Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.08.2024, Az.: 4 A 129/20

Allgemeinverfügung; Corona-Pandemie; COVID-19; Fahrschule; Infektionsschutz; Schließung einer Fahrschule in der Frühphase der Corona- Pandemie

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.08.2024
Aktenzeichen
4 A 129/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 21369
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0806.4A129.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die vollständige Schließung einer Fahrschule im Frühstadium der Corona-Pandemie durch Allgemeinverfügung war - eingebettet in das in der Allgemeinverfügung geregelte Gesamtkonzept aus Betriebsschließungen und Kontaktbeschränkungen - rechtmäßig.

  2. 2.

    Die gerichtliche Überprüfung von Corona-Schutzmaßnahmen im Frühstadium der Pandemie beschränkt sich auf eine Vertretbarkeitskontrolle.

  3. 3.

    Unter dem großen zeitlichen Druck, umgehend Maßnahmen zur Eindämmung des sich exponentiell ausbreitenden Virus ergreifen zu müssen, durfte der Beklagte zunächst auf pauschale, nicht für jeden Einzelfall differenzierende Bestimmungen zurückgreifen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Fahrschule in A-Stadt, welche für Fahrschüler theoretischen und praktischen Unterricht für Motorräder aller Klassen, Pkw, Lkw und Bus anbietet.

Der Beklagte machte am 17. März 2020 die "Allgemeinverfügung des Landkreises Goslar zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona- Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises Goslar" öffentlich bekannt.

Ziffer 2, 1. Punkt der Allgemeinverfügung lautete wie folgt: "Verboten werden: Zusammenkünfte in Vereinen und sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich sowie Reisebusreisen".

Nach Ziffer 3 der Allgemeinverfügung war diese ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung bis zum 18. April 2020 gültig, eine Verlängerung sei möglich.

Mit Schreiben vom selben Tag an "Fahrschulen, Ausbildungsstätten gemäß § 7 BKrFQG" wies der Landkreis auf die von ihm erlassene Allgemeinverfügung hin. Er führte weiter wie folgt aus:

" Das Verbot der Allgemeinverfügung gilt unter anderem für Zusammenkünfte in öffentlichen und privaten Bildungsträgern. Das bedeutet, dass Fahrschulunterricht (Theorie und Praxis) einschließlich Aufbauseminaren, Unterricht aller Art auch z.B. Weiterbildungen und Prüfungen nach BKrFQG verboten werden. Die Allgemeinverfügung gilt sofort ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung (formal ab 18.03.2020) bis einschließlich Sonnabend, den 18. April 2020. Eine Verlängerung ist möglich. Ich bitte, die Allgemeinverfügung aus Gründen des Gesundheitsschutzes ab sofort umzusetzen".

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung erließ am 23. März 2020 eine Allgemeinverfügung (AV des MS vom 23.03.2020 - 401-41609-11-3 -), wonach auf dem Gebiet des Landes Niedersachsen nach Nr. 6 der Allgemeinverfügung alle nicht dringend notwendigen Dienstleistungen, bei denen der Mindestabstand von 1,5 Metern von Mensch zu Mensch nicht eingehalten werden könne, untersagt waren. Dies gelte insbesondere für [...] Fahrschulen, Fahrlehrerausbildungsstätten und anerkannte Aus- und Weiterbildungsstätten nach dem BKrFQG.

Am 27. März 2020 trat die "Niedersächsische Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie" in Kraft (Nds. GVBL Nr. 6/2020). Diese enthielt in § 6 Abs. 2 Satz 1und Satz Nr. 6 die bereits in der Allgemeinverfügung enthaltene Bestimmung betreffend Fahrschulen.

Die inhaltsgleiche Regelung fand sich auch in § 7 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 der "Niedersächsische[n] Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie" vom 2. April 2020 (Nds. GVBL Nr. 7/2020) sowie der geänderten Fassung vom 7. April 2020 (Nds. GVBL Nr. 8/2020) mit Gültigkeit bis zum 19. April 2020. Auch in der "Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus" vom 17. April 2020 (Nds. GVBL Nr. 10/2020) mit Gültigkeit bis zum 6. Mai 2020 fand sich die inhaltsgleiche Bestimmung.

Mit der "Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona- Virus" vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBL Nr. 10/2020) wurde die Bestimmung schließlich dahingehend geändert, dass bei Einhaltung des Mindestabstands sowie weiterer Hygienemaßnahmen und Kontaktverfolgungsmaßnahmen der theoretische Unterricht, die Vorbereitung auf und die Durchführung der theoretischen Prüfung sowie der praktische Unterricht mit voraus- oder hinterherfahrenden motorisierten Fahrzeugen zulässig war.

Mit der "Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie" vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBL. Nr. 13/2020) wurde zusätzlich bestimmt, dass der praktische Unterricht sowie praktische Prüfungen auch unter Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern durchgeführt werden dürften, wenn die Personen eine Mund- Nasen- Bedeckung tragen.

Die Klägerin hat am 17. April 2020 Klage gegen den "Bescheid" des Beklagten vom 17. März 2020 sowie gegen die Allgemeinverfügung vom selben Tag erhoben, soweit damit die Durchführung des Fahrschulbetriebs untersagt worden ist. Sie ist der Auffassung, dass die Betriebsstillegung zu einer Beeinträchtigung in der Eigentums- und Berufsfreiheit führe, die nicht gerechtfertigt sei. Die Allgemeinverfügung des Beklagten führe unter Ziffer 2 Fahrschulen nicht auf; es fehle deshalb bereits an einer Rechtsgrundlage für die Betriebsschließung.

