Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.05.2021, Az.: 9 LA 159/18
Fremdenverkehrsbeitrag; Fremdenverkehrseinrichtung; Kurzzeitpflege; Pflegeheim; Probewohnen; Seniorenheim; Seniorenresidenz; Tourismusbeitrag; Urlaubspflege; Verhinderungspflege; Vermietung; Verpachtung; Vorteil, unmittelbarer; Vorteile, mittelbare; Zweitwohnungsteuer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.05.2021
- Aktenzeichen
- 9 LA 159/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71154
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 23.08.2018 - AZ: 10 A 2121/16
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs 1 KAG ND
- § 9 Abs 2 KAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Einer Grundstücksgesellschaft erwachsen durch die Vermietung und Verpachtung ihrer Liegenschaft an eine Seniorenresidenz, die als Pflegeheim Zimmer an Senioren verbunden mit Pflegeleistungen vermietet, keine mittelbaren fremdenverkehrsbedingten Vorteile, auch wenn das Senioren- und Pflegeheim daneben ein Probewohnen sowie eine Kurzzeit-, Urlaubs- und Verhinderungspflege anbietet.
Tenor:
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 10. Kammer - vom 23. August 2018 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 217,95 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeiträgen für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015.
Sie ist Eigentümerin der Liegenschaft „E. straße 24, D.“ im Stadtteil F. und verpachtet bzw. vermietet die Liegenschaft an die Seniorenresidenz G. GmbH.
Mit Bescheiden vom 29. März 2016 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 Fremdenverkehrsbeiträge auf der Basis geschätzter Jahresumsätze i. H. v. 500.000 EUR auf der Grundlage ihrer Tourismusbeitragssatzung fest, und zwar für 2012 auf 227,29 EUR, für 2013 auf 242,76, für 2014 auf 210,63 EUR und für 2015 auf 209,44 EUR.
Mit Bescheiden vom 6. April 2016 änderte die Beklagte diese Festsetzungen nunmehr auf der Basis der mitgeteilten Jahresnettomiete seit dem 1. September 2011 in Höhe von 573.747,80 EUR bzw. 676.893,50 EUR, und zwar für das Jahr 2012 auf 260,81 EUR, das Jahr 2013 auf 278,57 EUR, das Jahr 2014 auf 285,15 EUR und das Jahr 2015 auf 283,54 EUR.
Der gegen die Bescheide vom 6. April 2016 erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 23. August 2018 statt und führte aus, die Bescheide vom 29. März 2016 mit den auf geschätzten Werten beruhenden Festsetzungen für die Jahre 2012 bis 2015 seien bestandskräftig. Soweit die Klägerin lediglich die Änderungsbescheide vom 6. April 2016 anfechte, sei die Regelungswirkung begrenzt auf die Differenzbeträge von insgesamt 217,95 EUR. Es bestehe aber keine rechtliche Grundlage für die Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen gegenüber der Klägerin. Bei ihr seien weder unmittelbare noch mittelbare besondere wirtschaftliche Vorteile durch den Fremdenverkehr im Stadtgebiet der Beklagten festzustellen. Die Klägerin als Verwaltungsgesellschaft für Grundvermögen stehe nicht im unmittelbaren Geschäftskontakt zu Fremdenverkehrsgästen im Stadtgebiet der Beklagten. Aber auch mittelbare besondere wirtschaftliche Vorteile durch den Fremdenverkehr erwüchsen der Klägerin durch den Fremdenverkehr nicht. Patienten, die von auswärts zumindest auch wegen besonderer natürlicher Heilfaktoren wie des Nordseeklimas und der guten Luft medizinische Leistungen in Anspruch nähmen, seien dem Fremdenverkehr zuzurechnen (sog. Heiltourismus). Die Betreiberin der Seniorenresidenz selbst ziehe aber keinen unmittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr, sondern der Markt der Dienstleistungsnachfrager für voll- und teilstationäre Versorgung mit Pflegeleistungen sei vom Fremdenverkehr vollständig entkoppelt. Die Unterbringung in einer Seniorenresidenz sei grundsätzlich auf Dauer angelegt und eine „Heilung“ von Altersgebrechen in dieser Einrichtung nicht angestrebt oder