Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 07.08.2023, Az.: 4 B 3754/23
Bauordnungsrecht; Baurecht; Brandschutz; Formelle Illegalität; Kohlenmonoxid; Nutzungsänderung; Nutzungsuntersagung; Shisha-Bar; Nutzungsuntersagung für den Betrieb als Shisha-Bar; Betrieb einer Shisha-Bar als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 07.08.2023
- Aktenzeichen
- 4 B 3754/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 29136
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:0807.4B3754.23.00
Fundstellen
- KommJur 2023, 329-333
- RdW 2023, 910
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Betrieb einer Shisha-Bar stellt eine gegenüber dem gewöhnlichen Barbetrieb genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar.
- 2.
Die formelle Baurechtswidrigkeit ist ausreichend, um eine Nutzungsuntersagung zu rechtfertigen, es sei denn, die Genehmigungsfähigkeit der Nutzung ist offensichtlich (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2015 - 1 ME 31/15 -, Rn. 15, juris).
Tenor:
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Bauordnungsverfügung der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller betreibt im Erdgeschoss des auf dem Grundstück D. in E. (Gemarkung E., Flur F., Flurstück G.) gelegenen Gebäudes eine Shisha-Bar. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Durchführungsplanes Nr. H. der Antragsgegnerin. Dieser setzt dort ein Gewerbegebiet a fest.
Die Antragsgegnerin erteilte einem Betriebsvorgänger des Antragstellers unter dem 11.01.2001 (Az. I.) eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung der dort zuvor befindlichen Gaststätte in eine "Cocktailbar mit gelegentlichem Tanz". Am 25.02.2005 (Az. J.) erteilte sie einer weiteren Betriebsvorgängerin des Antragstellers eine Baugenehmigung zum Ausbau bzw. zur Erweiterung der Gastronomiefläche. Unter dem 04.09.2006 (Az. K.) genehmigte die Antragsgegnerin die Erweiterung der Freifläche der Bar. In der grüngestempelten Betriebsbeschreibung heißt es:
- Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 18:00 - 04:00 Uhr
- Im Restaurant werden sowohl warme als auch kalte Speisen serviert
- Die Speisen werden in der bereits vorhandenen Küche im hinteren Teil der bestehenden L. -Bar zubereitet
- Anzahl der Beschäftigten: 5
- Größe Personalraum: 8 m2 (im Altbestand)
- WCs:
2 x Herren-Toilette plus Rinnenurinal mit separatem Vorraum (im Altbestand),
2x Damen-Toiletten mit separatem Vorraum (im Altbestand),
1x Behinderten-Toilette
- Gastbestuhlung: insgesamt 80, davon im Restaurant: 12
Ergänzung zur Betriebsbeschreibung in Kurzform (Außenbereich)
- Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag 10.00 Uhr - 22.00 Uhr
- Anzahl der Tische 8- 10 (für ca. 25 Personen)
Bei einer Kontrolle des Polizeikommissariats M. am 20.09.2021 wurde festgestellt, dass der Antragsteller in der Bar Wasserpfeifen (sog. Shishas) zum Konsum vor Ort anbietet, mithin die Bar als sog. Shisha-Bar betreibt. Die Beamten prüften die Kohlenmonoxid-Konzentration im Shisha-Zubereitungsraum und stellten dort gegen 00:30 Uhr einen Wert von 147 ppm fest. Eine im Gastraum durchgeführte Messung ergab zunächst einen Wert zwischen 35 und 47 ppm, nach einem Durchlüften des Raumes einen Wert zwischen 30 und 35 ppm. Daraufhin wurden der Betrieb des Kohleofens sowie die Abgabe von Shishas bis zum 22.09.2021, 16:00 Uhr polizeilich untersagt. Bei einer weiteren Kontrolle um 03:40 Uhr am selben Tag stellte das Polizeikommissariat fest, dass der Anordnung nicht Folge geleistet wurde. Eine erneute Messung der Kohlenmonoxid-Konzentration im Zubereitungsraum ergab einen Wert von 187 ppm.