Der Beklagte habe zu Unrecht nicht zwischen den verschiedenen Fahrschuldienstleistungen differenziert. Bei Fahrschuldienstleistungen für Motorräder bestünde keine Infektionsgefahr, da Fahrschüler und Fahrlehrer mit einem Abstand von circa 50 Metern hintereinander herfahren würden. Bei Lkw sei zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin für den Fahrunterricht eingesetzten Lkw einen Abstand von der Mitte des Fahrersitzes bis zur Mitte des Beifahrersitzes von 1,5 Metern aufwiesen. Hinsichtlich des Fahrunterrichts im Pkw könne zwar der Mindestabstand nicht eingehalten, dies jedoch durch andere Maßnahmen des Gesundheitsschutzes wie Händewaschen, Desinfektion und Mundbedeckung kompensiert werden. Hinsichtlich des Theorieunterrichts sei die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern möglich, da sie über einen entsprechend großen Unterrichtsraum von 80 m2 verfüge. Die komplette Betriebsschließung sei deshalb unverhältnismäßig. Hilfsweise seien jedenfalls Fahrschuldienstleistungen für Motorrad, Lkw sowie Theorieunterricht ohne jede Beeinträchtigung gebotener Infektionsschutzmaßnahmen möglich.

Die spätere Wiederzulassung des Fahrschulbetriebs durch die folgenden Corona-Verordnungen sei von den gleichen Gedanken geleitet gewesen und zeige, dass die vorherigen Maßnahmen unverhältnismäßig gewesen seien. Die Klage sei auch durch das Inkrafttreten der Corona-Verordnung nicht unzulässig geworden, denn diese sei im Wege der inzidenten Normenkontrolle der Überprüfung durch das Gericht zugänglich.

Des Weiteren bestünde ein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch hinsichtlich des der Klägerin entgangenem Umsatzes für den Zeitraum vom 17. März 2020 bis zum 18. April 2020. Nach Erledigung der streitgegenständlichen Anordnungen

beantragt die Klägerin nunmehr, festzustellen,

  1. 1.

    dass der Bescheid des Beklagten vom 17.03.2020 rechtswidrig war, soweit dem Kläger hierdurch jeglicher Fahrschulunterricht (Theorie und Praxis) einschließlich Aufbauseminaren, Unterricht aller Art auch zum Beispiel Weiterbildung und Prüfungen nach dem BKrFQG (Gesetz über die Grundqualifikation für den Güter- und Personenverkehr) verboten wurde,

  2. 2.

    dass die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 17.03.2020 zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus Sars-COV-2 auf dem Gebiet des Landkreises Goslar rechtswidrig war,

    1. a)

      soweit hierin unter Ziffer 2 "die Wahrnehmung von Angeboten in "...sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich" verboten wurde und hierunter ohne jede Ausnahme auch Fahrschulen fallen sollten,

      hilfsweise

    2. b)

      soweit hierin unter Ziffer 2 "die Wahrnehmung von Angeboten in "... sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich" verboten wurde und hierunter ohne jede Ausnahme bei Fahrschulen auch A-, A1-, A2- und AN- Fahrschule (Motorradführerschein) C-, E-Fahrschule (Lkw-Führerschein), D sowie der gesamte theoretische Fahrschulunterricht fallen sollte.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Klageantrag zu 1. bereits unstatthaft sei, da es sich bei seinem Schreiben vom 17. März 2020 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe, sondern vielmehr um einen Hinweis mit Blick auf die Allgemeinverfügung.

Hinsichtlich des Klageantrags zu 2. verweist er darauf, dass dieser erst am Tag vor Ablauf der Gültigkeit der Allgemeinverfügung erhoben worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei mit einer Verlängerung der Allgemeinverfügung aufgrund des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Nds. Corona-VO vom 27. März 2020, welche Regelungen zu Fahrschulen enthalten habe, nicht mehr zu rechnen gewesen. Es fehle der Klägerin daher am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus sei die angefochtene Allgemeinverfügung auch rechtmäßig gewesen. Es sei auf die Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses der Nds. Corona-VO vom 17. April 2020 abzustellen, nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses späterer Verordnungen. Die Allgemeinverfügung sei von vornherein befristet gewesen, da die weitere Entwicklung der Pandemie in keiner Weise absehbar gewesen sei. Er führt mit Verweis auf eine Entscheidung des VG Hamburg vom 9. April 2020 (Az: 10 E 1615/20) aus, dass ihm ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der ergriffenen befristeten Maßnahmen zugestanden habe, da es sich angesichts der seit mehreren Wochen exponentiell wachsenden Infektionszahlen um eine notwendigerweise mit Ungewissheiten belastete Situation gehandelt habe. Insbesondere seien die von der Klägerin in Bezug genommenen Schutzmaßnahmen bei der Durchführung der von ihr begehrten Fahrschuldienstleistungen nicht ebenso wirksam wie das angegriffene Verbot der Öffnung von Fahrschulen. Auch hinsichtlich des Motorradunterrichts sei darauf zu verweisen, dass zum Zweck der Eindämmung der Pandemie generell zwischenmenschliche Kontakte zur Vermeidung von Neuinfektionen verhindert werden sollten. Dies hätte durch Schutzmaßnahmen nicht im gleichen Maße erreicht werden können, da ein im Vergleich zum Verbot erhöhtes Ansteckungsrisiko schon aufgrund des notwendigen Anfahrtswegs des Fahrschülers zum Übungsplatz, der Übergabe des Ausbildungsfahrzeugs einschließlich Einweisung am Fahrzeug selbst und im Falle eines Unfalls von Erste-Hilfe- und Rettungsmaßnahmen zwischen Fahrlehrer und Fahrschüler bestünde. Hinsichtlich des Pkw-Unterrichts werde angezweifelt, dass eine vollständige Kompensation der nicht einzuhaltenden Abstandsregeln möglich sein solle. Hinsichtlich des Lkw-Unterrichts sei darauf zu verweisen, dass auch bei einem Abstand von 1,5 Metern zwischen Schüler und Lehrer ein erhöhtes Infektionsrisiko bestünde, da diese sich für einen nicht nur kurzen Zeitraum auf engem Raum aufhielten, sodass unklar sei, wie eine nunmehr bekannte Infektion über Aerosole verhindert werden könne. Hinsichtlich des theoretischen Unterrichts sei nicht ersichtlich, wie hier eine andere Bewertung als hinsichtlich der - zu diesem Zeitpunkt geschlossenen - Regelschulen hätte getroffen werden können. Nach alledem seien die Maßnahmen verhältnismäßig gewesen.

