Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.05.2021, Az.: 2 LB 622/18

Bachelorstudiengang; Bologna-Prozess; Diplomstudiengang; konsekutiv; Langzeitstudiengebühren; Masterstudiengang; Studienguthaben

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.05.2021
Aktenzeichen
2 LB 622/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71195
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 01.02.2017 - AZ: 6 A 434/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Erhöhung des für den gewählten grundständigen Studiengang gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG eingeräumten Studienguthabens in Höhe der Regelstudienzeit zuzüglich sechs weiterer Toleranzsemester um die Regelstudienzeit eines nachfolgenden konsekutiven Masterstudiengangs gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG erfolgt nur dann, wenn der belegte Masterstudiengang auf einem vorherigen Bachelorstudiengang des jeweiligen Studierenden aufbaut. Handelte es sich dagegen bei dem zuvor absolvierten Studium um einen Diplomstudiengang, kommt der Erhöhungstatbestand des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG nicht zum Tragen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 6. Kammer - vom 1. Februar 2017 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in der Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Langzeitstudiengebühren.

Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 2007 bei der Beklagten immatrikuliert. Vom Wintersemester 2007/2008 bis zum Sommersemester 2013 (12 Fachsemester) studierte sie im Studiengang Maschinenbau (Diplom). Dieses Studium schloss die Klägerin am 12. August 2013 erfolgreich mit der Diplomprüfung ab. Während ihres Diplomstudiums hat sie entsprechend der damaligen Rechtslage je Semester allgemeine Studiengebühren (Studienbeiträge) in Höhe von 500,- EUR gezahlt.

Im Anschluss hieran belegte die Klägerin ab dem Wintersemester 2013/2014 den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau (Master), welches sie im Wintersemester 2015/2016 (im 5. Fachsemester) erfolgreich beendete. Hieraufhin wurde sie zum 30. November 2015 bei der Beklagten exmatrikuliert. Während ihres Masterstudiums hatte die Klägerin bis zum Sommersemester 2014 weiterhin Studiengebühren zu zahlen, bevor die Erhebung von Studienbeiträgen in Niedersachsen ab dem Wintersemester 2014/2015 abgeschafft wurde.

Unter dem 8. Juni 2015 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Erhebung von Langzeitstudiengebühren gemäß § 13 NHG ab dem Wintersemester 2015/2016 an. Als Studienguthaben sei hierbei die Regelstudienzeit des gegenwärtig gewählten Studiengangs zuzüglich sechs weiterer Toleranzsemester zu Grunde zu legen. Der Klägerin sei für ihren derzeitigen Studiengang Wirtschaftsingenieur (Master) eine Regelstudienzeit von 10 Semestern zuzubilligen (6 Semester Regelstudienzeit Bachelor und 4 Semester Regelstudienzeit Master). Zusammen mit sechs weiteren Toleranzsemester belaufe sich ihr Studienguthaben auf 16 Semester. Dieses Guthaben sei mit Ende des Sommersemesters 2015 aufgebraucht.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Studienguthaben aufgebraucht sei und sie ab dem Wintersemester 2015/2016 Langzeitstudiengebühren in Höhe von 500,00 EUR pro Semester zu entrichten habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 20. Juli 2015 Klage erhoben und vorgetragen, dass es sich bei ihrem Masterstudium um ein Zweitstudium handele. Regelungen, wonach hierfür Studiengebühren zu entrichten seien, enthalte das NHG nicht. Im Übrigen verfüge sie über ein Studienguthaben in Höhe von 20 Semestern (10 Semester Regelstudienzeit Diplom, 4 Semester Regelstudienzeit Master sowie 6 Semester Toleranz). Dieses Guthaben sei im Wintersemester 2015/2016 noch nicht verbraucht gewesen. Ihr Masterstudium sei zu dem vorausgegangenen Diplomstudium Maschinenbau konsekutiv i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG, da sie mit dem Diplomstudium die Zugangsvoraussetzung zum Masterstudium erfüllt habe. Sie habe zu den letzten Studenten gehört, die das Studium Maschinenbau mit einem Diplom abgeschlossen hätten. Ein Bachelorstudium sei zur Zeit ihres Studienbeginns noch nicht angeboten worden. Eine Kombination bestehend aus einem Bachelor Maschinenbau und einem Master Wirtschaftsingenieurwesen sei daher damals noch nicht möglich gewesen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass mit den ab dem Wintersemester 2014/2015 geltenden Regelungen zu Langzeitstudiengebühren ein gewisser Ausgleich für den Wegfall der allgemeinen Studiengebühren habe geschaffen werden sollen. Aufgrund des Rückwirkungsverbots dürften die neuen Regelungen aber erst auf Sachverhalte angewandt werden, die ab dem Wintersemester 2014/2015 entstanden seien. Nachdem die Beklagte die streitigen Langzeitstudiengebühren für das Wintersemester 2015/2016 abgebucht habe, werde auch deren Rückzahlung begehrt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 aufzuheben und