Mit Schreiben vom 21.09.2021 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer beabsichtigten Nutzungsuntersagung hinsichtlich des Betriebs als Shisha-Bar an. Der Antragsteller äußerte mündlich, dass ein defekter und mittlerweile ausgetauschter Ofen der Grund für die Werteüberschreitungen gewesen sei. Am 24.09.2021 sicherte er schriftlich zu, den Verkauf von Shishas in seiner Bar bis zur Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung einzustellen.
Mit Schreiben vom 02.02.2022 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Abgabe einer "Erklärung über die Einhaltung der Baugenehmigungen Az. N. sowie Az. O., insbesondere im Hinblick auf die genehmigte Nutzung sowie die genehmigten Öffnungszeiten" auf. Anderenfalls müsse sie nach Aktenlage entscheiden. Die Bar ist ausweislich des Internetauftritts des Antragstellers (P., zuletzt aufgerufen am 25.07.2023) jeden Sonntag bis Donnerstag von 13:00 Uhr bis 02:00 Uhr und freitags und samstags je von 13:00 Uhr bis 06:00 Uhr geöffnet.
Der Antragsteller erklärte daraufhin, dass er davon ausgehe, dass die derzeitige Nutzung von der Variationsbreite der Baugenehmigung umfasst sei, jedenfalls Bestandsschutz genieße.
Am 04.06.2023 wurde im Rahmen einer erneuten polizeilichen Kontrolle festgestellt, dass der Antragsteller weiterhin Shishas anbietet. Im Zubereitungsraum wurde gegen 01:10 Uhr eine Kohlenstoffmonoxid Konzentration zwischen 140 und 243 ppm, im Gastraum eine Konzentration zwischen 30 und 40 ppm gemessen. Die sodann verständigte Feuerwehr stellte im Rahmen einer Messung mit zwei verschiedenen Geräten im Mitarbeiterbereich eine Kohlenstoffmonoxid-Konzentration von 197 ppm fest.
Unter dem 08.06.2023 erließ die Antragstellerin die streitgegenständliche Bauordnungsverfügung mit folgendem Tenor:
1. Die ungenehmigte Nutzung der Wasserpfeifen sowie jedwede mit den Wasserpfeifen einhergehenden Tätigkeiten sind innerhalb eines Werktages nach Zustellung dieser Verfügung zu unterlassen.
2. Die Nutzung des gastronomischen Betriebs am Sonntag zwischen 04:00 Uhr und Mittwoch 18:00 Uhr ist umgehend, spätestens einen Werktag nach Zustellung dieser Ordnungsverfügung einzustellen.
Zudem ordnete sie die sofortige Vollziehung beider Ziffern an, drohte die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 7.500,00 Euro bei einem Verstoß gegen Ziffer 1 und 5.000,00 Euro bei einem Verstoß gegen Ziffer 2 an und erlegte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf.
Zur Begründung der ersten Ziffer führte sie aus:
Das Vorhaben sei formell illegal. Das Angebot von Shishas sei nicht von der bestehenden Baugenehmigung umfasst. Zum Zeitpunkt der Genehmigung seien diese in Deutschland weitestgehend unbekannt gewesen. Eine dahingehende brandschutzrechtliche Prüfung habe nicht stattgefunden. Es sei nicht ohne weitere Ermittlungen erkennbar, ob der Betrieb einer Shisha-Bar genehmigungsfähig sei. Überdies sei zu berücksichtigen, dass es sich hinsichtlich der über 40 vorhandenen Sitzplätze um einen Sonderbau handele. Sie sei vom Gewerbeaufsichtsamt zudem über Mängel an der Abluftanlage im Vorbereitungsraum unterrichtet worden. Die bei der Zwischenlagerung von glühenden Kohlen entstehenden Gase würden nicht mittels Abluftanlage über das Dach abgeleitet. Auch seien die Nachweise für Lüftungsanlagen im Gastraum unzureichend. Vorliegend bestehe eine Gefahr für Leib und Leben. Das entstehende Kohlenmonoxid sei geruchs- und geschmacklos, so dass eine Selbstrettung erschwert sei. Zudem bestehe die Besorgnis, dass die Betriebssicherheit, insb. im Hinblick auf den Zubereitungsraum, nicht gewährleistet sei. Bei der letzten Polizeikontrolle sei festgestellt worden, dass der Umgang mit den Kohlen, welche auf bis zu 800 Grad erhitzt würden, nicht fachgerecht erfolge. Neben diesen seien Müllsäcke und Kartonagen gelagert worden. Zudem sei die Ofenklappe sei nicht verschlossen gewesen. Am 11.02.2023 sei es überdies zu einem Brandereignis im Zubereitungsraum gekommen. Aufgrund der starken Rauchentwicklung sei der benachbarte Baumarkt evakuiert worden. Zudem seien bei der Überprüfung des Betriebes am 04.06.2023 die drei verbauten Kohlenmonoxid-Warnmelder aufgrund falsch eingelegter Batterien nicht in Betrieb gewesen.
