Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.04.2015, Az.: 9 LC 320/13
natürliche Betrachtungsweise; öffentliche Einrichtung; Innenstadtring; Kreuzung; Sanierungsgebiet; Straßenausbaubeitrag; Teilstreckenausbau; Vorausleistung; trennende Wirkung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.04.2015
- Aktenzeichen
- 9 LC 320/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44999
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.09.2013 - AZ: 9 A 4961/11
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs 7 S 1 KAG ND
- § 6 Abs 1 S 1 KAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei der Festlegung der öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG können im Rahmen der natürlichen Betrachtungsweise Kreuzungen je nach den tatsächlichen Verhältnissen eine trennende Wirkung entfalten. Bei sehr langen, im Wesentlichen gleichförmig verlaufenden Innerortsstraßen sind insoweit geringere Anforderungen zu stellen als bei kurzen Innerortsstraßen.
2. Kreuzungen können bei solchen langen Innerortsstraßen insbesondere schon dann leicht eine trennende Wirkung entfalten, wenn sie mit Ampeln versehen sind, dort mehrspurige Straßen aufeinandertreffen und die Straße vor und hinter dem Kreuzungsbereich - wenn auch nur in einem geringfügigem Maße - Unterschiede in den Teileinrichtungen aufweist.
3. Liegt eine Straße ganz oder teilweise in einem früheren, förmlich festgelegten Sanierungsgebiet, so gilt nach Aufhebung der Sanierungssatzung für die Festlegung der öffentlichen Einrichtung (wieder) die natürliche Betrachtungsweise.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 9. Kammer - vom 27. September 2013 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zur Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag für den Ausbau der Marienstraße im Stadtgebiet der Beklagten.
Sie sind Eigentümer des Grundstücks Hafenstraße E.. Die Hafenstraße ist Teil des im Wesentlichen gleichförmig verlaufenden Innenstadtrings um das Altstadtgebiet der Beklagten. Sie setzt ab der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ die Brückenstraße fort und verläuft in Richtung Südosten bis zum Goetheplatz. Dort schließt sich die Marienstraße an. Diese kreuzt zunächst die Friedrichstraße/Leinstraße und verläuft weiter nach Südosten bis zur Kreuzung mit dem Nordertortriefweg. Von dort bis zur Kreuzung mit der Hannoverschen Straße/Ziefelkampstraße trägt der weitere Straßenverlauf die Bezeichnung „Buermende“ und von dort bis zur Kreuzung mit dem Berliner Ring die Bezeichnung „Hannoversche Straße“. An den genannten Kreuzungen wird der Innenstadtring jeweils von aus dem Stadtzentrum strahlenförmig verlaufenden Ausfallstraßen gekreuzt.
Der Straßenzug „Hafenstraße/Marienstraße“ ist von der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ bis zur Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“ ca. 341 m lang. Der Teil der Hafenstraße von der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ bis zur Höhe der östlichen Grenze des Grundstücks Hafenstraße H. gehörte zu dem 1986 förmlich festgelegten Sanierungsbereich 5 „Übrige Altstadt“ des Sanierungsgebiets „Historische Altstadt“. Die Sanierungssatzung für den Sanierungsbereich 5 wurde im Jahr 2006 aufgehoben.
