Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.06.2023, Az.: 3 LD 2/21

ärztliche Atteste; Folgepflicht; Gesunderhaltungspflicht; Hingabepflicht; wesentlicher Mangel; Disziplinarrecht der Landesbeamten (Zurückstufung); Zur Gesunderhaltungspflicht und der Würdigung ärztlicher Atteste

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.06.2023
Aktenzeichen
3 LD 2/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 25078
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0614.3LD2.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 21.04.2021 - AZ: 10 A 5/20

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 10. Kammer - vom 21. April 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird zurückgestuft, indem ihr Versorgungsbezüge aus der Besoldungsgruppe A 7 gezahlt werden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht sie in das Amt einer Obersekretärin (Besoldungsgruppe A 7) zurückgestuft hat.

Die am ... 1974 geborene Beklagte wurde nach einer Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel mit Wirkung vom ... 1998 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Obersekretäranwärterin im Justizvollzugsdienst ernannt. Sie wurde mit Wirkung vom ... 2000 unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst z. A. ernannt. Ihre Ernennung zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst erfolgte am ... 2002 unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit. Sie wurde am ... 2010 zur Hauptsekretärin im Justizvollzugsdienst (Besoldungsgruppe A 8) befördert. Seit dem ... 2010 war sie bei der Klägerin - zunächst in der Abteilung G. und seit dem ... 2015 in der früheren Hauptanstalt - eingesetzt. Dort war sie u. a. im JVA-Shop, an der Innenpforte, auf der Station H. und auf dem Wirtschaftshof tätig. Die Beklagte wurde mit Ablauf des ... 2023 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

In ihrer Regelbeurteilung vom 8. Juni 2021 (Beurteilungszeitraum vom 1.4.2018 bis zum 31.3.2021) erhielt die Beklagte das Gesamturteil "C - Die Leistungsanforderungen werden gut erfüllt" (= dritthöchste von 5 Stufen).

Die Beklagte ist geschieden und hat zwei in den Jahren 2006 und 2008 geborene Kinder, die mit ihr im Haushalt leben. Sie ist bis zum Auftreten der hier in Rede stehenden Vorwürfe weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.

Die Beklagte zeigte am 29. Juli 2006 gegenüber der Justizvollzugsanstalt I. die unregelmäßige Ausübung der selbständigen Nebentätigkeit "Nagelmodellage, Verschönerung der Naturnägel, Nageldesign" in ihrer eigenen Wohnung an. Die Justizvollzugsanstalt I. erteilte ihr eine Genehmigung für den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Mai 2007 und wies darauf hin, dass anschließend ein neuer Antrag zu stellen sei.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 zeigte die Beklagte gegenüber der Klägerin an, dass sie seit dem 1. Oktober 2012 Nebentätigkeiten im Bereich der Nagelmodellage (ca. 4 x monatlich) und als Kosmetikberaterin (1 bis 2 x im Monat) nachgehe. In ihrer Anzeige vom 19. Oktober 2012 heißt es, sie übe die Nebentätigkeit unregelmäßig ca. 4 Stunden je Woche aus und erhalte für ein Nageldesign 25,00 EUR. Die Klägerin stimmte unter dem 30. Oktober 2012 der Ausübung der vorgenannten Nebentätigkeiten befristet bis zum 30. September 2013 zu. Sie wies die Beklagte darauf hin, dass die Nebentätigkeiten 1/5 der regelmäßigen Dienstzeit nicht überschreiten und bei Dienstunfähigkeit nicht ausgeübt werden dürften.

Zum 1. Mai 2013 meldete die Beklagte beim Gewerbeamt der Stadt J. ein Gewerbe als Nageldesignerin an. Die Ummeldung nach ihrem Umzug nach A-Stadt erfolgte am 1. März 2018. Seit dem 19. November 2016 betreibt sie unter "..." eine Facebook-Seite. Zuvor firmierte sie unter dem Namen " B.'s ...".

Mit Schreiben vom 6. September 2018 leitete die Klägerin gegen die Beklagte ein Disziplinarverfahren ein. Die Beklagte sei verdächtig, ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem sie ihre Pflicht zur Anzeige von Nebentätigkeiten verletzt habe, sie während einer dienstunfähigen Erkrankung einer Tätigkeit als Nageldesignerin nachgegangen sei sowie ihren Wohnort während der arbeitsunfähigen Erkrankung verlassen habe, ohne ihre Dienststelle zu unterrichten.

Am 17. September 2018 zeigte die Beklagte bei der Klägerin die selbständigen Nebentätigkeiten "Nageldesignerin, Wimpernstylistin, Trainerin" ab dem 14. September 2018 an. Sie übe diese Nebentätigkeiten regelmäßig in einem Umfang von bis zu 5 Stunden in der Woche zu einem Stundensatz von 45,00 EUR bzw. 55,00 EUR bei Neumodellagen aus.

Nach Beteiligung des Personalrates untersagte die Klägerin der Beklagten mit bestandskräftiger Verfügung vom 11. Oktober 2018, zugestellt am selben Tag, ihren Nebentätigkeiten "Nageldesignerin, Wimpernstylistin, Trainerin" nachzugehen. Gemäß § 73 Abs. 2 NBG könne eine Nebentätigkeit untersagt werden, wenn ein Beamter die ihm obliegende Anzeigepflicht verletzt habe. Dies sei bei der Beklagten der Fall. Sie habe seit 2013 ihre Nebentätigkeiten in einem größeren Umfang als 2012 angezeigt wahrgenommen. Zudem habe die im Jahr 2012 erteilte Genehmigung nur für ein Jahr gegolten. Es sei ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagte wegen der Nichtanzeige von Nebentätigkeiten sowie des Verdachts der Ausübung dieser Nebentätigkeiten während krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit anhängig. Deshalb sei es zurzeit nicht möglich, die beantragten Nebentätigkeiten zu genehmigen. Nach Abschluss des Disziplinarverfahrens werde auf diesen Antrag der Beklagten zurückgekommen.

Am 18. Oktober 2018 dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren aus. Sie warf der Beklagten vor, an im einzelnen benannten Tagen in den Jahren 2014 bis 2018 unter Missachtung der dienstlichen Weisung vom 30. Oktober 2012 während ihrer Dienstunfähigkeit Nebentätigkeiten nachgegangen zu sein. Die Beklagte habe auch nicht darüber unterrichtet, dass sie ihren Nebentätigkeiten seit Mai 2013 gewerblich in erheblich höherem Umfang als am 19. Oktober 2012 angezeigt nachgehe. Ihr wurde vorgeworfen, die zuständige Stelle nicht unverzüglich über die Wiedererlangung ihrer (Teil-)Dienstfähigkeit unterrichtet zu haben, das Wiedererlangen ihrer Dienstfähigkeit durch ihre Nebentätigkeiten verzögert zu haben und diesen in einem Umfang nachgegangen zu sein, dass hierdurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Dienstpflichten behindert worden sei.

Die Beklagte ließ sich mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 und 20. November 2018 dahingehend ein, sie habe ihre Nebentätigkeit als Nageldesignerin am 9. Oktober 2012 entsprechend der geltenden Rechtslage angezeigt. Der Bescheid vom 30. Oktober 2012 über die "Genehmigung" einer Nebentätigkeit sei rechtswidrig. Eine angezeigte Nebentätigkeit dürfe während einer Erkrankung ausgeübt werden. Ihre Nebentätigkeit im Bereich des Nageldesigns entspreche einer Handarbeit, vergleichbar dem Nähen, und sei zu keinem Zeitpunkt seit 2012 in irgendeiner Hinsicht gesundheitsgefährdend oder genesungsverzögernd gewesen. Nageldesign einschließlich der Teilnahme an Schulungen und Seminaren sei ihr Hobby. Zu ihren Erkrankungen teilte sie im Einzelnen mit:

- Dienstunfähigkeit vom 10. Februar 2014 bis zum 27. Juni 2014: Distorsion des linken Sprunggelenkes am 10. Februar 2014 und Unterleibsoperation am 24. März 2014

- Dienstunfähigkeit vom 8. Juli 2014 bis zum 24. Oktober 2014: Nierenerkrankung mit drei operativen Eingriffen

- Dienstunfähigkeit vom 9. Februar 2015 bis zum 27. Mai 2015: Bruch des Mittelfußknochens, schwere Bronchitis

- Dienstunfähigkeit vom 22. Juni 2018 bis zum 11. September 2018: schwere Unterleibsoperation.

Trotz dieser Erkrankungen sei sie in der Lage gewesen, einer Freundin oder Bekannten eine Stunde lang am Tisch sitzend die Nägel zu machen und an Schulungen teilzunehmen bzw. Schulungen durchzuführen. Auch ihre Teilnahme an einem Wettbewerb am 10./11. Juni 2017 sei angesichts seiner Ausgestaltung und seines Charakters nicht geeignet gewesen, ihre Genesung zu gefährden oder zu verzögern. Sie sei mit ihrer Schwester zu dem Wettbewerb gefahren, wo sie sich wechselseitig als Modell zur Verfügung gestanden und das jeweils angefertigte Nageldesign der Jury zur Bewertung vorgestellt hätten. Soweit sie Einträge bei Facebook mit "Heute..." veröffentlich habe, müsse das nicht bedeuten, dass ein Kundentermin dann tatsächlich stattgefunden habe. Für die Art und den Umfang der Tätigkeit spiele es keine Rolle, ob die angezeigte Nebentätigkeit gewerblich ausgeübt werde oder nicht. Der Umfang der von ihr ausgeübten Nebentätigkeiten sei stets weit entfernt von der gesetzlich niedergelegten Grenze von 8 Stunden pro Woche gewesen. Sie habe maximal zehn Kunden im Monat gehabt. Schulungen habe sie erst ab dem Jahr 2018, und zwar bislang erst 4 Schulungen, durchgeführt. Diese dauerten regelmäßig von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Ihr Hinzuverdienst liege bei durchschnittlich ca. 400,00 EUR brutto im Monat. Die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 3 NBG könne nur so verstanden werden, dass Auslandsaufenthalte sowie längerfristige Abwesenheiten vom Wohnort anzuzeigen seien, nicht aber - wie hier - Zeiten der kurzfristigen Ortsabwesenheiten zwecks Urlaubs im Inland. Sie legte ein undatiertes Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vor.

Die Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2019, zugestellt am 13. Februar 2019 mit, die Untersagung der Nebentätigkeit könne mangels Verletzung der Anzeigepflichten nicht auf § 73 Abs. 2 NBG gestützt werden und sei deshalb aufzuheben. Sie sei durch die Anzeige ihrer Nebentätigkeit als Nageldesignerin am 9. Oktober 2012 allen ihr obliegenden beamtenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen. Die Klägerin sei in irriger Anwendung veralteten Rechts davon ausgegangen, Nebentätigkeiten seien zu genehmigen.

Mit E-Mail vom 23. Februar 2019 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass sich ein "kleiner Fehlerteufel" auf ihrem Antrag für die Nebentätigkeit "eingeschlichen" habe. Der Zeitaufwand für ihre Nebentätigkeit und ihr Hobby - das Nageldesign - könne auch mal 8 Stunden in der Woche betragen, zum Beispiel, wenn sie eine Schulungsanfrage annehme. Dies komme selten vor. Seit 2017 seien es 5 Schulungen gewesen. In manchen Wochen habe sie gar keinen Termin, weil die Auffüllzeit der Gelnägel 4 Wochen betrage und ihre durchschnittliche Kundenzahl bei 10 Kunden monatlich liege. Aufgrund der Untersagungsverfügung habe sie alle ihre Kunden verloren, so dass sie ihre Nebentätigkeit zurzeit gar nicht ausübe.

Am 27. Februar 2019 zeigte die Beklagte bei der Klägerin die selbständigen Nebentätigkeiten "Nageldesignerin, Wimpernstylistin, Trainerin" ab dem 14. September 2018 an. Sie übe diese Nebentätigkeiten regelmäßig in einem Umfang von bis zu 8 Stunden in der Woche aus, wobei ein Schulungstag mit Pause ca. 4 bis 6 Stunden dauere. Ein Schulungstag werde mit 250,00 EUR vergütet. Ein Refill der Gelnägel koste ca. 45,00 EUR und eine Neuanlage 55,00 EUR.

Am 12. März 2019 dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren weiter aus. Sie warf der Beklagten vor, während ihrer Dienstunfähigkeit vom 12. bis zum 16. Oktober 2018 Werbung für ihre gewerblichen Dienstleistungen auf ihrem Facebook-Account veröffentlicht zu haben, trotz der Verbotsverfügung vom 11. Oktober 2018 an weiteren, im Einzelnen benannten Tagen auf ihrem Facebook-Account für ihre gewerblichen Dienstleistungen geworben zu haben, während ihrer Dienstzeit ihrer Nebentätigkeit nachgegangen zu sein und an im Einzelnen benannten Tagen das dienstlich bereitgestellte Internet und die dienstlichen IT-Systeme regelmäßig in großem Umfang während des Dienstes für private Zwecke genutzt zu haben. Sie nahm den Vorwurf, die Nebentätigkeit nach Ablauf der bis zum 30. September 2013 befristeten Genehmigung ohne erneute Anzeige ausgeübt zu haben, zurück.

Am 17. April 2019 ließ sich die Beklagte mündlich zu den in der vorgenannten Ausdehnungsverfügung erhobenen Vorwürfen ein.

