Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.04.2015, Az.: 12 OA 197/14

notwendige Aufwendungen; Auslagen; Beschwerde; Beschwerdebefugnis; Erinnerung; Erstattungsfähigkeit; Kostenfestsetzungsbeschluss; Mehrkosten; Prozessbevollmächtigter; Reisekosten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.04.2015
Aktenzeichen
12 OA 197/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45002
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.11.2014 - AZ: 7 A 6714/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zu der Frage, ob auch ein Prozessbevollmächtigter befugt ist, im eigenen Namen Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung über eine Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss einzulegen.

2. Zu den Voraussetzungen für die Erstattung von Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beauftragte Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks hat.

Tenor:

Die Beschwerde des Erinnerungs- und Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Berichterstatter der 7. Kammer - vom 6. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungs- und Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Erinnerungs- und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) wendet sich gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 11. August 2014 zurückgewiesen hat.

Im vorausgegangenen Klageverfahren wandte sich der Kläger gegen von der Beklagten angeordnete Radwegbenutzungspflichten. Der Kläger wohnt im Gebiet der Beklagten. Klage erhob für ihn sein Prozessbevollmächtigter. Der Kanzleisitz des Prozessbevollmächtigten befindet sich in Berlin. In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2014, an der der Kläger mit seinem Prozessbevollmächtigten teilnahm, hob die Beklagte auf Hinweis des Gerichts die angefochtene verkehrsrechtliche Anordnung auf. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein und legte der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. Mit dem unter dem 8. Juli 2014 gestellten Kostenfestsetzungsantrag wurden - neben u.a. der Verfahrens- und der Terminsgebühr sowie der Telekommunikationsentgelte - für den Prozessbevollmächtigten Abwesenheitsgeld für mehr als acht Stunden, Hin- und Rückreisekosten sowie Unterkunfts- und Verpflegungskosten geltend gemacht. Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. August 2014  setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle statt der angemeldeten Reisekosten nur die fiktiven Kosten eines Anwalts für eine Reise über maximal 50 km des Hin- und Rückwegs (= 30,- EUR) und Abwesenheitsgeld (Abwesenheit von nicht mehr als vier Stunden = 25,- EUR) an. Zur Begründung heißt es: Die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten, der nicht im Gerichtsbezirk ansässig ist, sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Eine Rücksprache beim zuständigen Berichterstatter habe ergeben, dass es sich hier nicht um eine besonders spezielle und komplizierte Rechtsmaterie handele, die es rechtfertige, einen versierten, weit vom Gericht entfernten Fachanwalt zu beauftragen. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers hat das Verwaltungsgericht mit dem genannten Beschluss aus den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 11. August 2014 zurückgewiesen.

Mit seiner Beschwerde macht der Prozessbevollmächtigte des Klägers - wie bereits erstinstanzlich - geltend: Seit der sog. Fahrradnovelle (1997) befasse er sich mit der Radwegbenutzungspflicht. Er habe „in eigener Betroffenheit“ erfolgreich Radwegbenutzungspflichten in Berlin und Brandenburg angegriffen. Ihm seien die besonderen Probleme rund um die Radwegbenutzungspflichten aus eigener Radfahrpraxis bekannt. Ratsuchende stießen bei ihm mit ihren diesbezüglichen Anliegen ohne weitere Erklärungen auf Verständnis. In den seltenen Fällen, in denen es zu einer Mandatierung komme, wiesen diese einen ausgeprägten persönlichen Einschlag auf. Der Kläger sei bei ihm - dem Prozessbevollmächtigten - bestmöglich aufgehoben gewesen. Etwas Gleichwertiges wäre ihm „um die Ecke“ nicht geboten worden.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Über die Beschwerde entscheidet der Senat durch Beschluss. Eine spezialgesetzliche Regelung, die die Zuständigkeit des Einzelrichters oder des Berichterstatters begründet, liegt nicht vor (s. dazu i.E. etwa OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2011 - 1 E 32/11 -, juris, m.w.N.; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 165 Rdn. 34).

