Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.06.2023, Az.: 13 LA 55/22

Berechnung des Unterschiedsbetrags; Reservistendienst Leistende; Unterhaltssicherung; Berechnung des Unterschiedsbetrags nach § 9 USG

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.06.2023
Aktenzeichen
13 LA 55/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 20852
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0601.13LA55.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 16.12.2021 - AZ: 2 A 5083/21

Fundstellen

  • DÖD 2023, 152-156
  • NordÖR 2023, 496

Amtlicher Leitsatz

Bei der Berechnung des Unterschiedsbetrags nach § 9 USG ist der kinderbezogene Anteil des Familienzuschlags bei der Ermittlung der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge - anders als bei der Ermittlung der Versorgungsbezüge - nicht zu berücksichtigen.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 2. Kammer - vom 16. Dezember 2021 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 2. Kammer - vom 16. Dezember 2021, mit dem dieses die Klage auf Verpflichtung der Beklagten, die Leistungen nach § 9 des Gesetzes über die Leistungen zur Sicherung des Unterhalts von Reservistendienst Leistenden (Unterhaltssicherungsgesetz - USG -) unter Berücksichtigung des kinderbezogenen Familienzuschlags auch bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge neu zu berechnen, hilfsweise unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen, abgewiesen hat, bleibt ohne Erfolg.

Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) und des Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (3.) liegen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140 - juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543 - juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 124a Rn. 80 jeweils m.w.N.).

Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft den Rechtssatz aufgestellt, dass der Gesetzesvorbehalt aus § 1a Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung für die früheren Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz - SVG -) eine analoge Anwendung, den Familienzuschlag der Stufe 2 auch bei den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen nach § 9 Nr. 2 USG zu berücksichtigen oder diesen bei den Versorgungsbezügen nach § 9 Nr. 1 USG nicht zu berücksichtigen, ausschließe. Die Prüfung einer Analogie sei jedoch entscheidungserheblich, weil der erkennbare Wille des Gesetzgebers in der gesetzlichen Vorschrift des § 9 USG nur unvollkommen Ausdruck gefunden habe. Die Rechtsanwendung der Beklagten sei nach dem Wortsinn des § 9 USG rechtswidrig, sie widerspreche zudem der zweckentsprechenden Auslegung der Norm. Es habe nach den Gesetzesbegründungen dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, dass Zweck des Unterschiedsbetrages die Gleichstellung des Reservistendienst Leistenden mit einem aktiven Soldaten sei, er also mindestens so besoldet werden solle, als wäre er aktiver Soldat. Darüber hinaus hat er - der Kläger - eingewendet, das Verwaltungsgericht habe die Verletzung des Gleichheitsgebots aus Art. 3 GG aufgrund einer zu kurz greifenden Betrachtung der Vergleichsgruppen unzutreffend verneint. Die von Reservistendienst Leistenden mit und ohne Kindern geleistete Arbeit sei wesentlich gleich, dennoch komme es in der Behandlung in Form der Versorgung zu Unterschieden. Es liege zudem ein Verstoß gegen Art. 6 GG vor. Das Verwaltungsgericht erkenne die in der aktuellen Anwendung des § 9 USG liegende "Belastung" für Reservistendienst Leistende mit Kindern an, stelle dieser jedoch den gewährten kinderbezogenen Familienzuschlag gegenüber und komme so zu einer "Familienneutralität". § 9 USG führe in seiner derzeitigen Anwendung aber zu einem "Familienabschlag" auf die Differenzbezüge im Rahmen der Berechnung der Unterhaltsleistungen. Dem lasse sich der "gewährte" Familienzuschlag nicht gegenüberstellen.

Diese Einwände begründen nach dem dargestellten Maßstab ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Neuberechnung der Leistungen nach § 9 USG unter Berücksichtigung des kinderbezogenen Familienzuschlags auch bei Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge oder auf Neufestsetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat.