möglich.Das angebotene „Probewohnen“ sei kein selbstständiges Angebot, sondern biete nur als Annex zu den regulären voll- und teilstationären Aufenthalte die Möglichkeit, vor (dauerhaftem) Vertragsschluss zu prüfen, ob beide Vertragspartner zueinander passten. Es sei auch nicht dargelegt oder erkennbar, dass Personen typischerweise die Kurzeitpflege in der Seniorenresidenz mit Fremdenverkehrsbezug in Anspruch nähmen. Zwar sei einzuräumen, dass die Seniorenresidenz in relativ guter – und damit auch tendenziell teurer – Lage im Stadtgebiet der Beklagten liege und die Einrichtung dies auch auf ihrer Internetseite bewerbe. Eine unmittelbare Strandnähe sei jedoch nicht gegeben, vielmehr könne von einer für Einrichtungen dieser Art nicht unüblichen Innenstadtnähe mit Zugang zu Versorgern und Ärzten gesprochen werden. Auch die vorgelegten Belegungszahlen gäben keinen Hinweis auf einen typischen Fremdenverkehrsbezug. Darunter seien Personen mit letztem Wohnort in einer ländlichen Umgebung und dem natürlichen Einzugsgebiet einer solchen Einrichtung zuzurechnen.
II.
Der Zulassungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO oder der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
1. Die Beklagte macht ohne Erfolg ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend.
Sie trägt vor, es komme nicht darauf an, ob die betreffenden Personen die Kurzzeitpflege „typischerweise“ auch mit einem Fremdenverkehrsbezug in Anspruch nähmen, sondern ob das von der Seniorenresidenz beworbene „Probewohnen“ auch mit einem Fremdenverkehrsbezug versehen sei. Hierfür spreche, dass das Objekt in relativ guter Lage im Stadtgebiet liege und die Einrichtung dies auf der Internetseite ausdrücklich bewerbe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Personen, die von dem Probewohnen Gebrauch gemacht hätten, die Einrichtung nicht zuletzt auch wegen der besonderen Heilfaktoren des Nordseeklimas in Anspruch genommen und die Fremdenverkehrseinrichtungen der Beklagten in Anspruch genommen hätten. Dies gelte auch für Personen, welche (noch) zum natürlichen Einzugsgebiet der Einrichtung zuzurechnen seien, weil es sich nicht um ortsansässige Personen handele.
Mit diesem Einwand dringt die Beklagte indes nicht durch.
Die Beklagte behauptet nicht, dass der Klägerin durch die Vermietung bzw. Verpachtung ihrer Liegenschaft an die Seniorenresidenz unmittelbare wirtschaftliche Vorteile erwachsen würden.
Entgegen ihrer Auffassung zieht die Klägerin aus der genannten Tätigkeit aber auch keinen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil.
Nach der Senatsrechtsprechung sind mittelbar bevorteilt diejenigen, deren Tätigkeit nach ihrer Art (nur) direkten Geschäftskontakt mit den Nutznießern unmittelbarer Vorteile im Rahmen der für den Fremdenverkehr bzw. Tourismus notwendigen Bedarfsdeckung herstellt. Dazu zählen z. B. die Inhaber solcher Ladengeschäfte und Handwerksbetriebe, welche die unmittelbar am Fremdenverkehr verdienenden Personen oder Unternehmen beliefern (Großhändler, Getränkeniederlassungen, Gärtnereien), aber auch alle Freischaffenden, die gegenüber den unmittelbar Bevorteilten mit Rücksicht auf den Fremdenverkehr bzw. Tourismus Dienstleistungen erbringen, wie etwa Steuerberater, Notare, Banken und Sparkassen oder Architekten (Senatsurteil vom 18.6.2020 – 9 KN 90/18 – juris Rn. 142). Sofern eine Vermietung oder Verpachtung an durch den Fremdenverkehr unmittelbar bevorteilte Personen bzw. Unternehmen erfolgt, also direkte Geschäftskontakte mit den Nutznießern unmittelbarer Vorteile vom Fremdenverkehr entstehen, besteht eine konkrete Verbindung mit dem Fremdenverkehr und ergeben sich daraus erhöhte Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten. Dies gilt unabhängig davon, ob in dem jeweiligen Überlassungsvertrag eine auf den jeweiligen Geschäftsbetrieb ausgerichtete Nutzung festgeschrieben ist oder nicht. Beitragspflichtig sind