Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.06.2023, Az.: 4 OA 32/23
Anfechtung; Käufer; Rechtsanwalt; Streitwert; naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht; Streitwert bei Anfechtung der Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch den Käufer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.06.2023
- Aktenzeichen
- 4 OA 32/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 22713
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0606.4OA32.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 04.04.2023 - AZ: 3 A 123/21
Rechtsgrundlagen
- GKG § 52 Abs. 1
- RVG § 32 Abs. 2 S. 1
Fundstelle
- NVwZ-RR 2023, 695-696
Amtlicher Leitsatz
Bei der Anfechtung der Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch den Käufer des Grundstücks bemisst sich der Streitwert im Regelfall mit einem Viertel des vereinbarten Kaufpreises.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 4. April 2023 geändert.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Klageverfahren wird auf 10.868,75 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die im eigenen Namen erhobene Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat Erfolg.
Die Streitwertbeschwerde ist zulässig. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Streitwerts beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen. Beschwert ist der Anwalt durch die Streitwertfestsetzung dann, wenn er - wie hier die Prozessbevollmächtigte des Klägers - geltend macht, dass die Streitwertfestsetzung zu niedrig sei und er deshalb nur geringere Gebühren abrechnen könne (Laube in: BeckOK Kostenrecht, 41. Edition 2023, § 68 GKG Rn. 49; Zimmermann in: Binz/Dörfner/Zimmermann, GKG, 5. Aufl. 2021, § 68 Rn. 17 - jeweils m.w.N.). Der Wert des Beschwerdegegenstands überschreitet auch, wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG gefordert, den Betrag von 200 EUR. Denn die Gebührenforderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, die sich gemäß der vom Verwaltungsgericht im Urteil vom 22. März 2023 getroffenen Kostengrundentscheidung gegen den Beklagten richtet, erhöht sich bei der mit der Beschwerde angestrebten Anhebung des Streitwerts von 5.000 EUR auf 10.868,75 EUR ersichtlich um deutlich mehr als 200 EUR.
Die Streitwertbeschwerde ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert zu Unrecht auf 5.000 EUR festgesetzt. Der Streitwert für das mit Urteil vom 22. März 2023 rechtskräftig abgeschlossene erstinstanzliche Klageverfahren ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.868,75 EUR festzusetzen.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Streitgegenstand des Klageverfahrens war die Anfechtung eines Bescheides, mit dem der Beklagte gemäß § 66 BNatSchG i.V.m. § 40 NAGBNatSchG ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht hinsichtlich eines vom Beigeladenen an den Kläger verkauften Grundstücks ausgeübt hat. Der Senat bemisst in dieser Konstellation die Bedeutung der Sache für den Kläger in entsprechender Anwendung von Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11) im Regelfall mit einem Viertel des Kaufpreises (Senatsbeschl. v. 19.10.2022 - 4 LB 9/22 - u. v. 12.11.2013 - 4 LA 268/13 -, beide n. v.; ebenso Nds. OVG, Beschl. v. 17.7.2001 -1 OA 1843/01 -, juris Rn. 3; Bay. VGH, Beschl. v. 1.10.2020 - 9 C 20.1864 -, juris Rn. 2), woraus sich hier der Betrag von 10.868,75 EUR ergibt (Kaufpreis 43.475 EUR: 4).
Der vom Beklagten hiergegen vorgetragenen Rechtsansicht folgt der Senat nicht. Der Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs sich nur auf die Ausübung von Vorkaufsrechten im Bau- und Raumordnungsrecht bezieht und dass der Abschnitt des Streitwertkatalogs zum Naturschutzrecht (Ziffer 29.) anders als der zum Denkmalschutzrecht (in Ziffer 12.3) keinen Verweis auf Ziffer 9.6 enthält. Soweit der Beklagte daraus den Schluss zieht, es bleibe somit "kein Raum" für eine Anwendung von Ziffer 9.6.1 im Naturschutzrecht, weist er dem Streitwertkatalog allerdings eine rechtliche Bindungswirkung zu, die dieser nicht hat. Der von einer Arbeitsgruppe der Verwaltungsgerichtsbarkeiten des Bundes und der Länder erarbeitete Streitwertkatalog stellt keine die Gerichte bindende Rechtsnorm dar, sondern ist lediglich eine Orientierungshilfe für die Streitwertbestimmung im Rahmen des von § 52 Abs. 1 GKG eröffneten richterlichen Ermessens. Im Übrigen sind für den Senat auch keine Wertungsgesichtspunkte erkennbar, die dafürsprechen, dass sich die Bedeutung der Sache für den Kläger bei der Anfechtung der Ausübung eines Vorkaufsrechts im Naturschutzrecht im Regelfall nach anderen Kriterien bemisst als im Bau- oder im Denkmalschutzrecht.
Auch die rechtliche Argumentation des Verwaltungsgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung vom 18. April 2023 führt zu keinem anderen Entscheidungsergebnis. Denn sie betrifft ebenso wie die vom Verwaltungsgericht zitierte gerichtliche Entscheidung (Bay. VGH, Beschl. v. 31.8.2020 - 14 C 19.1910 -, juris Rn. 17 ff.) die Anfechtung der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Verkäufer, für die der Streitwertkatalog in Ziffer 9.6.2 auch eine eigene Vorgabe enthält. Geklagt hat hier aber nicht der Verkäufer, sondern der Käufer des Grundstücks. Es liegt also die von Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs erfasste Konstellation vor.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).