Gemäß § 9 USG erhalten Reservistendienst leistende Versorgungsempfänger mindestens den Unterschiedsbetrag zwischen 1. ihren Versorgungsbezügen nach Abzug der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer sowie 2. den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen nach der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der das Ruhegehalt berechnet ist, gemindert um den Betrag, der als Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von den Dienstbezügen abzuziehen wäre.

a. Die Berechnung des Unterschiedsbetrags ist dem Gesetzeswortlaut des § 9 USG eindeutig zu entnehmen. Das Unterhaltssicherungsgesetz definiert zwar weder den Begriff der "Versorgungsbezüge" noch den der "ruhegehaltfähigen Dienstbezüge". Vielmehr wird die Versorgung der Soldaten gemäß § 1a SVG durch Gesetz geregelt. Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG -) regelt dieses Gesetz die Versorgung der Beamten des Bundes. Entsprechend sind die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge in § 5 BeamtVG und § 17 SVG und die Versorgungsbezüge in § 2 BeamtVG und § 14 SVG normiert. Das Unterhaltssicherungsgesetz verweist zwar nicht ausdrücklich auf die Anwendbarkeit der entsprechenden Regelungen. Aus der Systematik der Norm ergibt sich die Anwendbarkeit jedoch ohne Weiteres. Das Unterhaltssicherungsgesetz regelt in Kapitel 2 Abschnitt 1 die Leistungen zur Sicherung des Einkommens. In diesem Abschnitt sind neben den Leistungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie an Selbständige auch die Leistungen für Versorgungsempfänger geregelt. Im Rahmen der in § 8 USG geregelten Mindestleistung nimmt das Gesetz in Absatz 2 für die Anrechnung von Leistungen auch ausdrücklich auf die Bestimmungen des Soldatenversorgungsgesetzes Bezug. Demgegenüber liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass § 9 USG die Begriffe "Versorgungsbezüge" und "ruhegehaltfähige Dienstbezüge" losgelöst von den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes und des Soldatenversorgungsgesetzes verwendet.

Die Beklagte hat daher zu Recht bei der Berechnung (jeweils Seite 4 der angefochtenen Beschwerdebescheide v. 21.7.2021 und 3.8.2021 = Blatt 6R und Blatt 9R der Gerichtsakte) der Versorgungsbezüge neben dem Ruhegehalt den kinderbezogenen Anteil des Familienzuschlags berücksichtigt. Denn gemäß § 14 Nr. 6 SVG umfasst die Dienstzeitversorgung der Berufssoldaten den Unterschiedsbetrag nach § 47 Abs. 1 Satz 2 und 3 SVG. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 SVG wird der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der nach dem Besoldungsrecht in Betracht kommenden Stufe des Familienzuschlags nach Anwendung des Faktors nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SVG neben dem Ruhegehalt gezahlt. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 2 Nr. 8 BeamtVG. Auch die Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge hat sie richtig vorgenommen. Sie umfassen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SVG neben dem Grundgehalt (Nr. 1) den Familienzuschlag (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SVG) bis zur Stufe 1 und damit nicht den kinderbezogenen Anteil des Familienzuschlags.

b. Soweit der Kläger hiergegen einwendet, ein solches Verständnis der Norm widerspreche ihrem Regelungszweck, folgt der Senat dem nicht. Denn dem steht zum einen der eindeutige Wortlaut des § 9 USG entgegen. Zum anderen zwingen auch die Gesetzesbegründungen nicht zu einer solchen Annahme. Aus der Begründung (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und des Arbeitsplatzschutzgesetzes, BT-Drs. 11/5058, S. 8) zu § 13c Abs. 3 USG in der Fassung vom 1. Januar 1990, die im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem hier anwendbaren § 9 USG ist, heißt es, dass Versorgungsbezüge und Mindestleistung zusammen den Dienstbezügen aus einem aktiven Dienstverhältnis entsprechen. Die Gesetzesbegründung zu § 9 USG (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 18/4632, S. 31) verweist auf die Entsprechung des § 9 USG zu § 13c USG a.F. Darüber hinaus heißt es in dieser Gesetzesbegründung aber auch, dass durch die Erhöhung der Mindestleistung für Reservistendienst Leistende sichergestellt werden solle, dass ihre Leistungen an die Netto-Besoldung von Soldatinnen und Soldaten gleichen Dienstgrades angeglichen, mithin nur der Tendenz nach ausgerichtet würden. Dadurch sollten die Reservistendienst Leistenden eine Sicherung ihres Lebensbedarfs nach ihrem Dienstgrad erhalten. Ziel des Gesetzes sei es zudem, den Lebensbedarf der freiwillig Wehrdienst Leistenden und ihrer Familien zu sichern. Anspruchsberechtigte im Sinne des Gesetzes sollten nicht auf Grund des freiwilligen Wehrdienstes Anträge auf Sozialleistungen stellen müssen (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 18/4632, S. 25). Das Unterhaltssicherungsgesetz folgt, wie die Beklagte zu Recht mit Schriftsatz vom 16. März 2022 (Seite 2 = Blatt 97R der Gerichtsakte) eingewendet hat, hingegen nicht dem Alimentationsprinzip, das der Besoldung zu Grunde liegt (vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, BT-Drs. 19/9491, S. 151 zu § 8). § 9 USG stellt bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge auf den Dienstgrad ab, indem die Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der das Ruhegehalt berechnet ist, zugrunde gelegt wird. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits über die ihm gewährten Versorgungsleistungen alimentiert ist. Im Rahmen der Versorgung wird entsprechend der kinderbezogene Familienzuschlag gewährt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 2 und 3, 14 Nr. 6 SVG). Die nach dem Unterhaltssicherungsgesetz zu gewährenden Leistungen stehen neben der Versorgung und gehen in der Höhe gegebenenfalls über die nach dem Alimentationsprinzip zu gewährenden Versorgungsbezüge hinaus.