Es ergäbe sich auch zweifelsfrei im Wege der Auslegung nach Sinn und Zweck der Allgemeinverfügung, dass Fahrschulen als private Bildungseinrichtungen dieser unterlägen hätten, da dort Schüler und Schülerinnen auf engem Raum zusammenkommen würden. Das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Maßnahmen entsprechend der Allgemeinverfügung habe daher auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin erlittenen finanziellen Einbußen das private Interesse der Klägerin an einer teilweisen Wiedereröffnung der Fahrschule überwogen. Ein Folgenbeseitigungsanspruch könne sich nur auf Wiederherstellung des vorherigen Zustands, nicht aber auf einen Ausgleich von Schäden, die durch unrichtiges Verwaltungshandeln entstanden seien, richten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist jedenfalls teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

1.

Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage.

a. Der Klageantrag zu 1. ist unstatthaft. Die Statthaftigkeit der ursprünglich als Anfechtungsklage nach § 42 Abs.1 VwGO erhobenen Klage setzt voraus, dass es sich bei der angegriffenen Maßnahme objektiv um einen Verwaltungsakt handelt (Schmidt-Kötters, in: BeckOK VwGO 69. Ed. 1.1.2024, VwGO § 42 Rn. 12).

Ebenso wenig wie es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage auf die subjektive Einordnung der Maßnahme durch den Kläger ankommt, spielt es eine Rolle, welche Handlungsform und Maßnahme die Behörde wählen wollte. Es ist ohne Belang, ob die Behörde eine Maßnahme als Verwaltungsakt erlassen wollte oder nicht. Es ist ebenso ohne Bedeutung, ob die Behörde überhaupt befugt war, in der Rechtsform des Verwaltungsaktes zu handeln bzw. ob sie den konkreten Verwaltungsakt erlassen durfte (BVerwG, Beschluss vom 09.11.1984 - 7 C 5/84 -, juris Rn. 3). Es kommt allein darauf an, ob es sich bei der getroffenen Maßnahme materiell um die Rechtsform des Verwaltungsaktes handelt (Schmidt-Kötters, in: BeckOK VwGO, 69. Ed. 1.1.2024, VwGO § 42 Rn. 12).

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 17. März 2020 wie von diesem angeführt um ein bloßes Hinweisschreiben mit Verweis auf seine Allgemeinverfügung vom gleichen Tag.

Verwaltungsakt ist nach § 35 S. 1 VwVfG jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Verwaltungsakt wendet das allgemeine, für alle geltende Recht auf den Einzelfall an und konkretisiert so die Rechte und Pflichten seines Adressaten. Insoweit stellt der Verwaltungsakt das Ergebnis der Sachverhaltsermittlung, der anschließenden rechtlichen Bewertung des festgestellten Sachverhalts anhand der normierten Tatbestandsvoraussetzungen und der Ableitung der sich daraus im Einzelfall ergebenden Rechtsfolge durch die Behörde dar. Entscheidend ist somit, dass eine Regelung getroffen wird, die objektiv und unmittelbar darauf gerichtet ist, gegenüber dem Betroffenen eine Rechtsfolge zu setzen (Kothe in, BeckOK MigR, 18. Ed. 15.1.2024, VwVfG § 35 Rn. 3).

Bei dem Schreiben des Beklagten vom 17. März 2020 fehlt es an einer entsprechenden Regelungswirkung. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt der Hinweis, dass das Verbot von Zusammenkünften in öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich bedeute, dass Fahrschulunterricht verboten sei, keine entsprechende, über den Inhalt der Allgemeinverfügung hinausgehende Regelung dar.

Denn sowohl die Durchführung von theoretischem als auch praktischem Fahrschulunterricht lässt sich unter den Oberbegriff der "Wahrnehmung von Angeboten in privaten Bildungseinrichtungen" subsumieren. Das folgt aus einer Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden.

Eine Fahrschule fällt nach dem Wortlaut unter den Begriff der "privaten Bildungseinrichtung".

Eine Bildungseinrichtung ist eine Institution, die Bildungsangebote unterbreitet. "Bildungsangebote" dienen der Vermittlung und Vertiefung von Kenntnissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten durch professionelle Dritte. Theoretischer Fahrunterricht unterfällt der Vermittlung von Kenntnissen. Praktischer Fahrunterricht, welcher die Fahrschüler in der sicheren Beherrschung des von ihnen geführten Kraftfahrzeugs im fließenden und ruhenden Straßenverkehr unter Anwendung der theoretisch erlernten Straßenverkehrsregeln sowie in der Identifizierung und Bewältigung potentieller Gefahrensituationen mit oder ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer unterweist, erfüllt sogar alle drei Dimensionen (Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten) dieses Begriffs (vgl. zu Fahrschulunterricht als begrifflich "außerschulische Bildung" Nds. OVG, Beschluss vom 03. 02.2021 - 13 MN 37/21 -, juris Rn. 7 ff., juris). Fahrschulen, die Fahrunterricht anbieten und abhalten, handeln auch privat, da es sich bei ihnen nicht um öffentliche Einrichtungen handelt.

Auch die systematische Auslegung der Bestimmung in der Allgemeinverfügung spricht für ein entsprechend weites Begriffsverständnis. Die beispielhafte Bezeichnung von Volkshochschulen, Musikschulen und der Verweis auf alle sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen zeigt zunächst, dass auch Orte der Erwachsenenbildung umfasst sein sollten. Ein Vergleich mit der explizit benannten Musikschule deutet zudem darauf hin, dass von dem Beklagten gerade keine Differenzierung zwischen verschiedenen Unterrichtsarten wie theoretischem und praktischem Unterricht sowie Unterricht in Gruppen sowie Einzelunterricht beabsichtigt war.

Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck des Erlasses der Allgemeinverfügung für eine entsprechend weite Auslegung. Denn der Beklagte hat in seiner Begründung der Allgemeinverfügung ausgeführt, dass aufgrund des dynamischen Infektionsgeschehens zur dauerhaften Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems die "großflächige Unterbrechung und Eindämmung eines Großteils der sozialen Kontakte" über die bereits ergriffenen Maßnahmen hinaus das einzig wirksame Vorgehen darstelle, um das Ziel der Entschleunigung und Unterbrechung von Infektionsketten zu erreichen. Alle Einrichtungen, die nicht unmittelbar dem täglichen und gesundheitlichen Versorgungsbedarf dienten, erhöhten unnötig die Anzahl der Nahkontakte und steigerten damit das Infektionsrisiko. Aus dieser Begründung ergibt sich, dass nach Sinn und Zweck der Allgemeinverfügung keine Ausnahmen für Einrichtungen, die nicht dem täglichen und gesundheitlichen Versorgungsbedarf dienten, vorgesehen waren und der Beklagte mit der Wahl der Begrifflichkeit "sonstige öffentliche und private Bildungseinrichtungen" einen möglichst weitreichenden Kreis an Einrichtungen erfassen wollte.

b. Auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2. bestehen seitens der Kammer bereits Zweifel an dessen Zulässigkeit.

Es spricht aus Sicht der Kammer zunächst viel dafür, dass der Klageantrag, soweit er sich auf den Zeitraum zwischen dem 23. März und dem 18. April 2020 bezieht, unzulässig sein könnte, da es bereits der ursprünglichen Anfechtungsklage an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt haben dürfte. Denn aufgrund des Inkrafttretens der Allgemeinverfügung des Landes Niedersachsen am 23. März 2020 und der darauffolgenden Corona- Verordnung, welche beide die Schließung von Fahrschulen (ohne Ausnahmen für bestimmte Unterrichtsformen) vorsahen, hätte die Aufhebung der angefochtenen Allgemeinverfügung ab diesem Zeitpunkt die Rechtsstellung der Klägerin nicht verbessern können, weil sie die inhaltsgleichen Verpflichtungen zunächst aufgrund der niedersachsenweit geltenden Allgemeinverfügung und darauffolgend aufgrund der Verordnung weiterhin zu beachten gehabt hätte (vgl. hierzu ausführlich Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 -14 LC 32/22 -, juris Rn. 33 - 35).

Ob die Klägerin für den verbleibenden Zeitraum vom 18. März 2020 bis zum 22. März 2020 noch das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der gerichtlichen Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, hat oder ob der aufgrund der Allgemeinverfügung des Beklagten nur vier Tage andauernde Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin nach Art. 12 GG und gegebenenfalls in Art. 14 GG hierfür nicht schwerwiegend genug war (vgl. hierzu ausführlich Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 39 ff.) kann letztendlich dahinstehen.

2.

Denn jedenfalls ist die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 2. auch für den gesamten Geltungszeitraum der Allgemeinverfügung unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass das in der Allgemeinverfügung des Beklagten vom 17. März 2020 u.a. angeordnete vollständige Verbot von Fahrschulunterricht im Zeitraum vom 18. März 2020 bis einschließlich 18. April 2020 rechtswidrig war. Die angegriffene Regelung war rechtmäßig und verletzte sie somit nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 4 VwGO analog.

a. Die angegriffene Allgemeinverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), zunächst in der Fassung vom 1. März 2020, dann in der Fassung vom 28. März 2020 (vgl. Art. 1 des Gesetzes vom 27. März 2020, BGBl. I S. 587). Nach beiden Fassungen dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist (Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 -14 LC 32/22 -, juris Rn. 45).

Auch eingriffsintensive Infektionsschutzmaßnahmen konnten zum damaligen Zeitpunkt auf die entsprechende Generalklausel gestützt werden. Dies gilt unter Berücksichtigung der aus dem Wesentlichkeitsgrundsatz folgenden Vorgaben für die Bekämpfung von neu auftretenden Erkrankungen allerdings nur soweit und solange, wie die besonderen Umstände nach einem solchen Ausbruch (insbesondere schneller Handlungsbedarf bei beginnender Virusausbreitung und noch unsicherer Erkenntnislage über Krankheitserreger und effektive Bekämpfungsmaßnahmen) dies rechtfertigen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen noch aufgrund einer Generalklausel vorläufig reagiert werden darf, damit dem Gesetzgeber ermöglicht wird, eventuelle Regelungslücken zu schließen (Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 49).

Während der Geltungsdauer der streitgegenständlichen Regelung, die in das Frühstadium der Pandemie fiel, durfte der Beklagte deshalb auf die unvorhergesehene Gefahrensituation aufgrund einer Generalklausel vorläufig reagieren (Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 -14 LC 32/22 -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 73; OVG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 22.09.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 127; BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, BVerwGE 177, 60-92, Rn. 41).

b. Die Allgemeinverfügung ist auch formell rechtmäßig.

Die Wahl des Instruments der Allgemeinverfügung ist für die vorliegend getroffene Maßnahme nicht zu beanstanden. Die getroffene Regelung stützt sich auf § 28 Abs. 1 IfSG a.F. Für hierauf gestützte Maßnahmen ist die Form einer Rechtsverordnung nicht zwingend vorgeschrieben (allerdings nach § 32 IfSG möglich), so dass Maßnahmen als Verwaltungsakt erlassen werden können. Hieraus folgt, dass die Anordnung des Verbots von Fahrschulunterricht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in Form einer Allgemeinverfügung nach § 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG geregelt werden konnte und sie nicht zwingend als Rechtsnorm (des Landes Niedersachsen) ergehen musste (vgl. hierzu ausführlich Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 52 - 56).