mithin z. B. solche Vermieter oder Verpächter, die ihre Räumlichkeiten an einen Beherbergungsbetrieb, an Gaststätten oder an Inhaber von Ferienwohnungen, Läden oder Betriebe überlassen, die Freizeitaktivitäten anbieten (Senatsurteil vom 22.11.2010 – 9 LC 393/08 – juris Rn. 50). In Fällen dieser Art zählt die Vermietung und Verpachtung – bzw. spiegelbildlich die Anmietung und Anpachtung – zu den Geschäften, die im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung erfolgen. Durch das zur Verfügung Stellen von Räumlichkeiten wird ein Teil des Bedarfs gedeckt, den der vom Fremdenverkehr unmittelbar Bevorteilte hat, um seiner Geschäftstätigkeit (weiter) nachgehen und (weitere) Vorteile ziehen zu können. Dieser Zusammenhang ist ausreichend, um regelmäßig und typischerweise einen mittelbaren Vorteil durch den Fremdenverkehr annehmen zu können. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung begründet bereits eine solche Verbindung erhöhte Gewinn- und Verdienstmöglichkeiten (Senatsurteil vom 22.11.2010, a. a. O., Rn. 51 m. w. N.). Demnach ist nicht jeder Eigentümer bzw. Besitzer von Räumlichkeiten beitragspflichtig, der diese unabhängig vom Zweck Dritten zur Nutzung überlässt. Wie dargelegt, bedarf es für die Annahme einer Fremdenverkehrsbeitragspflichtigkeit eines unmittelbaren oder mittelbaren Vorteils durch den Fremdenverkehr im beschriebenen Sinn. Besteht ein solcher Bezug zum Fremdenverkehr nicht, handelt es sich um Gewinnchancen, die keinen hinreichend konkreten Zusammenhang zum Fremdenverkehr aufweisen. Anzunehmen ist das etwa bei einem Vermieter, der seinen Wohnraum Ortsansässigen, also etwa dem im Ort lebenden Kellner oder Polizeibeamten, zur eigenen privaten Nutzung überlässt. Lässt der Mietvertrag allerdings Untervermietungen an Fremdenverkehrsgäste zu und erfolgt eine entsprechende Untervermietung, ist ein mittelbarer Vorteil des Vermieters vom Fremdenverkehr und damit eine Beitragspflicht zu bejahen. Insoweit kommt es durchaus auf die jeweilige, möglicherweise Änderungen unterworfene Nutzung der Räumlichkeiten an (vgl. Senatsurteil vom 22.11.2010, a. a. O., Rn. 52).
Weiter gehören nach der Senatsrechtsprechung zum Fremdenverkehr bzw. Tourismus in jedem Fall Ortsfremde, die nicht nur Erholung suchen, sondern auch solche Personen, die sich aus Gründen der Heilung oder Bildung oder religiösen Motiven an einen anderen Ort begeben (Urteil vom 18.6.2020, a. a. O., Rn. 170; s. a. Beschluss vom 10.10.2007 – 9 LA 407/04 – juris Rn. 6; Beschluss vom 11.9.2007 – 9 ME 119/07 – juris Rn. 14; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 5.6.2018 – 4 ZB 17.1865 – juris Rn. 11).
Gemessen hieran hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Klägerin durch die Vermietung und Verpachtung ihrer Liegenschaft an die Seniorenresidenz, die ihrerseits als Pflegeheim Zimmer an Senioren verbunden mit Pflegeleistungen vermietet, keine mittelbaren fremdenverkehrsbedingten Vorteile erwachsen. Denn die Seniorenresidenz selbst zieht keine unmittelbaren fremdenverkehrsbedingten Vorteile aus der Unterbringung der Senioren. Zwar können die Senioren die gemeindlichen Fremdenverkehrseinrichtungen nutzen. Wie das Verwaltungsgericht aber zu Recht festgestellt hat, ist die Unterbringung in einer Seniorenresidenz auf Dauer angelegt. Die Senioren, die in der Seniorenresidenz leben und ihr Zuhause haben, sind keine Ortsfremden. Das dauerhafte Wohnen in der Seniorenresidenz ist gerade kein Reiseverkehr mit vorübergehendem Aufenthalt an einem fremden Ort. Deshalb nimmt die Seniorenresidenz durch die Vermietung von Zimmern an ihre dauerhaften Bewohner nicht am Fremdenverkehr teil und erwachsen ihr auch keine Vorteile aus dem Fremdenverkehr. So beschreibt die Seniorenresidenz ihre Leistungen u. a. als vollstationäre Pflege aller Pflegegrade, Palliativ- und Schwerstpflege, Pflegenotaufnahme, Kurzzeit-, Urlaubs- und Verhinderungspflege.
