunde liegenden Verfahren fehlerhaft zu niedrig festgestellt worden, ausgeschlossen ist (vgl. Bayerischer VGH, Urt. v. 23.6.1994 - 4 B 92.3531 -, juris, Rn. 11). Wenn eine amtlich festgestellte Einwohnerzahl aber bei einem Streit über die Höhe von daran anknüpfenden Finanzzuweisungen nicht mehr angegriffen werden kann, müssen Kommunen die von ihnen in Bezug auf die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl geltend gemachten Einwendungen jedenfalls in dem der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl zugrunde liegenden Verfahren - hier dem Zensus 2011 - geltend machen können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.3.1992 - 7 B 24/92 -, juris, Rn. 3).

Soweit das Verwaltungsgericht die Verneinung der Klagebefugnis schließlich auch damit begründet hat, dass es an der von der Rechtsprechung geforderten Erheblichkeitsschwelle fehle, ist bereits im Ausgangspunkt zweifelhaft, ob die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung überhaupt auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist. Denn die vom Verwaltungsgericht angeführten Fälle waren maßgeblich durch die Besonderheit geprägt, dass es nicht - wie hier - um einen direkt an eine Gemeinde adressierten Verwaltungsakt ging, sondern um „anderweitige hoheitliche Maßnahmen Dritter“ wie z.B. Fachplanungsvorhaben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.7.2004 - 5 B 68/04 -, juris, Rn. 7 f.; dasselbe, Urt. v. 11.5.1984 - 4 C 83/80 -, juris, Rn. 13), so dass es bereits an vergleichbaren Sachverhalten fehlen dürfte. Gegen die Festlegung einer bestimmten prozentualen Geringfügigkeitsschwelle schon bei der Klagebefugnis spricht auch, dass es dafür vorliegend an erkennbaren rechtlichen Anknüpfungspunkten fehlt, ohne die eine Grenzziehung gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und das Willkürverbot verstoßen könnte (vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 20.6.2017 - 10 LB 83/16 -, juris, Rn. 40). Vor diesem Hintergrund erscheint auch der Ansatz des Verwaltungsgerichts, die von der Klägerin geltend gemachten finanziellen Einbußen ins Verhältnis zum Volumen ihres gesamten Haushalts zu setzen, nicht unangreifbar. Würde man stets verlangen, dass eine Kommune im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen an sie gerichteten Verwaltungsakt bereits zur Bejahung der Klagebefugnis eine auf das Volumen ihres Gesamthaushalts bezogene finanzielle Erheblichkeitsschwelle überschreiten müsste, führte dies zu einer erheblichen Rechtschutzbeschränkung. Aber auch unabhängig davon ist auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin, wonach ihr durch die um 5.312 Personen zu niedrig festgestellte Einwohnerzahl jährlich 2,0 bis 2,5 Mio. EUR verloren gingen, nicht von einer lediglich unerheblichen finanziellen Beeinträchtigung auszugehen.

2. Dass demnach ernstliche Richtigkeitszweifel an der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht bestehen, der Klägerin fehle die Klagebefugnis, führt gleichwohl nicht zum Erfolg des auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützten Zulassungsantrags, da sich bereits im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen lässt, dass die vom Verwaltungsgericht tenorierte Klageabweisung im Ergebnis richtig ist, weil die Klage im angestrebten Berufungsverfahren als unbegründet abgewiesen werden müsste (vgl. zu diesem Maßstab obige Ausführungen). Das Zulassungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt auch unter Berücksichtigung ihres ergänzenden Vortrags vom 22. Februar 2021 kein anderes Ergebnis.

Die Klage der Klägerin ist unbegründet. Sie hat weder aus formellen (a) noch aus materiellen (b) Gründen einen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 28. April 2014 (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Die Klägerin trägt zunächst vor, dass der angefochtene Bescheid nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nach § 39 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) genüge. Die Begründung eines Verwaltungsakts dürfe sich nicht in formelhaften, allgemeinen Darlegungen erschöpfen und müsse aus sich heraus verständlich sein. Die Begründung solle den Bescheidadressaten zudem in die Lage versetzen, seine Rechte vor Gericht geltend machen zu können. Anhand der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Begründung erschließe sich für die Klägerin nicht, auf welcher konkreten Tatsachengrundlage die vorgenommenen Abzüge bzw. Zuschläge basierten. Das Zustandekommen der festgesetzten Zahlen lasse sich für die Klägerin anhand der im Bescheid genannten Daten in keiner Weise nachvollziehen oder wenigstens auf eine rechnerische Richtigkeit und Plausibilität hin überprüfen. Auch die dem Bescheid beigefügten Anlagen trügen nicht zur Verständlichkeit des Bescheidinhalts bei und seien unverständlich. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 39 Abs. 1 VwVfG darzulegen.