Die Nutzungsuntersagung sei ermessensfehlerfrei. Die Gesundheit der Gäste und Mitarbeiter überwiege die (wirtschaftlichen) Nachteile für den Antragsteller. Einen Bauantrag sei bislang nicht eingereicht.
Zur Begründung der Anordnung unter Ziffer zwei trägt die Antragsgegnerin vor, die Öffnungszeiten seien ohne Einholung einer Baugenehmigung massiv erweitert worden. Sie könne ohne weitere Prüfung nicht erkennen, ob der verlängerte Betrieb genehmigungsfähig sei. Auch diese Entscheidung entspreche ordnungsgemäßer Ermessensausübung. Soweit angenommen werde, dass eine wirtschaftliche Nutzung durch eine Untersagung der Abgabe von Shishas sowie der Reduzierung auf das Maß der genehmigten Öffnungszeiten nicht mehr möglich sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Wirtschaftliche Einwände könnten nicht zum Erfolg führen, da dies eine nicht zu rechtfertigende Begünstigung desjenigen darstellen würde, der eine Nutzung ohne die erforderliche Genehmigung ändere.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei aufgrund der negativen Vorbildwirkung des Betriebs gerechtfertigt. Ferner fehle es an der Prüfung der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere des Brandschutzes, aber auch den Anforderungen an das Arbeitsstättenrecht. Zudem seien Leib und Leben von Personal, Gästen und Nachbarn durch Kohlenmonoxid gefährdet.
Die Zwangsgeldandrohung sei der Höhe nach angemessen sowie geeignet, die Herstellung ordnungsgemäßer Zustände zu bewirken.
Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller am 07.07.2023 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist. Am selben Tage hat er einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Widerspruchs- und Antragsbegründung führt er aus, er sei bereits nicht ordnungsgemäß angehört worden. In der "Gelegenheit zur Stellungnahme" vom 21.09.2021 sei nicht angekündigt worden, dass der Erlass einer Ordnungsverfügung beabsichtigt gewesen sei.
In der Sache hätten die Beteiligten in der Vergangenheit unterschiedliche Meinungen zu der Frage vertreten, ob die Baugenehmigung die streitgegenständliche Nutzung umfasse. Mittlerweile sei ihm jedoch bewusst, dass es sich um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung handele. Um eine rechtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, habe er bereits im Jahr 2021 eine Architektin damit beauftragt, einen Bauantrag bei der Antragsgegnerin einzureichen, was im November per Brief und E-Mail geschehen sei. Er habe für den Bauantrag im Jahr 2021 ein umfassendes Brandschutzkonzept erstellen lassen. Erst durch die streitgegenständliche Verfügung sei er darauf aufmerksam geworden, dass der Bauantrag nie angekommen sei. Er habe inzwischen einen neuen Bauantrag gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass dieser nicht offensichtlich genehmigungsfähig sei, lägen nicht vor. Die von der Antragsgegnerin veranlasste Nachforderung von Unterlagen sei schikanös, gleichwohl habe er die Unterlagen nachgereicht.