2. die Beklagte zu verurteilen, 500,- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Zweitstudium bei der Berechnung des Studienguthabens über § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG berücksichtigt werde. Soweit sie bei der Berechnung zunächst fiktiv eine Bachelor-Master-Kombination unter Berücksichtigung von § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG unterstellt habe, habe sie die Klägerin privilegiert. Berücksichtige man als grundständigen Studiengang statt eines fiktiven Bachelor-Studiums mit sechs Semestern Regelstudienzeit das Diplomstudium der Klägerin mit zehn Semestern Regelstudienzeit, könne sie von der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG nicht profitieren. Der Master sei zum Diplom nicht konsekutiv, vielmehr entspreche ein Diplom bereits dem Master. Ein konsekutiver Master liege dann vor, wenn er an einen Bachelor anschließe, was regelmäßig auf eine Gesamtstudienzeit von zehn Semestern hinauslaufe. Allein deshalb, weil die Klägerin mit dem vorherigen Diplomstudiengang die Zugangsvoraussetzungen für den Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen erfüllt habe, liege kein konsekutiver Master vor. Hierfür spreche auch der Sinn und Zweck der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG. Mit dieser sollten Studenten begünstigt werden, bis sie das Maximum einer Bachelor- und Master-Kombination erreicht hätten. Diesen Rahmen habe die Klägerin aber bereits mit ihrem Diplomstudium ausgeschöpft. Eine Rückwirkungsproblematik bestehe bei der Erhebung von Langzeitstudiengebühren nicht, da die frühere Erhebung von allgemeinen Studiengebühren für die Betroffenen noch ungünstiger gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 1. Februar 2017 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat es zusammenfassend ausgeführt, dass das Studienguthaben der Klägerin im Wintersemester 2015/2016 noch nicht verbraucht gewesen sei. Dieses belaufe sich auf insgesamt 20 Semester. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG stehe der Klägerin aus dem von ihr gewählten grundständigen Diplomstudiengang Maschinenbau ein Studienguthaben in Höhe der Regelstudienzeit von 10 Semestern zuzüglich sechs weiterer Semester Toleranz zu. Es könne nicht fiktiv auf die kürzere Regelstudienzeit eines Bachelorstudiengangs abgestellt werden, da die Klägerin einen solchen nicht i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG „gewählt“ habe. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG sei dem Studienguthaben der Klägerin die Regelstudienzeit des von ihr belegten Masterstudienganges in Höhe von vier Semester hinzuzurechnen. Nach seiner Organisation und seinem Aufbau sei der Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen als konsekutiver Masterstudiengang anzusehen. Diese abstrakte Sichtweise sei ausschlaggebend und nicht der individuelle Studienverlauf des Betroffenen. Der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG sei nicht dahingehend eingeschränkt, dass es sich bei dem grundständigen Studiengang um einen Bachelorstudiengang handeln müsse. Auch den Gesetzesmaterialien lasse sich nicht entnehmen, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift auf Bachelor-Master-Kombinationen beschränkt werden sollte. Sinn und Zweck der Regelung stünden dem nicht entgegen. Die Langzeitstudiengebühr solle Studierende zu einem angemessenen Zeitmanagement anhalten und beruhe auf der erhöhten Inanspruchnahme der staatlich finanzierten Hochschulinfrastruktur. Wenn nach Erlangung eines ersten Studienabschlusses nach der alten Studienstruktur ein Masterstudium zur Erlangung des zur europaweiten Vereinheitlichung geschaffenen Masterabschlusses aufgenommen werde, könne keine solche erhöhte Inanspruchnahme vorgeworfen werden. Zudem habe die Beklagte mit der Zulassung der Klägerin zum Masterstudium ihr Diplom als äquivalent zu einem Bachelor-Studium angesehen. Diese Auslegung verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der sachliche Grund dafür, dass Studierende, die bereits aufgrund eines Diplomstudiengangs einen dem Master vergleichbaren Studienabschluss erlangt hätten, durch eine Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG in den Genuss eines höheren Studienguthabens kämen als Studierende der Bachelor-Master-Kombination, liege darin, dass erstere durch die Umstellung auf das Bologna-System benachteiligt worden seien. Zu Beginn ihres Studiums hätten sie sich noch nicht für einen der neuen, europaweit einheitlichen Abschlüsse entscheiden können. Eine Reduktion des Studienguthabens der Klägerin nach § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG sei schließlich nicht anzunehmen, da ein „vorangegangenes Studium“ im Sinne dieser Vorschrift nur ein solches sein könne, welches vor dem grundständigen Studiengang i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG absolviert worden sei.