Die Beklagte ließ im Jahr 2011 die Fahrbahn, den Gehweg, die Entwässerung und die Beleuchtung der Marienstraße von der Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“ bis zur Höhe der Grenze zwischen den Grundstücken Goetheplatz F. und G. sowie ein sich daran auf der nördlichen Fahrbahnhälfte anschließendes kurzes Teilstück der Straße bis zur Höhe der Mitte des Goetheplatzes ausbauen. Die ausgebaute Strecke beträgt nach den Angaben im Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) etwa 200 m. Ein Ausbau der Hafenstraße ist von der Beklagten nicht beabsichtigt.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2011 zog die Beklagte die Kläger zur Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 2.995,53 EUR heran. Zur Begründung führte sie aus, durch den erfolgten Teilausbau der Marienstraße erfahre die gesamte Erschließungsanlage „Marienstraße/Hafenstraße“, die sich von der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ bis zur Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“ erstrecke, eine beitragsfähige Verbesserung.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, die öffentliche Einrichtung beginne bei natürlicher Betrachtungsweise am Goetheplatz und setze sich über die Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“ hinaus fort. Ein Straßenausbaubeitrag könne mangels Abschnittsbildungsbeschluss nur erhoben werden, wenn die Einrichtung auf gesamter Länge ausgebaut werde. Für einen beitragsfähigen Teilstreckenausbau sei die ausgebaute Strecke zu kurz.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2011 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen erwidert, die öffentliche Einrichtung beginne bei natürlicher Betrachtungsweise an der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ und ende an der Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“. Die Voraussetzungen für einen beitragsfähigen Teilstreckenausbau lägen vor.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 6 Abs. 7 Satz 1 NKAG in Verbindung mit § 10 Satz 1 SABS könnten Vorausleistungen verlangt werden, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden sei. Die Beklagte habe noch nicht dadurch mit der Durchführung begonnen, dass sie den Teil der Marienstraße von der Hafenstraße bis zur Kreuzung „Leinstraße/Friedrichstraße“ ausbauen wolle. Denn mit einer Vollendung dieser Maßnahme wäre keine Beitragspflicht entstanden, weil diese Teilstrecke keine öffentliche Einrichtung bilde. Die öffentliche Einrichtung beginne aus Rechtsgründen östlich des Sanierungsgebiets „Übrige Altstadt“ an der Kreuzung „Lange Straße/Verdener Straße“ und ende bei natürlicher Betrachtungsweise an der Kreuzung „Hannoversche Straße/Ziegelkampstraße“. Die Voraussetzungen für einen beitragsfähigen Teilstreckenausbau seien nicht gegeben, weil die ausgebaute Teilstrecke bezogen auf die Gesamtlänge der öffentlichen Einrichtung untergeordnet sei.
Mit ihrer vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend: Die öffentliche Einrichtung ende bei natürlicher Betrachtungsweise an der Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“. Kreuzungen seien mit Straßeneinmündungen vergleichbar, die in der Regel eine öffentliche Einrichtung begrenzten. Die Friedrichstraße/Leinstraße sei eine der Hauptausfallstraßen, die den Innenstadtring kreuzten. Die Kreuzung sei mit Ampeln versehen. Auch änderten sich dort die Straßenbreite und die Radwegeführung. Sähe man sehr lange Ringstraßen um Innenstädte jeweils nur in ihrer Gesamtheit als öffentliche Einrichtungen an, wäre die Abrechenbarkeit von Straßenausbaumaßnahmen unerträglich erschwert.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidern im Wesentlichen: Bei natürlicher Betrachtungsweise umfasse die öffentliche Einrichtung im Westen die Brückenstraße und setze sich im Osten bis zur Kreuzung „Hannoversche Straße/Ziegelkampstraße“ fort. Die ausgebaute Teilstrecke sei bezogen auf die Gesamtlänge der öffentlichen Einrichtung untergeordnet und damit nicht selbstständig abrechenbar.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NAKG in Verbindung mit § 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes für straßenbauliche Maßnahmen (Straßenausbaubeitragssatzung) vom 24. September 2002 erhebt die Beklagte - sofern Erschließungsbeiträge aufgrund der §§ 127 ff. des Baugesetzbuches nicht erhoben werden können - zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (öffentliche Einrichtungen) - insgesamt, in Abschnitten oder in Teilen - nach Maßgabe dieser Satzung Beiträge von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Nach § 6 Abs. 7 Satz 1 NKAG in Verbindung mit § 10 Satz 1 SABS können auf die künftige Beitragsschuld angemessene Vorausleistungen verlangt werden, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist.