Mit Verfügung vom 18. April 2019 untersagte die Klägerin der Beklagten die private Nutzung der dienstlichen IT-Systeme und des dienstlich bereitgestellten Internets. Den Vorwurf, die Beklagte sei ihrer Nebentätigkeit in größerem Umfang als den von ihr angegebenen 4 Stunden nachgegangen, erhielt sie nicht aufrecht.

Am 16. August 2019 dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren um den Vorwurf aus, die Beklagte habe im Zeitraum vom 16. Februar 2019 bis zum 13. August 2019 gegen die Untersagungsverfügung vom 11. Oktober 2018 verstoßen, indem sie (näher bezeichnete) Schulungen erteilt und auf der von ihr und ihrer Schwester gegründeten Facebook-Seite "L." für gemeinsame Schulungen und Workshops geworben habe.

Die Beklagte nahm unter dem 20. September 2019 zu diesen Vorwürfen Stellung und teilte mit, die Schulung vom 16. Februar 2019 habe ausschließlich ihre Schwester durchgeführt. Sie sei dort nur zufällig zu Besuch gewesen. Am 25. April 2019 habe sie für eine gute Bekannte die Schulung unentgeltlich als Freundschaftsdienst durchgeführt. Ihre Zwillingsschwester habe die Facebook-Seite "L." angelegt und verwalte diese. Sie habe keine 4-tägigen Schulungen im Jahr 2019 durchgeführt. Die Einträge auf ihrer Facebook-Seite ließen keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Tag des betreffenden Ereignisses zu.

Mit Übersendung des Ermittlungsberichtes vom 28. Februar 2020 erhielt die Beklagte Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme, die sie am 29. April 2020 nutzte.

Am 27. Juli 2020 hat die Klägerin Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht Lüneburg erhoben. Die disziplinarischen Ermittlungen hätten die folgenden Disziplinarvorwürfe ergeben:

1. Die Beklagte habe ihre Nebentätigkeiten als Nageldesignerin und Schulungsleiterin ausgeübt, obwohl sie sich zu diesen Zeiten dienstunfähig gemeldet gehabt habe.

a) Sie habe gegenüber der Dienststelle angegeben, vom 10. Februar 2014 bis zum 27. Juni 2014 erkrankt zu sein. Innerhalb dieses Zeitraums habe sie:

- am 5. März 2014 auf ihrer Facebook-Seite " B.'s ..." ein Foto veröffentlicht, auf dem die modellierten Hände einer Frau präsentiert würden, mit dem Kommentar: "M. heute Morgen. Sie ist glücklich!" Das Foto zeige eine gegenüber einer normalen Lackierung aufwändigere sog. French-Lackierung, bei der einzelne Nägel mehrschichtig farbig lackiert würden und der Rand farbig sei, wofür nach den Angaben der Beklagten ein Zeitansatz von 1,5 bis maximal 2 Stunden zuzüglich weiterer 15 Minuten für Reinigung und Desinfizierung des Arbeitsplatzes und der verwendeten Materialien anzunehmen sei.

- Am 6. März 2014 habe sie auf ihrer Facebook-Seite 2 Bilder von modellierten Händen mit sogenannter French-Lackierung und 2 zusätzlichen Designelementen mit dem dazugehörigen Eintrag: "Heute mit einer Kundin...Design und hohe French gewünscht" veröffentlicht. Auch insoweit sei aufgrund der Einlassung der Beklagten ein Zeitansatz von 1,5 bis maximal 2 Stunden zuzüglich der abschließenden Reinigung realistisch.

- Am 17. Mai 2014 habe sie auf ihrer Facebook-Seite ein Bild zweier Hände mit sog. French-Lackierung und teilweise aufgemalten Blüten mit dem Kommentar: "Heute mit einer Kundin" veröffentlicht. Auch hierfür sei von einem Zeitansatz von 1,5 bis maximal 2 Stunden zuzüglich Reinigung auszugehen.

b) Die Beklagte sei vom 8. Juli 2014 bis zum 24. Oktober 2014 dienstunfähig erkrankt gewesen. Innerhalb dieses Zeitraums habe sie:

- ausweislich des am 30. August 2014 auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichten Teilnahmezertifikats am selben Tag in der Zeit von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr an einem Airbrush-Seminar der Frau N. in O., 65 km vom Wohnort entfernt, teilgenommen.

- Am 6. September 2014 habe sie von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr das Perfektionstraining bei Frau P. in Q., 195 km vom Wohnort entfernt, besucht.

- Der Facebook-Eintrag vom 22. Oktober 2014 zeige das Bild einer Kundin mit einer aufwändigen Nagelmodellage mit dem Text: "Heute gearbeitet ... mit R. ". Alle Nägel der rechten Hand zeigten 2 bis 3 detaillierte Motive, wobei ein Zeitansatz von mindestens 2 Stunden realistisch erscheine.

Soweit die Beklagte behauptet habe, es handele sich um Nagelmodellagen aus der Zeit vor ihrer Dienstunfähigkeit, sprächen die Zeitangaben und die namentliche Nennung der Kundinnen dagegen. Ihre Einlassungen seien auch in Anbetracht der erwiesenen Teilnahme an 2 Schulungsveranstaltungen nicht glaubhaft.

c) Die Beklagte habe ferner während ihrer Dienstunfähigkeit vom 9. Februar 2015 bis zum 27. Mai 2015 laut des Eintrags auf ihrer Facebook-Seite vom 20. April 2015 an einer Schulung im 173 km entfernten S. teilgenommen. Sie habe sich dahingehend eingelassen, an dieser Schulung teilgenommen zu haben, weil sie dies mit einem Besuch bei ihrer dort lebenden Mutter verbunden habe.

d) Am 22. Mai 2017 habe die Beklagte trotz ihrer Anzeige, dienstunfähig erkrankt zu sein, von 10.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr an der Schulung "Competition Class" der Akademie T. in U. bei C-Stadt, 128 km vom Wohnort entfernt, teilgenommen.

e) Obwohl die Beklagte ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung vom 7. Juni 2017 bis zum 13. Juni 2017 dienstunfähig erkrankt gewesen sei, habe sie am 10./11. Juni 2017 am Wettbewerb "V." in W., 134 km vom Wohnort entfernt, teilgenommen und den 3. Platz in der Kategorie "X. " belegt.

f) Die Beklagte sei vom 22. Juni 2018 bis zum 11. September 2018 dienstunfähig erkrankt gewesen. Innerhalb dieses Zeitraums habe sie:

- am 1. Juli 2018 eine mindestens 4-stündige Einzelschulung für Schablonenverlängerung mit Y. durchgeführt.

- Am 7./8. Juli 2018 habe die Beklagte jeweils von 9.30 Uhr bis 18.00 Uhr an einem zweitägigen "Nailart-Seminar" der Frau Z. in AA., 359 km vom Wohnort entfernt, teilgenommen.

- Der Eintrag auf ihrer Facebook-Seite vom 9. August 2018 zeige sie mit der Kundin AB. nebst einem Schulungszertifikat und enthalte den Text: "Heute wieder einer Schülerin ein paar aaaahs und ooohs mitgegeben". Auch hier sei von einem zeitlichen Umfang der Schulung von mindestens 4 Stunden auszugehen.

- Am 24. August 2018 habe sie in der Zeit von ca. 9.45 Uhr bis ca. 15.30 Uhr an der Schulung "Competition Training" von Frau T. in ihren eigenen Räumlichkeiten in A-Stadt teilgenommen.

2. Die Beklagte habe im Zeitraum vom 30. Mai 2018 bis zum 21. September 2018 während ihres Dienstes die dienstlichen PC-Systeme und das dienstlich bereitgestellte Internet an 13 Tagen im Umfang von insgesamt 52 Stunden für private Zwecke genutzt, obwohl ihr eine private Nutzung lediglich in geringfügigem Umfang erlaubt gewesen sei. In Ziffer 3.1.3. in Verbindung mit Ziffer 2.3. der Dienstvereinbarung über die private Nutzung dienstlicher IT-Systeme und des dienstlich bereitgestellten Internets vom 11. März 2016 werde lediglich eine geringfügige private Nutzung erlaubt, d.h. eine Nutzung nur von kurzer Dauer, die wenig Datenverkehr verursache und wenig Speicherplatz beanspruche. Die Auswertung der Protokolldaten zur Nutzungserkennung der Beklagten (J...) beim zentralen IT-Betrieb Niedersachsen (ZIB) habe eine private Internetnutzung durch die Beklagte in folgendem Umfang ergeben:

- am 30. Mai 2018 während ihres Dienstes von 8.52 Uhr bis 15.10 Uhr im JVA-Shop für 4 Stunden, 27 Minuten und 27 Sekunden

- am 3. Juni 2018 während ihres Dienstes von 5.39 Uhr bis 13.31 Uhr als aufsichtführende Beamtin auf der Station H. für insgesamt 6 Stunden, 31 Minuten und 56 Sekunden

- am 5. Juni 2018 während ihres Dienstes von 9.09 Uhr bis 18.16 Uhr an der Innenpforte für insgesamt 6 Stunden, 14 Minuten und 56 Sekunden

- am 6. Juni 2018 während ihres Dienstes von 8.46 Uhr bis 15.08 Uhr im JVA-Shop für insgesamt 4 Stunden und 59 Minuten und 18 Sekunden

- am 8. Juni 2018 während ihres Dienstes von 8.39 Uhr bis 15.45 Uhr an der Innenpforte für insgesamt 4 Stunden, 55 Minuten und 34 Sekunden

- am 16. Juni 2018 während ihres Dienstes von 8.31 Uhr bis 16.05 Uhr im JVA-Shop für insgesamt 4 Stunden, 34 Minuten und 32 Sekunden

- am 17. Juni 2018 während ihres Dienstes von 5.36 Uhr bis 13.20 Uhr auf der Station H. für insgesamt 5 Stunden, 21 Minuten und 49 Sekunden

- am 20. Juni 2018 während ihres Dienstes von 8.38 Uhr bis 15.13 Uhr im JVA-Shop für insgesamt für 4 Stunden, 26 Minuten und 2 Sekunden

- am 17. September 2018 während ihres Dienstes von 8.03 Uhr bis 16.00 Uhr auf dem Wirtschaftshof für insgesamt 14 Minuten und 38 Sekunden

- am 19. September 2018 während ihres Dienstes von 8.30 Uhr bis 15.04 Uhr im JVA-Shop für insgesamt 4 Stunden, 56 Minuten und 3 Sekunden

- am 20. September 2018 während ihres Dienstes von 9.27 Uhr bis 18.27 Uhr im JVA-Shop für insgesamt 3 Stunden, 6 Minuten und 43 Sekunden

- am 21. September 2018 während ihres Dienstes von 7.21 Uhr bis 13.30 Uhr auf dem Wirtschaftshof für insgesamt 1 Stunde, 52 Minuten und 21 Sekunden.

Eine Nutzungsdauer von rund 52 Stunden an 13 Tagen innerhalb von 4 Monaten, mithin durchschnittlich mehr als 4 Stunden pro Dienst, sei nicht als geringfügig zu bewerten. Die Beklagte habe in ihrer Anhörung vom 17. April 2019 diese private Nutzung des dienstlichen Internets eingeräumt. Soweit sie geltend mache, ihre dienstlichen Pflichten zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt zu haben, dringe sie damit nicht durch. Ein konkreter Nachweis, dass sie infolge der mehr als nur geringfügigen privaten Internetnutzung ihre dienstlichen Aufgaben vernachlässigt habe, werde nicht verlangt. Die Beklagte sei während der Zeit der privaten Internetnutzung lediglich physisch präsent gewesen, obwohl ihre Tätigkeit neben der konkreten Beaufsichtigung einzelner Personen auch in der Aufsicht über einen bestimmten sicherheitsrelevanten Bereich bestanden habe, die mehr als eine rein physische Anwesenheit verlangt habe. Die Beklagte sei für die Betreuung und Verwaltung des JVA-Shops, in dem in den Eigenbetrieben der JVA herstellte Waren zum Verkauf angeboten würden, allein verantwortlich gewesen. Für den JVA-Shop habe bis zum 18. Mai 2019 eine Gefährdungsbeurteilung gefehlt, für deren Erstellung die Beklagte verantwortlich gewesen sei. Sollte sie unterfordert gewesen sein, wäre es ihre beamtenrechtliche Pflicht gewesen, ihren Vorgesetzen auf eine etwaige unzureichende Arbeitsbelastung hinzuweisen, um Abhilfe zu schaffen oder eine organisatorische Veränderung zu bewirken. Am 3. Juni 2018 und 17. Juni 2018 sei die Beklagte als einzige aufsichtführende Bedienstete im Frühdienst auf der Station H., auf der sich alle 34 Gefangenen befunden hätten, tätig gewesen. Die Tatsache, dass sie sich an den beiden Tagen 6,5 bzw. 5 Stunden und 20 Minuten ohne nennenswerte Unterbrechungen privat im Internet aufgehalten habe, schließe es bereits aufgrund der bloßen Dauer aus, dass sie die ihr obliegenden Aufgaben mit der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt in der verbleibenden 1 Stunde und 21 Minuten bzw. in den 2 Stunden und 23 Minuten habe erfüllen können. Am 5. Juni 2018 seien während ihres Dienstes an der Innenpforte 6 Besucherinnen zu durchsuchen gewesen, wofür erfahrungsgemäß ein Zeitaufwand von rund 5 bis 10 Minuten pro Person aufzuwenden gewesen sei. Für die Posteingangskontrolle an diesem Tag sei ein Zeitaufwand von insgesamt 12 bis 26 Minuten anzusetzen (1 bis 2 Minuten pro Paket). Am 8. Juni 2018 seien 6 Besucherinnen zu durchsuchen und 9 Pakete zu kontrollieren gewesen. Unter diesen Umständen sei es nicht realistisch, dass die Beklagte die Kontrollen von Besucherinnen sowie eintreffenden Paketen mit der erforderlichen und von ihr zu erwartenden Aufmerksamkeit und Sorgfalt absolviert habe. Am 17. September 2018 und 21. September 2018 sei die Beklagte als aufsichtführende Beamtin auf dem Wirtschaftshof eingesetzt gewesen. Der nächstgelegene PC mit Internetverbindung befinde sich im ca. 100 m entfernten Postverteilungsraum/PNG-Raum im Gebäude der lnnenpforte, wofür die Beklagte ihren Dienstposten auf dem Wirtschaftshof für die Dauer der Internetnutzung habe verlassen müssen. Ihre Abwesenheit, um am PC privaten Angelegenheiten nachzugehen, sei nicht zu rechtfertigen. Dies gelte insbesondere für den Zeitraum, in dem im Tagesablauf die meisten Gefangenenbewegungen zu verzeichnen seien und von den Beamten eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangt werde. Zusammenfassend sei für alle Tätigkeitsbereiche festzustellen, dass die Dauer der privaten Internetnutzung nicht mit der erforderlichen Hingabe an den Beruf zu vereinbaren sei. Erschwerend komme hinzu, dass die Beklagte während ihres Dienstes - wenn auch in zeitlich geringerem Umfang - Seiten von Nageldesignern bzw. Schulungsseiten zum Nageldesign aufgerufen habe, die im Zusammenhang mit ihrer Nebentätigkeit stünden.