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die der Senat mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 (2 LA 144/17) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen hat.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, dass das Verwaltungsgericht den Begriff „konsekutiv“ in § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG falsch ausgelegt habe. Der Wortlaut spreche dafür, den Begriff so zu verstehen, dass ein vorangegangenes Bachelorstudium fortgesetzt werde. Ein konsekutiver Master führe einen vorangegangenen Bachelor inhaltlich fort, vertiefe bzw. - soweit der fachliche Zusammenhang gewahrt bleibe - erweitere ihn. Ein solches Ineinandergreifen der beiden Studiengänge sei nicht gegeben, wenn dem Master ein Diplomstudiengang vorausgegangen sei. Auch in systematischer Hinsicht spreche vieles dafür, dass ein Konsekutivitätsverhältnis beim jeweiligen Studenten bestehen müsse. § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG sei als Ausnahmevorschrift tendenziell eng zu lesen. Auch im BAföG-Recht werde der Grundanspruch auf Ausbildungsförderung bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss im Hinblick auf ein Masterstudium gemäß § 7 Abs. 1a BAföG nur erweitert, soweit dieser auf einem Bachelor aufbaue. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstoße § 12 NHG nicht gegen den Grundsatz der Normenklarheit. Darüber hinaus sei eine Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG, wie die Klägerin meine, fernliegend, da in §§ 12, 13 NHG keine Strafandrohung ausgesprochen werde. In teleologischer Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG eine Besserstellung derjenigen Masterstudenten, die noch keine Bachelor-Master-Kombination hätten wählen können und über ein vorangegangenes Diplomstudium die Zugangsvoraussetzung zum Masterstudium erfüllten, nicht zu rechtfertigen sei. Mit Diplom und Master sollten grundsätzlich dieselben Berechtigungen verliehen werden. Studenten, die nach einem Diplomabschluss noch einen Masterabschluss anstrebten, wollten ein „Mehr“ erlangen gegenüber denjenigen Studenten, die erst mit dem Abschluss der Bachelor-Master-Kombination einen dem Diplom vergleichbaren Studienabschluss erlangten. Aus der mit dem Bachelor-/Master-System angestrebten europaweiten Vereinheitlichung der Abschlüsse ergebe sich nichts Anderes. Die Klägerin habe bereits im Rahmen der Regelstudienzeit eines Diplomstudiengangs die Möglichkeit gehabt, Wirtschaftsingenieurin zu werden, wenn sie dieses Studium gewählt hätte. Ein Anspruch darauf, dass ein Studiengang mit diesem oder jenen Schwerpunkt bei ihr (der Beklagten) angeboten werde, bestehe nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass die Zugangsvoraussetzungen für einen konsekutiven, also aufbauenden Masterstudiengang sowohl durch einen Bachelor- als auch einen Diplomstudiengang erfüllt werden könnten, soweit der erforderliche fachliche Bezug bestehe. Wenn durch § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG lediglich auf einem Bachelorstudiengang aufbauende Masterstudiengänge hätten privilegiert werden sollen, hätte die Vorschrift eindeutiger formuliert werden müssen. Bei der in Rede stehenden gebührenrechtlichen Regelung werde der Grundsatz der Normenklarheit nicht beachtet. Da der Erhebung von Langzeitstudiengebühren ein Sanktionscharakter zukomme, verbiete sich auch unter Berücksichtigung von Art. 103 Abs. 2 GG eine Auslegung, die über das hinausgehe, was sich dem Text des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG entnehmen lasse. Gerade die von der Klägerin gewählte Studiengangkombination habe es zu ihrem Studienbeginn noch nicht gegeben. Damals habe sie entweder Maschinenbau (mit Schwerpunkt in der Technik) oder Wirtschaftsingenieurwesen (mit Schwerpunkt in der Wirtschaftswissenschaft) auf Diplom studieren können. Die heute mögliche Kombination eines Bachelors in Maschinenbau mit einem Master in Wirtschaftsingenieurwesen sei aber nicht möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage der Klägerin nicht stattgegeben dürfen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 über die Erhebung von Langzeitstudiengebühren für das Wintersemester 2015/2016 in Höhe von 500,- EUR ist rechtmäßig, so dass der Klägerin auch kein Rückzahlungsanspruch zustehen kann.