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte mit der Durchführung der Maßnahme begonnen. Insoweit kommt es nicht auf den Willen der Beklagten an, nur den betreffenden Teil der „Hafenstraße/Marienstraße“ auszubauen, sondern auf den tatsächlichen Baubeginn bezogen auf die geplante Straßenbaumaßnahme, der hier erfolgt ist.
Vorausleistungen können dann verlangt werden, wenn die begonnene Maßnahme im Fall ihrer Vollendung beitragsfähig wäre. Dies ist hier der Fall:
Der Senat teilt nach der durchgeführten Ortsbegehung die Auffassung der Beklagten, dass die hier maßgebliche öffentliche Einrichtung an der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ beginnt und an der Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“ endet.
Für die Beurteilung der Ausdehnung einer öffentlichen Einrichtung, d.h. der Frage, wo eine selbstständige öffentliche Einrichtung beginnt und endet, kommt es weder auf die Parzellierung noch auf eine einheitliche oder unterschiedliche Straßenbezeichnung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 2009 – BVerwG 9 C 2.08 – juris; Senatsurteil vom 19. März 2007 – 9 LC 149/04 – juris). Vielmehr sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht für die Beantwortung der Frage, wo eine selbstständige Erschließungsanlage beginnt und endet, die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 30.94 – juris; Beschluss vom 9. Januar 2013 – BVerwG 9 B 33.12 – juris). Das Erscheinungsbild wird insbesondere durch die Straßenführung, die Straßenbreite, die Straßenlänge und die Straßenausstattung geprägt. Unterschiede, welche jeden der Straßenteile zu einem augenfällig abgegrenzten Element des öffentlichen Straßennetzes machen, kennzeichnen jeden dieser Straßenteile als eine eigene Erschließungsanlage (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1985 – BVerwG 8 C 66.84 – juris). Dieser natürlichen Betrachtungsweise folgt der Senat im Regelfall auch für das Straßenausbaubeitragsrecht (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 22. Dezember 2009 – 9 ME 108/09 – juris und vom 22. August 2011 – 9 LC 101/10 – n.v.).
Im Rahmen der natürlichen Betrachtungsweise können Kreuzungen je nach den tatsächlichen Verhältnissen eine trennende Wirkung entfalten (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 19. März 2007 – 9 LC 149/04 – juris; vom 31. Mai 2011 – 9 LB 61/09 – n.v.). Bei sehr langen, im Wesentlichen gleichförmig verlaufenden Innerortsstraßen - wie hier dem Innenstadtring der Beklagten - sind insoweit geringere Anforderungen zu stellen als bei kurzen Innerortsstraßen. Kreuzungen können bei solchen langen Innerortsstraßen insbesondere schon dann leicht eine trennende Wirkung entfalten, wenn sie mit Ampeln versehen sind, dort mehrspurige Straßen aufeinandertreffen und die Straße vor und hinter einem Kreuzungsbereich - wenn auch nur in einem geringfügigen Maße - Unterschiede in den Teileinrichtungen aufweist. Denn der Sinn und Zweck der bei der Festlegung der öffentlichen Einrichtung anzuwendenden natürlichen Betrachtungsweise besteht darin, dass für einen vom unbefangenen Betrachter als Einheit angesehenen Straßenzug alle Anlieger Beiträge für dessen Ausbau entrichten sollen. Dies gilt unter den Voraussetzungen des sog. beitragsfähigen Teilstreckenausbaus auch dann, wenn nur ein Teil einer öffentlichen Einrichtung ausgebaut wird und daher nicht alle an die öffentliche Einrichtung grenzenden Grundstücke auch an die ausgebaute Teilstrecke grenzen. Dieser Gedanke der Verbundenheit tritt mit zunehmender Länge einer öffentlichen Einrichtung infolge der regelmäßig weiteren Entfernungen der an sie grenzenden Grundstücke zum ausgebauten Teilstück immer mehr zurück. Der natürliche Betrachter hat bei längeren Straßen nicht in gleicher Weise wie bei kurzen Straßen den Eindruck, dass die Zusammengehörigkeit durch beampelte Kreuzungsbereiche nicht unterbrochen wird.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe beginnt die hier maßgebliche öffentliche Einrichtung im Westen an der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“. Es handelt sich um einen dominanten und beampelten Kreuzungsbereich, in dem mehrere Hauptverkehrsstraßen aufeinander treffen. Die sich im Westen anschließende Brückenstraße ist deutlich schmaler als die Hafenstraße und lässt beide Straßen als jeweils selbstständige Elemente des öffentlichen Straßennetzes erscheinen.