Dasselbe gilt, soweit die Seniorenresidenz Interessenten ein Probewohnen in einem der Gästezimmer des Senioren- und Pflegeheims anbietet. Zwar ist der Probebewohner, sofern er nicht bereits in dem Stadtgebiet der Beklagten wohnt, Ortsfremder. Das Probewohnen schließt es auch nicht aus, dass die dauerhafte Unterbringung nicht zustande kommt und es deshalb nur vorübergehend stattfindet. Es kann auch sein, dass für die Dauer des Probewohnens die Fremdenverkehrseinrichtungen der Beklagten in Anspruch genommen werden. Das Probewohnen ist aber vorrangig darauf gerichtet, dass die Senioren nach einigen Tagen entscheiden, ob sie auf Dauer in dem Senioren- und Pflegeheim wohnen wollen bzw. können. Es handelt sich deshalb beim Probewohnen typischer Weise nicht um einen Reiseverkehr mit vorübergehendem Aufenthalt. Denn es dient gerade nicht zur Erholung, Bildung, beruflicher Betätigung, Gesundheitsförderung, Heilbehandlung oder zum Vergnügen, sondern vielmehr der Entscheidung, ob der ggf. ortsfremde Interessent dauerhaft ortsansässiger Bewohner der Seniorenresidenz werden will. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht weiter festgestellt, dass das angebotene Probewohnen kein selbstständiges Angebot der Seniorenresidenz ist, sondern nur als Annex zu den dauerhaften Aufenthalten die Möglichkeit bietet, vor Vertragsschluss zu prüfen, ob beide Vertragspartner zueinander passen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Probebewohner in der Seniorenresidenz mehr als nur eine geringe Anzahl im Verhältnis zu den dauerhaften Bewohnern ausmachen.
Dass das Objekt in relativ guter Lage im Stadtgebiet liegt und die Einrichtung dies auf der Internetseite ausdrücklich bewirbt, führt zu keiner anderen Einschätzung. Insoweit unterscheidet sich die Seniorenresidenz nicht von einem Vermieter, der seine gut gelegene Wohnung anpreist und dauerhaft an einen Senior vermietet.
Die Beklagte verweist ohne Erfolg auf den Senatsbeschluss vom 11. September 2007 (– 9 ME 119/07 – juris Rn. 14), wonach Patienten einer Nordseeklinik, die von auswärts zumindest auch wegen besonderer natürlicher Heilfaktoren wie des Nordseeklimas und der guten Luft stationäre Rehabilitationsleistungen in der Nordseeklinik in Anspruch nehmen, dem Fremdenverkehr zuzurechnen sind.
Die Seniorenresidenz ist anders als jene Nordseeklinik keine Heil- oder Kureinrichtung, sondern eine Wohneinrichtung mit integrierter Pflege. Die Patienten jener Nordseeklinik bleiben nur vorübergehend dort mit dem Ziel der Heilung. Demgegenüber hält sich – wie ausgeführt – der Probewohnende in der Seniorenresidenz auf, um ein dauerhaftes Wohnen zu prüfen und bestenfalls dort dauerhaft wohnen zu bleiben und nicht wieder abzureisen. Überdies ist nicht ersichtlich, dass eine „Heilung“ von Altersgebrechen in dieser Einrichtung angestrebt oder möglich wäre. Schließlich sind die Probebewohner – anders als die Patienten jener Nordseeklinik – nicht die typischen Bewohner der Seniorenresidenz, sondern machen nur einen ganz geringen Teil der Bewohnerschaft aus. Sie sind auch nicht zwangsläufig oder typischerweise Ortsfremde.