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Langzeitstudiengebühr ist § 13 Abs. 1 Satz 1 NHG in der ab dem 1. September 2014 geltenden Fassung (Nds. GVBl. 2007, S. 69, geändert durch Nds. GVBl. 2013, S. 287). Hiernach erhebt die Hochschule in staatlicher Verantwortung für das Land von Studierenden, die nicht mehr über ein Studienguthaben verfügen, wegen der erhöhten Inanspruchnahme der staatlich finanzierten Hochschulinfrastruktur eine Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500,- EUR für jedes Semester oder 333,- EUR für jedes Trimester (zur grundsätzlichen Vereinbarkeit von Langzeitstudiengebühren mit höherrangigem Recht vgl. Senatsbeschl. v. 13.1.2004 - 2 ME 364/03 -, juris Rn. 4 ff., u. Senatsurt. v. 3.12.2008 - 2 LC 1270/04 -, juris Rn. 19). Die Berechnung des Studienguthabens richtet sich nach § 12 NHG. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG ergibt sich das Studienguthaben im Grundsatz aus der Zahl der Semester der Regelstudienzeit für den gewählten grundständigen Studiengang zuzüglich sechs weiterer Semester („Toleranzsemester“). Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG bestimmt, dass sich für einen konsekutiven Masterstudiengang das Studienguthaben um die Zahl der Semester der Regelstudienzeit für diesen Studiengang erhöht. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG vermindert sich das Studienguthaben um die Zahl der Semester eines vorangegangenen Studiums an einer im Inland gelegenen Hochschule, die in staatlicher Verantwortung steht oder dauerhaft staatlich gefördert wird.