aa) Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Welchen Inhalt und Umfang die Begründung des Verwaltungsakts konkret haben muss, richtet sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets und nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.5.1981 - 2 C 42/79 -, juris, Rn. 25; Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1.10.2020, § 39, Rn. 26). Zwar weist die Klägerin in diesem Zusammenhang im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass die Begründung auf den konkreten Fall abstellen muss und sich nicht in formelhaften allgemeinen Darlegungen erschöpfen darf. Andererseits ist es nicht von vornherein unzulässig, dass Behörden in vergleichbaren Konstellationen vergleichbare oder sogar identische Begründungen anführen, sofern diese Begründungen ihrerseits hinreichenden Bezug zum jeweiligen Einzelfall haben (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 39, Rn. 18; Bayerischer VGH, Beschl. v. 11.2.2019 - 11 CS 18.1808 -, juris, Rn. 24).

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben genügt der Bescheid des Beklagten vom 28. April 2014 einschließlich der Anlagen (Datenblätter) den Begründungsanforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG. Der Begründung des Bescheids lassen sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe entnehmen, die den Beklagten zu seiner Entscheidung veranlasst haben. So werden in dem Bescheid unter I. zunächst die maßgeblichen Rechtsgrundlagen genannt. Sodann wird unter II. im Einzelnen dargelegt, wie das Verfahren zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahl im Einzelnen ausgestaltet war. Unter III. wird sodann auf das im vorliegenden Einzelfall durchgeführte Anhörungsverfahren eingegangen und auf den in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten ausgetauschten umfangreichen Schriftverkehr (u.a. Schreiben der Klägerin vom 30.9.2013 und Schreiben des Beklagten vom 31.1.2014) Bezug genommen. Den beigefügten Datenblättern lässt sich schließlich entnehmen, welche Zahlen der Beklagte im Stadtgebiet der Klägerin in den einzelnen Schritten konkret ermittelt und seiner Berechnung zugrunde gelegt hat. Dabei wurde sowohl bei der Mehrfachfalluntersuchung und den Sonderbereichserhebungen als auch bei der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis im Einzelnen nummerisch aufgelistet, wie viele Personen als Über- oder Untererfassungen verbucht wurden und welcher Saldo sich daraus jeweils ergibt. Bezüglich der Stichproben geht aus dem Datenblatt zudem hervor, wie viele Anschriften in die Stichproben gezogen wurden, wie viele Personen befragt wurden und wie hoch die Anzahl an Fehlbeständen, Karteileichen und paarigen Personen vor der Hochrechnung war. Weitere Einzelheiten zur Berechnungsmethode, darunter u.a. die Formel zur Hochrechnung der Einwohnerzahl, lassen sich zudem dem umfangreichen Schreiben des Beklagten vom 31. Januar 2014, welches der Klägerin im Rahmen des Anhörungsverfahrens übermittelt wurde und auf das in der Bescheidbegründung unter III. Bezug genommen wurde, entnehmen.

cc) Die Einwände der Klägerin rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Soweit die Klägerin die inhaltliche Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit der von dem Beklagten angestellten Berechnungen in Frage stellt, macht sie faktisch nicht das Fehlen einer Begründung, sondern die (vermeintliche) Fehlerhaftigkeit der von dem Beklagten ermittelten Zahlen geltend. Eine „inhaltliche Richtigkeit“ der Begründung wird von § 39 Abs. 1 VwVfG jedoch weder gefordert noch umfasst (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39, Rn. 30). Folglich kann eine (vermeintlich) fehlerhafte Berechnung der festgestellten Einwohnerzahl auch keinen Verstoß gegen § 39 Abs. 1 VwVfG darstellen.

Der Einwand der Klägerin, sie sei aufgrund fehlender Informationen daran gehindert, mögliche Fehler beim Zustandekommen der festgestellten Einwohnerzahl substantiiert darzulegen, verhilft ihrem Rechtschutzbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg. In diesem Zusammenhang bleibt zunächst unklar, welche (zusätzlichen) Einzelangaben die Klägerin diesbezüglich überhaupt begehrt und welchen konkreten Erkenntnisgewinn sie sich davon verspricht. Darüber hinaus ist der Klägerin entgegenzuhalten, dass im vorliegenden Verfahren aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Umstände des Einzelfalles sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Besonderheiten bestehen, die es bedingen, dass weder die Klägerin noch die Gerichte anhand der Begründung des angefochtenen Bescheids jeden einzelnen Ermittlungs- und Rechenschritt vollumfänglich nachvollziehen können.

