Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.05.2021, Az.: 1 KN 90/19

Bebauungsplan; Bestandsschutz; dynamisch; Gewerbebetrieb; Immission; Immissionen; Immissionsrichtwert; Immissionsschutz; Lärm; Lärmimmissionen; Mischgebiet; Schallschutz; Sondergebiet; Trennungsgebot; Trennungsgrundsatz; Wohnbebauung; Wohnbebauung, heranrückende; Wohnen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.05.2021
Aktenzeichen
1 KN 90/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71165
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ermöglicht ein Bebauungsplan erstmals das Entstehen von Wohnbebauung in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem lärmintensiven Gewerbebetrieb, verlangt der Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG die Sicherstellung, dass entweder die von dem Gewerbebetrieb zulässigerweise ausgehenden Immissionen rechtswirksam begrenzt sind bzw. werden oder die Festsetzung von aktivem und/oder passivem Schallschutz verträgliche Wohnverhältnisse ermöglicht.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 15. Juni 2017 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 22 „Gadenstedter Weg“, zugl. 1. Änd. Gewerbegebiet Gadenstedter Weg und 1. Änderung SO Reittherapie, ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 22 „Gadenstedter Weg“ der Antragsgegnerin, weil dieser Wohnbebauung in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrem Betriebshof zulässt.

Die Antragstellerin ist der Abfallwirtschafts- und Beschäftigungsbetrieb des Landkreises F-Stadt, der unter der Anschrift J. im Ortsteil K. der Antragsgegnerin einen Betriebshof unterhält. Das am südwestlichen Ortsrand gelegene Betriebshofgelände grenzt im Osten - getrennt durch einen Grünzug - an Wohnbebauung und im Süden an den im Eigentum der Beigeladenen zu 1. und 2. stehenden Reiterhof, der u.a. therapeutisches Reiten für Menschen mit Behinderungen anbietet. Der Reiterhof liegt in einem zu diesem Zweck mit Bebauungsplan Nr. 20 aus dem Jahr 2012 festgesetzten Sondergebiet Reittherapie.

Westlich an den Betriebshof grenzt ein mit Bebauungsplan Nr. 18 aus dem Jahr 2006 festgesetztes Gewerbegebiet. Dessen Flächen werden nur im äußersten Westen (Grundstück E-Straße) von dem Metallbaubetrieb des Beigeladenen zu 3. ausgenutzt. Auf diesem Grundstück wurde Mitte der 1960er Jahre eine Kittfabrik genehmigt und errichtet. Zu der Kittfabrik gehörte ein Wohn- und Geschäftshaus mit drei Wohnungen. Nach Aufgabe der Fabrik Ende 2005 und Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 18 im Jahr 2006 wurde dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 3. im August 2007 eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Umnutzung eines Fabrikgeländes zu einem Betriebsgebäude für Metallverarbeitung mit Lagerräumen“ erteilt. Auflage Nr. 3.5 der Baugenehmigung bestimmt, dass auf dem gesamten Betriebsgelände u.a. die TA Lärm einzuhalten ist. Ergänzend heißt es im Auflagenvorbehalt Nr. 1, sollte es in der Nachbarschaft zu Beeinträchtigungen durch Schall (oder Gerüche/Staub) kommen, seien diese gutachterlich zu überprüfen. Eventuell erforderliche Maßnahmen seien seitens des Gutachters auszuarbeiten und von der Betreiberin/Antragstellerin/Eigentümerin der angezeigten Maßnahmen umzusetzen. Die Bauvorlagen weisen weiterhin - auf die Wohnungen bezieht sich die Umnutzung nicht - eine Wohnung im 1. OG und zwei Wohnungen im 2. OG aus. In der grüngestempelten Beschreibung sind die Betriebszeiten an Werktagen mit 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr angegeben.

Die übrigen Flächen des Gewerbegebiets sind ungenutzt und stehen ebenfalls im Eigentum der Beigeladenen zu 1. und 2. Im Norden trennt der Gadenstedter Weg Gewerbegebiet und Betriebshof von landwirtschaftlich genutzten Außenbereichsflächen.