Gemessen hieran war die Klägerin im Wintersemester 2015/2016 langzeitstudiengebührenpflichtig.

Mit dem Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass als der „gewählte grundständige Studiengang“ der Klägerin i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG nur der von ihr vom Wintersemester 2007/2008 bis zum Sommersemester 2013 belegte Studiengang Maschinenbau (Diplom) angesehen werden kann. Der von der Klägerin danach belegte Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau stellt keinen grundständigen Studiengang i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG dar. Eine fiktive Berücksichtigung eines vorherigen Bachelorstudiengangs, wie ihn die Beklagte der Gebührenerhebung zunächst zugrunde gelegt hat, verbietet sich demgegenüber, da die Klägerin einen solchen Studiengang nicht gewählt hat. Als Studienguthaben der Klägerin ist daher zunächst die Zahl der Semester der Regelstudienzeit ihres vorherigen Diplomstudienganges (10 Semester) zuzüglich der zu berücksichtigenden Toleranzsemester (6 Semester) zu Grunde zu legen. Hieraus ergibt sich ein Studienguthaben in Höhe von 16 Semestern.

Der Klägerin stand entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts für das von ihr vom Wintersemester 2013/2014 bis zum Wintersemester 2015/2016 belegte Masterstudium Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau keine Erhöhung ihres Studienguthabens in Höhe der für diesen Studiengang anzusetzenden Regelstudienzeit (4 Semester) über die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG zu. Denn der von ihr belegte Masterstudiengang ist für sie nach der vorherigen Absolvierung ihres Diplomstudiengangs nicht konsekutiv gewesen, wie es die genannte Vorschrift voraussetzt. Die Auslegung des Begriffs „konsekutiver Masterstudiengang“ i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG durch den Senat ergibt, dass ein solcher nur vorliegt, wenn der belegte Masterstudiengang auf einem vorherigen Bachelorstudium des jeweiligen Studierenden aufbaut (wie hier zum rheinland-pfälzischen Landesrecht vgl. OVG RP, Urt. v. 9.6.2008 - 2 A 10272/08 -, juris Rn. 25). Hat der Betroffene dagegen - wie vorliegend die Klägerin - die Zugangsberechtigung zum Masterstudium durch den vorherigen Abschluss eines Diplomstudiengangs erworben, liegt kein konsekutiver Masterstudiengang gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG vor.

Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift. Der Begriff des konsekutiven Masterstudiengangs ist mit der Einführung des zweistufigen Bachelor- und Master-Systems im Zuge des sog. Bologna-Prozesses aufgekommen. Konsekutiv bedeutet hierbei, dass ein Masterstudiengang einen vorausgegangenen Bachelorstudiengang fachlich fortführt, vertieft oder - soweit der fachliche Zusammenhang gewahrt bleibt - fachübergreifend erweitert (vgl. 10 Thesen zur Bachelor- und Masterstruktur in Deutschland, Beschluss der KMK v. 12.6.2003, Tz. 5). Die Regelstudienzeit von konsekutiven Bachelor- und Masterstudiengängen beträgt fünf Jahre (vgl. Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, Beschluss der KMK v. 10.10.2003 i.d.F. v. 4.2.2010 [Strukturvorgaben], Vorbemerkung sowie Tz. A.1.3). Dementsprechend wird ein Masterabschluss einem universitären Diplom- bzw. Magisterabschluss gleichgestellt (vgl. Strukturvorgaben, Tz. A.8). Dies spricht dagegen, das Vorliegen eines konsekutiven Masterstudiengangs auch dann anzunehmen, wenn im jeweiligen Fall der Betroffene mit dem Masterstudium ein vorheriges universitäres Diplomstudium, in welchem er bereits einen dem Master gleichgestellten Diplomabschluss erlangt hat, fortsetzt.

