Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.05.2015, Az.: 1 ME 31/15

Baugenehmigung; Beherbergungsbetrieb; formelle Illegalität; Hostel; klein; kleiner Beherbergungsbetrieb; materielle Illegalität; Monteur; Nutzungsuntersagung; Nutzungsänderung; Unterkunft; Variationsbreite; verfahrensfreie Baumaßnahme; Wohnen; Wohngebäude

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.05.2015
Aktenzeichen
1 ME 31/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45270
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 18.02.2015 - AZ: 4 B 4130/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer bauaufsichtlichen Nutzungsuntersagung kann mit der formellen Ordnungsfunktion des öffentlichen Baurechts begründet werden.

2. Stützt die Bauaufsichtsbehörde ein Nutzungsverbot - jeweils tragend - sowohl auf die formelle als auch auf die materielle Illegalität der Nutzung bzw. der baulichen Anlage, unterstellt sie diese zweifache Begründung auch dem gerichtlichen Programm der Überprüfung der Ermessensentscheidung (vgl. Senat, Beschl. v. 16.10.2006 - 1 ME 171/06 -, juris Rn.12 f. = NVwZ RR 2007, 306 = BRS 70 Nr. 188). Ein solcher Fall einer doppelten Begründung liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn die Bauaufsichtsbehörde materielle Gesichtspunkte in ihrer Verfügung erwähnt. Nur dann, wenn die Behörde ihr Einschreiten erkennbar (auch) von der materiellen Baurechtswidrigkeit des Vorhabens abhängig macht, sie also jedenfalls implizit zu erkennen gibt, dass die formelle Baurechtswidrigkeit allein aus ihrer Sicht ein Einschreiten nicht erfordert hätte, unterstellt sie damit auch die materielle Baurechtswidrigkeit der gerichtlichen Kontrolle.

3. Bei einer einfach ausgestatteten und räumlich beengten Unterkunft für Monteure mit Ein- und Mehrbettzimmern sowie Gemeinschaftsbädern und -küchen ohne sonstige Aufenthaltsräume handelt es sich nicht um eine Wohnnutzung i. S. der §§ 3, 4 BauNVO.

4. Ob ein Beherbergungsbetrieb als klein i. S. von § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO anzusehen ist, richtet sich danach, ob sich der Betrieb nach Erscheinungsform, Betriebsform und Betriebsführung sowie unter Berücksichtigung der Zahl der Benutzer unauffällig in das Gebiet einordnet, wobei dem Gesichtspunkt des Schutzes der Wohnruhe besondere Bedeutung zukommt (vgl. Senat, Urt. v. 20.5.1987 - 1 A 124/86 -, BRS 47 Nr. 37). Von maßgeblicher Bedeutung sind die konkreten Eigenschaften des Baugebiets sowie die Störungsintensität der Nutzung.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer (Einzelrichter) - vom 18. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen eine Verfügung der Antragsgegnerin, die ihnen die Nutzung eines ehemaligen Altenpflegeheims als Unterkunft für Monteure untersagt; die Beteiligten streiten insbesondere über die planungsrechtliche Zulässigkeit der Unterkunft in einem reinen Wohngebiet.

Die Antragstellerinnen sind Eigentümerinnen des Baugrundstücks D. straße 69 in C. -E.. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 6. März 1968 beschlossenen und seit dem 10. August 1968 rechtswirksamen Bebauungsplans Nr. 55 „E. -Südwest“, 1. Änderung, der Antragsgegnerin, der für das Grundstück und seine Umgebung ein reines Wohngebiet festsetzt. Tatsächlich besteht die Bebauung ganz überwiegend aus Ein- und Zweifamilienhäusern auf großzügig geschnittenen Grundstücken, die über ruhige Wohnstraßen ohne Durchgangsverkehr erschlossen werden. Von einem östlich gelegenen Sportplatz sowie von gewerblichen Nutzungen im Westen wird das Wohngebiet durch Grünstreifen getrennt.