Die Nutzungsuntersagung könne nicht (allein) auf die formelle Illegalität einer Nutzung gestützt werden. Vielmehr sei eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich, was hier nicht gegeben sei. Die Räume der Bar verfügten über eine leistungsstarke Lüftungsanlage. Der Kohleofen entspreche dem aktuellen Stand der EG-Richtlinie. Die Kohlenmonoxid-Messgeräte seien in Betrieb und seien dies auch zum Zeitpunkt der Messungen gewesen. Die in der Ordnungsverfügung genannten Kohlenmonoxid-Messwerte seien unzutreffend. Die Messung sei fingiert und der Polizeieinsatz schikanös und unverhältnismäßig gewesen. Ihm sei nicht bekannt, nach welchem Verfahren die Messungen vorgenommen worden seien und es lägen keine Messprotokolle vor. Die Polizei habe ihn vor der Messung zudem angewiesen, die Behälter mit glühender Kohle in den Zubereitungsraum zu bringen bzw. zu belassen. Dort werde jedoch keine glühende Kohle aufbewahrt, sondern allein die Wasserpfeife für den Verzehr präpariert. Die Kohle werde im Außenbereich und nicht im Zubereitungsraum vorbereitet. Der Umgang mit dem Kohleofen erfolge fachgerecht. Zudem sei die Messung vorgenommen worden, nachdem bereits seit mindestens 40 Minuten keine Shisha mehr geraucht worden sei. Es sei nicht erklärbar, wieso dort so hohe Werte gemessen worden seien. Aus dem Einsatzprotokoll vom 04.06.2023 gehe überdies hervor, dass eine Messung in den Besucherräumen an diesem Tag nicht stattgefunden habe. Allein der Wert im Zubereitungsraum sei festgestellt worden. Eine Gefährdung von Gästen sei dort jedoch ausgeschlossen.
Er selbst habe am 07.06.2023 Kohlenmonoxid-Messungen von einem Schornsteinfegermeister durchführen lassen. Dieser habe im Bar-Raum während des Betriebs von 30 Shishas eine maximale Kohlenmonoxid-Konzentration von 28 ppm festgestellt, wobei der Mittelwert der Messungen bei 21 ppm gelegen habe. In der Smoking-Area seien 20 Shishas betrieben worden. Der maximale Kohlenmonoxid-Messwert habe dort bei 26 ppm gelegen. Der Mittelwert habe 17 ppm betragen. Die Messungen hätten jeweils 60 Minuten angedauert.
Die Nutzungsuntersagung sei ermessensfehlerhaft. Mildere Mittel wären die Begrenzung der Anzahl der gleichzeitig betriebenen Shishas oder die Anordnung, Shishas allein im Außenbereich anzubieten, gewesen.
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei fehlerhaft und ohne vorige Möglichkeit zur Stellungnahme erfolgt. Die formelle Illegalität einer Nutzung rechtfertige nicht zwangsläufig die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zudem beziehe sich die Anordnung nicht auf Bauordnungs- sondern Gefahrenabwehrrecht. Überdies habe die Antragsgegnerin einseitig und ohne eigene Ermittlungen durchzuführen öffentliche Belange und angebliche Feststellungen der Polizei gewürdigt. Im Hinblick auf die Öffnungszeiten fehle eine Begründung vollkommen. Es sei zu berücksichtigen, dass er mittlerweile einen Bauantrag eingereicht habe. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung habe erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen und komme einer Schließung gleich. Auch die Existenz seiner Mitarbeiter sei gefährdet.
Unter dem 28.07.2023 hat die Antragsgegnerin erklärt, die Anordnung unter Ziffer 2 der streitgegenständlichen Verfügung nicht zu vollziehen bzw. durchzusetzen und diese im Widerspruchsbescheid aufzuheben. Daraufhin haben die Beteiligten das Verfahren insoweit für erledigt erklärt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß noch,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 07.07.2023 gegen Ziffer 1 der Nutzungsuntersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.06.2023, Az. Q., wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie ergänzend aus, sie habe den Antragsteller unter dem 21.09.2021, 02.02.2022 und 13.07.2023 angehört. Jedenfalls sei ein etwaiger dahingehender Verfahrensfehler geheilt. Die gegenwärtige Nutzung der Bar sei sowohl im Innen- als auch im Außenbereich formell illegal und nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Eine Baugenehmigung für den Betrieb als Shisha-Bar liege nicht vor. Die Nutzungsänderung sei nicht von den bestehenden Baugenehmigungen umfasst und erfordere eine erneute Prüfung. Auch die im Außenbereich gerauchten Shishas würden im Zubereitungsraum präpariert. Irrelevant sei, dass der Antragsteller mittlerweile einen Bauantrag eingereicht habe. Dieser sei weder prüf- noch genehmigungsfähig. Dementsprechend sei mit Schreiben vom 05.07.2023 eine umfangreiche Nachforderung von fehlenden, für die Beurteilung des Vorhabens erforderlichen, Unterlagen veranlasst worden.