Dagegen, einen die gebührenrechtliche Privilegierung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG auslösenden Tatbestand immer bereits dann anzunehmen, wenn der belegte Masterstudiengang - unabhängig vom vorherigen Studienverlauf des Betroffenen - abstrakt als konsekutiver Masterstudiengang zu einem anderen Bachelorstudiengang akkreditiert worden ist (so aber Becker, in Epping, NHG, 1. Aufl. 2016, § 12 Rn. 5), spricht auch der systematische Zusammenhang der Vorschrift. Denn § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG stellt eine Ausnahmevorschrift zu dem in § 12 Abs. 2 Satz 1 NHG geregelten Grundsatz dar, dass sich das Studienguthaben nach der Regelstudienzeit des gewählten grundständigen Studiengangs (zuzüglich einer Toleranz von 6 Semestern) richtet, und ist als solche eng auszulegen. Wird nach dem Abschluss eines grundständigen Studiengangs ein weiterer Studiengang belegt, handelt es sich nach der Systematik des § 12 NHG grundsätzlich um ein Zweitstudium, in welchem gemäß § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG nur noch solange keine Langzeitstudiengebühren bezahlt werden müssen, als von dem Studienguthaben des vorherigen grundständigen Studiengangs noch „Toleranzsemester“ unverbraucht geblieben sind. Dies spricht dafür, dass die Privilegierung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG lediglich dann greifen soll, wenn es sich bei dem weiteren Studiengang um einen für den jeweiligen Betroffenen konsekutiven, auf einem vorherigen Bachelorstudium aufbauenden Masterstudiengang handelt. Denn nur bei Belegung einer Bachelor-Master-Kombination besteht der von § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG erfasste Sonderfall, dass erst mit dem Erreichen des Masterabschlusses ein den früheren Studienabschlüssen Diplom und Magister entsprechender Abschluss erlangt wird. Eine ähnliche Erwägung liegt § 7 Abs. 1a BAföG zu Grunde, der den Grundanspruch auf Ausbildungsförderung bis zu einem (ersten) berufsqualifizierenden Abschluss im Hinblick auf ein Masterstudiengang erweitert, wenn dieser auf einem vorherigen Bachelorstudiengang aufbaut.

Insbesondere spricht nach Dafürhalten des Senats der Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG für die hier vorgenommene Auslegung. Mit dem der Erhebung von Langzeitstudiengebühren zu Grunde liegenden Modell wird jedem Studierenden ein ausreichend hohes Studienguthaben zur Erlangung des angestrebten Abschlusses eingeräumt. Es entspricht vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls, dass Studierende durch die Erhebung einer Abgabe nach Verbrauch des Studienguthabens zu einem zügigen Studium angehalten werden. § 13 Abs. 1 Satz 1 NHG bringt dies auch darin zum Ausdruck, dass Langzeitstudiengebühren wegen der erhöhten Inanspruchnahme der staatlich finanzierten Hochschulinfrastruktur erhoben werden (vgl. Becker, in NHG, 1. Aufl. 2016, § 13 Rn. 5). Selbige Erwägungen gelten im Falle eines Zweitstudiums. Vor diesem Hintergrund und im Sinne einer Gleichbehandlung aller Studierenden macht eine Anwendung der Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG aber nur dann Sinn, wenn hiermit dem Betroffenen nach erfolgreichem Abschluss eines Bachelorstudiums die gebührenfreie Erlangung eines Masterabschlusses ermöglicht wird. Denn der Betroffene erlangt dann erst mit dem Master einen den früheren Studienabschlüssen Diplom und Magister in seiner Wertigkeit vergleichbaren Studienabschluss. Ohne die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG würden Studierende der Bachelor-Master-Kombination dagegen gegenüber Studierenden der früheren Diplom- oder Magisterstudiengänge gebührenrechtlich benachteiligt. Umgekehrt wäre in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn nach Abschluss eines vorherigen Diplomstudiengangs ein Masterstudium belegt wird, bei einer Anwendung von § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG eine Besserstellung gegenüber Studierenden der Bachelor-Master-Kombination anzunehmen, die entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt ist. Denn mit dem vorherigen Diplomabschluss wurde bereits ein dem Master in seiner Wertigkeit vergleichbarer Abschluss erlangt, so dass der anschließende Masterabschluss eine einem Zweitstudium vergleichbare weitere Qualifikation darstellt. Eine Benachteiligung von Studierenden, die noch einen Diplomstudienabschluss anstelle des heute als gleichwertig angesehenen Masterabschlusses erlangt haben, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der höheren Durchlässigkeit des Bologna-Systems und der besseren internationalen Vergleichbarkeit nicht zu erkennen. Im Gegenteil genossen gerade Diplom-Studienabschlüsse in technischen Studiengängen in Deutschland international einen hohen Ruf. Schließlich ergibt sich auch aus der von der Klägerin angeführten, erst jetzt mit dem Bachelor-Master-System möglichen Kombination eines Bachelors in Maschinenbau und eines Masters in Wirtschaftsingenieurwesen nicht, dass in ihrem Falle, in welchem sie bereits in ihrem Erststudiengang mit dem Diplom einen dem Master vergleichbaren Abschluss erlangt hat, ein Anspruch auf eine gebührenrechtliche Privilegierung besteht.