Das Baugrundstück ist mit einem großzügigen Gebäude bebaut, das zuletzt als Altenpflegeheim mit acht Pflegezimmern und 14 Pflegeplätzen genutzt worden war. Für diese etwa in den Jahren 2012/2013 aufgegebene Nutzung liegen verschiedene Baugenehmigungen, zuletzt vom 25. März 1998, vor.

Nachdem bei der Antragsgegnerin zahlreiche Nachbarbeschwerden über eine veränderte Nutzung des Gebäudes als Unterkunft für Monteure eingegangen waren und diese ein Einschreiten angedroht hatte, stellte die Antragstellerin zu 1) unter dem 25. November 2013 einen Bauantrag für eine Nutzungsänderung von einem Pflegeheim in ein Hostel. Das Hostel verfügt über 11 Zimmer mit 16 Betten (5 Einzelzimmer, 4 Zweibettzimmer, 1 Dreibettzimmer, bestehend aus zwei Räumen), zwei Küchen (9 bzw. 11 qm), zwei Bäder (7 bzw. 10 qm) und ein WC. Die Zimmer, die nur zum Teil über eine Waschgelegenheit verfügen, sind einfach eingerichtet. Aufenthaltsräume gibt es nicht. In der Betriebsbeschreibung vom 2. Dezember 2013 heißt es, das Gebäude solle als Hostel überwiegend für Monteure genutzt werden. Die Gäste seien Selbstversorger; eine Bewirtung finde nicht statt. Aus einem Schreiben der Antragstellerin vom 4. Dezember 2013 geht hervor, dass die Zimmer tageweise - aufgrund von mündlichen Mietverträgen - vermietet werden. Die wöchentliche Reinigung ist im Preis enthalten; weitere Dienstleistungen werden ausweislich der Bauvorlagen nicht angeboten. Personal ist nicht vor Ort.

Den Bauantrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. April 2014 und Widerspruchsbescheid vom 12. September 2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, es handele sich nicht um Wohnen, sondern um die Ausübung eines Beherbergungsgewerbes. Als solches sei es inmitten der vorhandenen Einfamilienhausbebauung als störend und damit als gebietsunverträglich zu bewerten. Gegen die Ablehnung erhob die Antragstellerin zu 1) Klage, über die bislang nicht entschieden ist (VG Oldenburg, 4 A 3312/14).

Aufgrund der fortdauernden Nutzung und weiterer Nachbarbeschwerden untersagte die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen unter dem 26. November 2014 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Zwangsgeldandrohung die weitere Nutzung des Gebäudes als Hostel. Zur Begründung nahm sie auf die formelle und materielle Illegalität Bezug. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erforderlich, um die Effektivität des förmlichen Baugenehmigungsverfahrens zu sichern. Ein Bauherr, der die Genehmigung abwarte, dürfe gegenüber demjenigen, der ohne Baugenehmigung eine Baumaßnahme durchführe, nicht benachteiligt werden.

Den gegen diesen Bescheid gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Oldenburg mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. Februar 2015 abgelehnt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ausreichend begründet. Das Vorhaben der Antragstellerin sei formell und materiell baurechtswidrig. Es handele sich um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung, die nicht genehmigungsfähig sei. Der Betrieb des Hostels sei weder eine Wohnnutzung, noch ein kleiner Beherbergungsbetrieb. Gegen eine Wohnnutzung sprächen insbesondere die beengten Verhältnisse und die schlichte Ausstattung. Als Beherbergungsbetrieb sei der Betrieb möglicherweise schon nicht mehr als klein zu bezeichnen; jedenfalls aber habe die Antragsgegnerin die ausnahmsweise Zulassung ermessensfehlerfrei ablehnen dürfen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angegriffenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung entschieden, dass die Nutzungsuntersagung und deren sofortige Vollziehbarkeit keinen rechtlichen Bedenken begegnen.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründung muss der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, das besondere, ausnahmsweise überwiegende öffentliche Interesse an einer solchen Vollziehung aus den Umständen des Einzelfalls zu rechtfertigen. Diesen Anforderungen hat die Antragsgegnerin dadurch genügt, dass sie auf die formelle Ordnungsfunktion des öffentlichen Baurechts abgestellt und ausgeführt hat, das Gebot, den rechtstreuen Bauherrn nicht zu benachteiligen, rechtfertige die Anordnung des Sofortvollzugs. Diese Erwägung mag - wie die Antragstellerinnen einwenden - auf eine Vielzahl ähnlicher Fallgestaltungen zutreffen; das ändert aber nichts daran, dass die Antragsgegnerin den Einzelfall sachlich zutreffend gewürdigt und dies ihren Ausführungen zugrunde gelegt hat.