Das von der Beklagte angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 5. Juli 2012 (– 4 A 1182/10 – juris Rn. 50) führt zu keiner anderen Einschätzung. Danach sind Inhaber von Pflegediensten fremdenverkehrsbeitragspflichtig, weil ihnen unmittelbare und mittelbare Vorteile durch die Pflege und Betreuung von Touristen bzw. deren pflegebedürftigen Angehörigen entstünden, die aufgrund des Nordseeklimas sowie der vorhandenen Fremdenverkehrseinrichtungen Urlaub machten.
Die Beklagte meint, wenn Pflegedienste fremdenverkehrsbeitragspflichtig seien, gelte Gleiches für Einrichtungen, die Probewohnen und Kurzzeitpflege anböten.
In der Seniorenresidenz werden aber nicht Touristen oder deren pflegebedürftige Angehörige gepflegt oder betreut, sondern vorrangig ortsansässige Senioren. Auch die Probebewohner sind keine Touristen oder deren pflegebedürftige Angehörige, die aufgrund des Nordseeklimas sowie der vorhandenen Fremdenverkehrseinrichtungen in der Seniorenresidenz Urlaub machen. Vielmehr planen sie, dauerhaft selbst in der Senioreneinrichtung zu wohnen.
Nichts Anderes gilt, soweit die Seniorenresidenz auch Personen zur Kurzzeit-, Urlaubs- oder Verhinderungspflege aufnimmt.
Anspruch auf Kurzzeitpflege in einer vollstationären Einrichtung besteht gemäß § 42 Abs. 1 SGB XI für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden und auch teilstationäre Pflege nicht ausreicht. Dies gilt für eine Übergangszeit im Anschluss an eine stationäre Behandlung des Pflegebedürftigen oder in sonstigen Krisensituationen, in denen vorübergehend häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich oder nicht ausreichend ist. In einer vollstationären Einrichtung wird für Pflege, Unterkunft, Versorgung (§ 43 SGB XI) und zusätzliche Betreuung und Aktivierung (§ 43b SGB XI) gesorgt.
Hieraus folgt, dass Personen, die in der Seniorenresidenz in der Kurzzeitpflege vorübergehend gepflegt werden, auf die vollstationäre Hilfe der Seniorenresidenz angewiesen sind. Es ist bereits nicht ersichtlich, ob sie aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit überhaupt grundsätzlich in der Lage sind, die Fremdenverkehrseinrichtungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Sie können zwar Ortsfremde sein. Das Verwaltungsgericht hat hierzu festgestellt, dass es in der Seniorenresidenz z. B. im Jahr 2015 nur elf Personen gegeben hat, die Kurzzeitpflege in Anspruch genommen hätten und nicht aus D. stammten. Von diesen elf Personen kamen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts acht Personen aus dem natürlichen Einzugsgebiet der Seniorenresidenz und nur drei Personen aus den weiter entfernten Orten Essen, Neuss und Lehrte. Diese Personen sind nicht Ortsansässige. Dem Umstand, dass die ganz überwiegende Zahl dieser Personen aus dem Umland stammt, kann aber entnommen werden, dass diese Kurzzeitpflegebedürftigen die Seniorenresidenz aufgrund der Nähe zu ihrem Wohnort gewählt haben, nicht dagegen um die Fremdenverkehrseinrichtungen der Beklagten zu nutzen. Beanstandungsfrei hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die wenigen Personen mit Wohnort außerhalb dieses Einzugsgebiets nichts an dieser Einschätzung ändern, weil die individuellen Einzelheiten (z. B. vorherige Operation in einem der nahegelegenen Krankenhäuser) unbekannt sind. Die Kurzzeitpflegebewohner der Seniorenresidenz sind daher nicht mit Touristen oder Patienten jener Nordseeklinik vergleichbare Personen, die aufgrund des Nordseeklimas sowie der vorhandenen Fremdenverkehrseinrichtungen Urlaub machen bzw. sich in einer Nordseeklinik behandeln lassen und erholen.