3. Die Beklagte habe während ihrer Dienstunfähigkeit ihren Wohnort zu Urlaubszwecken verlassen, ohne dies der Dienststelle mitzuteilen. Sie habe sich vom 30. Juli 2018 bis zum 6. August 2018 sowie vom 31. August 2018 bis zum 2. September 2018 auf der Insel AC. an der AD. aufgehalten und damit gegen die Regelung in § 77 Abs. 2 Satz 3 NBG verstoßen.

4. Die Beklagte sei ihren Nebentätigkeiten weiterhin nachgegangen, obwohl ihr deren Ausübung für die Dauer des Disziplinarverfahrens mit Wirkung vom 11. Oktober 2018 untersagt worden sei. Sie habe nach dem 11. Oktober 2018 zunächst auf ihrer eigenen Facebook-Seite folgende Aktivitäten vorgenommen:

- am 12. Oktober 2018 habe sie gepostet, eine Nagelmodellage durchgeführt zu haben. Der Eintrag trage den Zusatz: "Bei der Arbeit".

- Mit Eintrag vom 15. Oktober 2018 habe sie auf eine Veranstaltung namens "L. " hingewiesen und mitgeteilt, sich zu freuen, diese nachzuholen.

- Am 14. Dezember 2018 habe sie ihr Profilbild geändert. Das neue Bild zeige sie in ihrem Atelier mit einer Nagelfeile in der Hand.

- Der Eintrag vom 22. Dezember 2018 zeige sie mit ihren Kindern, verbunden mit Weihnachtsgrüßen an ihre Kundschaft.

- Das am 4. Januar 2019 veröffentlichte Bild zeige ausweislich des Zusatzes ihre linke Hand und trage den Verweis darauf, dass ihre Schwester ihre rechte Hand modelliert habe.

- Die Fotos und Einträge vom 20. Januar 2019, 4. Februar 2019 und 12. Februar 2019 deuteten darauf hin, dass die Beklagte nicht gänzlich untätig gewesen sei. Sie habe ihre modellierten Nägel präsentiert und auf diese Weise ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt.

Zwar fänden sich zeitlich nach dem 12. Februar 2019 keine Beiträge und Fotos mehr auf ihrer eigenen Facebook-Seite. Dennoch legten die Nutzung des Facebook-Accounts ihrer Zwillingsschwester AE. und die Gründung der neuen Facebook-Gruppe "L." nahe, dass sie ihre Nebentätigkeit in der irrigen Annahme, dass die Behörde dies nicht aufdeckte, gleichwohl ungehindert fortzusetzen suchte. Dazu im Einzelnen:

- So lasse sich dem Eintrag vom 16. Februar 2019 auf der Facebook-Seite ihrer Zwillingsschwester entnehmen, dass diese an diesem Tag gemeinsam mit der Beklagten eine Schulung zum Thema "Aufbautraining" mit Frau AF. durchgeführt habe. Soweit die Beklagte dies bestreite und ihre Anwesenheit damit erkläre, ihre Zwillingsschwester besucht zu haben und dabei zufällig auf die Schulung gestoßen zu sein, sei dieses Vorbringen nicht glaubhaft. Sie sei auf einem Foto neben ihrer Schwester und der Schülerin bei der Übergabe des Schulungszertifikats abgebildet und trage ein Sweatshirt mit ihrem Firmenlogo. Zudem habe sich ihre Schwester für ihre tatkräftige Unterstützung bedankt, was nur die Deutung zulasse, dass sie - die Beklagte - einen wesentlichen inhaltlichen Beitrag zu der Schulung geleistet habe.

- Der Eintrag auf der Facebook-Seite ihrer Schwester vom 14. August 2019 beweise, dass die Beklagte am 25. April 2019 eine Schulung "Nailart Studio" mit Frau AG. durchgeführt habe. Soweit die Beklagte behauptet habe, dass die Schulung ein unentgeltlicher Freundschaftsdienst und damit Hobby gewesen sei, und sich das Posten des Bildes durch die jahrelang gelebte Praxis erkläre, sei ihr Vorbringen als reine Schutzbehauptung zu werten.

- Ab dem 1. Juni 2019 habe die Beklagte mit ihrer Zwillingsschwester einen gemeinsamen neuen Internetauftritt auf Facebook namens "L." gestartet. ln der dort angelegten geschlossenen Gruppe könnten sich Personen zusammenfinden, die an "Schulungen und Workshops von und mit den einzigen Zwillingen Deutschlands als Schulungsleiterinnen" interessiert seien oder diese ausrichten wollten. Angesichts dieser Beschreibung und der dort veröffentlichten Bilder sei das Vorbringen der Beklagten, ihre Schwester habe die neue Facebook-Gruppe eigenständig und ohne ihr Wissen und Wollen eingerichtet und betreibe diese allein, nicht glaubhaft. Gegen die Darstellung der Beklagten spreche ferner, dass am 2. Juni 2019 ein Foto einer Nagelmodellage veröffentlicht worden sei, welches deutlich lesbar ihren Namen trage mit dem Eintrag "meine [Nägel] mit Tips verlängert" und ihr zuzuordnen sei. Auch der Facebook-Eintrag vom 12. Juni 2019 zeige eine Nagelmodellage, die aufgrund der Namensnennung offenkundig von ihr stamme. Ebenfalls nicht glaubhaft sei, dass diese Fotos aus der Zeit vor dem 11. Oktober 2018 stammten.

Des Weiteren habe sie jeweils eine 4-tägige Gel-Basisschulung mit Frau AH. im Zeitraum vom 16. Juni 2019 bis zum 19. Juli 2019 und mit Frau AI. vom 10. August 2019 bis zum 13. August 2019 durchgeführt. Soweit die Beklagte bestritten habe, die Schulungen zu den genannten Zeiten durchgeführt zu haben, überzeuge dies nicht.

Ferner habe sie an zwei Wettbewerben und einer Schulung teilgenommen, wobei sich diese Teilnahme vorteilhaft für ihr Gewerbe als Nageldesignerin auswirke und deshalb als Nebentätigkeit zu werten sei. Dazu im Einzelnen:

- Am 5. Mai 2019 habe die Beklagte am Wettbewerb "V." in W. teilgenommen.

- Sie habe vom 2. Oktober 2019 bis zum 7. Oktober 2019 am "AS." in AJ. bei AK. teilgenommen.

- Am 23./24. November 2019 habe sie am Wettbewerb "V." in AL. teilgenommen.

Dem Facebook-Eintrag vom 16. Dezember 2019 sei schließlich zu entnehmen, dass die Beklagte und ihre Schwester am 13. Dezember 2019 für die Gewinnerin eines von ihnen initiierten Wettbewerbes eine Schulung bei "L." ausgelobt hätten. Auch dies stärke die Kundenbindung, sei geeignet, den wirtschaftlichen Erfolg des Gewerbes zu fördern und stehe in engem Zusammenhang mit ihrer Nebentätigkeit.

Durch ihr Verhalten habe die Beklagte schuldhaft ein Dienstvergehen begangen. Sie habe durch das Ausüben ihrer Nebentätigkeiten während der Dienstunfähigkeit sowie die missbräuchliche Nutzung der dienstlichen IT-Systeme und des dienstlichen Internets ihre Dienstleistungspflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG verletzt. Die Art und der Umfang ihrer Nebentätigkeit seien geeignet gewesen, die Wiederherstellung ihrer Dienstunfähigkeit zumindest zu verzögern mit der Folge, dass die Beklagte gegen ihre Gesunderhaltungspflicht verstoßen habe. Soweit sie sich darauf berufen habe, es handele sich bei ihrer Nebentätigkeit dem Grunde nach um eine rein hobbymäßige Befassung und Freizeitbeschäftigung, entspreche dies nicht den tatsächlichen Feststellungen. Darüber hinaus habe die Öffentlichkeit wenig Verständnis dafür, wenn sich ein Beamter bei voller Weitergewährung seiner Bezüge während seiner Dienstunfähigkeit nicht schone und nicht alles unternehme, um zeitnah in den Dienst zurückzukehren, sondern augenscheinlich die so gewonnene Freizeit für andere erwerbswirtschaftliche Zwecke nutze. Solche Tätigkeiten seien deshalb geeignet, eine Ansehensbeeinträchtigung der öffentlichen Verwaltung und des Beamtentums zu bewirken. Der Vorwurf des Verstoßes gegen die Dienstleistungspflicht wiege besonders schwer, da sie über 4 Jahre hinweg wiederkehrend Zeiten der Dienstunfähigkeit genutzt habe, um ihrer Nebentätigkeit nachzugehen und sich durch die von ihr angebotenen Dienstleistungen ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen. Dass sie zudem durch ihre übermäßige private Internetnutzung weder die ihr anvertrauten Gefangenen noch das Stationsgeschehen im Blick gehabt habe, trage ebenso zu dieser Wertung bei. Ihr seien mögliche Gefährdungssituationen für Gefangene oder ihre Kollegen sowie Hinweise entgangen, die für vollzugliche Entscheidungen bedeutsam gewesen wären. Dieses Verhalten sei geeignet, die Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt zu beeinträchtigen und betreffe deshalb eine der Kernaufgaben einer aufsichtführenden Justizvollzugsbeamtin. Durch das Verlassen des Wohnortes während ihrer Dienstunfähigkeit zu Urlaubszwecken habe sie ihre Pflicht aus § 67 Abs. 2 Satz 3 NBG und durch die Fortsetzung der Nebentätigkeit zeitlich nach der Untersagungsverfügung vom 11. Oktober 2018 ihre Folgepflicht schuldhaft verletzt.

Zu Gunsten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass sie seit 1998 ihren Dienst verrichtet habe, ohne disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten zu sein, und dass sie den Vorwurf der privaten Internetnutzung eingeräumt habe. Ihr Anteil an der Sachverhaltsaufklärung sei allerdings als gering zu bewerten. Für eine mildere Disziplinarmaßnahme spreche zudem, dass das Disziplinarverfahren bereits seit September 2018 betrieben werde und sie mit der Untersagung der privaten Nutzung der dienstlichen IT-Systeme und des dienstlichen Internets bereits seit März 2019 negative Konsequenzen erfahren habe.

Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass sie ihr Verhalten trotz Kenntnis der Rechtsauffassung der Behörde in weiten Teilen fortgesetzt und sich auf diese Weise als unbelehrbar und uneinsichtig präsentiert habe. Selbst die ausdrückliche Untersagung ihrer Nebentätigkeit habe sie nicht davon abgehalten, diese fortzusetzen. Dass sie darüber hinaus versucht habe, sich weitere Einnahmequellen zu verschaffen, indem sie eine Kooperation mit ihrer Zwillingsschwester eingegangen sei, wiege erschwerend, da dieses Verhalten bewusst darauf abziele, die Untersagungsverfügung zu umgehen.