Ein Abweichen von der natürlichen Betrachtungsweise ist in diesem Bereich nicht wegen des früheren Sanierungsgebiets geboten, welches ein kurzes Stück in die Hafenstraße „hineinragte“. Das Verwaltungsgericht hat insoweit unzutreffend ausgeführt, dass eine öffentliche Einrichtung aus rechtlichen Gründen auch nach der Aufhebung einer Satzung über die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets an der Grenze des früheren Sanierungsgebiets ende. Vielmehr gilt nach Aufhebung der Sanierungssatzung für die Festlegung der öffentlichen Einrichtung (wieder) die natürliche Betrachtungsweise (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2009 – 9 LA 175/08 – juris). Da sich das tatsächliche Erscheinungsbild der Hafenstraße in dem Teil, der zum früheren Sanierungsgebiet gehörte, nicht vom restlichen Teil der Hafenstraße unterscheidet, beginnt die öffentliche Einrichtung an der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ und nicht an der Grenze des früheren Sanierungsgebiets in der Hafenstraße.
Die von der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ nach Südosten verlaufende öffentliche Einrichtung wird entgegen der Auffassung der Kläger durch den Goetheplatz nicht unterbrochen. Vielmehr setzt sich der Straßenzug in Form einer Kurve nach Süden neben dem dort befindlichen Platz „in einem Fluss“ fort, ohne dass der Eindruck der Geschlossenheit durch äußere Gegebenheiten gestört wird.
Im Osten endet die öffentliche Einrichtung bei natürlicher Betrachtungsweise an der Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“. Zwar ist diese Kreuzung weniger dominant als die Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“, sie ist aber gleichwohl eine Kreuzung größerer Art. Denn es treffen dort vier jeweils zweispurige (jede Richtung eine Spur) Fahrbahnen aufeinander. Die Kreuzung ist an allen vier Seiten mit Ampeln versehen. Zudem weist die Marienstraße westlich und östlich des Kreuzungsbereichs - wenn auch nur geringfügige - Unterschiede in den Teilrichtungen auf. So ist die Fahrbahn im westlichen Bereich beidseitig erkennbar breiter. Auf diesen seitlichen Verbreiterungen sind - anders als östlich der Kreuzung - Spuren für Radfahrer markiert. Östlich der Kreuzung ändert sich die Radwegeführung. Anstelle der auf der Fahrbahn vorgesehenen Spuren für Radfahrer befinden sich auf beiden Bürgersteigen farblich abgesetzte Radwege. Dadurch unterscheiden sich auch die Bürgersteige westlich und östlich der Kreuzung optisch. Zudem befinden sich westlich der Kreuzung in unmittelbarer Nähe des Kreuzungsbereichs auf beiden Seiten sehr breite und überdurchschnittlich lange Busbuchten, wodurch das Erscheinungsbild der Marienstraße westlich der Kreuzung insgesamt großzügiger wirkt als östlich der Kreuzung. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung führen die genannten Unterschiede trotz der im Wesentlichen gleichförmig über den Kreuzungsbereich hinweg verlaufenden Fahrbahn unter Berücksichtigung der geringeren Anforderungen an die trennende Wirkung von Kreuzungen bei langen, im Wesentlichen gleichförmig verlaufenden Innerortsstraßen zu einem leichten Überwiegen des nicht in jeder Hinsicht zwingenden Eindrucks, dass die Straßenzüge westlich und östlich der Kreuzung jeweils verselbstständigte Elemente des öffentlichen Straßennetzes sind.
