Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.06.2023, Az.: 10 LA 76/22

Anforderung; Cross-Compliance-Vorschriften; dieselbe Anforderung; Grundanforderung; Sanktion; Wiederholter Verstoß; Wiederholter Verstoß im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.06.2023
Aktenzeichen
10 LA 76/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 24177
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0628.10LA76.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 21.04.2022 - AZ: 12 A 333/19

Fundstellen

  • DÖV 2023, 825
  • NordÖR 2023, 556
  • ZUR 2023, 686

Amtlicher Leitsatz

Ein wiederholtes Auftreten eines Verstoßes im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014 liegt u. a. dann vor, wenn dieselbe Grundanforderung nach dem Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013 wiederholt innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von 3 Kalenderjahren nicht eingehalten worden ist und die übrigen Voraussetzungen dieser Regelung vorliegen.

In der Verwaltungsrechtssache
Herr A.,
A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Zulassungsantragsteller -
Prozessbevollmächtigte:
B.
B-Straße, B-Stadt - -
gegen
Landwirtschaftskammer Niedersachsen,
Geschäftsbereich Förderung, Sachgebiet 2.04,
Mars-la-Tour-Straße 1-13, 26121 Oldenburg (Oldenburg) - -
- Beklagte und Zulassungsantragsgegnerin -
wegen Agrarförderung 2017 - CC-Verstoß
- Antrag auf Zulassung der Berufung -
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 10. Senat - am 28. Juni 2023
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 12. Kammer - vom 21. April 2022 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 14.940,26 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses seine gegen die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen der Agrarförderungen für das Jahr 2017 und auf eine entsprechend höhere Agrarförderung gerichtete Klage abgewiesen hat, hat keinen Erfolg. Denn die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt worden und liegen auch nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieses hat zu Recht angenommen, dass hier ein wiederholtes Auftreten von Verstößen im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014 sowie derselbe Verstoß gemäß Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 3 VO (EU) 640/2014 vorliegen und damit die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen gerechtfertigt sind.

Der Kläger vertritt dagegen die Auffassung, dass ein wiederholtes Auftreten von Verstößen im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014 nur dann angenommen werden kann, wenn der Landwirt gegen genau die gleiche Verhaltensverpflichtung - wie hier die Verpflichtung zur Kennzeichnung der Tiere mit Ohrmarken, gegen die der Kläger dadurch verstoßen hat, dass er 2 Tiere mit der gleichen Ohrmarkennummer gekennzeichnet hat - wiederholt verstoßen hat.

Erfüllt ein in Art. 92 genannter Begünstigter die Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Art. 93 nicht, so wird gegen ihn nach Art. 91 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 eine Verwaltungssanktion verhängt. Nach Art. 93 Abs. 1 dieser Verordnung umfassen die in Anhang II aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand und betreffen die Bereiche a) Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen, b) Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen und c) Tierschutz. Dementsprechend ist der Anhang II dieser Verordnung in diese Bereiche, in diesen Bereichen zugeordnete Hauptgegenstände (wie etwa Wasser oder Lebensmittelsicherheit) und in die Anforderungen (Grundanforderungen an die Betriebsführung = GAB 1-13) und Standards (Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand = GLÖZ 1-7) untergliedert.

Der Kläger hat nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wiederholt gegen die GAB 7, nämlich gegen die Verpflichtungen zur Kennzeichnung und Registrierung seiner Rinder aus Art. 4 und 7 VO (EG) Nr. 1760/2000 verstoßen. Damit liegt ein wiederholter Verstoß im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 der Delegierten Verordnung der Kommission Nr. 640/2014, mit der die VO (EU) Nr. 1306/2013 u. a. in Bezug auf die Bedingungen für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance ergänzt wird, vor. Denn danach liegt ein wiederholtes Auftreten eines Verstoßes dann vor, wenn dieselbe Anforderung oder derselbe Standard mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von 3 Kalenderjahren nicht eingehalten wurde und die weiteren Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind. Hier ist die GAB 7 nach dem Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013 und damit dieselbe Anforderung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014 nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wiederholt nicht eingehalten worden. Auch hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 3 VO (EU) Nr. 640/2014 hier erfüllt sind, da kein hier relevanter Unterschied zwischen einem wiederholten Verstoß gegen "dieselbe Anforderung" (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014) und der "erneuten Feststellung desselben Verstoßes" (Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 3 VO (EU) Nr. 640/2014) besteht und letztere Bestimmung ersichtlich keine eigenständige Definition des Begriffes des Verstoßes regelt, sondern lediglich an die Begrifflichkeit des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 640/2014 anknüpft.