Milderungsgründe kämen nicht zum Tragen. Ihr Gesamtverhalten lasse nicht erkennen, dass sie den Unrechtsgehalt der ihr vorgeworfenen Verstöße gegen die beamtenrechtlichen Pflichten und die negativen Auswirkungen auf die Dienstauffassung und Motivation ihrer Kollegen und auf das Ansehen von Justizvollzugsbeamten in der Bevölkerung erfasst oder mindestens ein Problembewusstsein besessen habe. Zudem habe sie keines der Dienstvergehen aus eigenen Stücken offenbart. Gerade von einer Beamtin, die sich wie die Beklagte als Ersatzmitglied in dem örtlichen Personalrat der Dienststelle engagiere, dürfe erwartet werden, dass diese sich mehr als andere für das Gesamtgut der Belegschaft und der Dienststelle einsetze und insoweit eine Vorbildfunktion innehabe. Der Betrieb eines eigenen Nagelstudios seit März 2018, die schrittweise Ausweitung des Dienstleistungsangebotes und die Social-Media-Präsenz erweckten für Außenstehende den Eindruck, dass es sich hierbei um die eigentliche Haupttätigkeit der Beklagten gehandelt habe. Die Vielzahl der verschiedenen Verfehlungen über eine Dauer von 5 Jahren - wobei der Schwerpunkt in den Jahren 2014 bis 2018 liege - zeuge davon, dass sie die Möglichkeiten wie auch Schwächen des Beamtentums zielgerichtet und wiederholt für ihre Zwecke ausgenutzt habe. Dabei möge zu ihren Gunsten angenommen werden, dass sie der möglicherweise unerwartete Erfolg als Nageldesignerin sowie die zusätzliche Einnahmequelle dazu veranlasst hätten, diesem Bereich höhere Aufmerksamkeit zu widmen als es von ihr neben einer Vollzeitbeschäftigung und der Betreuung von 2 minderjährigen Kindern zu leisten gewesen sei. Unbeachtlich sei, dass sie - mit Ausnahme von 27 Krankentagen - ungeachtet des Disziplinarverfahrens weiterhin zum Dienst erschienen sei, da dies vom Dienstherrn hätte erwartet werden dürfen. Auch das zuvor langjährige beanstandungsfreie inner- und außerdienstliche Verhalten führe zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens sei das Vertrauen in eine künftige pflichtgemäße Amtsausübung durch die Beklagte stark beeinträchtigt.

In der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Lüneburg am 21. April 2021 hat die Klägerin den Vorwurf zu 3. - die Beklagte habe während ihrer Dienstunfähigkeit ihren Wohnort zu Urlaubszwecken verlassen, ohne dies der Dienststelle mitzuteilen - "fallengelassen" und klargestellt, dass sich der Vorwurf betreffend die übermäßige private Nutzung des dienstlichen Internets auf 12 Tage bezieht (vgl. Sitzungsniederschrift vom 21.4.2021, S. 2 [Bl. 130/GA]).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte in das Amt einer Obersekretärin im Justizvollzugsdienst zurückzustufen.

Die Beklagte hat beantragt,

auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

...

Mit Urteil vom 21. April 2021, der Beklagten zugestellt am 3. Mai 2021, hat das Verwaltungsgericht die Beklagte eines Dienstvergehens für schuldig befunden und sie in das Amt einer Obersekretärin (Besoldungsgruppe A 7) zurückgestuft. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe schuldhaft gegen die Folgepflicht des § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, ihre Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen und ihre Gesundheit zu erhalten bzw. wiederherzustellen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), ihre Pflicht, die ihr übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen (§ 34 Satz 2 BeamtStG) sowie die Wohlverhaltenspflicht des § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen.

...

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 1. Juni 2021 Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingelegt.

...

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 21. April 2021 zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise gegen die Beklagte auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Zurückstufung, indem ihr Versorgungsbezüge aus der Besoldungsgruppe A 7 gezahlt werden, zu erkennen,

weiter hilfsweise den Zeitraum, innerhalb dessen die Beklagte nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung frühestens befördert werden darf, auf zwei Jahre abzukürzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

...

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 17. Mai 2023 den von der Klägerin erhobenen Vorwurf: "Nichtanzeige des Verlassens des Wohnorts während Zeiten der Dienstunfähigkeit" gemäß §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 51 NDiszG aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden.

...

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

A. Die Anträge, die Klage abzuweisen, hilfsweise gegen die Beklagte auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Zurückstufung zu erkennen, sind zulässig, aber unbegründet.

I. Die disziplinarische Ahndung des Verhaltens der Beklagten ist nicht wegen eines wesentlichen Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens im Sinne des § 50 Abs. 1 NDiszG in Verbindung mit § 60 NDiszG ausgeschlossen.

1. Der Begriff des Mangels in § 50 Abs. 1 NDiszG erfasst Verletzungen von Verfahrensregeln, die im behördlichen Disziplinarverfahren von Bedeutung sind (Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 64). Hierunter fallen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens bis zur abschließenden behördlichen Entscheidung - also bis zur Erhebung der Disziplinarklage oder bis zum Erlass einer Disziplinarverfügung - (BVerwG, Beschluss vom 18.11.2008 - BVerwG 2 B 63.08 -, juris Rn. 14 [zur vergleichbaren Bestimmung des § 55 BDG]; Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -), oder die den Inhalt der Disziplinar- oder Nachtragsdisziplinarklageschrift betreffen (Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 64).

Nur solche Mängel sind wesentlich im Sinne des § 50 Abs. 1 NDiszG, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2010 - BVerwG 2 C 15.09 -, juris Rn. 19). Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist, noch darauf, ob und gegebenenfalls wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG tritt hinter § 50 NDiszG zurück. Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2010 - BVerwG 2 C 15.09 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -; Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 12/18 -; vgl. auch Urteil vom 13.12.2022 - 6 LD 1/22 -).

Wird ein wesentlicher Mangel in dem vorgenannten Sinne nicht beseitigt oder handelt es sich um einen nicht behebbaren Mangel, ist die Disziplinarklage abzuweisen (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 NDiszG in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 NDiszG; Nds. OVG, Urteil vom 21.1.2019 - 3 LD 2/18 -; Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 12/18 -).

2. Im vorliegenden Fall finden sich zwar einzelne in der Disziplinarklage benannte Vorwürfe weder in der Einleitungsverfügung noch in den Ausdehnungsverfügungen, es handelt sich dabei jedoch nicht um einen wesentlichen Mangel im Sinne von § 50 Abs. 1 NDiszG in Verbindung mit § 60 NDiszG.

§ 18 Abs. 1 Satz 1 NDiszG schreibt vor, dass die Disziplinarbehörde ein Disziplinarverfahren einzuleiten hat, sobald zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 NDiszG soll das Disziplinarverfahren bis zum Erlass einer Entscheidung nach den §§ 32 bis 34 NDiszG auf weitere Sachverhalte ausgedehnt werden, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. § 21 Abs. 1 NDiszG schreibt vor, dass dem Beamten die Einleitung des Disziplinarverfahrens mitzuteilen und er über seine Verfahrensrechte zu informieren ist, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Ihm ist gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 NDiszG die Gelegenheit zu geben, vor der Durchführung weiterer Ermittlungen innerhalb zweier Wochen zu erklären, sich mündlich äußern zu wollen oder sich innerhalb eines Monats schriftlich zu äußern. Soweit das Abwarten des Fristablaufs wegen der damit verbundenen Verzögerung die Sachverhaltsaufklärung gefährden würde, können Ermittlungen vor Ablauf der Frist durchgeführt werden (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 5 NDiszG). Nach der Beendigung der Ermittlungen ist dem Beamten gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 NDiszG die Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern, bevor dann unverzüglich die Abschlussentscheidung zu treffen ist (vgl. § 21 Abs. 4 Satz 2 NDiszG). Diese Vorschriften gewährleisten einen Ausgleich zwischen dem Beschleunigungsgebot und dem Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör.

Die Klägerin hat der Beklagten in der Disziplinarklage vom 23. Juli 2020 u. a. vorgeworfen:

- Am 7./8. Juli 2018 an einem zweitägigen Nailart-Seminar in AA. bei der Schulungsleiterin Frau Z. teilgenommen zu haben, obwohl sie im Zeitraum vom 22. Juni 2018 bis zum 11. September 2018 dienstunfähig erkrankt gewesen sei.

- Obwohl ihr mit Verfügung vom 11. Oktober 2018 untersagt worden sei, ihrer Nebentätigkeit nachzugehen, am 5. Mai 2019 an der Nailmaster Competition in W. teilgenommen zu haben.

- Obwohl ihr mit Verfügung vom 11. Oktober 2018 untersagt worden sei, ihrer Nebentätigkeit nachzugehen, vom 2. Oktober 2019 bis zum 7. Oktober 2019 am AS. in AJ. teilgenommen zu haben.

- Obwohl ihr mit Verfügung vom 11. Oktober 2018 untersagt worden sei, ihrer Nebentätigkeit nachzugehen, am 23. und 24. November 2019 bei der V. in AL. angetreten zu sein.

- Obwohl ihr mit Verfügung vom 11. Oktober 2018 untersagt worden sei, ihrer Nebentätigkeit nachzugehen, am 13. Dezember 2019 für die Gewinnerin eines von ihr und ihrer Zwillingsschwester initiierten Wettbewerbs eine Schulung bei "L." ausgelobt zu haben.

Entgegen der Regelungen in §§ 18 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 Satz 1 NDiszG finden sich diese Vorwürfe nicht in der Einleitungsverfügung vom 6. September 2018 sowie in den Ausdehnungsverfügungen vom 18. Oktober 2018, 12. März 2019 und 16. August 2019. Dies hatte zur Folge, dass der Beklagten zunächst nicht entsprechend § 21 Abs. 1 Satz 2 NDiszG eröffnet worden ist, dass ihr die vorgenannten Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Ihr ist dadurch eine frühzeitige Anhörung verwehrt worden. Zwar handelt es sich bei der Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 1 NDiszG um eine sogenannte Soll-Vorschrift und § 21 Abs. 1 Satz 1 NDiszG lässt es zu, dass eine Unterrichtung des Betroffenen erst später erfolgt, wenn dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Daraus ergibt sich jedoch ein Regel-Ausnahmeverhältnis dergestalt, dass - sobald es ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks möglich ist - der Betroffene über die gegen ihn gerichteten Disziplinarvorwürfe (mittels Eingangs- oder Ausdehnungsverfügung) zu informieren und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Der betroffene Beamte sollte schon aus Gründen der Zweckmäßigkeit möglichst früh gehört werden. Die Klägerin hat vorliegend die frühzeitige Information der Beklagten über die und ihre Anhörung zu den vorgenannten Vorwürfen versäumt. Denn ein Ausnahmefall, der es gerechtfertigt hätte, diese Verfahrensrechte der Beklagten einzugrenzen, weil sie etwa auf unsachliche Weise in das Verfahren hätte eingreifen können (zum Beispiel durch Zeugenbeeinflussungen), ist seitens der Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere stellt es keinen atypischen Ausnahmefall dar, dass weitere Ausdehnungsverfügungen "das Disziplinarverfahren daher nur in die Länge gezogen und dem Beschleunigungsgrundsatz widersprochen" (vgl. Berufungserwiderung - BE - vom 11.5.2023, S. 2 [Bl. 344/GA]) hätten.

Dass sich die vorgenannten Vorwürfe nicht in der Einleitungsverfügung vom 6. September 2018 sowie in den Ausdehnungsverfügungen vom 18. Oktober 2018, 12. März 2019 und 16. August 2019 finden, stellt indes keinen wesentlichen Mangel im Sinne des § 50 Abs. 1 NDiszG in Verbindung mit § 60 NDiszG dar, denn es lässt sich mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass dies das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnte. Der Vorwurf betreffend die Seminarteilnahme der Beklagten am 7./8. Juli 2018 ist auf Seite 10 des Ermittlungsberichts vom 28. Februar 2020 aufgeführt. Auch die anderen Vorwürfe betreffend die Missachtung der Untersagungsverfügung finden sich in dem vorgenannten Ermittlungsbericht, und zwar auf Seite 15 hinsichtlich der Teilnahme am 5. Mai 2019 an der Nailmaster Competition und auf Seite 18 hinsichtlich der Vorwürfe "Teilnahme am AS. vom 2. bis 7. Oktober 2019", "Antreten bei der Nailmaster Competition am 23. und 24. November 2019" und "Ausloben eines Gewinns für einen von ihr (mit)initiierten Wettbewerb am 13. Dezember 2019". Der vorgenannte Ermittlungsbericht, dem der Dienstvorgesetzte ausweislich des Vermerks vom 13. März 2020 (Bl. 135/BA002) vor der Anhörung der Beklagten beigetreten ist, ist der Beklagten übersandt worden. Sie hat Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme erhalten, die sie am 29. April 2020 genutzt hat. In dieser Stellungnahme hat sie nicht in Abrede gestellt, an den vorgenannten Seminaren und Wettbewerben teilgenommen bzw. einen Wettbewerb durchgeführt und als Gewinn eine Schulung bei "L." ausgelobt zu haben. Hat die Beklagte die vorgenannten Vorwürfe der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht nach Erhalt des Ermittlungsberichts nicht bestritten, sondern nur anders als die Klägerin disziplinarrechtlich gewürdigt, hätte sie diese auch nicht bei einer früheren Information mittels Einleitungs- oder Ausdehnungsverfügung bestritten und hierzu Beweisanregungen etc. gemacht, denen zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise nicht mehr mit Erfolg hätte nachgegangen werden können. Es lässt sich demnach mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass sich das Ergebnis des behördlichen Disziplinarverfahrens - die Erhebung der konkreten Disziplinarklage - verändert haben könnte, wenn die Klägerin die vorgenannten 5 Vorwürfe fehlerfrei in der Einleitungs- oder in einer Ausdehnungsverfügung aufgeführt und der Beklagten dazu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hätte.

II. Die Beklagte hat ein einheitliches Dienstvergehen begangen (dazu unter 1.), das eine mildere Disziplinarmaßnahme als die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Zurückstufung in das Amt einer Obersekretärin (Besoldungsgruppe A 7) nicht rechtfertigt (dazu unter 2.). Da die Beklagte mit Ablauf des 31. Januar 2023 in den Ruhestand versetzt worden ist, ist sie zurückzustufen, indem ihr Versorgungsbezüge aus der Besoldungsgruppe A 7 gezahlt werden.