Unerheblich sei zudem der Vortrag zu dem im Jahr 2021 eingereichten Bauantrag. Dieser sei laut eidesstattlicher Versicherung der Entwurfsverfasserin mit einfachem Brief eingereicht worden. Es gebe keinen Nachweis darüber, ob der Brief angekommen sei. Zudem sei von einer Entwurfsverfasserin zu erwarten, sich nach dem Verfahrensstand zu erkundigen. Stattdessen habe sich die Betriebsleiterin der Bar des Antragstellers bei ihr, der Antragsgegnerin, nach dem Bearbeitungsstand erkundigt. Dieser sei jedoch mitgeteilt worden, dass ein Bauantrag nicht vorliege.
Die Nutzungsuntersagung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Der Antragsteller könne nicht erwarten, dass sie ein "noch verträgliches Maß" an Shishas feststellen und dulden müsse.
Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung habe sie zulässigerweise auf eine (negative) Vorbildwirkung verwiesen. Auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr komme es insoweit nicht an. Ungeachtet dessen gehe sie jedoch vom Vorliegen einer Gefahr aufgrund erhöhter Kohlenmonoxid-Werte aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
II.
Soweit die die Beteiligten übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen hat der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, soweit im Rahmen einer Abwägung das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das öffentliche Interesse am Vollzug des angegriffenen Verwaltungsaktes überwiegt. Dies richtet sich nach den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die anhand einer summarischen Prüfung zu bewerten sind. Soweit der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse, da ein Interesse am Vollzug eines der Rechtsordnung widersprechenden Verwaltungsaktes nicht bestehen kann. Ergibt die Prüfung, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig ist, überwiegt das Vollzugsinteresse nur, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes besteht. Bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist der Antrag darüber hinaus begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ist (BVerwG, Beschl. v. 02.06.1988 - 4 C 1/88 -, Rn. 15, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.05.2010 - 13 ME 181/09 -, Rn. 3 f., juris; Beschl. v. 05.03.2008 - 7 MS 115/07 -, Rn. 25 ff., juris).
Vorliegend erweist sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Ziffer 1 der Bauordnungsverfügung vom 08.06.2023 als formell rechtmäßig (a.). Die weiter vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus (b.). Schließlich besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung (c.).
a. Im Rahmen der Überprüfung der formellen Rechtmäßigkeit einer Vollziehungsanordnung ist neben der Zuständigkeit insbesondere auf das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO abzustellen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.03.2008 - 7 MS 115/07 -, Rn. 26, juris). Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Notwendig ist insoweit eine auf die Umstände des konkreten Einzelfalles bezogene nicht formelhafte Darstellung, weshalb dem Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Vorrang eingeräumt wird (OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.03.2008 - 7 MS 115/07 -, Rn. 26, juris; Beschl. v. 13.06.2022 - 1 ME 38/22 -, Ls. 1, juris).
Die Vollziehungsanordnung genügt diesen Anforderungen.
Die Antragsgegnerin begründet sie damit, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Beachtung und strikten Durchführung des Genehmigungsverfahrens bestehe, da ansonsten der gesetzestreue Bürger schlechter gestellt werde. Zudem bestehe die Gefahr einer negativen Vorbildwirkung. Überdies stellt sie darauf ab, dass es ohne ein weiteres Genehmigungsverfahren an der Prüfung der Einhaltung bauordnungsrechtlicher Sicherheitsbestimmungen, insbesondere des Brandschutzes fehle. Die Antragsgegnerin geht insbesondere mit diesem Argument zielgerichtet auf die Umstände des Einzelfalles ein. Ob diese Gründe tatsächlich vorliegen, ist im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzuges nicht zu prüfen. Diese Frage kann sich nur bei der in materieller Hinsicht vorzunehmenden Interessenabwägung auswirken (OVG Bautzen, Beschl. v. 05.08.2011 - 2 B 259/10 -, Rn. 7, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.05.2010 - 13 ME 181/09 -, Rn. 3, juris).
b. Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ziffer 1 der Bauordnungsverfügung vom 08.06.2023 erweist sich nach der gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 getroffene Anordnung, die Nutzung der Wasserpfeifen sowie jedwede mit den Wasserpfeifen einhergehenden Tätigkeiten innerhalb eines Werktages nach Zustellung der Verfügung zu unterlassen, ist § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Maßnahmen anordnen, wenn bauliche Anlagen oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift kann die Behörde dabei auch die (partielle) Benutzung von Anlagen untersagen.
