Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.06.2023, Az.: 1 ME 61/23
Abnahme; Bezirkschornsteinfegermeister; Feuerstätte; Feuerungsanlage; Gaststätte; Grill; Holzkohlegrill; Nutzungsuntersagung; Restaurant; Holzkohlegrill im Innenbereich eines Restaurants als Feuerstätte; Abnahmeerfordernis gemäß § 40 Abs. 6 NBauO
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.06.2023
- Aktenzeichen
- 1 ME 61/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 24935
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0622.1ME61.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 26.04.2023 - AZ: 4 B 2435/23
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- IBR 2023, 597
Amtlicher Leitsatz
Ein im Innenbereich eines Restaurants fest installierter Holzkohlegrill ist eine Feuerstätte gemäß § 2 Abs. 11 NBauO, deren Inbetriebnahme gemäß § 40 Abs. 6 NBauO erst nach Abnahme durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister zulässig ist.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 26. April 2023 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Bauaufsichtsanordnung, die ihm die Nutzung eines Holzkohlegrills in seinem Restaurant untersagt.
Der Antragsteller betreibt ein Restaurant; die Gerichte bereitet er teilweise auf einem im Innenbereich aufgestellten Holzkohlegrill zu. Der seit vielen Jahren betriebene Grill wurde zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt - wohl im Jahr 2017 - innerhalb des Restaurants umgesetzt und - möglicherweise nur äußerlich - baulich verändert. Am 30. November 2021 stellte der Bezirksschornsteinfegermeister die Änderung des Grills fest und bemängelte die fehlende Abnahme; diese konnte aufgrund eines bis heute fehlenden Verwendbarkeitsnachweises auch nicht erfolgen.
Mit Bauaufsichtsanordnung vom 9. März 2023 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller daraufhin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die weitere Nutzung des Holzkohlegrills; diese dürfe erst wieder aufgenommen werden, wenn und soweit der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegermeister gemäß § 40 Abs. 6 NBauO die sichere Benutzbarkeit der Anlage bescheinigt habe. Zugleich drohte die Antragsgegnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR an. Zur Begründung führte sie aus, dass der Betrieb des Grills ohne die erforderliche Abnahme formell illegal sei; es sei auch nicht absehbar, ob und wann eine Abnahme erfolgen könne. Die öffentlichen Belange des Brand- und Gesundheitsschutzes erforderten daher ebenso wie das Interesse an der Einhaltung des formellen Baurechts die Nutzungsuntersagung. Die sofortige Vollziehung sei anzuordnen, weil mit der Beachtung und strikten Durchführung des formellen Verfahrens sichergestellt werde, dass die Anlage im Einzelfall sicher benutzbar sei. Das gelte sogar bei Anlagen mit vorliegenden Verwendungsnachweis. Dem gesetzestreuen Bürger dürften zudem gegenüber demjenigen, der die Vorschriften missachte, keine Nachteile entstehen.
Den dagegen gerichteten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht Hannover mit dem angegriffenen Beschluss vom 26. April 2023 abgelehnt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung entspreche den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Abwägung der wechselseitigen Interessen falle zu Lasten des Antragstellers aus. Die Bauaufsichtsanordnung sei voraussichtlich rechtmäßig, und es bestehe ein öffentliches Interesse am Sofortvollzug.
II.
Die gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss gerichtete Beschwerde, auf deren fristgerecht vorgetragene Gründe sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, ist unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu eigen macht, hat das Verwaltungsgericht Hannover die Anordnung der sofortigen Vollziehung bestätigt. Die Einwände des Antragstellers überzeugen nicht.