Auch aus der von dem Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags angeführten Begriffsdefinition des Art. 91 Abs. 3 b) VO (EU) Nr. 1306/2013 ergeben sich keine Anhaltspunkte für die von ihm befürwortete Auslegung des Begriffs des wiederholten Auftretens eines Verstoßes.

Dort ist geregelt, dass für die Zwecke dieses Titels der Ausdruck "Anforderung" jede einzelne Grundanforderung an die Betriebsführung, die sich aus dem in Anhang II genannten Unionsrecht innerhalb eines Rechtsakts ergibt und inhaltlich von den anderen Anforderungen desselben Rechtsakts abweicht. Dies bestätigt die oben dargestellte Auslegung der hier maßgeblichen Vorschriften. Denn die Cross-Compliance-Vorschriften umfassen - wie ausgeführt - die Grundanforderungen an die Betriebsführung, die im Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013 im Einzelnen aufgeführt sind und auf verschiedenen Rechtsakten der Europäischen Union beruhen. Der Unionsrechtsgeber hat danach den Begriff "Anforderung" ausdrücklich mit dem Begriff "Grundanforderung" gleichgesetzt. Anforderung ist jede einzelne der Grundanforderungen an die Betriebsführung, die im Anhang II aufgeführt sind, auch wenn sie auf demselben Rechtsakt beruhen sollten, sofern sie inhaltlich von den anderen Anforderungen desselben Rechtsakts abweichen. Dies ist bei den im Anhang II aufgeführten Grundanforderungen unabhängig von der Frage, ob sie auf verschiedenen Rechtsakten beruhen, ersichtlich der Fall, da sie inhaltlich verschiedene Themenbereiche betreffen.

Andererseits sind die Regelungen innerhalb derselben Grundanforderung - wie hier Kennzeichnung und Registrierung von Rindern nach GAB 7 - derart ähnlich, dass eine weitere Differenzierung (auch) hinsichtlich der Sanktionierung keinen Sinn ergäbe und dem Ziel der Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften u. a. im Hinblick auf den Umweltschutz (vgl. Erwägungsgrund 54 zur VO (EU) 1306/2013) zuwiderliefe. Aus diesen Gründen bestehen hier unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger nach seinem Vortrag nicht gegen exakt dieselben Verhaltenspflichten verstoßen hat, was bei der Sanktionierung seines Verhaltens nicht berücksichtigt worden ist, entgegen der Ansicht des Klägers auch keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder für eine Unverhältnismäßigkeit der Sanktionshöhe, wie das Verwaltungsgericht auch insoweit zutreffend erkannt hat.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Denn abgesehen davon, dass der Kläger bereits nicht die über seinen Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Fragen konkret dargelegt hat, lassen sich diese Fragen nach dem oben Gesagten ohne weiteres bereits im Zulassungsverfahren beantworten, ohne dass dafür die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre.

Die von dem Kläger aufgeworfene Frage, "ist Art. 38 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 dahingehend auszulegen, dass ein wiederholtes Auftreten eines Verstoßes gegen eine GAB nur dann vorliegt, wenn der Betriebsinhaber gegen dieselbe, konkrete Anforderung innerhalb der GAB erneut verstoßen hat ", ist abgesehen davon, dass sie von einer unzutreffenden Begrifflichkeit ausgeht, dahingehend zu beantworten, dass ein wiederholtes Auftreten eines Verstoßes im Sinne dieser Regelung dann vorliegt, wenn dieselbe Grundanforderung nach dem Anhang II VO (EU) Nr. 1306/2013 wiederholt innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von 3 Kalenderjahren nicht eingehalten worden ist und die übrigen Voraussetzungen dieser Regelung vorliegen.

Damit ist auch die weitere von dem Kläger angeführte Frage, "ist bei der Sanktionierung eines wiederholten Verstoßes im Rahmen von Art. 40 i. V. m. Art. 39 Abs. 4 Unterabsatz 3 VO (EU) Nr. 640/2014 bei der Festsetzung der Sanktionshöhe zu berücksichtigen, ob der Betriebsinhaber innerhalb der in Rede stehenden GAB mehrfach gegen dieselbe Anforderung oder mehrfach gegen unterschiedliche Anforderungen verstoßen hat", beantwortet, da ein wiederholter Verstoß bzw. derselbe Verstoß im Sinne der von ihm genannten Vorschriften dann vorliegt, wenn der Betreffende gegen dieselbe Grundanforderung wiederholt verstoßen hat, ohne dass es auf die von dem Kläger angeführte Differenzierung ankommt.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).