Das Betriebshofgelände der Antragstellerin ist im Westen sowie im Südosten mit mehreren Hallen bebaut. Dazwischen befindet sich eine großzügige Hoffläche. Im nördlichen Bereich liegen Mitarbeiterstellplätze, eine Tankstelle sowie ein Sozial- und Verwaltungsgebäude. Von dem Betriebshof starten die Touren von rund 30 Müllfahrzeugen. Genutzt werden Hallen und Hof zum Abstellen, Betanken, Warten und Reparieren der Fahrzeuge sowie von Abfallbehältern aller Art und Größe. Nach der vom Landkreis F-Stadt für das Grundstück J. vorgelegten Bauakte wurde die Errichtung des Betriebshofes durch Bauschein vom 3. Januar 1972 genehmigt. In dem Bauschein heißt es unter anderem: „Aufgrund des Immissionsschutzes für das benachbarte WA-Gebiet bestehen ebenfalls dann keine Bedenken, wenn sichergestellt wird, dass das anschließende Wohngebiet durch Anordnung eines entsprechend breiten Grünzuges vom Betriebsgrundstück des Betriebshofes (Gewerbegebiet) abgeschirmt wird.“ Eine Betriebsbeschreibung im eigentlichen Sinne, insbesondere eine Festlegung von Betriebszeiten, findet sich nicht.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, das Sondergebiet Reittherapie nach Westen zu erweitern und das Gewerbegebiet in ein Mischgebiet umzuwandeln. Ziel der die bestehenden Bebauungspläne ersetzenden Planung ist es einerseits, dem Reiterhof eine Betriebserweiterung zu ermöglichen, und angesichts der fehlenden Vermarktbarkeit der unbesetzten Gewerbeflächen andererseits Wohnbebauung generell zuzulassen. Zu diesem Zweck setzt der Plan im Südosten des bisherigen Gewerbegebiets ein Sondergebiet Reittherapie fest, in dem neben betrieblichen Einrichtungen Wohnen allgemein zulässig ist. In der textlichen Festsetzung (TF) 1 wird dem Gebiet der Schutzanspruch eines Dorfgebietes zugewiesen. Im Norden und Westen schließen sich in umgekehrter L-Form Mischgebiete an. Für den bestehenden Metallbaubetrieb erfolgt in TF 2 eine ergänzende Fremdkörperfestsetzung einschließlich der Vorgabe in Gestalt eines Zaunwertes, an der östlichen Gebietsgrenze die Immissionsrichtwerte eines Mischgebiets einzuhalten. Im Süden sieht der Plan im Übergang zur freien Landschaft private Grünflächen vor.

Den Planaufstellungsbeschluss zu dem im beschleunigten Verfahren erarbeiteten Plan fasste der Rat der Antragsgegnerin am 17. März 2016. Es folgten noch im Jahr 2016 die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung sowie die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange. Die Antragstellerin erhob Einwendungen und rügte, dass die von ihrem Betriebshof ausgehenden Lärmbelästigungen in dem zu diesem Zeitpunkt nur den Metallbaubetrieb betrachtenden Schallgutachten unberücksichtigt geblieben seien. Diese ließen westlich angrenzende Wohnbebauung nicht zu. Die öffentliche Auslegung folgte in der Zeit vom 21. November bis zum 21. Dezember 2016; auch hier erhob die Antragstellerin Einwendungen. Insbesondere trug sie vor, dass ihre Baugenehmigung einen Betriebsbeginn vor 6:00 Uhr gestatte und sie die Einführung eines Schichtbetriebs mit der Folge eines früheren Beginns erwäge. Auch darüber hinaus sei das Schallgutachten unzureichend. Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt B-Stadt machte zudem Bedenken mit Blick auf die Emissionen des Metallbaubetriebs geltend; die Planung könne Betriebseinschränkungen erfordern.

Die Antragsgegnerin veranlasste daraufhin eine schalltechnische Untersuchung auch des Betriebshofs. Die Untersuchung vom 27. Februar 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass die von dem Betriebshof ausgehenden Lärmimmissionen im geplanten Mischgebiet nicht zu Richtwertüberschreitungen führen, sondern um rund 5 dB(A) unter den zulässigen Werten liegen würden. Die von dem Metallbaubetrieb ausgehenden Immissionen überschritten dagegen bei von der Baugenehmigung abgedecktem Betrieb mit offenen Hallenfenstern und Toren Mischgebietswerte um bis zu rund 10 dB(A). Würden Fenster und Tore geschlossen gehalten, seien Mischgebietswerte eingehalten.