In tatsächlicher Hinsicht ergeben sich diese Besonderheiten zunächst daraus, dass sich eine Vielzahl der von dem Beklagten ermittelten Daten aufgrund der zwischenzeitlich im Bevölkerungsstand naturgemäß u.a. durch Umzüge, Geburten und Todesfälle eingetretenen Veränderungen nicht mehr eindeutig rekonstruieren lassen. Zudem ist das im Zensusgesetz 2011 geregelte Verfahren zur Feststellung der Einwohnerzahl sehr vielschichtig und sowohl in tatsächlicher als auch in mathematisch/statistischer Hinsicht extrem komplex. Bereits aus diesem Grund würden sowohl die Anforderungen an die Begründung eines Bescheids als auch an seine Nachvollziehbarkeit überspannt, wenn man verlangte, dass jeder Ermittlungs- und Rechenschritt im angefochtenen Feststellungsbescheid im Einzelnen dargelegt werden müsste (vgl. VG Regensburg, Urt. v. 6.8.2015 - RO 5 K 13.2149 -, juris, Rn. 272 ff.; VG Schleswig, Urt. v. 19.12.2019 - 12 A 48/16 -, juris, Rn. 69).

In rechtlicher Hinsicht ergeben sich weitere Besonderheiten daraus, dass die Feststellung der Einwohnerzahl nicht nur die Rechte und Interessen der Klägerin berührt, sondern das dieser Feststellung zugrunde liegende Verfahren auch in die verfassungsrechtlich geschützten Rechte der von der Datenerhebung betroffenen Bürger eingreift. Da die Daten während der Erhebung und der Speicherung zumindest teilweise individualisierbar bleiben, bedarf es insofern besonderer Vorkehrungen für die Durchführung und Organisation der Datenerhebung und -verarbeitung (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, BVerfGE 150, 1, juris, Rn. 224). Zu den verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Bürger gehört es, dass die der Identifizierung der befragten Personen dienenden Daten zum frühestmöglichen Zeitpunkt gelöscht und bis zu diesem Zeitpunkt Namen und Anschrift von den übrigen Angaben getrennt und unter besonderem Verschluss gehalten werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, juris, Rn. 163). Schon während der Erhebung ist eine strikte Geheimhaltung der zu statistischen Zwecken erhobenen Einzelangaben geboten, solange noch ein Personenbezug besteht oder herstellbar ist (Statistikgeheimnis); das gleiche gilt für das Gebot einer möglichst frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Deanonymisierung (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 224). Diese verfassungsrechtlich gebotenen Maßnahmen zum Schutz der Rechte der betroffenen Bürger, die u.a. durch die in § 19 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Abs. 2 ZensG 2011 normierten Verpflichtungen zur Datenlöschung umgesetzt wurden - führen zwangsläufig dazu, dass einzelne Schritte im Rahmen der komplexen Datenermittlung und Berechnung im Nachhinein nicht mehr bis ins Letzte nachvollzogen werden können (vgl. VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 84; VG Regensburg, Urt. v. 6.8.2015 - RO 5 K 13.2149 -, juris, Rn. 273 ff.). Dies gilt insbesondere, wenn und soweit die zugrunde liegenden Daten zwischenzeitlich bereits aufgrund gesetzlicher Vorgaben anonymisiert und/oder gelöscht wurden. Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass sich anhand der von dem Beklagten dargelegten Begründung nicht sämtliche Ermittlungs- und Rechenschritte im Einzelnen nachvollziehen lassen, entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht als eine unzulässige Beschränkung ihres ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz anzusehen, sondern als eine sich aus kollidierendem Verfassungsrecht ergebende Notwendigkeit, die im Rahmen der praktischen Konkordanz (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 27.1.1998 - 1 BvL 15/87 -, BVerfGE 97, 169, juris, Rn. 28) hinzunehmen ist.

Schließlich belegt das vorliegende gerichtliche Verfahren, dass die Klägerin gerade nicht „faktisch rechtsschutzlos“ gestellt ist. Dabei ist sie auch darauf zu verweisen, dass der Beklagte bereits im Rahmen des Anhörungsverfahrens umfassend Stellung zu den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen und Bedenken genommen und ihr die Möglichkeit eingeräumt hat, in seinen Räumlichkeiten unter Beachtung der notwendigen datenschutzrechtlichen Vorgaben eine erweiterte Verfahrenseinsicht zu nehmen. Dass die Klägerin offensichtlich auch mit den in diesem Rahmen gewonnenen Erkenntnissen nicht vollumfänglich zufrieden ist, und die Akteneinsicht als eine „unergiebige Formsache“ bezeichnet, vermag keinen Verstoß gegen die formellen Anforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG zu begründen.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sie auch aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids.

aa) Rechtsgrundlage für die Datenerhebung und -verarbeitung im Zensusverfahren 2011 sind das Gesetz zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2011 (Zensusvorbereitungsgesetz 2011 - Zens-VorbG 2011) vom 8. Dezember 2007 (BGBl. I 2007, S. 2808), das Gesetz über den registergestützten Zensus im Jahre 2011 (Zensusgesetz 2011 - ZensG 2011) vom 8. Juli 2009 (BGBl. I 2009. S. 1781), die Verordnung über Verfahren und Umfang der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis zum Zensusgesetz 2011 (Stichprobenverordnung Zensusgesetz 2011 - StichprobenV -) vom 25. Juni 2010 (BGBl. I 2010, S. 830) sowie das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Zensusgesetz (Nds. AG ZensG 2011) vom 6. Oktober 2010 (Nds. GVBl. 2010, S. 458).