In der Sache genügt die Nutzungsuntersagung aller Voraussicht nach den Anforderungen des § 79 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 NBauO. Widersprechen bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht oder ist dies zu besorgen, so kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind. Sie kann namentlich die Benutzung von Anlagen untersagen. Von dieser Ermächtigung hat die Antragsgegnerin fehlerfrei Gebrauch gemacht.

Ohne Erfolg wenden die Antragstellerinnen ein, ihr Vorhaben sei formell baurechtsgemäß, weil es sich innerhalb der Variationsbreite der für ein Altenpflegeheim erteilten Baugenehmigung halte. Dass ein Hostel - genauer eine Unterkunft für Monteure - nicht unter den Begriff des Altenpflegeheims (vgl. dazu VG Hannover, Urt. v. 17.11.2011 - 12 A 1397/11 -, juris Rn. 36 ff.) zu fassen ist und damit die Variationsbreite der erteilten Genehmigung überschreitet, ist offenkundig.

Soweit die Antragstellerinnen demgegenüber meinen, die Pflicht zur erneuten Genehmigung hänge (nur) davon ab, ob sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stelle, greift das zu kurz. Der bodenrechtliche Aspekt ist maßgeblich, wenn zu beurteilen ist, ob eine Nutzungsänderung i. S. von § 29 BauGB vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 -, juris Rn. 12 = BVerwGE 138, 166 = BRS 76 Nr. 76). Für die Frage der Genehmigungspflichtigkeit sind hingegen die Vorschriften der Niedersächsischen Bauordnung maßgebend. Einschlägig ist in diesem Fall § 59 Abs. 1 i. V. mit § 2 Abs. 13 NBauO; danach sind Nutzungsänderungen grundsätzlich genehmigungspflichtig. Ein Ausnahmefall in Gestalt einer verfahrensfreien Baumaßnahme liegt nicht vor. Verfahrensfrei ist eine Nutzungsänderung gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 1 NBauO - das Verwaltungsgericht hat darauf zutreffend hingewiesen - nur dann, wenn das öffentliche Baurecht an die neue Nutzung weder andere noch weitergehende Anforderungen stellt oder die Errichtung oder Änderung der baulichen Anlage nach § 60 Abs. 1 NBauO verfahrensfrei wäre. Beides ist nicht der Fall. Für die allein in Betracht zu ziehende erste Alternative der Vorschrift greift die Genehmigungspflicht nach ständiger Senatsrechtsprechung bereits dann ein, wenn die Zulässigkeit des gleichen räumlich-konkreten Vorhabens je nach Nutzungszweck bei abstrakter Betrachtungsweise unterschiedlich beurteilt werden kann. Zu fragen ist mit anderen Worten, ob das Vorhaben trotz der zuvor betriebenen Nutzung erneut das Bedürfnis auslöst, seine bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Zulässigkeit oder (insbesondere) seine Nachbarverträglichkeit in einem Baugenehmigungsverfahren präventiv prüfen zu lassen oder ob es nach Lage der Dinge eines solchen Verfahrens nicht bedarf, weil eine abweichende Beurteilung nicht einmal in Betracht kommt (vgl. Senat, Beschl. v. 16.10.2006 - 1 ME 171/06 -, juris Rn. 19 = NVwZ-RR 2007, 306 = BRS 70 Nr. 188; Beschl. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 -, juris Rn. 13 = NVwZ-RR 2014, 255 = BRS 81 Nr. 163).

Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob es sich bei der Nutzung als Altenpflegeheim bzw. als Hostel - wie die Antragstellerinnen meinen - jeweils um Wohnnutzungen handelt. Entscheidend ist, dass sich beide Nutzungen (nicht nur) hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Nachbarschaft und der rechtlich gebotenen baulichen Ausstattung des Gebäudes - etwa im Hinblick auf Brandschutz, Stellplätze und Ausstattung mit Gemeinschaftsräumen (vgl. die HeimMindBauV) - deutlich unterscheiden. Die Nutzungsänderung wirft daher das Bedürfnis nach einer präventiven Prüfung der baurechtlichen Zulässigkeit, mithin das Erfordernis eines erneuten Genehmigungsverfahrens auf.

Ist die gegenwärtige Nutzung formell baurechtswidrig, kann eine Nutzungsuntersagung schon dann ergehen, wenn die Genehmigungsfähigkeit nicht offensichtlich ist. Davon ist keinesfalls auszugehen. Schon der erhebliche Argumentationsaufwand der Antragstellerinnen in ihrer Beschwerdebegründung belegt, dass eine Genehmigung - wenn überhaupt - allenfalls nach einer umfangreichen, alle Aspekte des Einzelfalls betrachtenden Prüfung erteilt werden könnte. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat die Bauaufsichtsbehörde gegen baurechtswidrige Zustände regelmäßig einzuschreiten. Ein „Für und Wider“ braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorliegen (vgl. zuletzt m. w. N. Senat, Beschl. v. 12.6.2014 - 1 LA 219/13 -, juris Rn. 18 = RdL 2014, 274). Das ist nicht der Fall; auch die Beschwerde bezeichnet solche Anhaltspunkte nicht.

Eine weitergehende Prüfung der Genehmigungsfähigkeit im Rahmen des Prüfungsprogramms des § 114 Satz 1 VwGO war in diesem Verfahren - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht erforderlich. Geboten ist eine solche Prüfung nur, wenn die Bauaufsichtsbehörde ein Nutzungsverbot - jeweils tragend - sowohl auf die formelle als auch auf die materielle Illegalität der Nutzung bzw. der baulichen Anlage stützt. In einem solchen Fall unterstellt sie diese zweifache Begründung auch dem gerichtlichen Programm der Überprüfung der Ermessensentscheidung (vgl. Senat, Beschl. v. 16.10.2006 - 1 ME 171/06 -, juris Rn. 12 f. = NVwZ-RR 2007, 306 = BRS 70 Nr. 188). Ein solcher Fall einer zweifachen - kumulativen - Begründung liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn die Bauaufsichtsbehörde materielle Gesichtspunkte in ihrer Verfügung erwähnt. Eine solche Erwähnung ist vielmehr - gerade in einem Fall wie diesem, in dem zuvor ein Bauantrag abgelehnt wurde - grundsätzlich als Hinweis darauf zu verstehen, dass eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit nicht besteht. Nur dann, wenn die Behörde ihr Einschreiten erkennbar (auch) von der materiellen Baurechtswidrigkeit des Vorhabens abhängig macht, sie also jedenfalls implizit zu erkennen gibt, dass die formelle Baurechtswidrigkeit allein aus ihrer Sicht ein Einschreiten nicht erfordert hätte, unterstellt sie damit auch die materielle Baurechtswidrigkeit der gerichtlichen Kontrolle. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. In der Begründung stellt die Antragsgegnerin eingangs zwar auf die formelle und die materielle Baurechtswidrigkeit ab. Der Schwerpunkt ihrer Argumentation liegt jedoch - wie insbesondere den bei der Auslegung ergänzend heranzuziehenden Erwägungen zur sofortigen Vollziehbarkeit zu entnehmen ist - auf der formellen Baurechtswidrigkeit; dass erst die materielle Baurechtswidrigkeit zum Einschreiten führen sollte, ist angesichts der von der Antragsgegnerin zu Recht betonten Ordnungsfunktion des formellen Baurechts nicht ersichtlich.

Ungeachtet dessen teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorhaben der Antragstellerinnen materiell baurechtswidrig ist, weil es gegen Bauplanungsrecht verstößt.