Der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin habe das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet. Die aus dieser Vorschrift resultierenden rechtlichen Vorgaben an die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs einer bauaufsichtlichen Nutzungsuntersagung sind in der Rechtsprechung des Senats seit langem geklärt: Die Begründung muss der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, das besondere, ausnahmsweise überwiegende öffentliche Interesse an einer solchen Vollziehung aus den Umständen des Einzelfalls zu rechtfertigen. Dabei darf sie auf die formelle Ordnungsfunktion des öffentlichen Baurechts abstellen und namentlich berücksichtigen, dass der rechtstreue Bauherr gegenüber demjenigen, der ohne Genehmigung baut, nicht benachteiligt werden darf (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2015 - 1 ME 31/15 -, NdsVBl 2015, 304 = BRS 83 Nr. 101 = juris Rn. 10; v. 18.9.2020 - 1 ME 22/20 -, BauR 2020, 1914 = BRS 88 Nr. 89 = juris Rn. 6). Stets erforderlich ist aber, dass die Behörde erkennen lässt, aus welchen Gründen die Bestandskraft des Verwaltungsaktes nicht abgewartet werden soll (vgl. Senatsbeschl. v. 13.6.2022 - 1 ME 38/22 -, AUR 2022, 352 = RdL 2022, 362 = juris Rn. 7).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Antragsgegnerin in vollem Umfang. Mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Durchführung des Abnahmeverfahrens gemäß § 40 Abs. 6 NBauO für die Gewährleistung der Anlagensicherheit und das gleichermaßen bedeutsame Ziel, den gesetzestreuen Bürger gegenüber dem Rechtsbrecher nicht zu benachteiligen, benennt sie Gesichtspunkte, die jeder für sich und erst recht in der Zusammenschau geeignet sind, die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen.
Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, der Grill sei abnahmefähig; der Schornsteinfeger habe die Abnahme längst vornehmen können, sodass das Vollzugsinteresse zurücktreten müsse, überzeugt das ebenfalls nicht. § 40 Abs. 6 NBauO schreibt vor, dass Feuerungsanlagen - darunter fällt der Holzkohlegrill als Feuerstätte gemäß § 2 Abs. 11, § 40 Abs. 1 NBauO -, auch wenn sie geändert worden sind, erst in Betrieb genommen werden dürfen, wenn der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger die sichere Benutzbarkeit sowie die Tauglichkeit und sichere Benutzbarkeit der zugehörigen Schornsteine und Leitungen zur Abführung der Abgase oder Verbrennungsgase geprüft und bescheinigt hat. Die insofern erforderliche Prüfung und Bescheinigung scheitert zurzeit daran, dass der Antragsteller für den Grill keinen Verwendbarkeitsnachweis i.S.v. § 17 Abs. 1 NBauO vorlegen kann; ein solcher Nachweis ist seit längerem lediglich beantragt. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht schon im Tatsächlichen nicht zu erkennen, dass der Grill trotz der Umsetzung innerhalb des Restaurants und dessen baulicher Veränderung offensichtlich abnahmefähig sein könnte. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass allein die Standortveränderung ein sachlich begründetes Prüferfordernis auslöst. Hinzu kommt im Rechtlichen, dass der Antragsteller auch bei Abnahmefähigkeit verpflichtet wäre, vor einer Nutzungsaufnahme die Abnahme herbeizuführen. Eine Nutzungsaufnahme vor Abnahme schließt das Gesetz aus Gründen der öffentlichen Sicherheit ausnahmslos aus. In einer Weise offensichtlich, dass die Abnahme lediglich als unnütze "Förmelei" anzusehen sein könnte, ist die Abnahmefähigkeit keinesfalls gegeben.
Das öffentliche Vollzugsinteresse wird schließlich nicht dadurch gemindert, dass die Antragsgegnerin die illegale Nutzung nach Aktenlage erst Ende 2021 bemerkt und seitdem geduldet hat, ohne dass konkrete Gefährdungen von Personen oder Sachen bekannt geworden sind. Erstens bietet dies keine Gewähr dafür, dass auch künftig keine Gefährdungen eintreten werden. Zweitens teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass gerade die über lange Zeit zurückhaltende Vorgehensweise der Antragsgegnerin dem Antragsteller (mehr als) ausreichend Zeit eingeräumt hat, rechtmäßige Zustände herbeizuführen. Dass er die Zeit nicht genutzt hat, geht auch mit Blick auf die damit verbundenen, möglicherweise erheblichen wirtschaftlichen Einbußen zu seinen Lasten. Nichts anderes würde schließlich gelten, wenn der Antragsgegnerin - wie der Antragsteller vorträgt - Details zur Anlage über Jahre bekannt gewesen wären; auch dies schlösse zukünftige Gefährdungen, denen § 40 Abs. 6 NBauO vorbeugen will, nicht zuverlässig aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG; der Senat schließt sich den Überlegungen des Verwaltungsgerichts an.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).