Der Rat der Antragsgegnerin wies daraufhin in seiner Sitzung vom 15. Juni 2017 die Einwendungen zurück und beschloss den Bebauungsplan als Satzung. Die dem Betriebshof benachbarten Mischgebietsgrundstücke müssten eine Immissionsbelastung von insgesamt maximal 55 dB(A) hinnehmen; vor diesem Hintergrund müsse der Betriebshof Einschränkungen seiner Betriebsführung nicht befürchten. Dabei sei eine Nachtnutzung nicht betrachtet worden, weil diese baugenehmigungspflichtig sei und insoweit die östlich angrenzenden Wohngebiete die bestimmenden Faktoren seien. Zu den Einwendungen des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes heißt es, der betroffene Metallbaubetrieb sei sich als Mitveranlasser der Planung über die Konsequenzen der Planfestsetzungen bewusst. Den Plan machte die Antragsgegnerin nach Ausfertigung im Amtsblatt des Landkreises F-Stadt vom 12. Juni 2018 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 215 BauGB bekannt.

Die Antragstellerin hat am 11. Juni 2019 Normenkontrollantrag gestellt, der der Antragsgegnerin am 21. Juni 2019 zugestellt worden ist. Zur Begründung trägt sie vor, die Antragsgegnerin habe es versäumt, die von dem Betriebshof ausgehenden Immissionen zutreffend zu ermitteln. Die schalltechnische Untersuchung weise eine Vielzahl von Mängeln auf und unterschätze die Immissionsbelastung systematisch. Insbesondere sei die baugenehmigte Betriebsweise zu berücksichtigen, die einen Nachtbetrieb einschließe. Insgesamt sei davon auszugehen, dass aufgrund des Betriebshofs die Immissionsrichtwerte im Mischgebiet überschritten würden. Für sie komme erschwerend hinzu, dass der Betriebshof nunmehr von Wohnbebauung eingefasst werde, was ihren Betrieb zukünftig in der einzigen noch nicht eingeschränkten Richtung behindern werde. Defizitär sei auch die Behandlung des Metallbaubetriebs des Beigeladenen zu 3. Zudem leide der Plan darunter, dass es sich bei den Gebietsfestsetzungen um einen Etikettenschwindel handele; tatsächlich gehe es allein darum, Wohnen in der Nachbarschaft zu störenden Betrieben allgemein zuzulassen.

Die Antragstellerin beantragt zu erkennen:

Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 22 „Gadenstedter Weg“, zugleich erste Änderung Nr. 18 Gewerbegebiet „Gadenstedter Weg“ und erste Änderung Nr. 20 „Sondergebiet Reittherapie“, K., bekannt gemacht am 12. Juni 2018, ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verweist darauf, dass die Antragstellerin binnen Jahresfrist keine Mängelrüge erhoben habe und verteidigt die im Planaufstellungsverfahren eingeholte schalltechnische Untersuchung. Die Eingabedaten seien zutreffend; jedenfalls bestehe bei einer Unterschreitung der Immissionsrichtwerte um mindestens 5 dB(A) eine so deutliche Reserve, dass es auf etwaige kleinere Korrekturnotwendigkeiten nicht ankomme. Einen Nachtbetrieb habe sie, da ein solcher nicht genehmigt sei, nicht berücksichtigen müssen. Der Metallbaubetrieb sei fehlerfrei betrachtet worden. Ein Betrieb mit geöffneten Fenstern und Türen sei diesem auch vor der Bebauungsplanänderung nicht gestattet gewesen, weil die versachten Immissionen auf den Nachbargrundstücken dann weit oberhalb auch der in einem Gewerbegebiet zulässigen Immissionsrichtwerte gelegen hätten. Ein solcher Betrieb entspreche im Übrigen weder dem Gebot der Rücksichtnahme noch dem Stand der Technik. Ein Etikettenschwindel liege nicht vor; insbesondere sei nicht wesentlich störendes Gewerbe im Mischgebiet weiterhin erwünscht. Lediglich reines Gewerbe solle zukünftig auf einer ehemaligen Industriebrache in A-Stadt untergebracht werden. Fehlerfrei sei es auch, dem Sondergebiet den Schutzanspruch eines Dorfgebietes zuzuweisen. Weder sei dort ein gesteigertes Ruhebedürfnis zu erkennen, noch ließen die Lage am Dorfrand und die Anwesenheit von Pferden eine andere Einstufung zu.

Auch die Beigeladenen zu 1. und 2. treten dem Antrag in der Sache entgegen. Die in der schalltechnischen Untersuchung verwendeten Daten beruhten auf Auskünften von Mitarbeitern der Antragstellerin. Zu dem Grundstück des Metallbaubetriebs sei anzumerken, dass auf dem Grundstück bereits heute vier bis fünf Wohnungen zur allgemeinen Wohnnutzung genehmigt seien. Insgesamt berücksichtige die Planung das bereits heute vorhandene Nebeneinander verschiedener Nutzungen.