Gegen diese Rechtsgrundlagen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. in Bezug auf die genannten bundesrechtlichen Normen: BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 143 ff.). Derartige Bedenken hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht. Vielmehr betont sie in ihren Schriftsätzen, dass sie sich nicht gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheids, sondern „ausschließlich gegen die Richtigkeit des vom Beklagten mit dem angegriffenen Bescheid gefundenen Einwohnerzahlergebnisses und die korrekte Umsetzung der insoweit zur Anwendung gelangten Regelungen“ richtet.

bb) Die von der Klägerin in Bezug auf die Richtigkeit der von dem Beklagten getroffenen Feststellung der Einwohnerzahl und einer (vermeintlich) fehlerhaften Rechtsanwendung vorgebrachten Einwände verhelfen ihrem Rechtschutzbegehren nicht zum Erfolg.

(a) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 ein einfacher relativer Standardfehler von höchstens 0,5 % angestrebt werde, in ihrem Fall aber ein Standardfehler von 0,7 % vorgelegen habe und dies jedenfalls den Verdacht rechtfertige, dass bei der Ermittlung der Einwohnerzahlen der Klägerin überproportional viele Fehler/Ungenauigkeiten eingetreten seien und das Zählergebnis nicht regelkonform ausgefallen sei, dringt sie damit nicht durch.

§ 7 ZensG 2011 regelt die Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 dient die Erhebung in Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern der Feststellung, ob Personen, die im Melderegister verzeichnet sind, an der angegebenen Anschrift wohnen, oder ob an einer Wohnanschrift Personen wohnen, die nicht im Melderegister verzeichnet sind, und damit der Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahl mit einer angestrebten Genauigkeit eines einfachen relativen Standardfehlers von höchstens 0,5 %. Diese Regelung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass jede statistische Erhebung, d.h. sowohl Stichprobenerhebungen als auch Vollerhebungen, Messfehler in Form von systematischen und zufälligen Fehlern aufweisen (siehe BT-Drucks. 16/12219, S. 31; vgl. auch: VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 57). Ausweislich des dem angefochtenen Bescheid beigefügten Datenblatts betrug die Genauigkeit der Ergebnisse der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis (einfacher relativer Standardfehler) im Fall der Klägerin 0,70 %.

Mit dieser Überschreitung des in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 angeführten vorgegebenen Faktors lässt sich jedoch kein Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids begründen. Dies ergibt sich bereits aus folgenden Überlegungen: Hielte man die im Rahmen der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis gewonnenen Daten aufgrund der Überschreitung des in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 angeführten Faktors für unverwertbar, müsste mangels anderer Alternativen auf die auf der Basis der Volkszählung 1987 fortgeschriebenen Einwohnerzahlen zurückgegriffen werden (vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.7.2019 - 37/14 -, juris, Rn. 81). Aber auch bei dieser Volkszählung ist es zu einer Übererfassung i.H.v. 0,7 % und zu einer Untererfassung i.H.v. 0,7 % gekommen (vgl. BT-Drucks. 16/12219, S. 31). Zudem nimmt mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu einer Volkszählung die Genauigkeit der auf ihrer Grundlage fortgeschriebenen Einwohnerzahlen immer weiter ab (vgl. BVerfG, Urt. v. 19. 9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 3). Bereits vor diesem Hintergrund kann ein einfacher relativer Standardfehler i.H.v. 0,70 % nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheids rechtfertigen. Für diese Sichtweise spricht zudem, dass der tatsächliche Abweichungswert im Rahmen des Zensus 2011 bundesweit durchschnittlich bei 0,56 % lag (Statistisches Bundesamt, Qualitätsbericht Zensus nach § 17 Zensusgesetz 2011, S. 7), ohne dass dies vom Bundesverfassungsgericht beanstandet wurde (siehe BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 297, m.w.N.). Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass eine Abweichung erst dann als gravierend anzusehen ist, wenn sie mehr als 1 % beträgt (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 297). Dementsprechend hat auch der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass der im Rahmen des Zensus 2011 in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich aufgetretene Standardfehler von 0,63 % keinen Grund für eine Beanstandung und/oder eine Unverwertbarkeit der in diesem Zusammenhang ermittelten Daten darstellt (VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.7.2019 - 37/14 -, juris, Rn. 80 ff.). Diese Erwägungen müssen aus Sicht des Senats auch dann gelten, wenn der aufgetretene Standardfehler - wie hier - 0,70 % beträgt.