Ohne dass dies aus Anlass des vorliegenden Falls abschließend entschieden werden muss, spricht nach derzeitiger Auffassung des Senats Überwiegendes dafür, dass die Beschwerde in der hier eingelegten Form unzulässig ist. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Beschwerde im eigenen Namen erhoben (Schriftsatz vom 28.10.2014: „… erhebe ich … Beschwerde“). Gleiches gilt für die Erinnerung (Schriftsatz vom 22.8.2014: „… beantrage ich … die Entscheidung des Gerichts“). Der Prozessbevollmächtigte, also der Beschwerdeführer, dürfte indessen nicht beschwerdebefugt sein. Im Einzelnen:

Gemäß § 165 Satz 1 VwGO können die Beteiligten die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. Nach § 162 Abs. 1 VwGO geht es bei den Kosten u.a. um die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Gemeint sind die (möglicherweise von der gerichtlich zu treffenden Kostengrundentscheidung betroffenen) Beteiligten des Verfahrens. Dies sind gemäß § 63 Nr. 1 - 3 VwGO der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene. Der jeweilige Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten dürfte nicht befugt sein, in dem allein dem Kostenausgleich zwischen den Beteiligten des vorausgegangenen Verfahrens dienenden Kostenfestsetzungsverfahren im eigenen Namen Anträge zu stellen und Rechtsmittel (wie hier die Beschwerde) einzulegen (s. etwa BVerfG, Beschl. v. 15.7.1997 - 1 BvR 1174/90 -, BVerfGE 96, 251, juris Rdn. 7 f.; OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2011 - 1 E 32/11 -, juris Rdn. 7 ff., m.w.N.; Hess. VGH, Beschl. v. 6.10.1997 - 14 S 2808/97 -, JurBüro 1999, 35, juris; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 164 Rdn. 37 ff., § 165 Rdn. 12 ff., 15; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 151 Rdn. 4; offen gelassen von Nds. OVG, Beschl. v. 21.9.2000 - 1 O 3119/00 -, JurBüro 2001, 249, juris Rdn. 5 ff.). Die gegenteilige Auffassung (s. etwa Kopp/ Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 165 Rdn. 4 m.w.N.) findet - soweit erkennbar - im Gesetz keine Stütze (BVerfG, Beschl. v. 15.7.1997 - 1 BvR 1174/90 -, BVerfGE 96, 251, juris Rdn. 8). Eine Beschwerdebefugnis des Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten lässt sich auch nicht aus § 146 Abs. 1 VwGO herleiten. Nach dieser Vorschrift steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde gegen die Entscheidungen u.a. des Verwaltungsgerichts zu, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, soweit nicht in der VwGO etwas anderes bestimmt ist. Die Regelung des § 146 Abs. 1 VwGO ist, soweit sie den Kreis der Beschwerdeberechtigten über den Kreis der Beteiligten hinaus ausdehnt, in einem Beschwerdeverfahren der vorliegenden Art nicht anwendbar. Der die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung regelnde § 165 VwGO verweist in seinem Satz 2 auf § 151 VwGO, der seinerseits in Satz 3 die entsprechende Geltung nur der §§ 147 bis 149 VwGO anordnet. Angesichts der vom Gesetzgeber in § 165 Satz 1 VwGO getroffenen Regelung („Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten“) spricht alles dafür, dass insoweit nur Beteiligte i.S.v. § 63 VwGO, nicht aber auch sonst von der Entscheidung betroffene Personen erinnerungs- und beschwerdebefugt sein können (OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2011 - 1 E 32/11 -, juris Rdn. 10 ff., m.w.N.; Hess. VGH, Beschl. v. 6.10.1997 - 14 S 2808/97 -, JurBüro 1999, 35, juris). Ungeachtet dessen kann ein Prozessbevollmächtigter auch nicht als ein sonst von der Entscheidung Betroffener qualifiziert werden. Er wird von der den Gegenstand der Beschwerde bildenden Entscheidung ebenso wenig unmittelbar betroffen wie von dem ihr vorausgegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Die Kostenfestsetzung hat rechtlich keine Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten. Der Kostenfestsetzungsbeschluss bringt lediglich den Betrag zum Ausgleich, welchen der Kostenschuldner an andere Beteiligte zu zahlen hat; dabei sind die Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Kostengläubigers lediglich ein Rechnungsposten. Durch die Kostenfestsetzung wird nicht rechtsverbindlich festgelegt, in welcher Höhe der Prozessbevollmächtigte einen Gebührenanspruch gegenüber seinem - obsiegenden - Auftraggeber hat. Der Rechtsanwalt ist deshalb nicht gehindert, von seinem Auftraggeber höhere Gebühren als die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss als erstattungsfähig angesetzten Gebühren zu verlangen. Eine entsprechende Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG kann zu einer Korrektur der Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO führen (zum Ganzen näher OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2011 - 1 E 32/11 -, juris Rdn. 12 ff. m.w.N.).