Die Frage eines etwaigen Verstoßes gegen § 79 Abs. 4 NBauO kann im vorliegenden Eilverfahren insgesamt offenbleiben, da ein solcher Verfahrensfehler nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG durch eine Nachholung im Widerspruchsverfahren (BVerwG, Urt. v. 18.10.1983 - 1 C 13.81, NVwZ 1984, 578) bzw. nach §§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden kann (Mann in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Auflage 2020, NBauO, § 79 Rn. 100).
Die Baumaßnahme widerspricht dem öffentlichen Baurecht, § 2 Abs. 17 NBauO.
Gemäß § 2 Abs. 13 NBauO ist unter einer Baumaßnahme auch die Nutzungsänderung einer bereits bestehenden baulichen Anlage zu verstehen. Dies bedeutet eine Änderung der Nutzungsweise, durch die der Anlage eine von der bisherigen Nutzung abweichende Zweckbestimmung gegeben, also die ihr bisher zugewiesene Funktion in rechtserheblicher Weise geändert, wird. Eine Nutzungsänderung liegt insbesondere vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt (BVerwG, Urt. v. 18.05.1990 - 4 C 49.89 -, Rn. 19, juris).
Dies ist hier der Fall. Der Betrieb eines als Cocktailbar genehmigten Etablissements als Shisha-Bar stellt eine von der Baugenehmigung nicht gedeckte Nutzungsänderung dar. Eine baurechtlich irrelevante Nutzungsintensivierung scheidet bereits deswegen aus, weil das Angebot von Shishas durch den hinzutretenden Kohlenstoffmonoxidausstoß sowie eine ggf. erhöhte Brandgefahr bodenrechtliche Belange berühren kann.
Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht i.S.v. § 79 Abs. 1 NBauO liegt bereits vor, wenn die Baumaßnahme ohne die nach § 59 Abs. 1 NBauO erforderliche Baugenehmigung durchgeführt wird und damit formell illegal ist. Unerheblich ist insoweit, ob ein Bauantrag gestellt wurde. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der formellen Legalität ist allein die Erteilung der entsprechenden Baugenehmigung.
Die erforderliche Baugenehmigung wurde vorliegend (bislang) nicht erteilt. Ein Ausnahmefall in Form einer verfahrensfreien Baumaßnahme liegt - wovon letztlich auch der Antragsteller selbst ausgeht - nicht vor. Die Änderung der Nutzung einer baulichen Anlage ist gem. § 60 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 NBauO verfahrensfrei, wenn das öffentliche Baurecht an die neue Nutzung weder andere noch weitergehende Anforderungen stellt. Dies hängt davon ab, ob das Vorhaben trotz der vorigen Nutzung erneut das Bedürfnis auslöst, seine bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Zulässigkeit in einem Baugenehmigungsverfahren präventiv prüfen zu lassen oder ob es nach Lage der Dinge eines solchen Verfahrens nicht bedarf, weil eine abweichende Beurteilung nicht einmal in Betracht kommt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2015 - 1 ME 31/15 -, Rn. 13, juris; Beschl. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 -, Rn. 13, juris). Die Baumaßnahme erfordert vorliegend eine erneute Prüfung. Die Nutzung der Räumlichkeiten als Shisha-Bar stellt hinsichtlich des Brandschutzes sowie des Schutzes der Gäste, Mitarbeiter und Nachbarn vor entstehendem Kohlenstoffmonoxid andere Anforderungen als die genehmigte Nutzung als Cocktailbar.