1. Die Beklagte hat durch die Ausübung ihrer Nebentätigkeiten als Nageldesignerin und Schulungsleiterin sowie die Teilnahme an Wettbewerben und Seminaren während Zeiten der Dienstunfähigkeit (dazu unter a.), durch die private Nutzung der dienstlichen PC-Systeme und des dienstlich bereitgestellten Internets während der Dienstzeit in nicht nur geringfügigem Umfang (dazu unter b.) und die weitere Ausübung der vorgenannten Nebentätigkeiten trotz der Untersagungsverfügung vom 11. Oktober 2018 (dazu unter c.) ein Dienstvergehen begangen.

a. Die Beklagte hat durch die Teilnahme am Wettbewerb "V." am 10./11.Juni 2017, durch die Teilnahme an Seminaren am 30. August 2014, am 6. September 2014, am 20. April 2015, am 22. Mai 2017, am 7./8. Juli 2018 und am 24. August 2018, durch die Leitung von Schulungen am 1. Juli 2018 und am 9. August 2018 sowie durch die Wahrnehmung von Kundenterminen am 5. März 2014, am 6. März 2014, am 17. Mai 2014 und am 22. Oktober 2014 während Zeiten der Dienstunfähigkeit ihre Pflicht zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und ihre Wohlverhaltenspflicht verletzt.

...

bb. Die Beklagte hat durch die Teilnahme am Wettbewerb "V." am 10./11.Juni 2017, durch die Teilnahme an Seminaren am 30. August 2014, am 6. September 2014, am 20. April 2015, am 22. Mai 2017, am 7./8. Juli 2018 und am 24. August 2018, durch die Leitung von Schulungen am 1. Juli 2018 und am 9. August 2018 sowie durch die Wahrnehmung von Kundenterminen am 5. März 2014, am 6. März 2014, am 17. Mai 2014 und am 22. Oktober 2014 während Zeiten der Dienstunfähigkeit ihre Pflicht zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und ihre Wohlverhaltenspflicht verletzt.

(1) Die Beklagte hat mehrfach gegen ihre Pflicht zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und damit ihrer Dienstfähigkeit verstoßen.

Nach § 34 Satz 1 BeamtStG haben sich Beamte mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Diese Dienstpflicht prägt das Beamtenverhältnis. Sie ist Ausdruck der Hauptberuflichkeit des Dienstes als Beamter und die Rechtfertigung für die Alimentation des Beamten und seiner Familie. Ist der Beamte dienstunfähig erkrankt, setzt sich die vorübergehend nicht erfüllbare Pflicht, nach besten Kräften Dienst zu tun, als Pflicht fort, alles Mögliche und Zumutbare für die alsbaldige Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu tun. Diesem Ziel muss der dienstunfähige Beamte Vorrang vor allen anderen Interessen geben. Er muss sich im Krankenstand so verhalten, dass er so bald wie möglich wieder imstande ist, Dienst zu leisten. Er ist im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, die nach den konkreten Umständen der Genesung und damit der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit dienen, und alles zu unterlassen, was diese Wiederherstellung verzögern oder beeinträchtigen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.2013 - BVerwG 2 A 2.12 -, juris Rn. 17 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 29.5.2017 - 6 AD 2/17 -, juris Rn. 5; Urteil vom 14.12.2021 - 6 LD 1/20 -). Dazu gehört, dass er seine Kräfte schont und sie nicht vorzeitig, insbesondere zu Erwerbszwecken, einsetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, juris Rn. 38; OVG NRW, Beschluss vom 10.5.2017 - 3d A 971/15.O -, juris Rn. 86).

Eines konkreten medizinischen Nachweises, dass das Verhalten den Gesundungsprozess behindert oder verzögert hat, bedarf es für die Annahme einer Pflichtverletzung nicht. Es genügt, wenn das beanstandete Verhalten im Krankenstand generell geeignet ist, die Wiedergenesung zu verzögern oder gar zu beeinträchtigen. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Gegenüberstellung von Krankheitsbild und beanstandeter Tätigkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung, d. h. für einen verständigen, medizinisch nicht sachkundigen Betrachter, der sowohl das Krankheitsbild als auch die Umstände der beanstandeten Tätigkeit kennt, auf der Hand liegt, dass Letztere der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten abträglich ist. Diese Annahme liegt umso näher, je zeitlich aufwändiger oder körperlich anstrengender das beanstandete Verhalten des Beamten ist. Allerdings muss der Verstoß gegen die Wiedergesundungspflicht objektiv erheblich sein, d. h. eine Verzögerung des Heilungsprozesses muss ernstlich zu besorgen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.2013 - BVerwG 2 A 2.12 -, juris Rn. 18 m. w. N.; Urteil vom 29.1.2020 - BVerwG 2 B 27.19 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 29.5.2017 - 6 AD 2/17 -, juris Rn. 5; Urteil vom 14.12.2021 - 6 LD 1/20 -). Ob derartiges angenommen werden kann, ist nach den jeweiligen Einzelfallumständen zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (BVerwG, Beschluss vom 17.7.2013 - BVerwG 2 B 27.12 -, juris Rn. 8 f.).

In Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte durch die Ausübung ihrer Nebentätigkeiten als Nageldesignerin und Schulungsleiterin sowie die Teilnahme an einem Wettbewerb und mehreren Schulungen während Zeiten der Dienstunfähigkeit gegen ihre Pflicht zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit verstoßen. Dazu im Einzelnen:

(a) Nach allgemeiner Lebenserfahrung liegt es für einen verständigen Betrachter auf der Hand, dass die Teilnahme an Wettbewerben grundsätzlich ein erhebliches Risiko für den Genesungsprozess eines Beamten beinhaltet (vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 29.5.2017 - 6 AD 2/17 -, juris Rn. 7; Urteil vom 14.12.2021 - 6 LD 1/20 -). Entsprechend ist die Teilnahme der Beklagten am 10./11. Juni 2017 am Wettbewerb "V." in W. generell geeignet gewesen, ihre Wiedergenesung zu verzögern. Sie ist zu diesem Zeitpunkt wegen einer Prellung des Hallux links dienstunfähig erkrankt gewesen. Ausweislich ihrer eigenen Angaben hat es sich dabei um eine so schwere Prellung gehandelt, dass sie keine geschlossenen Schuhe mehr tragen konnte und ihr das Laufen von Strecken, die länger als 20 bis 30 m sind, schwergefallen ist. Trotz dieser Erkrankung hat sich die Beklagte von ihrer Schwester in das 137 km entfernte W. fahren lassen, um dort am ersten Tag selbst am Wettbewerb in der Kategorie "X." teilzunehmen und am Folgetag als Modell für ihre Schwester zu fungieren.

Soweit die Beklagte die Anstrengungen ihrer Wettbewerbsteilnahme relativiert und behauptet hat, es handele sich dabei nicht um eine klassische Wettkampfsituation, vielmehr unterscheide sich das Tätigwerden nur "ganz marginal" von dem typischen Kundentermin, d. h. von dem "Designen der Nägel" einer Kundin, folgt der erkennende Senat ihr nicht. Es hat sich zwar nicht um einen sportlichen Wettkampf wie bei einem Reit- oder Fußballturnier (dazu Nds. OVG, Beschluss vom 29.5.2017 - 6 AD 2/17 -, juris Rn. 7; Urteil vom 14.12.2021 - 6 LD 1/20 -) gehandelt, dennoch hat eine typische Wettbewerbssituation wie beispielsweise bei Friseurwettbewerben vorgelegen. Dies folgt bereits aus dem Titel "V.", aber auch aus dem zeitlichen Ablauf. So hat sich die Beklagte vor dem Wettbewerb intensiv vorbereitet. Sie hat am 22. Mai 2017 an der Schulung "Competition Class" der Akademie T., die auch den Wettbewerb ausgerichtet hat, teilgenommen. Zudem hat sie auf ihrer Facebook-Seite all ihren Modellen "für das Sitzfleisch fürs Üben!" gedankt. Unter dem 20. November 2018 hat sie angegeben, sich vor dem Wettbewerb ein Nageldesign ausgedacht zu haben und dann eine typische Wettbewerbssituation geschildert, indem sie angegeben hat, sie sei - zusammen mit ihrer Schwester - zu diesem Wettbewerb gefahren. Am ersten Tag habe sie an einem Modell - ihrer Schwester - ein im Vorfeld ausgedachtes Nageldesign ausführen müssen und dieses anschließend der Jury vorgeführt. Die Jury habe dieses Nageldesign dann bewertet. Am Folgetag habe dann ihre Schwester am Wettbewerb teilgenommen. Sie sei für diese das Modell gewesen. Hinsichtlich der mit dem Wettbewerb verbundenen Anstrengungen muss sich die Beklagte vor allem an ihren eigenen Einlassungen bei ihrer Anhörung am 7. April 2019 festhalten lassen. Sie hat damals ausgesagt, bei Meisterschaften sei der vorgegebene Zeitansatz 3 Stunden, der nicht überschritten werden dürfe. Die Anforderungen an die Modellagen unterschieden sich bei einer Meisterschaft von den üblichen Modellagen, die sie bei ihren Kundinnen durchführe. Außerdem handele es sich bei den Meisterschaften grundsätzlich um Neumodellagen, bei denen man von Anfang an alles machen müsse. Die Beklagte hat demnach einen deutlich höheren Arbeitsaufwand bei Wettbewerben zur Nagelmodellage als bei den üblichen Kundenterminen geschildert. Erschwerend hinzu kommt die Dauer des Wettbewerbs über 2 volle Tage, dass der Wettbewerb nicht am Wohnort der Beklagten stattgefunden hat und der Druck der Wettbewerbssituation durch ein vorgegebenes Zeitfenster sowie die anschließende Präsentation vor und die Bewertung durch eine Jury.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Teilnahme der Beklagten am 10./11. Juni 2017 am Wettbewerb "V." in W. geeignet gewesen ist, ihre Wiedergenesung nach der Prellung ihrer linken Großzehe zu verzögern. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 18. Juni 2021. Dies folgt bereits daraus, dass es sich um eine ärztliche Bescheinigung handelt, die erst 4 Jahre nach der Teilnahme der Beklagten an diesem Wettbewerb erstellt worden ist. Eine nach der beanstandeten Tätigkeit erstellte ärztliche Bescheinigung über damit nicht verbundene ernstlich zu befürchtende Gefahren für den Heilungsprozess kommt entgegen Attesten, die vor der Vornahme die Unbedenklichkeit der geplanten Tätigkeit wegen der Dienstunfähigkeit bescheinigen, keine Aussagekraft zu (vgl. dazu schon Nds. OVG, Urteil vom 14.12.2021 - 6 LD 1/20 -). Dies folgt schon daraus, dass der Arzt nur bei im Vorfeld ausgestellten Attesten eine Verantwortung für die medizinische Entwicklung bei Ausübung der beabsichtigten (Neben-)Tätigkeit übernimmt, nicht aber bei nachträglichen Attesten. In solchen nachträglich ausgestellten Bescheinigungen attestiert der Arzt aus der ex-post-Perspektive regelmäßig nur, dass sich das aufgezeigte Risiko im konkreten Fall nicht realisiert hat. Deshalb würde ein verständiger Betrachter an der Vornahme einer bestimmten (Neben-)Tätigkeit trotz Dienstunfähigkeit nur dann keinen Anstoß nehmen, wenn ein aussagekräftiges ärztliches Attest bereits zum Zeitpunkt der in Rede stehenden (Neben-)Tätigkeit vorgelegen hat. Die ausnahmsweise Ausübung einer (Neben-)Tätigkeit während des Zeitraums einer Krankschreibung kommt also nur dann in Betracht, wenn die (Neben-)Tätigkeit der Erholung nicht schaden kann und dies zuvor festgestellt worden ist. Nur durch das Erfordernis einer vorherigen ärztlichen Bescheinigung kann eine Privilegierung privater (Neben-)Tätigkeiten dergestalt, dass sie von einer Krankschreibung nicht umfasst würden, zuverlässig vermieden werden. Darüber hinaus kann die ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 18. Juni 2021 die durch die Wettbewerbsteilnahme der Beklagten am 10./11. Juni 2017 ernstlich zu befürchtenden Gefahren für ihren Heilungsprozess auch deshalb nicht widerlegen, weil sie sich zu einer solchen besonderen Wettbewerbsteilnahme nicht verhält. Denn es heißt dort lediglich: "Aufgrund der o.g. Erkrankung hat die Patientin in der Ausübung der Tätigkeit im Nageldesign weder gesundheitswidrig, gesundheitsschädigend, noch gesundheitseinschränkend oder genesungsverzögernd gehandelt."

...

(2) Darüber hinaus hat die Beklagte durch die Ausübung ihrer Nebentätigkeiten als Nageldesignerin und Schulungsleiterin sowie die Teilnahme an einem Wettbewerb und mehreren Schulungen während ihrer Dienstunfähigkeit auch gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen.

Nach § 34 Satz 3 BeamtStG muss das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (sog. Wohlverhaltenspflicht). Daraus folgt, dass der Beamte außerdienstlich, d. h. in seiner Freizeit, verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung schadet. Ein ansehensschädigendes Verhalten stellt zwangsläufig eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht dar.