Abgesehen davon ist die Klägerin darauf zu verweisen, dass es sich bei dem in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 enthaltenen Wert von 0,5 % lediglich um eine Qualitätsvorgabe handelt, die nur insofern zwingende Bindungswirkung entfaltet, als vor der Durchführung des Zensus 2011 ein sachverständiger Dritter in ex-ante-Betrachtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen sein muss, dass die Qualitätsvorgabe eingehalten wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 249 und Rn. 259; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.6.2015 - 1 M 23/14 -, juris, Rn. 27; VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 61 ff.; VG Schleswig, Urt. v. 19.12.2019 - 12 A 48/16 -, juris, Rn. 84; vgl. auch VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.7.2019 - 37/14 -, juris, Rn. 80, der von einem „Qualitätsziel“ spricht). Für diese Sichtweise streitet, dass eine gleichzeitige feste Vorgabe von Stichprobenumfang und relativem Standardfehler das registergestützte Zensusverfahren praktisch unmöglich gemacht hätte und dass die gewählte Vorgehensweise fachlich üblich ist (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 259). Insofern ist die in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 enthaltene Vorgabe bereits dann erfüllt, wenn vor der Durchführung des Zensus 2011 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Einhaltung des gesetzlich festgelegten Standardfehlers auszugehen gewesen ist (vgl. VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 63; VG Schleswig, Urt. v. 19.12.2019 - 12 A 48/16 -, juris, Rn. 84 ff.). Für dieses Normverständnis spricht im Hinblick auf den Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 auch, dass dort auf eine „angestrebte Genauigkeit“ abgestellt wird (vgl. VG Regensburg, Urt. v. 6.8.2015 - RO 5 K 13.2149 -, juris, Rn. 293). Dementsprechend ist auch nicht erkennbar, dass nach dem Willen des Gesetzgebers im Fall einer möglichen Abweichung des tatsächlichen Standardfehlers vom angestrebten Standardfehler eine erneute Datenerhebung durchgeführt werden sollte (vgl. VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 63), oder auf die auf Basis der Volkszählung 1987 fortgeschriebenen Zahlen zurückgegriffen werden sollte (vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.7.2019 - 37/14 -, juris, Rn. 81).

Gegen die Annahme, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 Gemeinden ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung des Werts von 0,5 % einräume, spricht zudem der Umstand, dass sich gar nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass eine Überschreitung dieses Werts tatsächlich zu der Feststellung einer geringeren Anzahl von Einwohnern geführt hat, sich die Überschreitung dieses Werts also überhaupt zu Lasten der Klägerin ausgewirkt hat. Wie in der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 ausgeführt, bedeutet der einfache relative Standardfehler von 0,5 %, dass mit einer Sicherheit von 95 % der Unterschied zwischen der festgestellten und der tatsächlichen (aber unbekannten) Einwohnerzahl maximal 1 % der Registerbevölkerung einer Kommune beträgt (BT-Drucks. 16/12219, S. 31; vgl. auch VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 59). Dies führt beispielsweise bei einer Gemeinde, für die eine Einwohnerzahl von 20 000 ermittelt wurde, dazu, dass das ermittelte Ergebnis mit 95 % Wahrscheinlichkeit nicht mehr als 200 Personen von der tatsächlichen Einwohnerzahl abweicht, das sog. Konfidenzintervall also zwischen 19.800 und 20.200 Personen liegt (vgl. BT-Drucks. 16/12219, S. 31). Diese Zahlen verdeutlichen zweierlei: Zum einen bewirkt ein über 0,5 % liegender Wert keine Änderung der ermittelten Einwohnerzahl, sondern trifft nur eine Aussage über die Genauigkeit bzw. Ungenauigkeit des Ergebnisses. Der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 geregelte sog. einfache relative Standardfehler bezeichnet also keinen tatsächlichen Fehler, sondern er quantifiziert eine Ungenauigkeit, die bei Stichprobenerhebungen immer gegeben ist. Zum anderen besagt eine Überschreitung des 0,5 %-Werts nichts darüber, ob die möglichen Ungenauigkeiten im unteren oder im oberen Bereich des jeweiligen Konfidenzintervalls liegen. Im Hinblick auf die Interessen der Klägerin bedeutet dies, dass die tatsächliche Einwohnerzahl also mit der gleichen Wahrscheinlichkeit und im gleichen Umfang unter oder über der festgestellten Einwohnerzahl liegen kann. Daraus folgt wiederum, dass sich nicht feststellen lässt, dass ein einfacher relativer Standardfehler von 0,70 % überhaupt zu einer niedrigeren Feststellung der Einwohnerzahl, oder nicht sogar zu einer höheren Zahl der festgestellten Einwohner und damit faktisch zu einer „Besserstellung“ der Klägerin geführt hat. Auch diese Gesichtspunkte sprechen somit dagegen, dass der Gesetzgeber Gemeinden durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 ein subjektiv-öffentliches Recht auf strikte Einhaltung des in dieser Norm enthaltenen Werts von 0,5 % einräumen wollte.