Den planungsrechtlichen Rahmen setzt der Bebauungsplan Nr. 55.1 der Antragsgegnerin i. V. mit dem bis zum 31. Dezember 1968 geltenden § 3 BauNVO 1962. Allgemein zulässig sind danach Wohngebäude (§ 3 Abs. 2 BauNVO); ausnahmsweise zugelassen werden können kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes (§ 3 Abs. 3 BauNVO). Das Vorhaben der Antragstellerinnen erfüllt - ausgehend von dem Nutzungszweck, wie er sich bei objektiver Betrachtung aus den Bauvorlagen ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.4.1992 - 4 C 43.89 -, juris Rn. 15 = BVerwGE 90, 140 = BRS 54 Nr. 53) - die Anforderungen beider Varianten nicht.

Eine Wohnnutzung zeichnet sich durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthaltes aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 -, juris Rn. 12 = NVwZ 1996, 893 = BRS 58 Nr. 56; Senat, Urt. v. 18.9.2014 - 1 KN 123/12 -, juris Rn. 22 = BauR 2015, 452). Das setzt bestimmte Ausstattungsmerkmale des Gebäudes voraus. Erforderlich sind insbesondere eine Küche bzw. Kochgelegenheit (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.9.1984 - 4 N 3.84 -, juris Rn. 20 = NVwZ 1985, 338) sowie Toiletten und Waschgelegenheiten, die allerdings auch in Gestalt von Gemeinschaftseinrichtungen zur Verfügung stehen können (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 3 BauNVO Rn. 37 <Stand der Bearbeitung: August 2013>). Der Begriff des Wohnens verlangt zudem, dass Aufenthalts- und private Rückzugsräume geboten werden, die eine Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises erst ermöglichen. Auch Wohnheime - etwa Studentenwohnheime - können daher als Wohngebäude einzustufen sein, wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung und Ausstattung Wohnbedürfnisse erfüllen können und sollen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 20.8.1987 - 6 A 166/85 -, BRS 47 Nr. 40).

Das zugrunde gelegt teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, bei dem Vorhaben der Antragstellerinnen handele es sich nicht um eine Wohnnutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung. Das Gebäude weist zwar mit den vorhandenen Zimmern sowie den gemeinschaftlichen Waschräumen, Toiletten und Küchen die Mindestanforderungen eines Wohngebäudes auf. Die konkrete Ausprägung dieser Räumlichkeiten ermöglicht aber - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - keine hinreichende Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises. Gegen die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung spricht die geringe Anzahl - zumal außerordentlich kleiner - Küchen, die die eigenständige und individuelle Verpflegung von 16 Bewohnern mit kalten und warmen Mahlzeiten nicht adäquat ermöglichen. Insbesondere eine gleichzeitige Nutzung durch mehrere Personen kommt - das Verwaltungsgericht hat darauf zu Recht hingewiesen - nicht in Betracht. Hinsichtlich des häuslichen Wirkungskreises fällt das Fehlen jeglicher Aufenthaltsräume (Ess- und Wohnräume) ins Auge. Innerhalb des Gebäudes können sich die Nutzer lediglich in ihren recht kleinen und einfach ausgestatteten Zimmern aufhalten, die zudem zur Hälfte von mehr als einer Person zu belegen sind und demzufolge angesichts der vorgesehenen Nutzung durch Monteure kaum Privatsphäre bieten (vgl. Senat, Beschl. v. 24.10.2008 - 1 ME 199/08 -, V.n.b.). Gegen die Möglichkeit zur Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises spricht weiter die geringe Zahl zumal nur kleiner Waschräume.

Zudem fehlt es an der gebotenen dauerhaften Häuslichkeit. Auch wenn das Kriterium der Dauerhaftigkeit flexibel zu handhaben ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.3.1996, a. a. O., Rn 12) und beispielsweise auch nur gelegentlich genutzte Zweitwohnungen eine Wohnnutzung darstellen (vgl. Senat, Beschl. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 -, juris Rn. 13 = DVBl. 2014, 254), sind die Grenzen hier überschritten. Das Nutzungskonzept ist angesichts der tageweisen Vermietung und der sehr einfachen, üblichen Wohnbedürfnissen bei weitem nicht genügenden Ausstattung nicht darauf ausgerichtet, die Nutzer über einen längeren Zeitraum zu beherbergen. Ob tatsächlich eine längerfristige Vermietung erfolgt, ist angesichts des anders ausgerichteten Konzepts nicht entscheidend. Bei objektiver Betrachtung ist dieses auf eine räumlich beengte und sehr einfache Unterbringung von alleinstehenden Personen für eine sehr begrenzte Zeitspanne angelegt; den bauplanungsrechtlichen Anforderungen des Wohnens genügt das nicht.