Die streitgegenständliche Regelung der Allgemeinverfügung war auch entgegen der Auffassung der Klägerin hinreichend bestimmt, denn wie bereits dargelegt lässt sich sowohl die Durchführung von theoretischem als auch praktischem Fahrschulunterricht unter den Oberbegriff der "Wahrnehmung von Angeboten in privaten Bildungseinrichtungen" subsumieren. Sonstige formelle Mängel sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

c. Die streitgegenständliche Regelung der Allgemeinverfügung war auch materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG a.F. lagen bei Erlass und im Geltungszeitraum der hier zu beurteilenden Regelung vor. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Insbesondere war entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine Differenzierung nach unterschiedlichen Unterrichtsformen in der Fahrschule erforderlich.

aa. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten nach § 28 Abs. 1 IfSG a.F. lagen vor.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG a.F. setzt tatbestandlich lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Weil § 28 IfSG a.F. eine Befugnisnorm zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ist, setzt die Norm die Feststellung einer solchen Krankheit voraus. Die durch das SARS-CoV-2-Virus (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) - zum hier zu beurteilenden Zeitraum in der sog. "Basisvariante" - verursachte Krankheit Covid-19 stellte sich bereits im damaligen Zeitraum als übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG dar (vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2, Informationen des Robert Koch-Instituts zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen, 13. Februar 2020, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 7/2020, S. 5 ff., abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/07_20.pdf?__blob=publicationFile). Die weltweite Ausbreitung von Covid-19 wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt (vgl. WHO, Coronavirus disease (Covid-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/interactive-timeline#, vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. 03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 58 f.).

Im ganzen Bundesgebiet und damit auch im Zuständigkeitsbereich des Beklagten wurden fortwährend Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. festgestellt.

Die Erkrankung manifestierte sich seinerzeit als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten; eine ungebremste Erkrankungswelle hätte auch bei einem nur kleinen Teil von schwer verlaufenden Erkrankungen zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen können. Nach der damaligen Empfehlung des hierzu nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 IfSG berufenen Robert-Koch-Instituts (im Folgenden: RKI) sollten alle Maßnahmen darauf ausgerichtet sein, die Verbreitung der Erkrankung in Deutschland und weltweit so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung des Gesundheitssystems am Gipfel leichter bewältigbar zu machen. Um dies zu erreichen empfahl das RKI maßgeblich "bevölkerungsbasierte kontaktreduzierende Maßnahmen" (vgl. RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2020 vom 19.03.2020, veröffentlicht unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/12_20.pdf?__blob=publicationFile, vgl. zur damaligen Pandemielage auch Nds. OVG, Urteil vom 25.11.2021 -13 KN 62/20 -, juris Rn. 91 ff. sowie Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 60 ff. m.w.N.).

Regelungen zur Beschränkung von Kontakten und zur Schließung von Einrichtungen und Betrieben, die - wie hier - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung gerichtet sind, können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. sein. Insbesondere kann sich eine Schutzmaßnahme nach § 28 Abs. 1 IfSG auch gegen einen Nichtstörer wie die Klägerin richten, die als juristische Person selbst nicht krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig sein kann (BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 3 C 16/11 -, juris Rn. 26). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in der seinerzeitigen Situation - eine Inanspruchnahme nur der infizierten und damit als Störer einzustufenden Personen bereits daran scheiterte, dass deren Störereigenschaft oftmals nicht bekannt war, weil aufgrund der verhältnismäßig langen Inkubationszeit der Erkrankung, häufig symptomlos verlaufender Infektionen und zahlenmäßig eingeschränkter Testungen, der Infektionsstatus eines wesentlichen Teils der Bevölkerung offen gewesen sein dürfte (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 21 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 64).

bb. Die angegriffene Schließungsverfügung wahrte auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und stellte damit eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. dar (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 102 zur Schließung von allen Betrieben, Geschäften und Einrichtungen mit Publikumsverkehr; vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 65 zur Schließung von Fitnessstudios).

Mit der Schließungsverfügung wurde ein legitimes Ziel verfolgt. Der mit den in der Allgemeinverfügung geregelten Anordnungen - einschließlich der Schließung von privaten Bildungseinrichtungen und der damit einhergehenden Schließung von Fahrschulen - bezweckte Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwersterkrankter Menschen stellt ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Die so verstandene Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems durch geeignete Mittel zu gewährleisten und damit einhergehend das Leben und die Gesundheit der durch eine Überforderung des Gesundheitssystems unmittelbar Gefährdeten zu schützen, ist Aufgabe des Staates. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet diesen, sich schützend und fördernd vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit zu stellen.

Das Verbot jeglichen Fahrschulunterrichts war - eingebettet in das in der Allgemeinverfügung geregelte Gesamtkonzept aus Betriebsschließungen und Kontaktbeschränkungen - zur Erreichung des Ziels geeignet. Für die Eignung einer Maßnahme reicht es aus, dass die Anordnungen den verfolgten Zweck fördern können. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Dem Beklagten stand bei der Beurteilung der Eignung der in Betracht kommenden Maßnahmen ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel zur Erreichung der Ziele bezog. Der Beurteilung von Prognoseentscheidungen durch den Gesetzgeber legt das Bundesverfassungsgericht je nach Zusammenhang differenzierte Maßstäbe zugrunde, die von einer bloßen Evidenz- über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen. Im Einzelnen maßgebend sind Faktoren wie die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, die Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter. Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen dürfen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen. Erfolgt der Eingriff jedoch zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Eignungsprognose beschränkt (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a., juris Rn. 185). Liegen der Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Normgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Die Eignung setzt folglich nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirksamkeit der Maßnahmen gibt (vgl. zu alledem Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 66 ff.). Diese Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht zunächst mit Blick auf den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum aufgestellt hat, werden in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung auch auf die Exekutive angewandt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.06.2024 - 14 LB 107/23 -, juris Rn. 83 m.w.N.).