Der Beigeladene zu 3. hat sich schriftsätzlich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Vorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.

I. Der Normenkontrollantrag ist zulässig; insbesondere ist die Antragstellerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Nach dieser Vorschrift ist im Normenkontrollverfahren eine Person nur antragsbefugt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Auf einen solchen Belang kann sich die Antragstellerin mit Erfolg berufen. Im Rahmen der Bauleitplanung abwägungserheblich war ihr im Planaufstellungsverfahren mehrfach reklamiertes Interesse, ihren Betrieb entsprechend der ihr erteilten Baugenehmigung fortführen zu können, ohne dass es zu Immissionskonflikten mit westlich neu entstehender Wohnbebauung kommt. Es erscheint auch möglich, dass die Antragsgegnerin diesen Belang fehlerhaft behandelt hat, indem sie die Immissionsbelastung des Plangebiets unterschätzt hat.

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet.

Der Bebauungsplan ist im Ergebnis in zweifacher Hinsicht abwägungsfehlerhaft (§ 1 Abs. 7 BauGB), weil der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Der Plan verstößt gegen das Trennungsgebot des § 50 Satz 1 BImSchG. Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind danach die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander unter anderem so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete so weit wie möglich vermieden werden. Dabei umfasst der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen nicht nur Gefahren im sicherheitsrechtlichen Sinne, sondern auch erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft. Eine Bauleitplanung ist regelmäßig verfehlt, wenn sie unter Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz dem Wohnen dienende Gebiete anderen Gebieten so zuordnet, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die Wohngebiete nicht soweit wie möglich vermieden werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 = BRS 80 Nr. 130 = juris Rn. 164; Urt. v. 19.4.2012 - 4 CN 3.11 -, BVerwGE 143, 24 = BRS 79 Nr. 20 = juris Rn. 28 f.). So liegt der Fall hier.

1. Der Bebauungsplan setzt Mischgebiete gemäß § 6 BauNVO in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem im Westen des Plangebiets ansässigen Metallbaubetrieb des Beigeladenen zu 3. fest. Dieser Betrieb führt ausweislich der schalltechnischen Untersuchung mit Stand vom 27. Februar 2017 dazu, dass bei nach Osten hin geöffneten Fenstern und Toren die für Mischgebiete geltenden Immissionsrichtwerte tagsüber um bis zu 9,6 dB(A) überschritten werden und mit rund 70 dB(A) ein gesundheitsgefährdendes und damit nicht hinzunehmendes Ausmaß erreichen. Erheblich überschritten sind auch die Spitzenpegel, und zwar um bis zu 7,3 dB(A). Nur bei nach Osten geschlossenen Fenstern und Toren wären die Richtwerte eingehalten; während der Hämmerarbeiten müssen zur Einhaltung der Spitzenpegel sogar alle Fenster und Tore auch nach Westen geschlossen sein. Dem Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG wäre vor diesem Hintergrund nur dann entsprochen, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sichergestellt gewesen wäre, dass der Betrieb des Beigeladenen zu 3. zukünftig mit geschlossenen Fenstern und Toren arbeitet. Das war jedoch nicht der Fall.

Die für den Betrieb des Beigeladenen zu 3. erteilte Baugenehmigung enthält keine dahingehende Verpflichtung. Zwar bestimmt diese, dass auf dem gesamten Betriebsgelände die TA Lärm einzuhalten ist. Eine wirksame Immissionsbegrenzung zugunsten der Nachbarschaft ist mit dieser Regelung jedoch nicht verbunden. Denn die TA Lärm regelt nicht die Immissionsbelastung des Betriebsgeländes selbst, sondern dient der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG in Bezug auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft der emittierenden Anlage. Vor diesem Hintergrund geht die Auflage bei wörtlicher Betrachtung ins Leere. Auch eine Auslegung dahingehend, dass nicht auf das Betriebsgelände, sondern auf schutzbedürftige Nutzungen in der Nachbarschaft abzustellen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn in diesem Fall wären in der Nachbarschaft allenfalls die zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblichen höheren Gewerbegebietswerte einzuhalten, nicht aber Mischgebietswerte, wie dies die vorliegende Planung grundsätzlich erfordert.