Ein solcher Pflichtenverstoß liegt indes nicht bereits dann vor, wenn sich der Beamte außerdienstlich nicht vorbildlich verhält. Von Beamten wird heutzutage kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von anderen Bürgern. Vielmehr setzt eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht regelmäßig ein gravierend rechtswidriges Verhalten voraus. Darüber hinaus kommt ein Pflichtenverstoß nur in Betracht, wenn das außerdienstliche Verhalten geeignet ist, das Vertrauen in die berufliche Integrität des Beamten zu erschüttern. Das Verhalten muss ernstliche Zweifel begründen, dass der Beamte seinem dienstlichen Auftrag als Sachwalter einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung gerecht wird. Dies ist aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei es auf die Sicht eines verständigen Betrachters ankommt, der alle relevanten Umstände des Einzelfalls kennt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.2013 - BVerwG 2 A 2.12 -, juris Rn. 23 f.; Nds. OVG Beschluss vom 29.5.2017 - 6 AD 2/17 -, juris Rn. 9; Urteil vom 14.12.2021 - 6 LD 1/20 -).

Nach diesem Maßstab hat die Beklagte durch die Teilnahme am Wettbewerb "V." am 10./11.Juni 2017, durch die Teilnahme an Seminaren am 30. August 2014, am 6. September 2014, am 20. April 2015, am 22. Mai 2017, am 7./8. Juli 2018 und am 24. August 2018, durch die Leitung von Schulungen am 1. Juli 2018 und am 9. August 2018 sowie durch die Wahrnehmung von Kundenterminen am 5. März 2014, am 6. März 2014, am 17. Mai 2014 und am 22. Oktober 2014 eine Ansehensschädigung bewirkt, die einen Verstoß gegen ihre beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht darstellt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Beklagte dienstunfähig erkrankt gewesen. Auch wenn die bescheinigte bzw. gemeldete Dienstunfähigkeit nicht mit Bettlägerigkeit gleichzusetzen ist, muss es aus der Sicht eines verständigen Betrachters doch als widersprüchlich und in hohem Maße irritierend erscheinen, dass die Beklagte einerseits aufgrund ärztlicher Bescheinigungen und eigener Angaben krank gewesen ist, andererseits aber gleichwohl körperlich anspruchsvolle und bei objektiver Betrachtungsweise mit Risiken für ihre Wiedergenesung verbundene Tätigkeiten ausgeführt hat. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an einem 2-tägigen Wettbewerb, aber auch an ganztägigen Schulungen. Es liegt nahe, dass ein verständiger Betrachter aus diesem widersprüchlichen Verhalten den Eindruck gewinnen konnte, dass die Beklagte im Krankenstand mache, was sie wolle, ohne sich um die Wiederherstellung ihrer Gesundheit zu kümmern, und dass der Dienste dieses Verhalten hinnehme, ohne dagegen vorzugehen (BVerwG, Urteil vom 27.6.2013 - BVerwG 2 A 2.12 -, juris Rn. 26; Nds. OVG, Urteil vom 14.12.2021 - 6 LD 1/20 -). Dass ein solcher Eindruck das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in ihn beeinträchtigt, liegt auf der Hand. Auch im Kollegenkreis dürfte ein solches Verhalten keine Billigung finden. Dies gilt im Hinblick auf die Schulung "Competition Class" am 22. Mai 2017 und den sich am 10./11. Juni 2017 anschließenden Wettbewerb "V." umso mehr, als mit Blick auf die Krankmeldung für nur einen Tag (22.5.2017) bzw. die kurzzeitige Krankschreibung über das verlängerte Wettbewerbswochenende (vom 7.6.2017 bis zum 13.6.2017) der Eindruck entsteht, dass die Beklagte Zeiten der gemeldeten/bescheinigten Dienstunfähigkeit genutzt hat, um auf diese Weise überhaupt erst - trotz etwaiger entgegenstehender Dienstpläne - an den vorgenannten Veranstaltungen teilnehmen zu können.

Hinsichtlich der von der Beklagten selbst gegen entsprechende Vergütung durchgeführten Kundentermine und mehrstündigen Einzelschulungen ist festzustellen, dass ein Beamter, der aufgrund einer Erkrankung außerstande ist, Dienst zu verrichten, in dieser Zeit der Dienstunfähigkeit aber einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht, ein Verhalten zeigt, das auf kein Verständnis stößt und geeignet ist, das Vertrauen in die Loyalität der Beamtenschaft zu beeinträchtigen. Gerade durch die Alimentierung auch während der Dienstunfähigkeit wird sichergestellt, dass sich ein Beamter schonen kann, um seine Genesung bestmöglich zu fördern, und nicht gezwungen ist, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wer in Zeiten der Dienstunfähigkeit ohne zwingende Notwendigkeit aus Eigennutz einer privaten Nebentätigkeit nachgeht, erweckt grundsätzlich den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außerstande ist, dass er also seine Dienstbezüge erhält, ohne zugleich seine wiederhergestellte Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen (Nds. OVG, Urteil vom 11.6.2013 - 6 LD 1/13 -).

(3) Sowohl den Verstoß gegen die Genesungspflicht als auch den Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht hat die Beklagte schuldhaft - nämlich vorsätzlich - begangen.

b. Indem die Beklagte im Zeitraum vom 30. Mai 2018 bis zum 21. September 2018 während ihres Dienstes die dienstlichen IT-Systeme und das dienstliche Internet an 11 Tagen im Umfang von insgesamt rund 52 Stunden für private Zwecke genutzt hat, obwohl ihr eine private Nutzung lediglich in geringfügigem Umfang erlaubt war, hat sie gegen ihre Folgepflicht (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) und ihre Pflicht, sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig gegenüber ihrem Dienstherrn zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), verstoßen. Ein solcher Pflichtenverstoß hat dagegen nicht durch die private Internetnutzung im Umfang von 14 Minuten während ihres Dienstes auf dem Wirtschaftshof am 17. September 2018 vorgelegen. Darüber hinaus hat die Beklagte durch die nicht nur geringfügige private Nutzung des dienstlichen Internets während ihres Dienstes auf der Station H., auf dem Wirtschaftshof am 21. September 2018 sowie an der Innenpforte gegen die Pflicht zur Aufgabenerfüllung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG (sog. Hingabepflicht) zu widmen, verstoßen. Hingegen hat ein solcher Pflichtenverstoß nicht während ihres Einsatzes auf dem Wirtschaftshof am 17. September 2018 und aufgrund der bis zum 18. Mai 2019 fehlenden Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung für den JVA-Shop vorgelegen.

aa. Die Beklagte hat die private Nutzung der dienstlichen IT-Systeme und des dienstlichen Internets im Zeitraum vom 30. Mai 2018 bis zum 21. September an 12 Tagen im Umfang von insgesamt 52 Stunden von Anfang an vollumfänglich eingeräumt. Damit hat sie auch die 14-minütige private Nutzung des dienstlichen Internets am 17. September 2018 während ihres Dienstes auf dem Wirtschaftshof nicht in Abrede gestellt.

bb. Die Beklagte hat durch dieses Verhalten gegen ihre Folgepflicht (dazu unter (1)), ihre Pflicht, sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig gegenüber ihrem Dienstherrn zu verhalten (dazu unter (2)), die Pflicht zur Aufgabenerfüllung und ihre Hingabepflicht (dazu unter (3)) im vorgenannten Umfang verstoßen.

(1) Durch dieses Verhalten - bis auf die 14-minütige private Nutzung des dienstlichen Internets am 17. September 2018 während ihres Dienstes auf dem Wirtschaftshof - hat die Beklagte vorsätzlich gegen ihre Folgepflicht verstoßen. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sind Beamte verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Die Beklagte hat nicht die Dienstvereinbarung des Niedersächsischen Justizministeriums zur Kontrolle der Internetnutzung in der niedersächsischen Justiz vom 6. April 2017, die Ergänzende Dienstvereinbarung über die private Nutzung dienstlicher IT- Systeme einschließlich des dienstlichen Internetzugangs und des dienstlichen E-Mail-Dienstes in der niedersächsischen Justiz vom 11. März 2016 sowie das Anstaltsregelwerk der Klägerin befolgt. Nach Ziffer 3.1.1. der vorgenannten Ergänzenden Dienstvereinbarung ist die private Nutzung von Web-Angeboten (Internet) und von dienstlichen IT-Systemen (Hard- und Software) nur unter der Bedingung zulässig, dass der jeweilige Beschäftigte zuvor seine Einwilligung in die Protokollierung von Verkehrsdaten, in die (automatisierte) Analyse der Inhalte von Kommunikationsvorgängen und in die (automatisierte) Analyse von gespeicherten Daten erklärt hat. Nach Ziffer 3.1.2. darf die dienstliche Aufgabenerfüllung sowie die Verfügbarkeit des IT-Systems für dienstliche Zwecke dadurch nicht beeinträchtigt werden. Nach Ziffer 3.1.3. darf die private Nutzung nur in geringfügigem Umfang erfolgen. Was eine geringfügige Nutzung ist, wird in Ziffer 2.3. der Ergänzenden Dienstvereinbarung definiert. Danach ist geringfügig eine gelegentliche Nutzung von kurzer Dauer, die nur wenig Datenverkehr verursacht und wenig Speicherplatz in Anspruch nimmt. Nach Ziffer 3.1.4. darf die private Nutzung nicht einer Nebentätigkeit dienen. Die Beklagte hat zwar wie alle Beschäftigten in der niedersächsischen Justiz die nach Ziffer 3.1.1. notwendige dienstliche Erklärung zur privaten Nutzung dienstlicher IT-Systeme unterschrieben, sie hat aber durch die private Nutzung in nicht nur geringfügigem Umfang gegen Ziffer 3.1.3. der Ergänzenden Dienstvereinbarung verstoßen. Als geringfügige Nutzung ist allein die 14-minütige private Nutzung des dienstlichen Internets am 17. September 2018 während des Dienstes der Beklagten auf dem Wirtschaftshof anzusehen mit der Folge, dass insofern kein Verstoß gegen die Folgepflicht vorliegt. Soweit die Beklagte die dienstlichen IT-Systeme und das dienstliche Internet dazu genutzt hat, Kundentermine für ein Nageldesign oder eine Einzelschulung zu vereinbaren oder ihre Facebook-Seite im Hinblick auf ihre Nebentätigkeit als Nageldesignerin zu gestalten, hat sie zudem gegen Ziffer 3.1.4. der Ergänzenden Dienstvereinbarung verstoßen. Schließlich hat die Beklagte während ihres Dienstes als aufsichtführende Beamtin der Station H., auf dem Wirtschaftshof am 21. September 2018 und an der Innenpforte gegen Ziffer 3.1.2. der Ergänzenden Dienstvereinbarung verstoßen, denn insoweit hat ihre dienstliche Aufgabenerfüllung durch die private Nutzung der dienstlichen IT-Systeme und des Internets gelitten (siehe dazu unten).

(2) Zugleich hat die Beklagte vorsätzlich und schuldhaft ihre Pflicht verletzt, sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig gegenüber ihrem Dienstherrn zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Denn sie hat mit der weisungswidrigen Nutzung der dienstlichen IT-Systeme und des dienstlichen Internets zugleich den ihr vom Dienstherrn mit der Bereitstellung des Internetzugangs gewährten Vertrauensvorschuss, dass sie den ihr technisch uneingeschränkt zur Verfügung gestellten Internetzugang nur dienstlich bzw. für private Zwecke nur in geringfügigem Umfang nutzen werde, missbraucht (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 25.10.2017 - 16a D 15.1110 -, juris Rn. 37; Sächs. OVG, Urteil vom 3.6.2016 - 6 A 64/15.D -, juris Rn. 91). Es fehlt auch insoweit nur an einer Pflichtverletzung betreffend die 14minütige und damit geringfügige private Nutzung des dienstlichen Internets am 17. September 2018 während des Dienstes der Beklagten auf dem Wirtschaftshof.

(3) Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass die Beklagte durch die nicht nur geringfügige private Nutzung des dienstlichen Internets während ihres Dienstes auf der Station H., auf dem Wirtschaftshof am 21. September 2018 sowie an der Innenpforte vorsätzlich und schuldhaft gegen die Pflicht zur Aufgabenerfüllung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG zu widmen (sog. Hingabepflicht), verstoßen hat. Hingegen hat ein solcher Pflichtenverstoß nicht während ihres Einsatzes auf dem Wirtschaftshof am 17. September 2018 und aufgrund der bis zum 18. Mai 2019 fehlenden Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung für den JVA-Shop vorgelegen.