Die Beschwerde ist unabhängig davon jedenfalls unbegründet.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die dem Kläger von der Beklagten zu erstattenden notwendigen Aufwendungen in nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO sind Kosten u.a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelte Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts steht unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO, wonach es sich - wie dargelegt - um die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen handeln muss (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 162 Rdn. 10 ff., Rdn. 66; Kopp/ Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 162 Rdn. 10 jew. m.w.N.). Der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass Reisekosten eines Rechtsanwalts ohne nähere Prüfung nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat (s. etwa BayVGH, Beschl.v. 24.2.2010 - 11 C 10.81 - juris, m.w.N.). Weder das eine noch das andere ist hier der Fall. Mehrkosten, die - wie hier - dadurch entstehen, dass der beauftragte Rechtsanwalt seine Kanzlei weder am Wohnsitz des Mandanten noch am Gerichtssitz hat, sind grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Gründe erstattungsfähig. Diese sind etwa anzunehmen, wenn der beauftragte Anwalt über Spezialkenntnisse verfügt und der Streitfall Fragen auf dem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass ein verständiger Beteiligter die Hinzuziehung eines solchen Anwalts vernünftigerweise für erforderlich halten darf. Besondere Gründe sind auch dann anzunehmen, wenn zwischen dem Mandanten und dem auswärtigen Anwalt bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, etwa weil der Rechtsanwalt den Mandanten bereits im Verwaltungsverfahren vertreten hat und ein Anwaltswechsel zum Zwecke der Kostenersparnis deshalb unzumutbar ist. Dasselbe gilt für sog. Hausanwälte, also für solche Anwälte, deren sich der Beteiligte ständig bedient (s. etwa Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 162 Rdn. 69 m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben sind hier die entstandenen Mehrkosten nicht als notwendig anzuerkennen. Dass ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beschwerdeführer bestanden hätte, hat Letzterer nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Soweit er geltend macht, in den seltenen Fällen, in denen es zu einer Mandatierung komme, wiesen diese einen ausgeprägten persönlichen Einschlag auf, lässt dies nicht ausreichend auf ein tatsächlich zwischen ihm und dem Kläger bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis schließen. Auch ein weiterer Ausnahmefall liegt nicht vor. Der Vortrag des Beschwerdeführers, er habe „in eigener Betroffenheit“ erfolgreich Radwegbenutzungspflichten in Berlin und Brandenburg angegriffen, unterstütze und vertrete mitunter auch Ratsuchende, ihm seien die besonderen Probleme rund um die Radwegbenutzungspflichten aus eigener Radfahrpraxis bekannt, lässt zwar auf vorhandene Spezialkenntnisse in Bezug auf die in Rede stehende Rechtsmaterie schließen. Der Streitfall wirft indes nicht Fragen auf einem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit auf, dass ein verständiger Beteiligter die Hinzuziehung eines solchen Anwalts vernünftigerweise für erforderlich halten durfte. Verkehrsrechtliche Anordnungen im Allgemeinen und Radwegbenutzungspflichten im Besonderen stellen typischerweise keine derartige Spezialmaterie dar, dass der Kläger nicht auch einen sachkundigen ortsansässigen oder ortsnäheren Bevollmächtigten hätte finden können. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Radwegbenutzungspflichten sind geklärt. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass es für eine angemessene rechtliche Vertretung einer besonderen rechtlichen Spezialisierung - insbesondere über die Spezialisierung als Fachanwalt für Verwaltungsrecht hinaus - bedürfte (s. auch VG München, Beschl. v. 22.5.2013 - M 23 M 13.1132 -, juris Rdn. 11). Dass sich der Kläger bei dem Beschwerdeführer - wie geltend gemacht - „bestmöglich“ aufgehoben gefühlt habe, rechtfertigt ebenso wenig eine andere Betrachtung wie der Umstand, dass im Vorfeld des Rechtsstreits nicht ersichtlich gewesen sei, auf welche Weise sich die Beklagte verteidigen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).