Auch eine wirksame Selbstverpflichtung des Beigeladenen zu 3., bei seiner zukünftigen Betriebsführung Fenster und Tore geschlossen zu halten, lag zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht vor. Eine solche Selbstverpflichtung folgt insbesondere nicht daraus, dass der Beigeladene zu 3. in das Planaufstellungsverfahren eingebunden war und gegen die erforderlichen Begrenzungen seiner Betriebsführung keine Einwände erhoben hat. Das allein aktenkundige Schweigen des Beigeladenen zu 3. bewirkt für die zukünftigen Eigentümer der Flächen in seiner Nachbarschaft keine Rechtssicherheit dahingehend, dass die Betriebsführung zukünftig mit geschlossenen Fenstern und Toren erfolgt. Das Schweigen ist im Gegenteil interpretationsfähig; insbesondere ist auch keinesfalls gewährleistet, dass sich ein nicht emissionsgeminderter Betrieb als gegen Treu und Glauben verstoßend und daher als rechtsmissbräuchlich darstellen würde. Daran ändert es im Ergebnis nichts, dass der Beigeladene zu 3. in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, seine Werkhalle verfüge über eine leistungsfähige Lüftungsanlage, sodass er schon heute mit geschlossenen Fenstern und Toren arbeite. Selbst wenn das der Fall ist, führt dies angesichts der uneingeschränkt erteilten Baugenehmigung und der fehlenden rechtswirksamen Selbstverpflichtung nicht die zur Konfliktbewältigung erforderliche Rechtssicherheit herbei.

Eine wirksame Emissionsbegrenzung folgt entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung der Antragsgegnerin nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG. Nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen sind danach so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (1.), und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden (2.). Richtig ist zwar, dass sich das Recht des Beigeladenen zu 3., entsprechend der ihm erteilten Baugenehmigung zu wirtschaften, nur in den Grenzen entfalten kann, die ihm das Immissionsschutzrecht lässt, und dieses Recht dynamisch angelegt ist. Die Grundpflichten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind nicht nur im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage, sondern in der gesamten Betriebsphase zu erfüllen. Sie wirken unmittelbar. Der Betreiber kann sich nicht darauf berufen, dass der Genehmigungsbescheid - wie hier die bestandskräftige Baugenehmigung - keine konkreten Anforderungen an den Schutz der Nachbarschaft stellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.5.1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235 = juris Rn. 26).

Dies stellt jedoch nicht hinreichend sicher, dass der Beigeladene zu 3. tatsächlich nur mit geschlossenen Fenstern und Toren arbeiten darf und wird. Erstens ist fraglich, ob § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG tatsächlich zu einem Betrieb mit geschlossenen Fenstern und Toren zwingt, wenn dem etwa die Anforderungen des Arbeitsschutzes, konkret der Belüftung der Arbeitsplätze, entgegenstehen sollten. Zweitens tritt hinzu, dass die Durchsetzung der Grundpflichten gemäß § 24 BImSchG nach Ermessen erfolgt und keinesfalls gesichert ist, dass nur eine Entscheidung zum Einschreiten rechtsfehlerfrei wäre. Aufgrund dieser Unsicherheiten hätte die Antragsgegnerin vor Satzungsbeschluss zumindest sicherstellen müssen, dass sich unter Rückgriff auf §§ 22, 24 BImSchG die erforderliche Betriebsweise des Betriebs des Beigeladenen zu 3. gewährleisten lässt. Das fehlt.

Den erforderlichen Immissionsschutz hat die Antragsgegnerin schließlich nicht dadurch bewirkt, dass sie in TF 2 des Bebauungsplans einen auf den Betrieb des Beigeladenen zu 3. bezogenen Zaunwert aufgenommen hat, wonach an der östlichen Gebietsgrenze die Immissionsrichtwerte eines Mischgebiets einzuhalten sind. Entgegen der in der Planbegründung wohl zum Ausdruck kommenden Auffassung entfaltet diese Festsetzung nur Wirkungen für zukünftig zu erteilende Baugenehmigungen, lässt aber die bestehende Baugenehmigung und die mit ihr genehmigte Betriebsweise unberührt. Vor diesem Hintergrund ist die Festsetzung ungeeignet, einen bereits bestehenden Immissionskonflikt zu lösen.