Das Vorhaben ist auch nicht als kleiner Beherbergungsbetrieb ausnahmsweise genehmigungsfähig.

Ein Beherbergungsbetrieb liegt vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können. Ob der Betrieb nur das gewerbsmäßige Zurverfügungstellen von Räumen an jedermann zum vorübergehenden Aufenthalt, unabhängig von einer Bedienung der Gäste, umfasst oder ob er weitere Dienstleistungen anbietet, ist grundsätzlich unerheblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.4.1992, a. a. O., Rn. 17). Ob das Vorhaben der Antragstellerinnen unter diesen Voraussetzungen noch als Beherbergungsbetrieb zu bezeichnen ist, lässt der Senat offen. Dagegen könnte sprechen, dass der Betrieb - von der wöchentlichen Reinigung abgesehen - nicht einmal ein Minimum an Leistungen bietet, die über die bloße Zimmervermietung hinausgehen. Von der Idealform eines Beherbergungsbetriebs, der mit Betriebspersonal vor Ort sowie einer gewissen Gästebetreuung einhergeht und damit zugleich eine gewisse - die Gebietsverträglichkeit möglicherweise erst begründende - soziale Kontrolle gewährleistet, unterscheidet sich das Vorhaben der Antragstellerinnen erheblich.

Ungeachtet dessen ist der Betrieb jedenfalls nicht als „klein“ zu bezeichnen. § 3 Abs. 3 BauNVO verwendet diesen Begriff zur Kennzeichnung des Typs der in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulassungsfähigen Beherbergungsbetriebe, um eine Konkretisierung im Einzelfall, nämlich unter Bezug auf das im Bebauungsplan festgesetzte Gebiet, zu ermöglichen. Was in diesem Sinne „klein“ ist, kann im Einzelfall nach der Bettenzahl als einem dafür maßgeblichen Merkmal, aber nicht allgemein mit einer bestimmten Zahl einheitlich für alle nach § 3 BauNVO festgesetzten und festzusetzenden Gebiete bestimmt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.11.1987 - 4 B 230.87 -, juris Rn. 3 = DÖV 1988, 382 = BRS 47 Nr. 36). Die nähere Bestimmung kann daher nur anhand der konkreten Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplanes und der Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorgenommen werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 7.1.2000 - 2 Bs 344/99 -, juris Rn. 7 = BauR 2000, 1840; OVG Schleswig, Beschl. v. 24.7.2008 - 1 MB 11/08 -, juris Rn. 28 f.). Maßgebend ist, ob sich der Betrieb nach Erscheinungsform, Betriebsform und Betriebsführung sowie unter Berücksichtigung der Zahl der Benutzer unauffällig in das Gebiet einordnet, wobei dem Gesichtspunkt des Schutzes der Wohnruhe besondere Bedeutung zukommt (vgl. Senat, Urt. v. 20.5.1987 - 1 A 124/86 -, BRS 47 Nr. 37; NdsOVG, Urt. v. 17.7.1979 - VI A 124/78 -, BRS 35 Nr. 49). Die kleinen Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden dadurch gekennzeichnet, dass sie sich der Vermietung von Wohnräumen annähern, baulich zumeist nicht besonders in Erscheinung treten und infolgedessen auch den Charakter des reinen Wohngebiets nicht beeinflussen (BVerwG, Beschl. v. 24.11.1967 - IV B 230.66 -, BRS 18 Nr. 14).

