Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.04.2015, Az.: 13 LA 157/14
Ahndung kriminellen Unrechts; Bundesamt; Kindeswohl; Kleinkind; Passpflicht; politische Verfolgung; Trennung; Zumutbarkeit; Zuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.04.2015
- Aktenzeichen
- 13 LA 157/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45006
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 21.07.2014 - AZ: 5 A 138/14
Rechtsgrundlagen
- § 13 AsylVfG
- § 5 Abs 1 S 1 AsylVfG
- § 28 Abs 1 S 1 AufenthG
- Art 6 GG
- § 5 Abs 1 Nr 4 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Im Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen kann sich ein Ausländer gegenüber der Ausländerbehörde nicht auf Gründe politischer Verfolgung berufen. Deren Prüfung bleibt dem Asylverfahren vorbehalten. Das gilt auch, wenn die Frage politischer Verfolgung gleichzeitig eine tatbestandliche Voraussetzung der Titelerteilung betrifft.
Tenor:
Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 5. Kammer (Einzelrichterin) - vom 21. Juli 2014 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens zu je einem Drittel.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 5000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da ihr Antrag auf Zulassung der Berufung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Zulassung der Berufung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Zwar ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 12.03.2008 - 2 BvR 378/05 -; BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 21.01.2000 - 2 BvR 2125/97 -, jeweils zit. nach juris). Erforderlich sind aber qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.
1. Der zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils können nur dann bestehen, wenn gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, juris). Ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll: VwGO, 5. Aufl., § 124a Rdnr. 82).
Der Senat teilt nicht die von den Klägern geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers zu 1. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 AufenthG wegen Nichterfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) verneint. Eine atypische Fallkonstellation, die ein Absehen von dieser Regelerteilungsvoraussetzung erforderlich machte, liegt nicht vor. Dies gilt auch nicht im Hinblick auf das Erfordernis einer vorübergehenden Trennung von seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris, Rdnr. 12, m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).
Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfG, a.a.O, Rdnr. 13, m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).
Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfG, a.a.O, Rdnr. 14 m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).
Bei Anwendung dieser Grundsätze steht die enge familiäre Beziehung des Klägers zu 1. zu seiner Ehefrau und seinen minderjährigen Kindern seiner Ausreise nach Russland zur Passbeschaffung nicht entgegen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Durchführung dieses Verfahrens nach Angaben der Beklagten etwa 2 bis 3 Monate in Anspruch nehmen wird. Dieser Einschätzung sind die Kläger in der Zulassungsbegründung nicht substantiiert entgegengetreten. Die schlichte Behauptung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Passbeschaffung deutlich längere Zeit in Anspruch nehme, reicht dazu nicht aus. Die genannte Zeitspanne ist auch unter Berücksichtigung des Alters der Kinder des Klägers zu 1. von 3 und 6 Jahren als Abwesenheitszeit hinnehmbar. Dies belegt eine Betrachtung aus der Sicht der minderjährigen Kinder vergleichbarer Lebenssachverhalte. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass noch deutlich längere Trennungszeiten etwa in der Seeschifffahrt oder bei anderen berufsbedingten Aufenthalten durchaus üblich sind und waren, ohne dass dieser Umstand im Hinblick auf Art. 6 GG und das Kindeswohl als problematisch angesehen würde. Insbesondere mutet auch der deutsche Staat beispielsweise Angehörigen der Bundeswehr im Auslandseinsatz mehrmonatige Trennungen von ihren (Kleinst)kindern zu. Ein Verstoß gegen Art. 6 GG wird darin bislang nicht gesehen. Der Senat vermag eine von diesen Fallgruppen abweichende Beurteilung der Situation der klägerischen Familie nicht zu erkennen. Die Kläger haben insbesondere nicht dargelegt, aus welchem Grunde die vorübergehende Abwesenheit des Klägers zu 1. dessen Kinder härter treffen sollte, als dies bei der berufsbedingten mehrmonatigen Abwesenheit anderer Väter der Fall ist. Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin zu 2. berufstätig ist und der Kläger zu 1. seine beiden Kinder nach eigenen Angaben täglich betreut. Angesichts der Planbarkeit der Ausreise ist eine alternative Betreuung der Kinder - etwa durch andere Familienangehörige, eine Tagesmutter, Betreuung in einer Kindertagesstätte oder der Schule - für den genannten überschaubaren Zeitraum organisierbar. Die Kläger haben in der Zulassungsbegründung nicht dargelegt, dass eine derartige alternative Betreuung unmöglich wäre.