(b) Die Klägerin beruft sich zudem darauf, dass sie die von dem Beklagten im angefochtenen Bescheid dargestellten Zahlen bestreite. Die Zahlen stimmten nicht mit den von ihr aufgrund der Auswertung des Meldeverzeichnisses gewonnenen Zahlen überein. Während der angefochtene Bescheid des Beklagten mit Stand vom 9. Mai 2011 eine Einwohnerzahl von 115.843 Personen feststelle, ergebe sich aufgrund der Auswertung des Meldeverzeichnisses zum gleichen Zeitpunkt eine Anzahl von 117.639 Personen, mithin bestehe eine Differenz von 1.796 Personen. Zwar seien die von dem Beklagten angeführten Zahlen rechnerisch zutreffend, aber es erschließe sich nicht, auf welcher konkreten Tatsachengrundlage sie ermittelt worden seien. Diese „Nichterweislichkeit“ müsse zu Lasten des Beklagten gehen. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die für eine vollumfängliche Überprüfung der ermittelten Zahlen erforderlichen Daten inzwischen vernichtet worden seien, da er die materielle Beweislast für die Richtigkeit der von ihm behaupteten Zahlen trage.

Dieses Vorbringen kann dem Begehren der Klägerin bereits deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es sich darauf beschränkt, die „Richtigkeit“ der von dem Beklagten ermittelten Einwohnerzahl pauschal zu bestreiten. Konkrete, für das Gericht nachvollziehbare und überprüfbare Anhaltspunkte, bei welchen Berechnungsschritten der Beklagte gegen welche normativen Vorgaben verstoßen haben soll, lassen sich dem klägerischen Vortrag nicht ansatzweise entnehmen. Ebenso wenig trägt die Klägerin substantiiert vor, dass und aus welchen Gründen es den von dem Beklagten ermittelten Zahlen an der Richtigkeit fehlen soll, die von ihr anhand des Melderegisters ermittelten und teilweise von den Feststellungen des Beklagten abweichenden Daten aber fehlerfrei und zutreffend sein sollen. Abgesehen von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZensG 2011 (vgl. dazu obige Ausführungen) benennt die Klägerin in ihren umfangreichen schriftsätzlichen Ausführungen keine einzige konkrete Vorschrift, die aus ihrer Sicht nicht korrekt angewandt wurde. Sie beschreibt auch keine konkreten Ermittlungs- oder Rechenschritte, bei denen sich der Beklagte (vermeintlich) nicht an die maßgeblichen Vorgaben (welche?) gehalten hat. Ohne eine entsprechende Konkretisierung fehlen jedoch auch im gerichtlichen Verfahren hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine weitergehende Überprüfung. Gerichte sind nicht gehalten, ohne konkrete Hinweise „ungefragt“ auf Fehlersuche zu gehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1/01 -, BVerwGE 116, 188, juris, Rn. 43). Dementsprechend fordert die gerichtlich gebotene Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch nicht, ohne entsprechende Anhaltspunkte oder klägerische Rügen eine behördliche Maßnahme auf alle (potentiell) denkbaren Fehler zu überprüfen (BVerwG, Beschl. v. 22.2.2018 - 9 B 26/17 -, juris, Rn. 18).

Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, dass der Beklagte verpflichtet sei, die festgestellte Einwohnerzahl „auf die Person genau nachzuweisen“ (so die Formulierung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 5.12.2018, Bl. 95 GA), ist ihr zudem entgegenzuhalten, dass Kommunen keinen Anspruch auf Feststellung der „einzig richtigen“ Einwohnerzahl haben. Die Ermittlung der "wahren" oder "richtigen" Einwohnerzahl kann schon deshalb nicht gefordert werden, weil jede statistische Erhebung, d.h. sowohl Stichprobenerhebungen als auch Vollerhebungen, Messfehler in Form von systematischen und zufälligen Fehlern aufweisen (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 167). Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (vgl. BT-Drucks. 16/12219, S. 31) und hat dem u.a. durch die Regelungen in § 7 Abs. 1 Satz 2 ZensG 2011 Rechnung getragen (vgl. dazu obige Ausführungen; vgl. auch: VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 57; VG Regensburg, Urt. v. 6.8.2015 - RO 5 K 13.2149 -, juris, Rn. 285; VG Schleswig, Urt. v. 19.12.2019 - 12 A 48/16 -, juris, Rn. 80). Gefordert werden kann somit nur das zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Zwecke notwendige Maß an Genauigkeit im Sinne einer realitätsnahen Ermittlung (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 166 f.; VG Schleswig, Urt. v. 19.12.2019 - 12 A 48/16 -, juris, Rn. 96). Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine Rechtspflicht des Beklagten bestehen, die „wahren" oder "richtigen" Einwohnerzahlen in ihrem Stadtgebiet „auf die Person genau nachzuweisen“.