c. Eine analoge Anwendung des § 9 USG kommt vorliegend entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Betracht. Denn unabhängig von der Frage, ob im Bereich besoldungs- und versorgungsrechtlicher Regelungen überhaupt eine analoge Rechtsanwendung möglich ist, besteht jedenfalls keine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie. § 9 USG regelt - wie unter I.1.b. dargestellt - dem gesetzgeberischen Willen entsprechend und auch abschließend, wie der dem Reservistendienst leistenden Versorgungsempfänger zu gewährende Unterschiedsbetrag zu berechnen ist.

d. Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe eine Verletzung des Gleichheitsgebots aus Art. 3 GG aufgrund einer zu kurz greifenden Betrachtung der Vergleichsgruppen verneint, die geleistete Arbeit sei gleich, es komme jedoch "in der Behandlung in Form der Versorgung zu Unterschieden", greift nicht durch. Es handelt sich bei den Leistungen nach § 9 USG bereits nicht um eine Form der Versorgung. Denn die Versorgung der Soldaten ist im Soldatenversorgungsgesetz geregelt. Das Unterhaltssicherungsgesetz regelt demgegenüber in Abschnitt 1 allgemein Leistungen zur Sicherung des Einkommens. Innerhalb dieses Abschnitts findet sich unter anderem die Bestimmung des § 9 USG, der konkret die Leistungen für Versorgungsempfänger regelt. Diese Unterhaltssicherungsleistungen treten - wie bereits unter I.1.b. dargestellt - neben die dem Soldaten gewährten Versorgungsleistungen.

Darüber hinaus hat der Senat Zweifel daran, dass eine Ungleichbehandlung überhaupt vorliegt. Anders als der Kläger meint, ist für die Bestimmung der relevanten Vergleichsgruppe nicht auf die von den Reservistendienst Leistenden geleistete Arbeit abzustellen, sondern auf die Reservistendienst leistenden Versorgungsempfänger. Denn nach dem Unterhaltssicherungsgesetz wird die Unterhaltssicherung nicht als Gegenleistung für die geleistete Arbeit gezahlt. Vielmehr ist Zweck des Unterhaltssicherungsgesetzes, das Einkommen der Reservistendienst Leistenden sowie den Unterhalt der Angehörigen der freiwilligen Wehrdienstleistenden zu sichern. Dabei sollen nach der Gesetzesbegründung die Reservistendienst Leistenden eine Sicherung ihres Lebensbedarfs nach ihrem Dienstgrad erhalten (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 18/4632, S. 25). Die Regelung des § 9 USG orientiert sich daran, indem sie die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der das Ruhegehalt ermittelt ist, berechnet. Im Übrigen ist die Berechnungsgrundlage des Unterschiedsbetrags für alle Versorgungsempfänger gleich. Die konkrete Berechnung hängt dann davon ab, wie sich die Versorgung zusammensetzt, und kann aus diesem Grund unterschiedlich ausfallen.