Soweit der Kläger zu 1. darüber hinaus bei einer Rückkehr in die Russische Föderation die Einleitung eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens und in diesem Zusammenhang ggf. auch seine (vorübergehende) Inhaftierung fürchtet, macht dies eine Passbeschaffung grundsätzlich ebenfalls nicht unzumutbar. Die Verfolgung kriminellen Unrechts durch einen anderen Staat rechtfertigt es nicht, in dessen Passhoheit durch die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer einzugreifen und dem betreffenden Ausländer auf diese Weise die Möglichkeit zu gewähren, sich der Strafverfolgung seines Heimatlandes zu entziehen. Im Falle der Verfolgung und Ahndung kriminellen Unrechts nimmt auch die deutsche Rechtsordnung die längerfristige Trennung eines Beschuldigten oder Verurteilten von seiner Familie durch die Verhängung von Untersuchungs- bzw. Strafhaft in Kauf.
Soweit die Kläger vortragen, eine Passbeschaffung durch den Kläger zu 1. in der Russischen Föderation sei diesem nicht zuzumuten, da dort eine politische Verfolgung des Klägers zu 1. zu befürchten sei, ihm insbesondere ein politisch motiviertes Strafverfahren drohe, können sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Die Beklagte ist nicht zu einer Entscheidung über materiellen Asyl- bzw. Flüchtlingsschutz berufen. Damit ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vielmehr das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge betraut. Diese vom Gesetzgeber bewusst geschaffene Kompetenzordnung beruht auf der besonderen Sachkunde des Bundesamtes im Hinblick auf Fragen der politischen Verfolgung und anderer zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse (vgl. auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Es steht nicht zur Disposition des Klägers zu 1., einen materiellen Anspruch auf Asylgewährung bzw. Flüchtlingsschutz auf der Grundlage ausländerrechtlicher Vorschriften gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.2006 - 1 B 126/05 -, juris, Rdnr. 3). Dies gilt auch, soweit er dieses Begehren an ausländerrechtlichen Fragestellungen wie der einer Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abhängig macht. Auf die verfahrensmäßige Einkleidung des materiell geltend gemachten Schutzbegehrens kommt es nicht an (vgl. VGH BW, Urt. v. 28.05.2008 - 13 S 136/08 -, juris, Rdnr. 25). Der Kläger zu 1. wird dadurch auch nicht unangemessen benachteiligt, zumal er bereits mehrfach auf die Möglichkeit eines Asylantrages hingewiesen worden ist, er sich aber bewusst gegen die Durchführung eines Asylverfahrens entschieden hat. In einem solchen Verfahren kämen ihm auch die asylverfahrensrechtlichen Beweiserleichterungen zugute, die er zu Unrecht im vorliegenden Verfahren im Hinblick auf den Nachweis einer politischen Verfolgung für sich reklamiert.
Die Nichtberücksichtigung des materiellen Asylvorbringens des Klägers zu 1. gilt auch im Hinblick auf den von ihm beanspruchten Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Daraus ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht auch diesen Anspruch mit zutreffender Begründung abgelehnt hat. Der Umstand, dass die Beklagte diesen Anspruch ausweislich ihres Versagungsbescheides vom 29. November 2010 überhaupt nicht geprüft hat, ist dabei unschädlich, da ihr Ermessensspielraum mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht eröffnet war. Das Verwaltungsgericht war mithin insoweit befugt, „durchzuentscheiden“.