2. Gegen den Trennungsgrundsatz verstößt der Plan zudem mit Blick auf den Betriebshof der Antragstellerin. Dieser verfügt über eine Baugenehmigung, die keine Betriebszeiten vorgibt, sodass grundsätzlich von einem zulässigen Betrieb rund um die Uhr auszugehen ist. Eine (implizite) Begrenzung folgt insbesondere nicht aus der Art des Betriebs. Für einen Abfallwirtschafts- und Beschäftigungsbetrieb, der nach Maßgabe der Baugenehmigung vormals auch zum Abstellen von Schulbussen diente, ist es keinesfalls typisch, dass der Betrieb erst um 6:00 Uhr oder später aufgenommen wird. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang zudem schon im Planaufstellungsverfahren plausibel dargelegt, dass sie die Einführung eines Schichtbetriebs erwäge, der zu einem Betriebsbeginn vor 6:00 Uhr führe. Die Baugenehmigung steht dieser Erwägung nicht entgegen.

Der damit zulässige Nachtbetrieb, der im Grundsatz dem Tagbetrieb entspräche, führte dazu, dass die Immissionsrichtwerte eines Mischgebietes im Plangebiet ohne Vorkehrungen zum Immissionsschutz in nicht hinzunehmender Weise überschritten wären. Die Werte dürften im Grundsatz denen der Tagwerte entsprechen und lägen dann in erheblichen Teilen der zum Wohnen zugelassenen Flächen oberhalb des Immissionsrichtwertes von 45 dB(A), wenn man - wie nach Nr. 6.4 TA Lärm gefordert - allein die lauteste Nachtstunde betrachtet. Tragfähige Gründe, dies ausnahmsweise hinzunehmen, sind nicht ersichtlich.

Zu Unrecht meint die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang, insofern bewirke bereits die östlich gelegene Wohnbebauung, dass die Antragstellerin (mindestens) auf ein mischgebietsverträgliches Maß an Emissionen begrenzt sei. Die Antragsgegnerin übersieht dabei, dass Schall richtungsabhängig ist und sich nach Westen abstrahlende Emissionen nicht zwangsläufig auch nach Osten (und Süden) hin in vergleichbarer Weise auswirken. Hinzu kommt, dass - möglicherweise aus Gründen der Rücksichtnahme auf die östliche Wohnbebauung - sowohl die besonders lärmintensive Werkstatt als auch die größere der beiden Fahrzeughallen nach Westen orientiert sind. Vor diesem Hintergrund durfte sich die Antragsgegnerin auf eine begrenzende Wirkung der vorhandenen Wohnbebauung auch zugunsten des Plangebiets nicht verlassen.

Nur ergänzend und mit Blick auf ein mögliches Heilungsverfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB - für das hiesige Verfahren sind die entsprechenden Einwände gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich - merkt der Senat zudem an, dass zumindest gute Gründe dafür sprechen, dass das schalltechnische Gutachten die von dem Betrieb der Antragstellerin ausgehenden Immissionen unterschätzt. Zugrunde zu legen wären erstens die genehmigten Betriebszeiten, soweit diese im Rahmen eines realistischen „Worst-Case-Szenarios“ zu erreichen sind. Zweitens dürfte es nicht ausreichend sein, pauschale Werte für das Schalldämmmaß der Hallenwände und -decken anzusetzen, wenn die tatsächlichen Werte vorliegen und sich als ungünstiger darstellen sollten. Drittens ist schon im Ausgangspunkt fraglich, ob ein Telefonat mit einem Mitarbeiter der Antragstellerin, bei dem nicht ersichtlich ist, dass diesem eine ausreichende Vorbereitung des Mitarbeiters vorangegangen ist, eine taugliche Grundlage für die Erfassung der Betriebsabläufe und der betriebsbedingten Emissionen darstellt. Möglicherweise - dies wäre im Rahmen einer etwaigen neuerlichen Begutachtung eingehend zu ermitteln - sind die Betriebsabläufe der Antragstellerin doch vielfältiger, als es das schalltechnische Gutachten zugrunde legt. Es greift jedenfalls zu kurz, Fehler, die bei einer derart kursorischen Ermittlung nahezu zwangsläufig auftreten dürften, mit einer unzureichenden Erfüllung von Mitwirkungspflichten seitens der Antragstellerin begründen zu wollen.

Auf die weiteren, voraussichtlich unberechtigten Einwände der Antragstellerin namentlich in Bezug auf das Vorliegen eines „Etikettenschwindels“ sowie die Bestimmung des Schutzanspruchs des Sondergebietes kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 708 Nr. 10 analog, § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.