Letztlich kann der Senat aber offenlassen, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt. Denn selbst wenn dies so wäre, führte dies nicht zu einem anderen Ergebnis der angefochtenen Entscheidung. Denn der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Neuberechnung der Leistungen nach § 9 USG unter Berücksichtigung des kinderbezogenen Familienzuschlags auch bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Es wäre bei einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz jedoch aufgrund der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) Sache des Gesetzgebers und nicht des entscheidenden Gerichts, den dann gegebenen Gleichheitsverstoß zu beheben, die entsprechende Norm zu ändern und den Sachverhalt gesetzlich neu zu regeln. Vorliegend würden sich die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Regelung indes nicht auf eine einzig verfassungsgemäße Regelung reduzieren. Vielmehr böten sich verschiedene Möglichkeiten, den Unterschiedsbetrag des § 9 USG zu berechnen. Einen Anspruch auf eine Neuberechnung nach seinen Vorstellungen hätte der Kläger daher nicht. Dies gilt aus den genannten Gründen ebenso, soweit er beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, die Leistungen nach § 9 USG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

e. Der Senat hat ebenso Zweifel daran, dass ein Verstoß gegen Art. 6 GG vorliegt. Dagegen, dass eine Benachteiligung oder Beeinträchtigung der Familie vorliegt, spricht schon, dass im Rahmen der Versorgungsleistungen des Klägers der kinderbezogene Familienzuschlag berücksichtigt wird. Dadurch, dass er für die Reservistendienstleistung Leistungen als Versorgungsempfänger erhält, mindert sich der Betrag der Versorgungsleistungen nicht. Im Rahmen der Versorgung wird das Alimentationsprinzip bereits berücksichtigt. Zwar ist die neben der Versorgung gewährte Unterhaltssicherung gegebenenfalls geringer als bei einem Reservistendienst Leistenden ohne Kinder. Gründe, den Familienzuschlag ein zweites Mal zu berücksichtigen, erschließen sich dem Senat jedoch nicht.

Darüber hinaus kann auch hier letztlich offenbleiben, ob ein Verstoß gegen Art. 6 GG gegeben ist. Denn selbst für diesen Fall führte dies aus den unter I.1.d. genannten Gründen nicht zu einem anderen Ergebnis der angefochtenen Entscheidung. Der Kläger hätte auch insoweit keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Neuberechnung der Leistungen nach § 9 USG unter Berücksichtigung des kinderbezogenen Familienzuschlags auch bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge oder zur Neufestsetzung der Leistungen nach § 9 USG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, da es mangels einer einzig verbleibenden verfassungskonformen Regelung Sache des Gesetzgebers wäre, eine gesetzliche Regelung zu schaffen.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 53 m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 15.8.2014 - 8 LA 172/13 -, GewArch 2015, 84, 85 - juris Rn. 15; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 36 ff. m.w.N.).

Gemessen daran kommt den von dem Kläger aufgeworfenen Fragen,

1. ob der Familienzuschlag nach Stufe 2 gemäß § 40 Abs. 2 BBesG bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach § 9 Nr. 2 USG zu berücksichtigen ist,

2. ob der Familienzuschlag nach Stufe 2 gemäß § 40 Abs. 2 BBesG bei der Berechnung der Versorgungsbezüge nach § 9 Nr. 1 USG zu berücksichtigen ist,

3. ob der Familienzuschlag nach Stufe 2 gemäß § 40 Abs. 2 BBesG sowohl bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach § 9 Nr. 2 USG als auch der Berechnung der Versorgungsbezüge nach § 9 Nr. 1 USG zu berücksichtigen ist oder alternativ in beiden Fällen nicht zu berücksichtigen ist,

4. ob die gesetzliche Bestimmung "mindestens" in § 9 USG der Besoldungsdienststelle ein Ermessen einräumt und ob die ermessensgerechte Ausübung die paritätische Berücksichtigung nichtruhegehaltfähiger Zuschläge im Allgemeinen und des Familienzuschlags der Stufe 2 nach § 40 Abs. 2 BBesG im Speziellen erfordert,

5. ob die derzeitige Rechtsanwendungspraxis des § 9 USG der Beklagten und Berufungsbeklagten, bei der der Unterschiedsbetrag zwischen den Versorgungsbezügen nach Abzug der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer und den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen nach der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der das Ruhegehalt berechnet ist, gemindert um den Betrag, der als Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von den Dienstbezügen in der Art und Weise erfolgt, dass die Versorgungsbezüge nach § 9 Nr. 1 USG unter Einbeziehung des Familienzuschlags der Stufe 2 nach § 40 Abs. 2 BBesG, die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach § 9 Nr. 2 USG hingegen ohne diese berechnet werden, zu einer Verletzung des Gleichheitsgebots aus Art. 3 GG führt,