Nach gefestigter Rechtsprechung ist die formelle Baurechtswidrigkeit ausreichend, um eine Nutzungsuntersagung zu rechtfertigen, es sei denn, die Genehmigungsfähigkeit der Nutzung ist offensichtlich (OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2015 - 1 ME 31/15 -, Rn. 15, juris). In diesen Fällen kann es trotz des im Rahmen von § 79 Abs. 1 NBauO intendierten behördlichen Ermessens geboten sein, von der Nutzungsuntersagung abzusehen. Im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung ist ein Vorhaben aber nur dann offensichtlich materiell genehmigungsfähig, wenn die Übereinstimmung der Nutzung mit den Vorschriften des materiellen Baurechts sich derart aufdrängt, dass jegliche nähere Prüfung von vornherein entbehrlich erscheint (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.06.2018 - OVG 10 S 37.18 -, Rn. 11, juris und Beschl. v. 30.05.2016 - OVG 10 S 34.15 -, Rn. 10, juris), mit anderen Worten, die Genehmigungsfähigkeit ohne rechtliche Prüfung auf den ersten Blick erkennbar ist. Offensichtlich genehmigungsfähig ist der Betrieb als Shisha-Bar nicht. Dies folgt aus dem bereits beschriebenen Umstand, dass eine Prüfung des Brandschutzkonzepts der Shisha-Bar sowie eine Überprüfung im Hinblick auf das entstehendem Kohlenmonoxid, notwendig ist.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Nach ständiger Rechtsprechung des OVG Lüneburg (vgl. Beschl. v. 11.05.2015 - 1 ME 31/15 -, Rn. 15, juris; Beschl. v. 12.06.2014 - 1 LA 219/13 -, Rn. 18, juris) hat die Bauaufsichtsbehörde gegen baurechtswidrige Zustände regelmäßig einzuschreiten. Ein "Für und Wider" braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorliegen. Solche sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Untersagung des Konsums von Shishas nur für den Innenbereich stellt - anders als der Antragsteller meint - kein milderes, gleich geeignetes Mittel dar, weil auch beim Konsum Außenbereich brandschutzrechtliche Belange zu beachten sind. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Zubereitung der Kohlen - sei es im Innen- oder Außenbereich - einer Prüfung im Hinblick auf den Brandschutz erfordert. Auch eine Begrenzung der Anzahl der abgegebenen Shishas ist im Hinblick auf Brandschutzgesichtspunkte nicht gleich geeignet. Auch dass der Antragsteller die erforderliche Baugenehmigung bereits beantragt hat, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Wäre dies der Fall, könnten sich Bauherren, die bereits während des Baugenehmigungsverfahrens mit der Baumaßnahme beginnen, einen zeitlichen und ggf. auch wirtschaftlichen Vorteil gegenüber rechtstreuen Bürgern, die das Genehmigungsverfahren abwarten, verschaffen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Antragsteller bereits im Jahr 2021 einen Bauantrag gestellt. Auch etwaige finanzielle Einbußen des Antragstellers sprechen nicht für die Angemessenheit einer Ausnahme, da baurechtswidrigen Zuständen im Gewerbebereich anderenfalls in den seltensten Fällen mit bauordnungsrechtlichen Maßnahmen begegnet werden könnte. Nach dem oben Gesagten ist schließlich das Vorliegen einer konkreten Gefahr für den Erlass einer bauordnungsrechtlichen Anordnung nicht erforderlich.
(c.) Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse, das gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt, ist hinsichtlich Ziffer 1 gegeben.
Dieses ergibt sich im Fall einer - wie hier - ungenehmigten Nutzung daraus, dass von einer weiteren Nutzung während eines Rechtsbehelfsverfahrens ein Anreiz für eine Nachahmung und damit eine negative Vorbildwirkung ausgehen könnte (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.09.2014 - OVG 10 S 8.13 -, Rn. 20, juris; VG Berlin, Beschl. v. 17.10.2018 - 19 L 328.18 -, Rn. 33, juris).
Im Hinblick auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Verfahrens entscheidet das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten. Billigem Ermessen entspricht es, wenn die Antragsgegnerin insoweit die Kosten trägt, da sie sich durch die angekündigte Aufhebung von Ziffer 2 der Bauordnungsverfügung im Widerspruchsverfahren in die Rolle der Unterlegenen begeben hat. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.