Ein exekutives Handeln auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage in einer akuten Krisensituation bedeutet zwangsläufig oftmals ein Handeln im Ungewissen, das auf gewisse Spielräume für unterschiedliche Handlungsoptionen und Gewichtungen im Einzelfall angewiesen ist (Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 48; Nds. OVG, Urteil vom 01.06.2023 - 14 KN 36/22 -, juris Rn. 114). Denn nur so kann die Exekutive die auch ihr vom Gesetzgeber zugewiesene Aufgabe (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F.), Gefahren für hoch- und höchstrangige Rechtsgüter durch den Ausbruch einer übertragbaren Krankheit abzuwenden oder jedenfalls einzudämmen, nachkommen. Wenn eine neuartige übertragbare Krankheit auftritt, ist typisch, dass Entscheidungen jedenfalls zunächst häufig auf einer unsicheren Erkenntnislage getroffen werden müssen und es an empirischen Nachweisen für die Wirksamkeit von Infektionsschutzmaßnahmen fehlen kann. Wenn die Exekutive nicht allein deswegen verpflichtet sein soll, das Infektionsgeschehen mit den damit einhergehenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung unreguliert "laufen zu lassen", ist sie darauf angewiesen, Entscheidungen über Infektionsschutzmaßnahmen auf Prognosen zu stützen. Korrespondierend mit der zunehmenden Aufklärung der Gefahrenlage durch gewonnene Erkenntnisse und wissenschaftliche Gewissheiten verengen sich dann auch die Einschätzungsspielräume (vgl. Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 50 m.w.N., Nds. OVG, Urteil vom 01.06.2023 - 14 KN 36/22 -, juris Rn. 114). Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, die gerichtliche Überprüfung der der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung zugrundeliegenden Prognosen nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen, weil der maßgebliche Zeitraum noch ganz zu Beginn der Corona-Pandemie lag und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Virus, seinen Übertragungswegen und seinen Auswirkungen noch ganz am Anfang standen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 01.06.2023 - 14 KN 36/22 -, juris Rn. 114; OVG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 22.09.2022 - 13 D 38.20.NE -, juris Rn. 191).

Es ist daher für die Eignung der angegriffenen Maßnahme lediglich zu prüfen, ob die Prognose der Behörde aus einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials herrührt und ob sich die Behörde Kenntnis von der zur Zeit des Erlasses der Norm bestehenden tatsächlichen Ausgangslage in korrekter und ausreichender Weise verschafft hat. Ferner ist die Behörde verpflichtet, auch nach dem Erlass einer Regelung die weitere Entwicklung zu beobachten, erlassene Anordnungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren, falls sich herausstellt, dass die ursprünglichen Annahmen nicht mehr tragen (vgl. OEufach0000000078, Urteil vom 19.04.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 93; Sächs. OVG, Urteil vom 16.12.2021 - 3 C 20/20 - juris Rn. 26 m.w.N.; Thür. OVG, Beschluss vom 13.01.2022 - 3 EN 764/21 -, juris Rn. 67).

Hieran gemessen ist die Prognoseentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Grundannahme des Beklagten, dass durch eine weitergehende Reduzierung persönlicher menschlicher Kontakte die Ausbreitung des sich besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren neuartigen Coronavirus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert wird, stützte sich auf einschlägige fachwissenschaftliche Erkenntnisse des Robert Koch-Instituts und der sonstigen nationalen und internationalen Gesundheitsbehörden.

Bei dem Zusammenkommen in Fahrschulen kommt es, abhängig von der Unterrichtsform, zum Zusammentreffen mehrerer Fahrschüler bzw. jedenfalls zu dem Zusammentreffen des Fahrlehrers mit vielen wechselnden Schülern und Schülerinnen innerhalb eines Tages. Die Untersagung des Fahrschulunterrichts war damit geeignet, um Kontakte zu reduzieren.

Die Maßnahme war auch zur Erreichung der oben definierten legitimen Ziele erforderlich. Für die Annahme der Erforderlichkeit einer Maßnahme darf kein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Ziels zur Verfügung stehen, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet, wobei die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme in jeder Hinsicht eindeutig feststehen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 203 ff.; Nds. OVG Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 72).

Der Exekutiven steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihr gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Er kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsrechtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Prognoseentscheidung des Normgebers beschränkt (vgl. Nds. OVG Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris -, Rn. 72 ff.; für den Gesetzgeber BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 202 ff.; für den Verordnungsgeber z.B. Urteil vom 19.04.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 99 m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt war der Beklagte nicht verpflichtet, andere, weniger einschneidende Maßnahmen zu ergreifen. Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte der Beklagte auf der damaligen Erkenntnislage keine sachliche Gleichwertigkeit milderer Maßnahmen prognostizieren. Hierbei ist zunächst darauf zu verweisen, dass nach der allein maßgeblichen damaligen Erkenntnislage Hygienemaßnahmen wie (Alltags-) Maske tragen, Abstand halten und Desinfektion von dem Beklagten vertretbar nicht als gleichwertige Maßnahmen eingestuft wurden. Denn zum damaligen Zeitpunkt waren die Übertragungswege des Virus nicht abschließend geklärt, so dass bereits die Grundlage für die Erstellung eines verlässlichen Hygienekonzeptes fehlte. Im Übrigen stand der Umsetzung eines solchen Konzeptes auch die mangelnde Verfügbarkeit von Masken und Hygieneflüssigkeiten entgegen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 74; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.06. 2022 - 1 S 926/20 -, juris Rn. 217 m.w.N.). Hierzu im Einzelnen:

Soweit die Klägerin geltend macht, dass der praktische Motorradunterricht kein Infektionsrisiko dargestellt hätte, da Fahrschüler und Fahrlehrer hierbei mit Abstand von circa 50 Metern zueinander fahren, greift diese Betrachtungsweise zu kurz. Denn sie verkennt, dass vor Fahrtantritt durchaus Erklärungen des Fahrlehrers sowie gegebenfalls Hilfestellung bei der Vorbereitung des Motorrads erforderlich sind, während derer kein derart großer Abstand eingehalten werden kann. Gleiches gilt für den Fall, dass es zu einem Unfall kommt, bei dem der Fahrschüler auf die Hilfe des Fahrlehrers angewiesen ist. Zudem war nach damaliger Erkenntnislage auch unklar, ob es durch die Benutzung des gleichen Fahrschulmotorrads durch aufeinanderfolgende Schüler vermehrt zu Schmierinfektionen kommen könnte. Deswegen kann die Klägerin auch nicht mit dem Argument gehört werden, dass jedenfalls der praktische Motorradfahrschulunterricht bei fortgeschrittenen Fahrschülern hätte durchgeführt werden können.

Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, dass der Fahrschulunterricht im Lkw und im Bus sowie der theoretische Unterricht unter Einhaltung von Abstandsregeln hätte durchgeführt werden können, verkennt sie, dass die Einhaltung von Abstandsregeln sowie gegebenenfalls weiterer Hygienemaßnahmen wie das Tragen von Alltagsmasken nicht gleichermaßen effektiv gewesen wäre wie die vollständige Kontaktvermeidung. Dies galt insbesondere aufgrund der damals für das Corona-Virus noch nicht abschließend ermittelten Übertragungswege (vgl. zur damaligen Vermutung der Übertragung durch Tröpfcheninfektion und einer gegebenenfalls möglichen Übertragung durch Aerosole WHO, Modes of transmission of virus causing COVID-19: implications for IPC precaution recommendations, Stand: 29.03.2020, abrufbar unter https://www.who.int/news-room/commentaries/detail/modes-of-transmission-of-virus-causing-covid-19-implications-for-ipc-precaution-recommendations, zuletzt aufgerufen am 18.07.2024; siehe auch RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 19/2020 vom 07.05.2020, veröffentlicht unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile zur erstmalig erfolgten Empfehlung zum Tragen einer Mund- Nasen- Bedeckung "als weiterer Baustein" in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum; der Artikel wurde am 14.04.2020 vorab online veröffentlicht).

Hinsichtlich des praktischen Unterrichts im Pkw, bei dem Fahrlehrer und Fahrschüler bereits den Mindestabstand nicht einhalten können, drängt sich schließlich auf, dass das Tragen von Masken sowie das Desinfizieren des Fahrzeugs nicht in gleichem Maße effektiv gewesen wären wie das Verbot des Unterrichts. Dies gilt insbesondere mit Verweis auf die damaligen Unklarheiten hinsichtlich der Übertragungswege sowie der Wirksamkeit der unterschiedlichen Schutzmaßnahmen.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beklagten aufgrund des großen zeitlichen Drucks, umgehend Maßnahmen zur Eindämmung des sich exponentiell ausbreitenden Virus zu ergreifen, schlicht nicht möglich war, für jede einzelne mögliche Gegebenheit differenzierte Regelungen zu entwerfen und er zur Gewährleistung effektiven Infektionsschutzes zunächst zu pauschaleren Bestimmungen, die schnell und einfach umgesetzt werden konnten, greifen musste. Denn eine auf alle individuellen Besonderheiten eingehende Regelung wie auch Ausnahmegenehmigungen hätten zu einen mit diesem zeitlich kurzen Vorlauf nicht zu überschauenden und nicht leistbaren Verwaltungs-, Vollzugs- und Kontrollaufwand geführt (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 09.04.2020 - 10 E 1615/20, openJur 2020, 3978). Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich hierbei auch nicht um eine "Anleitung zum totalen Lock-Down" sowie der kompletten Außer-Kraft-Setzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie verkennt hierbei den Ausnahmecharakter des Frühstadiums der Pandemie, in dem die Exekutive auf ein plötzlich eingetretenes, sehr dynamisches Infektionsgeschehen mit äußerster Kurzfristigkeit zu reagieren hatte (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 26.03.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13 sowie Nds. OVG, Beschluss vom 27.04. 2020 - 13 MN 98/20 -, juris Rn. 64 zu dem aus diesem Grund nur eingeschränkt anwendbaren Gebot der inneren Folgerichtigkeit). Mit weiterem Verlauf der Pandemie und zunehmendem Erkenntnisgewinn der Behörden erhöhten sich dementsprechend auch die Anforderungen an die von den zuständigen Stellen zu treffenden Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Ausdifferenzierung der Maßnahmen und der Abwägung von Alternativen.

Die streitgegenständlichen Regelungen sind auch angemessen, weil der damit verbundene Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck, der Vorbeugung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und damit dem Schutz des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Die streitgegenständliche Betriebsuntersagung kam einem zeitweisen Berufsverbot nahe und stellte damit einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Denn sie führte dazu, dass Fahrschulen für den gesamten Geltungszeitraum der Allgemeinverfügung (allerdings ab dem 23. März 2020 bereits auf Grundlage landesrechtlicher Bestimmungen) ihren Betrieb einstellen mussten.

Die Klägerin hat dargelegt, dass sie in diesem Zeitraum aufgrund der Schließung erhebliche finanzielle Einbußen erlitten hat. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand bemüht war, Existenzgefährdungen durch Hilfsprogramme abzuwenden und finanzielle Einbußen der Betroffenen jedenfalls zu reduzieren, wie etwa durch erleichterten Zugang zu Kurzarbeitergeld und Corona-Soforthilfen (zur Relevanz dieses Gesichtspunktes: BVerfG, Beschluss vom 23.03.2022 - 1 BvR 1295/21 -, juris Rn. 28; Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 76).