Der pauschale Einwand der Klägerin, dass die von dem Beklagten im angefochtenen Bescheid festgestellte Einwohnerzahl von der von ihr anhand des Melderegisters ermittelten Zahl abweiche, verhilft ihrem Rechtschutzbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Verfahren des Zensus 2011 gemäß § 1 Abs. 2 ZensG 2011 darauf basiert, Daten aus verschiedenen Quellen - aus den Melderegistern, den Registern der Bundesagentur für Arbeit und der öffentlichen Hand, aus der postalischen Gebäude- und Wohnungszählung sowie aus Stichprobenbefragungen und Befragungen von Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Anstalten, Notunterkünften, Wohnheimen und ähnlichen Einrichtungen - zu erheben und zusammenzuführen (vgl. auch BT-Drucks. 16/12219, S. 21). Insofern liegt es in der Natur der Sache, dass die Berücksichtigung von mehreren verschiedenen Quellen zu einem anderen Ergebnis führt, als wenn ausschließlich eine einzige Quelle - etwa das Melderegister - herangezogen wird (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 19.12.2019 - 12 A 48/16 -, juris, Rn. 120). Schon aus diesem Grund ist der Einwand der Klägerin, dass die von dem Beklagten festgestellte Einwohnerzahl von der von ihr anhand des Melderegisters ermittelten Zahl abweiche, nicht geeignet, die von ihr pauschal behauptete Fehlerhaftigkeit der von dem Beklagten ermittelten Daten hinreichend zu substantiieren.

Darüber hinaus stellt eine Übermittlung weder anonymisierter noch statistisch aufbereiteter, also noch personenbezogener Daten zum Zwecke des Verwaltungsvollzugs nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, a.a.O., juris, Rn. 201 ff.). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht im sog. Volkszählungsurteil das damalige Volkszählungsgesetz u.a. deshalb als verfassungswidrig eingestuft, weil dieses Gesetz einen Abgleich der in der Volkszählung ermittelten Daten mit denjenigen der Melderegister vorsah und dieser Abgleich einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellte (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, a.a.O. juris, Rn. 201 ff.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist hieraus der - häufig als "Rückspielverbot" bezeichnete - Schluss gezogen worden, dass Überprüfungen eines Volkszählungsergebnisses in Rechtsbehelfsverfahren, die auf einen solchen Abgleich hinauslaufen würden, ebenfalls unzulässig sind (vgl. Hessischer VGH, Urt. v. 19.9.1991 - 6 UE 2588/89 -, juris, Rn. 40; Bayerischer VGH, Urt. v. 21.12.1994 - 4 B 93.244 -, juris, Rn. 37; VG Bremen, Urt. v. 6.11.2014 - 4 K 841/13 -, juris, Rn. 84; VG Potsdam, Beschl. v. 21.4.2015 - 12 L 450/15 -, juris, Rn. 15). Dies steht auch einer Akteneinsicht in nicht anonymisierte Erhebungsunterlagen und deren unmittelbarer gerichtlicher Überprüfung entgegen (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 -, a.a.O., juris, Rn. 225). Auch vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich die Fehlerhaftigkeit der von dem Beklagten ermittelten Zahlen aus einem Abgleich mit den Daten des Melderegisters ergäbe.

Aus den bisherigen Ausführungen folgt zugleich, dass es vorliegend auch nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, wer die Beweislast für die von der Klägerin angeführte „Nichterweislichkeit“ trägt. Der entsprechende Einwand der Klägerin läuft dabei bereits deshalb ins Leere, weil die Frage, wer die (materielle) Beweislast trägt, anhand der Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Norm zu ermitteln ist (st. Rspr., vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 13.10.1988 - 5 C 35/85 -, BVerwGE 80, 290, juris, Rn. 15; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124, Rn. 192, jeweils m.w.N.), die Klägerin aber lediglich pauschal die Richtigkeit der von dem Beklagten ermittelten Daten bestreitet, ohne eine konkrete Norm zu nennen, gegen die der Beklagte aus ihrer Sicht verstoßen haben soll. Abgesehen davon sind sowohl die von der Klägerin angeführte „Nichterweislichkeit“ als auch die zwischenzeitlich erfolgte Löschung von Daten durch der vorliegenden Fallkonstellation innewohnende, oben näher beschriebene tatsächliche und rechtliche Besonderheiten bedingt und somit nicht geeignet, einen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu begründen.