Der Erhebung der Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag steht nicht entgegen, dass die ausgebaute Strecke nur einen Teil der von der Kreuzung „Brückenstraße/Lange Straße/Verdener Straße/Hafenstraße“ bis zur Kreuzung „Friedrichstraße/Leinstraße“ reichenden öffentlichen Einrichtung bildet.
Zwar dürfen Straßenausbaubeiträge aus Gründen der Rechtssicherheit (Bauprogramme sind änderbar und häufig schwer feststellbar) und der Vorteilsgerechtigkeit (alle Anlieger sollen gleiche Vorteile haben) grundsätzlich nur dann erhoben werden, wenn der Beitragstatbestand auf der gesamten Länge der öffentlichen Einrichtung oder eines etwa gebildeten Abschnitts verwirklicht worden ist (Senatsurteil vom 11. Juli 2007 – 9 LC 262/04 – juris m.w.N.; Senatsbeschluss vom 19. März 2015 – 9 ME 1/15 – juris).
Der Ausbau lediglich einer Teilstrecke der öffentlichen Einrichtung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG kann aber - wenn eine Abschnittsbildung nicht in Betracht kommt - ausnahmsweise auch ohne Abschnittsbildungsbeschluss durch die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen refinanziert werden, wenn die Voraussetzungen für einen beitragsfähigen Teilstreckenausbau vorliegen. Dieser setzt voraus, dass die Erfüllung des Beitragstatbestands nur in einem Teilbereich notwendig ist, d.h. bei einer Erneuerung darf das nicht ausgebaute Reststück nicht ebenfalls erneuerungsbedürftig sein. Ferner muss die Ausbaustrecke innerhalb der öffentlichen Einrichtung einen nicht nur untergeordneten Teilbereich erfassen und muss die Gemeinde sowohl die Notwendigkeit eines nur teilweisen Ausbaus als auch Umfang sowie Beendigung der Baumaßnahmen deutlich machen (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 2007, a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 23. März 2000 – 9 M 4288/99 – n.v., vom 22. Dezember 2009, a.a.O., vom 22. August 2011, a.a.O. und vom 19. März 2015 - 9 ME 1/15 -).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat erläutert, dass die nicht ausgebaute Hafenstraße - anders als der ausgebaute Teil der Marienstraße - nicht erneuerungsbedürftig ist, insbesondere weiterhin über einen soliden Unterbau verfügt. Auch im Rahmen der Ortsbegehung hat sich dem Senat eine Erneuerungsbedürftigkeit nicht aufgedrängt. Anhaltspunkte dafür, dass eine Erneuerungsbedürftigkeit gleichwohl gegeben ist, sind weder von den Klägern dargetan worden noch ersichtlich. Die Beklagte hat neben der Notwendigkeit eines nur teilweisen Ausbaus auch den Umfang und die Beendigung der Baumaßnahmen deutlich gemacht. Schließlich erfasst der ausgebaute Teil der Marienstraße mit etwa 200 m einen nicht nur untergeordneten Teilbereich der insgesamt ca. 341 m langen öffentlichen Einrichtung. Der Senat hat in der Vergangenheit bereits ein knapp 30 % umfassendes Teilstück als nicht nur untergeordnet angesehen (Senatsbeschluss vom 22. August 2011, a.a.O.: ca. 200 m von insgesamt 700 m Gesamtlänge; vgl. auch BayVGH, Urteile vom 22. April 2010 – 6 B 08.1483 – und vom 28. Januar 2010 – 6 BV 08.3043 – jeweils juris: mindestens ein Viertel; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. August 2005 – 2 LB 38/04 – juris: ca. ein Drittel; OVG Saarlouis, Urteil vom 23. August 2006 – 1 R 20/06 – juris: mehr als 100 m).
Sonstige Gründe, die eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids dem Grunde oder der Höhe nach begründen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.