Ein „kleiner“ Betrieb liegt danach entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht vor. Betrachtet man die Eigenart des Baugebiets, handelt es sich um aufgelockerte Bebauung mit Ein- bzw. Zweifamilienhäusern auf großzügig geschnittenen Grundstücken. Dies entspricht den Vorgaben des Bebauungsplans Nr. 55.1, der mit einer Geschossflächenzahl von 0,3 und der Vorgabe einer eingeschossigen offenen Bauweise hinter den Obergrenzen des § 17 BauNVO 1962 zurückbleibt. Zur Wohnruhe trägt ferner bei, dass das Gebiet nur über eine Anbindung an das städtische Straßennetz verfügt und darüber hinaus über Sackgassen bzw. Ringstraßen erschlossen wird. Durchgangsverkehr gibt es mithin nicht, was im Zusammenhang mit der geringen baulichen Dichte zu einem außerordentlichen geringen Verkehrsaufkommen führt. Zum Charakter der aufgelockerten, gering verdichteten Bebauung tragen ferner die Einbindung des Gebiets in ein Netz aus Grünzügen sowie die Abschottung gegenüber den umgebenden Straßenzügen bei. Dass sich in der östlichen Nachbarschaft ein Sportplatz befindet, stellt den Charakter eines in besonderer Weise ruhigen Wohngebiets nicht in Frage, zumal der Sportplatz wiederum von Osten her erschlossen wird und das Wohngebiet demzufolge von entsprechenden Verkehrsbelastungen verschont bleibt.

Dem vorstehend beschriebenen Gebietscharakter entspricht es, an die Zulässigkeit gewerblicher Nutzungen strenge Anforderungen zu stellen. Nur Betriebe, deren Störungsintensität der besonders ruhigen Wohnlage entspricht, können ausnahmsweise zugelassen werden. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob es bereits die Zahl von 16 Betten in diesem Einzelfall ausschließt, den Betrieb als „klein“ anzusehen. Die konkrete Betriebsform lässt Störungen erwarten, die über das gebietsverträgliche Maß hinausgehen.

Diese Erwartung speist sich erstens aus dem in Aussicht genommenen Nutzerkreis. Es handelt sich typischerweise um alleinstehende Männer ohne soziale Bindungen innerhalb des Wohngebiets. Derartige Nutzer neigen - die in den Akten dokumentierten umfangreichen Nachbarbeschwerden belegen dies beispielhaft - eher als andere Nutzergruppen dazu, sich insbesondere in den Abendstunden lautstark zu verhalten, etwa Alkohol zu konsumieren oder zu feiern. Alkoholkonsum zieht zudem typischerweise weitere, von den Nachbarn beklagte Verhaltensweisen wie beispielsweise das Urinieren in die Grenzhecken und andere Grenzüberschreitungen nach sich. Begünstigt wird dies zweitens durch die bauliche Gestaltung, namentlich durch das Fehlen jeglicher Aufenthaltsräume. Die Nutzer sind demzufolge gezwungen, sich nach Arbeitsschluss entweder in ihren recht kleinen und nur einfach ausgestatteten Zimmern aufzuhalten oder aber die Außenwohnbereiche zu nutzen. Dies verstärkt das Störungspotenzial erheblich. Dabei ist es unerheblich, dass die Hausordnung die Nutzung der Außenbereiche nach 22:00 Uhr verbietet. Schon mangels Personal vor Ort ist ein solches Verbot praktisch weder zu kontrollieren noch durchzusetzen. Drittens besteht aufgrund des Fehlens sozialer Bindungen der Nutzer innerhalb des Wohngebiets, des fehlenden Hauspersonals sowie des ständigen Wechsels der Nutzer keinerlei soziale Kontrolle, die eine Einbindung des Betriebs in das Wohnumfeld sicherstellen könnte. Der Standort des Vorhabens an zentraler Stelle des Wohngebiets und nicht etwa am Gebietsrand verstärkt viertens den nachteiligen Einfluss auf die Nachbarschaft zusätzlich. Ob darüber hinaus die zu erwartende Belastung mit An- und Abfahrtsverkehr mit den Besonderheiten des Gebiets in Einklang steht, bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Betrachtung.

Auf die Frage, ob die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB nach Ermessen versagt werden konnte und die Antragsgegnerin dies getan hat, kommt es nach alledem nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG; der Senat schließt sich den zutreffenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts an.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).