Der hier vorgenommenen Auslegung steht auch nicht entgegen, dass die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 NHG dem Gebot der Normenklarheit nicht entsprechen würde. Vielmehr lässt sich die Norm im Wege der Auslegung hinreichend bestimmen. Daraus, dass das Verwaltungsgericht zu einer von der Auslegung des Senats abweichenden Auffassung gelangt ist, lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist Art. 103 Abs. 2 GG, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, nicht auf die Erhebung von Langzeitstudiengebühren nach §§ 12, 13 NHG anwendbar. Strafen i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG sind staatliche Sanktionen, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient (vgl. zur diesbezüglichen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand 93. EL Oktober 2020, Art. 103 Abs. 2 Rn. 56). Neben den Strafen nach dem Strafgesetzbuch und dem Nebenstrafrecht fallen hierunter auch Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten und sanktionierend wirkende Ordnungsgelder. Rein gebührenrechtliche Tatbestände, sei mit ihnen auch eine Lenkungswirkung intendiert, können dagegen nicht unter Art. 103 Abs. 2 GG subsumiert werden.

Ein unzulässige (unechte) Rückwirkung - wie sie die Klägerin rügt - kann in der Erhebung der Langzeitstudiengebühren gemäß §§ 12, 13 NHG in der seit Wintersemester 2014/2015 geltenden Fassung schon deshalb nicht erblickt werden, da die Studierenden nach der vorherigen, bis zum Sommersemester 2014 geltenden Rechtslage erheblich schlechter gestellt waren. Neben der Erhebung der allgemeinen Studienbeiträge nach § 11 NHG a.F. (Fassung v. 29.6.2011, Nds. GVBl. S. 202) in Höhe von 500 EUR pro Semester während der Regelstudienzeit zuzüglich vier weiterer Semester waren gemäß § 13 Abs. 1 NHG a.F. (Fassung v. 10.6.2010, Nds. GVBl. S. 242) bei Überschreitung dieses Zeitraumes Langzeitstudiengebühren in Höhe von 600 EUR ab dem ersten Überschreitungssemester, 700 EUR ab dem dritten Überschreitungssemester sowie 800 EUR ab dem fünften Überschreitungssemester zu entrichten. Ein zu schützender Vertrauenstatbestand auf die Nichterhebung der streitigen Langzeitstudiengebühren für bereits immatrikulierte Studierende (vgl. insofern auch Senatsbeschl. v. 23.9.2020 - 2 KN 378/19 -, juris Rn. 27) konnte daher nicht entstehen.

Das so errechnete Studienguthaben der Klägerin in Höhe von 16 Semestern war im Wintersemester 2015/2016 als verbraucht anzusehen, da sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits im 17. Hochschulsemester bei der Beklagten befand. Hierbei ist letztlich unerheblich, ob der Verbrauch des Studienguthabens während des dem Masterstudium vorangegangenen, sich über einen Zeitraum von 12 Fachsemestern erstreckenden Diplomstudiums über die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 6 NHG erfolgt ist, da der Regelung in §§ 12, 13 Abs. 1 Satz 1 NHG über die Erhebung von Langzeitstudiengebühren jedenfalls zugrunde liegt, dass mit jedem begonnenen Studiensemester ein Verbrauch des eingeräumten Studienguthabens erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.