Auch wenn der Eingriff in die Berufsfreiheit als solche hierdurch nicht kompensiert, sondern nur hinsichtlich seines Gewichts in gewissem Maße abgemildert werden konnte, war er aber zugunsten der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gerechtfertigt. Der Beklagte sah sich mit dem Ausbruch einer Pandemie konfrontiert, die sich in Deutschland und auch in Niedersachsen sehr dynamisch ausbreitete. Er musste davon ausgehen, dass ein sich stark ausbreitendes Infektionsgeschehen zwangsläufig zu vielen Todesfällen führen würde. Eine zunehmende Viruszirkulation hätte auch insbesondere deutlich mehr Angehörige vulnerabler Personengruppen der Gefahr einer schweren Erkrankung oder sogar des Todes ausgesetzt, vor der sie sich selbst nicht effektiv hätten schützen können. Dies gilt z. B. für pflegebedürftige Personen, die regelmäßig auf eine Vielzahl von Kontakten zu anderen Personen angewiesen sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass zum damaligen Zeitpunkt weder ein effektiver Schutz vor einer Infektion durch eine Impfung möglich war noch eine zuverlässige Therapie existierte. Ferner lagen kaum Erfahrungen dazu vor, wie Erkrankte optimal behandelt werden konnten, um die Überlebenschancen zu erhöhen (Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 76).

Nach der Einschätzung des RKI in seiner für das Verfahren maßgeblichen damaligen Risikobewertung drohte angesichts des hochdynamischen, exponentiell verlaufenden Infektionsgeschehens mit teils schweren Krankheitsfällen in absehbarer Zeit ohne wirksame Gegenmaßnahmen zudem eine Überlastung des Gesundheitswesens mit der Folge, dass aus Kapazitätsgründen nicht mehr alle Patienten, die einer intensivmedizinischen Behandlung bedurften (insbesondere auch die zahlreichen Patienten, die eine Behandlung nicht wegen einer schweren Erkrankung an COVID-19 dringend benötigen), hätten ausreichend versorgt werden können. Die besondere Gefahr der Verbreitung des Coronavirus lag in seiner dynamischen exponentiellen Ausbreitung, mit der unmittelbaren Folge einer völligen Überlastung des bestehenden Gesundheitssystems und der daraus folgenden Konsequenz einer erhöhten Mortalität. Dass es sich hierbei nicht nur um theoretische Befürchtungen handelte, belegten die damaligen krisenhaften Entwicklungen und Befunde in anderen Regionen, wie in Norditalien, in der Region Madrid, im Elsass und in der Stadt New York (Thür. OVG Beschluss vom 09.04.2020 -3 EN 238/20 -, juris Rn. 53 f.).

Mit der Vermeidung einer solchen Situation verfolgte der Beklagte den Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter. Er durfte insoweit auch aufgrund der von ihm vertretbar angestellten Prognose davon ausgehen, dass diese Rechtsgüter nicht nur entfernt oder abstrakt, sondern konkret gefährdet waren. Der schwerwiegende Eingriff in die Berufsfreiheit war deswegen vorübergehend hinzunehmen (vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 30.03.2023 - 14 LC 32/22 -, juris Rn. 76).

cc. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Vorhalts der Klägerin, auch eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition erlitten zu haben. Die Frage, ob eine solche Verletzung im vorliegenden Fall überhaupt in Betracht kommt, bedarf keiner Entscheidung (ablehnend z.B. Nds. OVG, Urteil vom 11.07.2023 - 14 KN 35/22 -, juris Rn. 132 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.05.2024 - 13 D 238/20.NE -, juris Rn. 213, offengelassen, ob ein Eingriff in das Eigentumsrecht bei coronabedingten Betriebsschließungen vorliegt: BVerwG, Urteil vom 16.05. 2023 - 3 CN 4.22 -, juris, Rn. 64; befürwortend BGH, Urteil vom 11.05.2023 - III ZR 41/22 -, BGHZ 237, 93-111, Rn. 40).

Denn selbst bei Bejahung eines Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht in seiner Ausprägung als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wäre dieser verfassungsrechtlich gerechtfertigt gewesen. Die streitgegenständliche Bestimmung wäre als eine rechtmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu qualifizieren gewesen. Sie wäre insbesondere verhältnismäßig gewesen. Auf die Erwägungen, aus denen auch der Eingriff in die Berufsfreiheit als verfassungsrechtlich gerechtfertigt anzusehen war, wird verwiesen. Die Inhalts- und Schrankenbestimmung wäre auch nicht deswegen rechtswidrig gewesen, weil eine mit ihr korrespondierende Entschädigungs- oder Schadensersatzregelung fehlte. Denn es handelte sich bei der streitgegenständlichen Regelung nicht um eine ausgleichspflichtige Schrankenbestimmung. Eine finanziell ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung stellt eine Ausnahme für Fälle dar, in denen der mit der Schrankenbestimmung verfolgte Gemeinwohlgrund den Eingriff grundsätzlich rechtfertigt, aus Verhältnismäßigkeitsgründen allerdings noch zusätzlich einer Ausgleichsregelung bedarf. Die streitgegenständliche Regelung erwies sich aber auch schon - wie oben ausgeführt - ohne eine kompensatorische Ausgleichsregelung als verhältnismäßig. Den durch vorübergehende (faktische) Betriebsschließungen betroffenen Betriebsinhabern wurde auch kein gleichheitswidriges Sonderopfer auferlegt. Allein der Umstand, dass manche Branchen mehr als andere von den Infektionsschutzmaßnahmen betroffen waren, begründet ein solches nicht. Von den Auswirkungen der Coronapandemie waren Fahrschulen nicht als einige wenige stark betroffen, sondern diese hatte insgesamt massive wirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Auswirkungen. Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass staatliche Ausnahmezustände in ihren finanziellen Auswirkungen nicht über allgemeine gesetzliche Entschädigungsansprüche reguliert werden (vgl. zu alledem ausführlich und mit weiteren Nachweisen OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.05.2024 - 13 D 238/20.NE -, juris Rn. 215 ff.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.