Zu keiner anderen Einschätzung führt der Vortrag der Beklagten, unter den „Kurzzeitbewohnern“ befänden sich auch Personen, welche im Gebiet der Beklagten zweitwohnungsteuerpflichtig seien. Auch dies spreche dafür, dass von dem sog. Probewohnen auch mit Blick auf die besondere Lage des Objekts Gebrauch gemacht werde.
Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Personen in Kurzzeitpflege zweitwohnungsteuerpflichtig wären, weil sie sich für die Dauer der Kurzzeitpflege in der Seniorenresidenz aufhalten. Sollten sie zweitwohnungsteuerpflichtig sein, weil sie eine Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten innehaben, wird dies nicht auf ihrem Aufenthalt in der Seniorenresidenz beruhen. Die Zweitwohnungsteuerpflicht eines Kurzeitpflegebewohners, der eine Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten innehat, begründet weder einen fremdenverkehrsbedingten unmittelbaren Vorteil für die Seniorenresidenz noch lässt sie den Schluss zu, von dem sog. Probewohnen werde auch mit Blick auf die besondere Lage des Objekts Gebrauch gemacht.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht einen Fremdenverkehrsbezug schließlich auch nicht wegen des Angebots einer Verhinderungs- bzw. Urlaubspflege angenommen. Eine Verhinderungspflege liegt dann vor, wenn eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist (vgl. § 39 Abs. 1 SGB XI). Das bedeutet, dass die eigentliche Pflegeperson vorübergehend ersetzt wird. Demnach handelt es sich bei der Verhinderungs- bzw. Urlaubspflege nicht um eine Pflege für Urlauber während eines Ferienaufenthalts. Überdies gab es nach den Unterlagen in den Jahren 2012 bis 2015 nur einen Fall der Verhinderungspflege, der – wie auch das Verwaltungsgericht angenommen hat – zu vernachlässigen ist.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Eine Streitsache weist besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, wenn ihre Entscheidung voraussichtlich in tatsächlicher bzw. rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursachen wird. Jedenfalls keine „besonderen Schwierigkeiten“ im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bereiten solche Rechtsstreitigkeiten, die ohne weiteres durch einfache Anwendung einer eindeutigen Rechtsvorschrift auf einen klar zu Tage liegenden Sachverhalt gelöst werden können (Senatsbeschluss vom 15.1.2020 – 9 LA 155/18 – juris Rn. 41).
Die Beklagte macht geltend, die Sache weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf, weil das angefochtene Urteil von dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 5. Juli 2012 (– 4 A 1182/10 –, a. a. O., Rn. 50) abweiche. Der Umstand, dass nach jener Entscheidung Pflegedienste beitragspflichtig seien, während nach dem angefochtenen Urteil eine Kurzzeitpflege nicht beitragspflichtig sei, zeige, dass Fälle dieser Art deutlich über den Schwierigkeitsgrad normaler verwaltungsgerichtlicher Auseinandersetzungen hinausgingen.
Mit diesem Einwand hat die Beklagte besondere tatsächliche und/oder rechtliche Schwierigkeiten des vorliegenden Falls nicht dargetan. Das angefochtene Urteil weicht nicht von der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stade ab. Denn anders als die vom Verwaltungsgericht Stade in den Blick genommenen Pflegedienste werden in der Seniorenresidenz, an die die Klägerin ihre Liegenschaft vermietet, nicht Touristen bzw. deren pflegebedürftigen Angehörigen gepflegt und betreut (s. o.).
3. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Die Beklagte wirft die Frage auf
„ob das Angebot einer Kurzzeitpflege (ggf. auch in Form eines sogenannten Probewohnens) einen unmittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr darstellt und daher eine Fremdenverkehrsbeitragspflicht auch für den Vermieter entsprechender Räume auslöst“,
und trägt hierzu vor, diese Frage sei bislang noch nicht geklärt und sei gerade mit Blick auf das sich ausweitende Pflegeangebot für die einen Fremdenverkehrsbeitrag bzw. Tourismusbeitrag erhebenden Kommunen grundsätzlich klärungsbedürftig.
Die Beantwortung der Frage bedarf jedoch nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, weil sie sich jedenfalls für den vorliegenden Fall eines Senioren- und Pflegeheims ohne weiteres verneinen lässt.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1, 39 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).