(c) Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass die Feststellungen des Beklagten keineswegs über jeden Richtigkeitszweifel erhaben seien und in diesem Zusammenhang auf eine E-Mail des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) an einen Mitarbeiter des Landkreises Göttingen vom 31. Mai 2013 (siehe Bl. 236 GA) sowie auf ein an die Klägerin gerichtetes Schreiben des Beklagten vom 4. Februar 2014 (siehe Bl. 237 GA) verweist, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Dies folgt bereits daraus, dass den von der Klägerin vorgelegten Schreiben zu entnehmen ist, dass die darin angeführten Fehler vor Abschluss des Verfahrens erkannt und behoben wurden. So wird in beiden Schreiben ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass der Klägerin „schnellstmöglich neue Übersichten mit den korrigierten Summen“ (E-Mail vom 31.5.2013) bzw. „die korrigierte Version des erweiterten Datenblatts“ (Schreiben vom 4.2.2014) übersandt werden. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass bzw. in welchem Umfang sich die in den vorgelegten Schreiben erwähnten Fehler (noch) auf das Ergebnis der streitgegenständlichen Feststellung der Einwohnerzahl ausgewirkt hätten. Abgesehen davon ist auch in diesem Zusammenhang auf obige Ausführungen dazu zu verweisen, dass jede statistische Erhebung im gewissen Umfang Fehlern unterliegt. Dass aufgrund der in den vorgelegten Schreiben erwähnten Fehlern insgesamt davon auszugehen wäre, dass die Feststellungen des Beklagten nicht mehr das notwendige Maß an Genauigkeit im Sinne einer realitätsnahen Ermittlung aufweisen, ist weder von der Klägerin vorgetragen noch für den Senat ersichtlich.

II. Die Berufung kann auch nicht wegen des Vorliegens eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuglassen werden. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Klägerin trägt zur Begründung eines Verfahrensfehlers vor, dass ihr das Verwaltungsgericht durch die von ihm verlangten, überzogenen Anforderungen an die Darlegung der Klagebefugnis die Möglichkeit genommen habe, die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids materiell-rechtlich überprüfen zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien Fehler bei der Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen als Verfahrensfehler zu werten. Vorliegend sei anzunehmen, dass sich das Verwaltungsgericht im Einzelnen mit den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids auseinandergesetzt hätte, wenn es die Klagebefugnis nicht verneint hätte.

Mit diesem Vorbringen ist ein Verfahrensfehler nicht dargelegt. Zwar kann grundsätzlich in der Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil ein Verfahrensfehler liegen (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124, Rn. 187 und Rn. 195, jeweils m.w.N.). Dies ist jedoch nur der Fall, wenn eine solche Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, z.B. einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte. Wenn indessen das Verwaltungsgericht deshalb zu einem Prozessurteil gelangt ist, weil es den Sachverhalt infolge seiner materiell-rechtlichen Beurteilung unter eine zutreffend erkannte Prozessvoraussetzung fehlerhaft subsumiert hat, liegt kein Verfahrensfehler vor (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.2.1998 - 1 B 12/98 -, juris, Rn. 5). So liegt der Fall hier. Wie sich aus obigen Ausführungen unter I. ergibt, hat das Verwaltungsgericht vorliegend nicht die Begriffsinhalte von § 42 Abs. 2 VwGO verkannt, sondern lediglich fehlerhaft unter eine zutreffend erkannte Prozessvoraussetzung subsumiert.

Darüber hinaus fehlt es vorliegend an der in § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geforderten Möglichkeit, dass die Entscheidung auf dem (vermeintlichen) Verfahrensmangel beruhen kann. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO fordert dabei eine sog. doppelte Erheblichkeits- bzw. Kausalitätsprüfung (vgl. Roth, in: Posser/Wolff, a.a.O., Rn. 87, m.w.N.). Danach ist zum einen zu prüfen, ob der Verfahrensmangel nach Maßgabe der Auffassung des Verwaltungsgerichts ursächlich für das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung gewesen sein kann. Zum anderen ist zu prüfen, ob der Verfahrensmangel nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den Ausgang des angestrebten Berufungsverfahrens von Bedeutung wäre (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.3.2004 - 3 A 4016/02 -, juris, Rn. 3; Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124, Rn. 219; Roth, in: Posser/Wolff, a.a.O., Rn. 87 ff.). Beides ist hier nicht der Fall. Hätte das Verwaltungsgericht die Klage nicht bereits mangels Klagebefugnis als unzulässig erachtet, wäre es auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen und seiner Rechtsauffassung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage jedenfalls aus materiell-rechtlichen Gründen abzuweisen gewesen wäre, weil die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheids rechtfertigen. Darüber hinaus lässt sich vorliegend, wie oben unter I. ausgeführt, bereits im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren im Ergebnis richtig entschieden hat, weil die Klage im angestrebten Berufungsverfahren - auch nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - als unbegründet abgewiesen werden müsste. Demnach ist die vom Verwaltungsgericht vertretene Ansicht, der Klägerin fehle es an der Klagebefugnis, für den Ausgang des angestrebten Berufungsverfahrens ohne Bedeutung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).