Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.04.2015, Az.: 1 ME 43/15

Berechtigung des Rechtsmittelgerichts zur Selbstvornahme einer in einer vorangegangenen Instanz unterlassenen Streitwertfestsetzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.04.2015
Aktenzeichen
1 ME 43/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 20498
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2015:0429.1ME43.15.0A

Fundstellen

  • AGS 2017, 286
  • DÖV 2015, 676
  • JurBüro 2015, 412-413
  • NVwZ-RR 2015, 678-679

Amtlicher Leitsatz

Das Rechtsmittelgericht ist in analoger Anwendung von § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG befugt, eine in einer vorangegangenen Instanz unterlassene Streitwertfestsetzung selbst vorzunehmen im Anschluss an BSG, Urt. v. 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R -, [...] Rn. 23 = BSGE 97, 153 [BSG 05.10.2006 - B 10 LW 5/05 R]; LSG Schleswig, Beschl. v. 14.3.2006 - L 4 KA 3/04 -, [...] Rn. 14 = NZS 2006, 559 [LSG Schleswig-Holstein 14.03.2006 - L 4 KA 3/04]; OLG Celle, Beschl. v. 24.4.2002 - 13 U 150/00 -, [...] Rn. 2 = OLGR Celle 2002, 188).

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Untersagung der Nutzung einer Freifläche zum Abstellen von Containern; sie macht vor allem geltend, dass das Abstellen von Containern genehmigungsfrei zulässig sei.

Die Antragstellerin, Betreiberin eines Containerdienstes, nutzt eine Teilfläche des ehemaligen Güterbahnhofsgeländes, das Grundstück D. Straße 22b (Flurstück 23/30, Flur 125, Gemarkung C.), zum Abstellen defekter Container. Über eine entsprechende Baugenehmigung verfügt sie nicht. Aufgrund dessen untersagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14. Juli 2014 und Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2014 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die weitere Nutzung der Teilfläche. Zur Begründung verwies sie auf die formelle Illegalität der Nutzung.

Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Osnabrück mit dem angegriffenen Beschluss vom 25. Februar 2015 abgelehnt. Die Verfügung sei hinreichend bestimmt und auch ansonsten voraussichtlich rechtmäßig. Die Antragstellerin nutze die Fläche als Lagerplatz; das erfordere eine Baugenehmigung. Offensichtlich genehmigungsfähig sei die Nutzung aufgrund der Geltung einer Veränderungssperre nicht.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Senat lässt offen, ob die Beschwerde angesichts ihrer äußerst knapp gehaltenen und auf die umfangreichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts kaum eingehenden Begründung zulässig ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Sie ist jedenfalls unbegründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin auf dem Grundstück einen genehmigungsbedürftigen Lagerplatz i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NBauO betreibt. Ein verfahrensfreies Vorhaben gemäß Nr. 5.5 des Anhangs zu § 60 Abs. 1 NBauO liegt schon deshalb nicht vor, weil nicht die Nutzung eines Behälters, sondern die Nutzung des Grundstücks als Abstellplatz für eine Vielzahl defekter Container in Rede steht.

Ohne Erfolg meint die Antragstellerin weiter, die angegriffenen Verfügungen seien nicht hinreichend bestimmt. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass sich die Verfügung auf einen Teilbereich des Güterbahnhofgrundstücks, nämlich das Flurstück 23/30 bezieht. Dem setzt die Antragstellerin nichts entgegen. Aus welchen Gründen es die Bestimmtheit der Verfügung in Frage stellen könnte, wenn diese auch Teilabschnitte des Geländes umfasste, die die Antragstellerin bislang nicht in Anspruch genommen hat, ist nicht nachvollziehbar.

Dass schließlich die Genehmigungsfähigkeit der Nutzung nicht offensichtlich ist, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend dargelegt. Hängt die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens von der Inzidentkontrolle der Veränderungssperre Nr. 54, einer Satzung nach dem Baugesetzbuch, ab, ist sie keinesfalls offensichtlich gegeben. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 11 b), 18 b) der Streitwertannahmen des Senats (NdsVBl. 2002, 192). Der Senat legt seiner Entscheidung einen Jahresnutzwert von 12.000,- EUR zugrunde; dieser Betrag ist aufgrund der Vorläufigkeit der angestrebten Entscheidung zu halbieren. Da das Verwaltungsgericht für das Verfahren in erster Instanz noch keinen Streitwert festgesetzt hat, macht der Senat in analoger Anwendung von § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von seiner Befugnis Gebrauch, den Streitwert auch für die erste Instanz erstmalig festzusetzen (zu dieser Befugnis BSG, Urt. v. 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R -, [...] Rn. 23 = BSGE 97, 153 [BSG 05.10.2006 - B 10 LW 5/05 R]; LSG Schleswig, Beschl. v. 14.3.2006 - L 4 KA 3/04 -, [...] Rn. 14 = NZS 2006, 559 [LSG Schleswig-Holstein 14.03.2006 - L 4 KA 3/04]; OLG Celle, Beschl. v. 24.4.2002 - 13 U 150/00 -, [...] Rn. 2 = OLGR Celle 2002, 188; a. A. Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 63 GKG Rn. 35). Der Senat folgt dabei den zutreffenden Überlegungen des Oberlandesgerichts Celle (a. a. O.): Wenn das Rechtsmittelgericht eine erstinstanzliche Festsetzung sogar abändern kann, muss es erst recht befugt sein, eine solche Festsetzung zu ersetzen. Für eine solche Befugnis sprechen zudem praktische Gesichtspunkte: das Erstgericht muss sich sonst nochmals mit einem für es bereits abgeschlossenen Verfahren befassen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).