2. Die Zulassung der Berufung kommt auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in Betracht. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn sie mit einem Schwierigkeitsgrad verbunden ist, der signifikant über dem Durchschnitt vergleichbarer verwaltungsgerichtlicher Fälle liegt. Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, konkret zu benennen, und es ist anzugeben, aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Zwar dürfen insoweit die Darlegungserfordernisse nicht überspannt werden, weil sich ein nicht auf das jeweilige Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand Erkenntnisse über das in vergleichbaren Streitverfahren übliche Maß an Komplexität nicht beschaffen kann, während sie dem angerufenen Gericht ohne weiteres zugänglich sind (BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rdnr. 17). Andererseits reicht aber eine nochmalige Darstellung der Argumente nicht aus, die bereits zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils vorgebracht worden sind, eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO indes gerade nicht zur Folge haben.
Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen der Kläger nicht. Sie verweisen insoweit lediglich darauf, dass die Frage ungeklärt sei, ob das Strafverfahren, das der Kläger zu 1. bei einer Rückkehr in die Russische Föderation zu erwarten habe, politisch motiviert sei. Auf diese Frage kommt es nach dem oben Ausgeführten im vorliegenden Verfahren indes nicht an, da die Beklagte im Hinblick auf die Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht über das Vorliegen politischer Verfolgung zu entscheiden hat.
3. Auch eine Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels im Sinne des
§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO kommt nicht in Betracht. Der geltend gemachte Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt nicht vor.
Der verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) erfordert, dass die Äußerungen der Beteiligten ernsthaft zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden (BVerfG, Beschl. v. 26.01.1983 - 1 BvR 614/80 -, BVerfGE 63, 80, 85; Beschl. v. 17.07.1996 - 1 BvR 55/96 -, juris). Das Prozessgrundrecht soll sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensmängeln ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (BVerfG, Beschl. v. 20.02.2008 - 1 BvR 2722/06 -, juris, Rdnr. 9; Beschl. v. 19.06.1985 - 1 BvR 933/84 -, BVerfGE 70, 215, 218). Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht seiner diesbezüglichen Verpflichtung nachkommt, ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles deutlich machen, dass dies wider Erwarten nicht geschehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.02.2008 - 1 BvR 2722/06 -, juris, Rdnr. 11; Beschl. v. 01.02.1978 - 1 BvR 426/77 -, BVerfGE 47, 182, 187f [BVerfG 01.02.1978 - 1 BvR 411/75]). Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren vor allem ein Recht darauf, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts ist eine originäre richterliche Aufgabe. Allein die Behauptung, die richterlichen Tatsachenfeststellungen seien falsch oder der Richter habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung beigemessen, vermag grundsätzlich einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht zu begründen (BVerfG, Beschl. v. 19.07.1967 - 2 BvR 639/66 -, BVerfGE 22, 267, 273).
Die Kläger rügen in diesem Zusammenhang, dass das Verwaltungsgericht seiner Amtsaufklärungspflicht im Hinblick auf eine mögliche politische Verfolgung des Klägers zu 1. nicht nachgekommen sei, da es keine weiteren Auskünfte zum russischen Strafverfahren eingeholt habe. Dies betrifft allerdings nicht den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern begründet eine im Rahmen des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ebenfalls mögliche Aufklärungsrüge. Beide Ansätze führen hier allerdings schon deshalb nicht zu einer Zulassung der Berufung, da die Frage der politischen Verfolgung des Klägers zu 1. im vorliegenden Verfahren aus den genannten Gründen nicht entscheidungserheblich war. Hinsichtlich nicht entscheidungserheblicher Tatsachen besteht aber weder eine Berücksichtigungs- noch eine Aufklärungspflicht.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig
(§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).