Nach § 34 Satz 1 BeamtStG haben sich Beamte mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Nach § 34 Satz 2 BeamtStG haben sie die ihnen übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Sie haben dem Dienstherrn ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und diese zu erhalten. In diesem Rahmen sind sie gehalten, ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit voll einzubringen und die Dienstaufgaben engagiert zu erfüllen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 7.12.2010 - 20 LD 3/09 -, juris Rn. 29 m. w. N.). Welche Aufgaben mit dem jeweiligen Dienstposten verpflichtend verbunden sind, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Sicht des betroffenen Beamten, denn dieser kann gerade keinen eigenen Dienstpflichtenbegriff wählen. Vielmehr definiert der Dienstherr die jeweiligen Dienstpflichten. Dabei ist davon auszugehen, dass der Dienstherr schon aus fiskalischen Gesichtspunkten keine Dienstposten schafft, mit dem keine oder so geringe Dienstpflichten verbunden sind, dass eine Nutzung der täglichen Dienstzeit ganz überwiegend für private Belange möglich ist. Sollte der Beamte sich dennoch unterfordert fühlen, kann er sich an den Dienstherrn wenden und eine weitergehende Beschäftigung einfordern. Die genannten Pflichten beziehen sich grundsätzlich auf die Dienstverrichtung während der Anwesenheit im Dienst in dem dazu zeitlich und räumlich vorgegebenen Rahmen (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, 62. Ergänzungslieferung, Stand: November 2022, Teil II.2, Tatbestand VI, Rn. 2). Ein Beamter, der zwar im Dienst anwesend ist, dort jedoch die ihm übertragenen Aufgaben nicht verrichtet, mithin die Arbeit grundsätzlich verweigert, verletzt das Gebot des § 34 Satz 2 BeamtStG in seinem Kern. Eine Arbeitsverweigerung kann sich in einer absoluten Passivität, also in einer bloßen Nicht-Tätigkeit (wie dem Schlafen im Dienst) manifestieren. Darüber hinaus verstößt ein Beamter dann gegen seine Pflicht zu einem vollen persönlichen Einsatz für den Beruf, wenn er während des Dienstes vorrangig aktiv private Angelegenheiten erledigt, etwa durch eine private Nutzung des PC. Das trifft allerdings nur dann zu, wenn die Erfüllung der dienstlichen Pflichten hierunter leidet. Ob dies der Fall ist, ist im Hinblick auf das jeweilige Aufgabenprofil des Beamten an den Umständen des Einzelfalles zu messen. Gelingt es einem Beamten, unterlassene Arbeitsleistungen entweder während der vorgegebenen Dienstzeiten oder außerhalb davon so nachzuholen, dass er der geforderten Arbeitsquantität und -qualität insgesamt gerecht wird, ist der Tatbestand des § 34 Satz 2 BeamtStG im Regelfall nicht erfüllt (vgl. Gansen, a. a. O., Teil II.2, Tatbestand VI, Rn. 5). Weist der Dienstherr dem Beamten keine oder zu wenig Arbeit zu, begeht dieser keine Dienstpflichtverletzung, wenn er untätig ist bzw. nicht über die zugewiesene Arbeit hinaus tätig ist. Allerdings kann sich ein Beamter, der einen Aufgabenbereich eigenverantwortlich zu betreuen hat, nicht auf fehlende Aufträge des Vorgesetzten berufen, wenn sich die Verpflichtung zur Aufgabenerledigung auch ohne bestimmte Anweisungen von selbst versteht (vgl. Gansen, a. a. O., Teil II.2, Tatbestand VI, Rn. 7). Sofern ein Beamter der Auffassung ist, zu einer bestimmten ihm übertragenen Aufgabe nicht verpflichtet zu sein, rechtfertigt dies für sich noch nicht eine Untätigkeit, sondern nur die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. Gansen, a. a. O., Teil II.2, Tatbestand VI, Rn. 9).

(a) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte am 3. Juni 2018 und 17. Juni 2018 die ihr auf der Station H. obliegenden Aufgaben nicht nach bestem Gewissen wahrgenommen und sich nicht mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf gewidmet mit der Folge, dass sie die ihr nach § 34 Sätze 1 und 2 BeamtStG obliegenden Pflichten verletzt hat.

Am 3. Juni 2018 und 17. Juni 2018 ist die Beklagte als einzige aufsichtführende Bedienstete im Frühdienst auf der Station H., auf der sich 34 Gefangenen befunden haben, eingesetzt gewesen. Dies hat sie nicht in Abrede gestellt.

Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei beiden Tagen um Sonntage gehandelt habe und angesichts des von ihr vorgelegten Tagesablaufplans aufgezeigt, dass sich die Abläufe und die damit verbundenen Aufgaben der aufsichtführenden Beamten an Sonntagen von denen an Werktagen teilweise unterscheiden. Auch an Sonntagen gehört zu den Aufgaben der aufsichtführenden Beamten danach aber eine Lebendkontrolle, das Führen von Listen, die Beaufsichtigung der anwesenden Gefangenen, die Behandlung, Betreuung und Versorgung der Gefangenen, der Ein- bzw. Aufschluss, das Betätigen des Türknopfes zum Öffnen der Stationstür (um Gefangene zum Fitness oder wieder auf die Station zu lassen) sowie das Führen der Anwesenheits- bzw. Abwesenheitskontrolle. Soweit die Beklagte meint, sie habe die wenigen an diesen beiden Sonntagen konkret angefallenen Einzelaufgaben erledigt und zu den mit einer Stationsaufsicht verbundenen Aufgaben gehöre nicht ein "permanentes Unterwegssein" auf der Station, legt sie selbst fest, dass zu ihren Dienstpflichten nur die konkret anfallenden Einzelaufgaben an diesen Tagen gehört haben. Wie oben ausgeführt, obliegt die Bestimmung der Dienstpflichten indes nicht dem betroffenen Beamten, sondern dem Dienstherrn. Dieser verlangt, dass Stationsbedienstete einer Vollzugsabteilung - wie die Beklagte - Präsenz zeigen müssen. Ihre Hauptaufgabe ist es, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen und insbesondere, wenn Gefangene sich gegenseitig in den Hafträumen besuchen, aufmerksam zu sein. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren noch einmal klargestellt, dass gerade deshalb, weil dort keine Kameras vorhanden seien, die beispielsweise körperliche Auseinandersetzungen aufzeichneten, eine regelmäßige Kontrolle durch die aufsichtführende Bedienstete erforderlich sei.

Eine solche regelmäßige Kontrolle auf der Station H. hat die Beklagte am 3. Juni 2018 und 17. Juni 2018 nicht durchgeführt. Denn am 3. Juni 2018 hat sie während ihres Dienstes von 5.39 Uhr bis 13.31 Uhr für insgesamt 6 Stunden, 31 Minuten und 56 Sekunden das dienstliche Internet privat genutzt. Sie ist am 17. Juni 2018 während ihres Dienstes von 5.36 Uhr bis 13.20 Uhr für insgesamt 5 Stunden, 21 Minuten und 49 Sekunden im Internet zu privaten Zwecken gewesen. Aufgrund der Dauer der Nutzung des Internets im Verhältnis zur jeweils geleisteten Arbeitszeit der Beklagten steht fest, dass sie die 34 Gefangenen auf der Station H. an diesen beiden Tagen nicht nach bestem Gewissen und nicht mit vollem persönlichen Einsatz beaufsichtigt hat. Soweit die Beklagte schließlich meint, sie habe nur oberflächlich im Internet gesurft, sie habe selbstverständlich durchaus etwaige Geschehnisse um sie herum auf der Station H. auch aufgrund der räumlichen Gegebenheiten wahrnehmen und entsprechend reagieren können, so verkennt sie weiterhin die Aufgaben einer aufsichtführenden Bediensteten einer Vollzugsstation. Denn eine solche Aufsichtsperson soll nicht passiv sein und erst in kritischen Situationen reagieren, sondern sie soll präsent sein, mögliche Gefahrensituationen schon im Vorfeld erkennen und verhindern bzw. sie zumindest frühzeitig entschärfen. Sie soll ihre Zeit auch dazu nutzen, die Gefangenen zu beobachten und mit ihnen Gespräche zu führen, um Erkenntnisse im Hinblick auf deren weitere Vollzugsplanung zu gewinnen. Dies erfordert ein aktives Beobachten der Station, insbesondere in der vom Frühdienst umfassten Frühstücks- und Mittagszeiten. Die Beklagte hat stattdessen ganz überwiegend aktiv private Angelegenheiten erledigt, indem sie das dienstliche Internet stundenlang privat genutzt hat. Ihrer Verantwortung als alleinige Aufsicht für die erhebliche Anzahl von 34 Gefangenen auf der Station H. ist sie damit nicht gerecht geworden. Angesichts dessen, dass die Beklagte die alleinige Aufsicht auf der Station H. an diesen Tagen hatte, könnten auch nicht die von ihr angeführte Kollegin von der Innenpforte oder der von ihr benannte Sachbearbeiter Vollzug Herr AO. bezeugen, dass die Beklagte an diesen Tagen ihren Dienst "korrekt und engagiert" ausgeübt hat.

(b) Die Beklagte hat auch ihre Pflicht zur Aufgabenerfüllung und ihre Hingabepflicht verletzt, indem sie 21. September 2018 die dienstlichen IT-Systeme und das dienstliche Internet zu privaten Zwecken genutzt hat, obwohl sie als aufsichtführende Beamtin auf dem Wirtschaftshof eingesetzt gewesen ist. Allerdings hat sie nicht am 17. September 2018 gegen diese Pflichten verstoßen, indem sie während ihres Einsatzes auf dem Wirtschaftshof für 14 Minuten das dienstliche Internet privat genutzt hat.

Die Beklagte hat am 21. September 2018 zwischen 11.11 Uhr und 11.58 Uhr sowie zwischen 12.17 Uhr und 13.22 Uhr für insgesamt eine Stunde und 52 Minuten verschiedene Facebook-Seiten besucht. Auf dem Wirtschaftshof gibt es keine Möglichkeit, einen dienstlichen PC zu nutzen. Der nächstgelegene PC mit Internetverbindung befindet sich im ca. 100 m entfernten Postverteilungsraum/PNG-Raum im Gebäude der lnnenpforte. Um diesen Raum zu nutzen, hat die Beklagte ihren Dienstposten für die Dauer der Internetnutzung verlassen. Die Beklagte hat diese Tatsachen nicht bestritten.

Durch das Verlassen des Wirtschaftshofs am 21. September 2018 hat die Beklagte die ihr als aufsichtführende Beamtin obliegenden Pflichten verletzt. Denn mangels ihrer Anwesenheit vor Ort hat sie die ihr dort obliegende Aufsicht für die Dauer von fast 2 Stunden nicht wahrnehmen können. Angesichts der Nichtwahrnehmung dieser - wie sich aus der Bezeichnung "aufsichtführende" Beamtin schon ergibt - Kernaufgabe, kann dahinstehen, ob die Beklagte zugleich den Funkverkehr vernachlässigt hat oder - wie sie behauptet - bei diesem sowieso übergangen worden ist.

Die Beklagte hat zwar ausgeführt, das Reefood-Fahrzeug hole die vollen Mülltonnen mit Resten, die von der Gefangenenkost resultierten, ab und tausche diese gegen leere Tonnen aus. Das Fahrzeug werde stets von einem ZBV-Bediensteten kontrolliert und begleitet und treffe meistens schon um 7.00 Uhr, d. h. vor dem Dienstbeginn um 7.30 Uhr, ein. Auch der sonstige Fahrzeugverkehr werde bei der Einfahrt immer durch einen Kollegen begleitet. Es falle die Beaufsichtigung des Tores 14 zum Wirtschaftshof/zur Schleuse an, wobei zu schauen sei, dass Unbefugte dieses Tor nicht passierten. In dem dortigen Bereich seien aber alle Gefangenen begleitet oder Gefangene mit Freigaben. Es gebe zudem viele überwachende Kameras. Die Gefangenen, die das Mittagessen aus der Küche holten und zurückbrächten, würden ebenfalls durch einen Kollegen begleitet. Von montags bis donnerstags um 15.00 Uhr, freitags um 13.00 Uhr, rückten die Betriebe mit den Kollegen der Betriebe ein. Die vorgenannten Tätigkeiten seien alle eher beschäftigender oder beobachtender Natur, um zu schauen, ob alles glatt und ohne besondere Vorkommnisse ablaufe. Räumlich sei dieser Dienstposten an einem Ort auszuüben, der letztlich kaum größer als eine Telefonzelle und im Sommer häufig viel zu heiß und im Winter viel zu kalt sei. Der Dienstposten "Wirtschaftshof" sei häufig nur sporadisch besetzt worden und seit sicherlich 1,5 Jahren unbesetzt, weil er vollständig entbehrlich sei. Mit diesem Vorbringen hat die Beklagte indes nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin ihr die Aufgabe "Aufsicht auf dem Wirtschaftshof", einem sicherheitsrelevanten Bereich mit vielfältigen Gefangenenbewegungen, zugewiesen hatte, sondern nur die Sinnhaftigkeit dieser Aufgabe und die Zumutbarkeit der räumlichen Bedingungen auf dem Wirtschaftshof in Frage gestellt. Ob tatsächlich immer eine Doppelaufsicht aufgrund der anderen Kollegen und weiterer Kameras bestanden hat und wenn ja, ob eine solche Doppelaufsicht bei einer Anstalt der Sicherheitsstufe 2 sinnvoll gewesen ist, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich und deshalb nicht aufzuklären. Denn sofern ein Beamter - hier die Beklagte - der Auffassung ist, zu einer bestimmten, ihm übertragenen Aufgabe nicht verpflichtet zu sein, weil die örtlichen Gegebenheiten unzumutbar sind oder die Aufgabe sinnlos ist, rechtfertigt dies für sich noch nicht eine Untätigkeit, sondern nur die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. Gansen, a. a. O., Teil II.2, Tatbestand VI, Rn. 9). Nur aufgrund ihres Unmuts über die in ihren Augen "unsinnige" Doppelaufsicht auf dem Wirtschaftshof unter unzulänglichen örtlichen Gegebenheiten durfte die Beklagte nicht am 21. September 2018 den Wirtschaftshof verlassen, um - statt der ihr in diesem sicherheitsrelevanten Bereich obliegenden Aufsichtspflicht über die Gefangenen nachzukommen - die dienstlichen IT-Systeme und das dienstliche Internet zu privaten Zwecken im ca. 100 m entfernten Postverteilungsraum/PNG-Raum im Gebäude der lnnenpforte über einen nicht nur geringfügigen Umfang hinaus zu nutzen.