6. ob die derzeitige Rechtsanwendungspraxis des § 9 USG der Beklagten und Berufungsbeklagten, bei der der Unterschiedsbetrag zwischen den Versorgungsbezügen nach Abzug der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer und den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen nach der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der das Ruhegehalt berechnet ist, gemindert um den Betrag, der als Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von den Dienstbezügen in der Art und Weise erfolgt, dass die Versorgungsbezüge nach § 9 Nr. 1 USG unter Einbeziehung des Familienzuschlags der Stufe 2 nach § 40 Abs. 2 BBesG, die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach § 9 Nr. 2 USG hingegen ohne diese berechnet werden, zu einer Verletzung des Art. 6 GG führt,

eine die Zulassung der Berufung gebietende grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Ob die Fragen 2 und 3 entscheidungserheblich sind - der Kläger hat jedenfalls hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Neufestsetzung der Leistungen nach § 9 USG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beantragt -, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Denn die Fragen 1 bis 3 sind, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, dahin zu beantworten, dass der Familienzuschlag nach Stufe 2 gemäß § 40 Abs. 2 BBesG - aus den unter I.1.a. dargestellten Gründen - nur bei der Berechnung der Versorgungsbezüge zu berücksichtigen ist.

Die Frage 4 lässt sich ebenfalls, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, anhand des Gesetzes sowie der Gesetzesmaterialien beantworten. Die Formulierung "mindestens" fand sich bereits in der bis zum 31. Dezember 2019 gültigen Fassung des § 9 USG. Damals war in dessen Absätzen 1 und 2 die heute in § 8 geregelte Mindestleistung geregelt. In diesem Zusammenhang ist die Formulierung dahingehend zu verstehen, dass Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger mindestens den in § 9 USG normierten Unterschiedsbetrag erhalten.

Die Fragen 5 und 6 sind aus den unter I.1.d. und e. genannten Gründen jedenfalls nicht entscheidungserheblich, da der Kläger keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Neuberechnung der Leistungen nach § 9 USG unter Berücksichtigung des kinderbezogenen Familienzuschlags auch bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge oder zur Neufestsetzung der Leistungen nach § 9 USG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat. Denn mangels einer einzig verbleibenden verfassungskonformen Regelung wäre es nicht Sache des Gerichts, eine bestimmte Art der Berechnung zu wählen, sondern Sache des Gesetzgebers, eine gesetzliche Regelung zu schaffen.

3. Schließlich liegt der von dem Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor.

Soweit der Kläger geltend gemacht hat, das Verwaltungsgericht sei über das Klagebegehren hinausgegangen, ist dies nicht richtig. Das Verwaltungsgericht hat über den ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2021 (Blatt 55 f. der Gerichtsakte) in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers entschieden. Dass der Kläger mit Schriftsatz vom 1. November 2021 (Blatt 44R der Gerichtsakte) einen anderen Antrag angekündigt hatte, ändert daran nichts.

Der Kläger hat im Übrigen einen entsprechenden Verfahrensmangel auch nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere hat er nicht nachvollziehbar aufgezeigt, dass das Gericht darauf hingewirkt hat, dass er den nicht sachdienlichen Antrag gestellt hat. Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergibt sich dies nicht. Wie es zu der Antragstellung gekommen ist, erschließt sich nach den vorliegenden Unterlagen nicht. Ebenfalls hat der Kläger nicht eingewendet, dass er den Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht wie protokolliert gestellt hat. Auch insoweit ergeben sich aus der Sitzungsniederschrift keinerlei Anhaltspunkte. Zwar erschließt sich dem Senat nicht, warum der Antrag "sinngemäß" gestellt worden ist. Allerdings ist protokolliert, dass der Antrag laut diktiert, vorgespielt und genehmigt worden ist, der anwaltlich vertretene Kläger ihn also so wie protokolliert stellen wollte. Der Kläger hat darüber hinaus das Auseinanderfallen des schriftsätzlich angekündigten Antrags mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auch nicht ansatzweise erklärt.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).