Dagegen liegt ein solcher Pflichtenverstoß nicht vor, soweit die Beklagte am 17. September 2018 ihren Dienstposten auf dem Wirtschaftshof verlassen hat, um das dienstliche Internet für 14 Minuten lang privat zu nutzen. Denn nach Aussage der Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 14. Juni 2023 gehört(e) es auch zu den mit dem Dienstposten auf dem Wirtschaftshof verbundenen Dienstpflichten, den Wirtschaftshof einmal am Tag kurz zu verlassen, um sich an einem PC einzuloggen und seine dienstlichen E-Mails zu checken. Darüber hinaus sei ein Verlassen des Wirtschaftshofs für einen Toilettengang zulässig. Die Klägerin hat folglich eine kurzzeitige Abwesenheit des jeweiligen aufsichtführenden Beamten vom Wirtschaftshof im Rahmen der Wahrnehmung der Dienstpflichten vorgesehen. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die ihr erlaubte Möglichkeit zur geringfügigen privaten Nutzung des dienstlichen Internets im Umfang von 14 Minuten genutzt und diese weiteren 14 Minuten vom Wirtschaftshof abwesend gewesen ist.

(c) Zur Überzeugung des Senats steht darüber hinaus fest, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Aufgabenerfüllung und ihre Hingabepflicht am 5. Juni 2018 und 8. Juni 2018 während ihres Einsatzes an der Innenpforte verletzt hat.

Die Beklagte hat am 5. Juni 2018 während ihres Dienstes an der Innenpforte von 9.09 Uhr bis 18.16 Uhr das dienstliche Internet privat für 6 Stunden und 14 Minuten genutzt. Am 8. Juni 2018 ist sie während ihres dortigen Dienstes von 8.39 Uhr bis 15.45 Uhr für eine Dauer von 4 Stunden und 55 Minuten im dienstlichen Internet zu privaten Zwecken unterwegs gewesen. Das hat die Beklagte nicht bestritten.

Trotz dieser erheblichen Zeiten, in denen die Beklagte zwar im Dienst anwesend gewesen ist, das Internet jedoch privat genutzt hat, hat sie die ihr an diesem Tag konkret obliegenden Einzelaufgaben innerhalb der ihr verbleibenden geringen Arbeitszeit bewältigen können.

Konkrete Aufgabe der Beklagten ist am 5. Juni 2018 die Kontrolle von 6 Besucherinnen und 12 oder 13 Paketen gewesen. Die Durchsuchung einer Besucherin dauert nach den Angaben der Klägerin ca. 5 bis 10 Minuten, die eines Paketes 1 bis 2 Minuten (vgl. Disziplinarklage vom 23.7.2020, S. 13). Für die Kontrolle der Besucherinnen ist demnach von einer zeitlichen Inanspruchnahme von 30 bis 60 Minuten auszugehen ist. Zudem hat die Klägerin für die Kontrolle der Pakete an diesem Tag einen Zeitaufwand von 12 bis 26 Minuten (12 oder 13 Pakete) angenommen. Insgesamt ergibt sich demnach eine zeitliche Beanspruchung von maximal 1 Stunde und 26 Minuten. Da die Beklagte an diesem Tag 9 Stunden und 7 Minuten (9.09 Uhr bis 18.16 Uhr) im Dienst gewesen ist, konnte sie trotz der privaten Internetnutzung im Umfang von 6 Stunden und 14 Minuten in ihrer verbleibenden Arbeitszeit von 2 Stunden und 53 Minuten diese Aufgaben bewältigen.

Am 8. Juni 2018 ist wiederum die Kontrolle von 6 Besucherinnen in einem zeitlichen Umfang von maximal 60 Minuten erforderlich gewesen. Zudem sind 9 Pakete mit einem Zeitaufwand von 9 bis 18 Minuten zu kontrollieren gewesen, mit der Folge, dass insgesamt von einem maximalen Zeitaufwand von 1 Stunde und 18 Minuten auszugehen ist. Da die Beklagte an diesem Tag 7 Stunden und 6 Minuten (8.39 Uhr bis 15.45 Uhr) im Dienst gewesen ist, konnte sie trotz der privaten Internetnutzung im Umfang von 4 Stunden und 55 Minuten sowohl die Personen- als auch die Paketkontrollen vornehmen.

Soweit die Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2023 als weitere konkrete Dienstpflichten eines Bediensteten an der Innenpforte das Verfassen von Verhaltensberichten über Gefangene und das Durchforsten des Intranets nach Anstaltsregeln, Aktuellem etc. benannt hat, hat die Beklagte glaubhaft versichert, auch diesen Dienstpflichten nachgekommen zu sein.

Obwohl die Beklagte die vorgenannten Einzelaufgaben bewältigt hat, hat die Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten gleichwohl gelitten, soweit sie am 5. Juni 2018 und 8. Juni 2018 während ihrer Tätigkeit an der Innenpforte das dienstliche Internet und die dienstlichen IT-Systeme zu privaten Zwecken im Umfang von ca. 6 bzw. 5 Stunden genutzt hat. Denn zu den Pflichten einer weiblichen Bediensteten an der Innenpforte gehört es nicht nur, Besucherinnen zu durchsuchen und die Posteingänge und Pakete zu röntgen, zu sortieren und in die Paketliste einzutragen. Vor allem sind mit einem solchen Dienstposten Beobachtungs- und Repräsentationspflichten verbunden. Bei einer mehr als 6 bzw. fast 5 Stunden langen privaten Nutzung des Internets - wie sie die Beklagte am 5. bzw. 8 Juni 2018 vorgenommen hat - werden Beobachtungs- und Repräsentationspflichten einer Bediensteten an der Innenpforte einer Justizvollzugsanstalt nicht mehr ausreichend wahrgenommen. Die Erfüllung der dienstlichen Pflichten der Beklagten hat demnach unter dieser exzessiven Nutzung des dienstlichen Internets zu privaten Zwecken gelitten. Wenn die Beklagte dies anders sieht, setzt sie in unzulässiger Weise ihre Auffassung zu den auf dem betreffenden Dienstposten zu bewältigenden Aufgaben an die Stelle des hierzu allein berufenen Dienstherrn.

(d) Allerdings hat die Beklagte während ihres Einsatzes im JVA-Shop ihre Pflicht zur Aufgabenerfüllung und ihre Hingabepflicht nicht verletzt, insbesondere nicht dadurch, dass sie eine Gefährdungsbeurteilung erst zum 19. Mai 2019 erstellt hat.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Beklagten die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung für den JVA-Shop oblegen hat und sie dieser Dienstpflicht bis zum 18. Mai 2019 nicht nachgekommen ist. Die Auswertung der Protokolldaten zur Nutzungserkennung der Beklagten (J...) beim zentralen IT-Betrieb Niedersachsen (ZIB) hat zudem ergeben, dass die Beklagte während ihres Einsatzes im JVA-Shop am 30. Mai 2018, 6. Juni 2018, 16. Juni 2018, 20. Juni 2018, 19. September 2018 und 20. September 2018 die dienstlichen IT-Systeme und das dienstliche Internet mehr als geringfügig zu privaten Zwecken genutzt hat.

Dennoch hat die Beklagte während ihres Einsatzes im JVA-Shop ihre Pflicht zur Aufgabenerfüllung und ihre Hingabepflicht nicht durch die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung erst zum 19. Mai 2019 verletzt. Klarzustellen ist insoweit, dass grundsätzlich auch Arbeitsrückstände einen Verstoß gegen die Pflicht zur Aufgabenerfüllung darstellen können (vgl. Gansen, a. a. O., Teil II.2, Tatbestand VI, Rn. 6 zu quantitativen Arbeitsrückständen). Der erkennende Senat hat aufgrund der Erkenntnisse der mündlichen Verhandlung aber die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte die verspätete Erstellung der Gefährdungsbeurteilung für den JVA-Shop nicht zu vertreten hatte. Die Beklagte hat ausgesagt, dass ihr - nachdem sie sich erfolgreich auf den Dienstposten im JVA-Shop beworben hatte - zunächst nicht mitgeteilt worden sei, dass damit auch die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung für den JVA-Shop verbunden sei. Nachdem sie später auf die Erfüllung dieser Aufgabe hingewiesen worden sei, habe sie erwidert, dass sie noch nie zuvor eine solche Gefährdungsbeurteilung habe erstellen müssen und nicht wisse, wie das gehe. Insoweit habe es also noch einen umfänglichen Klärungsbedarf gegeben, weil sie keine Einweisung oder sonstigen umfassenden Input erhalten habe, obwohl es dazu mittlerweile gesonderte Schulungen gebe (vgl. auch Einladung zur Fortbildung "Erstellen von Gefährdungsbeurteilungen" vom 8.8.2021 [Bl. 268/GA]). Sie habe sich diesbezüglich an den Sicherheitsingenieur, Herrn AN., gewandt, und zwar mehrfach. Die entsprechenden Hinweise von Herrn AN. hätten sich aber zeitlich immer wieder verzögert mit der Folge, dass sich auch die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung verzögert habe. Dieses Vorbringen der Beklagten ist nachvollziehbar, insbesondere auch deshalb, weil die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung nicht zu den täglich anfallenden Aufgaben einer Bediensteten im JVA-Shop gehört hat und allgemein bekannt ist, dass es sich dabei um eine nicht einfache Aufgabe handelt. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht bestritten hat, dass die Beklagte den zuständigen Sicherheitsingenieur kontaktiert hat, ist die Aussage der Beklagten auch deshalb glaubhaft, weil sie in sich stimmig und detailreich ist.

Auch im Übrigen ist eine Verletzung der der Beklagten während ihrer Tätigkeit im JVA-Shop obliegenden Dienstpflichten nicht erwiesen. Im JVA-Shop werden zu den Öffnungszeiten verschiedene Waren, die in den Eigenbetrieben der JVA hergestellt werden, zum Erwerb angeboten. Als Mitarbeiterin des JVA-Shops hat der Beklagten neben der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung die alleinige Verantwortung für die Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung der Räumlichkeiten, die Pflege und Wartung des Inventars, die Einrichtung und Organisation nach vertriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, die sachgemäße Verwaltung der Bargeld- und Warenbestände sowie die Beratung der Kunden oblegen. An den maßgeblichen Tagen hat die Beklagte nur wenige Besucher zu betreuen gehabt. Denn ausweislich der Angaben der Klägerin wurden für den 30. Mai 2018 kein Kunde, für den 6. Juni 2018 vier, für den 16. Juni 2018 und den 20. Juni 2018 jeweils zwei, für den 19. September 2018 ein und für den 20. September 2018 drei Kunden registriert. Dies hat zur Folge gehabt, dass die Beklagte trotz der umfangreichen Nutzung des Internets all ihren üblichen Aufgaben im JVA-Shop hat nachkommen können.

(4) Die Beklagte hat die vorgenannten Pflichtenverstöße im Zusammenhang mit der nicht nur geringfügigen Nutzung der dienstlichen IT-Systeme und des dienstlichen Internets vorsätzlich und schuldhaft begangen.

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2. Das hier vorliegende einheitliche Dienstvergehen rechtfertigt keine mildere Disziplinarmaßnahme als die vom Verwaltungsgericht verhängte Zurückstufung in das Amt einer Obersekretärin (Besoldungsgruppe A 7).

Vorliegend besteht die Besonderheit, dass die Beklagte mit Ablauf des 31. Januar 2023, d. h. nach der erstinstanzlichen Entscheidung im laufenden Berufungsverfahren, wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist. Gegen Ruhestandsbeamte können gemäß § 6 Abs. 2 NDiszG die Kürzung des Ruhegehalts (§ 12 NDiszG), die Zurückstufung (§ 10 NDiszG) und die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 13 NDiszG) verhängt werden. Hier hat die Klägerin (nur) die Zurückstufung der Beklagten beantragt. Eine Zurückstufung erfolgt dergestalt, dass Ruhestandsbeamten gemäß § 10 Abs. 3 NDiszG Versorgungsbezüge aus einer vom Gericht zu bestimmenden niedrigeren Besoldungsgruppe gezahlt werden. Das hier vorliegende einheitliche Dienstvergehen rechtfertigt die Zurückstufung der Beklagten, indem ihr Versorgungsbezüge aus der Besoldungsgruppe A 7 gezahlt werden.

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B. Auch der Hilfsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg.

Der Antrag der Beklagten, den Zeitraum, innerhalb dessen sie nach einer Zurückstufung frühestens nach Einritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung befördert werden darf, auf 2 Jahre abzukürzen, ist bereits unzulässig. Insofern fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten. Denn sie ist mit Ablauf des 31. Januar 2023 aufgrund ihrer Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden. Zwar hat die Beklagte insofern zutreffend darauf hingewiesen, dass ihre Reaktivierung aufgrund ihres Lebensalters nicht ausgeschlossen ist, konkrete Reaktivierungsmaßnahmen hat sie jedoch nicht dargelegt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten allein eine erneute Untersuchung der Beklagten auf ihre Dienstfähigkeit nach Ablauf von 2 Jahren, d. h. ab dem 1. Februar 2025, in Aussicht gestellt. Eine nicht absehbare Reaktivierung nach gerade erst erfolgter Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit begründet kein Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf die beantragte Verkürzung des Beförderungsverbotes auf 2 Jahre.

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