Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.05.2015, Az.: 7 OB 18/15

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.05.2015
Aktenzeichen
7 OB 18/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45259
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 03.03.2015 - AZ: 5 A 6230/13

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Berichterstatterin der 5. Kammer - vom 3. März 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Sie betreibt aufgrund einer Genehmigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 18. Dezember 2012 und einer Erlaubnis dieses Ministeriums vom 10. Mai 2013 den Bahnsteig 3 am Gleis 4 des Bahnhofs Sulingen als Eisenbahninfrastruktur des öffentlichen Verkehrs in der Gestalt einer öffentlichen Serviceeinrichtung. In dem bei dem Verwaltungsgericht anhängigen Klageverfahren (Az.: 5 A 6230/13) verfolgt die Klägerin das Begehren, die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen als Betreiberin der angrenzenden Schienenwege aufzugeben, ihr, der Klägerin, den Anschluss ihres Bahnsteigs 3 an das Gleis 4 der Beigeladenen im Bahnhof Sulingen unter Beibehaltung der derzeitigen Anbindung des Bahnhofs an die Strecken 2982 Sulingen in Richtung Barenburg und 1744 Sulingen in Richtung Diepholz zu gestatten und ihr ein Angebot zum Abschluss eines Infrastrukturanschlussvertrags gemäß § 13 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) zu unterbreiten. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren durch Beschluss der Berichterstatterin vom 3. März 2015 "bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2011 (Az.: 58111 Pap 53/10) gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - zurzeit anhängig beim Bundesverwaltungsgericht (7 B 2.14, 7 C 14.14) -" ausgesetzt. Mit dem bezeichneten Planfeststellungsbeschluss hatte das Eisenbahn-Bundesamt das von der Beigeladenen getragene Vorhaben "Verbindungsspange Sulingen“ planfestgestellt. Gegenstand des Vorhabens ist der Bau eines ca. 422 m langen Gleises zur Herstellung einer direkten Verbindung der bisher über den Bahnhof Sulingen führenden Strecken 1744 Diepholz-Nienburg und 2982  Sulingen-Barenburg. Durch das Vorhaben wird der Bahnhof Sulingen vom Schienennetz abgetrennt, weil künftig Abzweigstellen und Weichen zum Anschluss an den Bahnhof nicht mehr vorgesehen sind. Der beschließende Senat hat die gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobene Klage der Klägerin durch Urteil vom 19. September 2013 abgewiesen (7 KS 209/11, juris). Auf Antrag der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht dagegen mit Beschluss vom 19. August 2014 (7 B 2.14) die Revision zugelassen, über die noch nicht entschieden ist (Az. nunmehr: 3 C 2.15).

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2015 ist gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, denn die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Klageverfahrens (5 A 6230/13) gemäß § 94 VwGO sind nicht gegeben.

Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Vorgreiflichkeit in Sinne dieser Regelung liegt nur dann vor, wenn kraft Gesetzes oder rechtslogisch die Entscheidung in einem anhängigen Verfahren von dem Bestehen oder Nichtbestehen des im anderen Verfahren anhängigen Rechtsverhältnisses abhängt (Nds. OVG, Beschl. v. 22.7.2013 - 5 OB 146/13 -, juris, m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. In dem Klageverfahren (5 A 6230/13) macht die Klägerin einen Anspruch auf Anschluss des Bahnsteigs 3 an das Gleis 4 im Bahnhof Sulingen auf der Grundlage des § 13 AEG geltend. Da sie mit der Beigeladenen eine Einigung über den Anschluss des Bahnsteigs an deren Schienenwege gemäß § 13 Abs. 1 AEG nicht erzielt hat, nimmt sie die Beklagte mit dem Ziel einer Entscheidung nach § 13 Abs. 2 AEG in Anspruch. Der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. November 2011 ist demgegenüber auf der Grundlage des § 18 AEG ergangen und betrifft den Bau eines ca. 422 m langen Verbindungsgleises zwischen den Bahnstrecken 1744 Diepholz-Nienburg und 2982 Sulingen-Barenburg unter Verzicht auf eine Anbindung an den Bahnhof Sulingen. Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens ist kein Rechtsverhältnis, von dem die Entscheidung in dem Klageverfahren auf Durchsetzung etwaiger Ansprüche der Klägerin nach § 13 AEG  ganz oder zum Teil kraft Gesetzes oder rechtslogisch abhängt. Wie die Beklagte zutreffend angemerkt und der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23. Januar 2014 (7 ME 87/13) in dem dem Klageverfahren vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ausgeführt hat, vermag das auf § 13 AEG gestützte Begehren der Klägerin ihr keine Rechtsposition zu verschaffen, die sie einem Baurecht aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 2011 entgegenhalten und mit der sie eine dauerhafte Beibehaltung der derzeitigen Anbindung des Bahnhofs Sulingen an das Streckennetz sichern könnte. Dies bedarf hier keiner Vertiefung. Die Frage, ob die Beklagte mit Erfolg gemäß § 13 Abs. 2 AEG in Anspruch genommen werden kann, lässt sich jedenfalls beantworten, ohne dass es einer rechtskräftigten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 16. November 2011 bedürfte. Bei der Entscheidung über die Verpflichtungsklage auf das Ergehen einer Entscheidung nach § 13 AEG wird es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts ankommen und das Verwaltungsgericht wird dann den Stand des Planfeststellungsverfahrens als Tatsache zu berücksichtigen haben. Sofern das Verwaltungsgericht der Auffassung ist, für die begehrten Festlegungen, die nach dem Willen der Klägerin außerhalb des derzeit noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Planfeststellungsverfahrens getroffen werden sollen, bestehe nur dann eine Notwendigkeit, wenn der Planfeststellungsbeschluss der anhängigen revisionsgerichtlichen Überprüfung Stand halte, während anderenfalls - im Fall einer Aufhebung oder Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses - die von der Klägerin begehrten Festlegungen entbehrlich werden könnten, weil die Klägerin gegenwärtig über eine Anbindung des Bahnsteigs 3 an das Gleis 4 verfüge, bleibt es der Beurteilung der Vorinstanz vorbehalten, ob bei Eintritt der zweitgenannten Variante eine Erledigungssituation eingetreten sein könnte. Für eine Vorgreiflichkeit im Sinne des § 94 VwGO reicht es nicht, wenn der zu entscheidende Rechtsstreit im Hinblick auf anderweitige Feststellungen gegenstandslos werden kann (vgl. Rudisile in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Okt. 2014, § 94 Rn. 20).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht; gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG wäre eine Gerichtsgebühr nur im Falle einer Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde zu erheben. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es daher ebenfalls nicht (Nds. OVG, Beschl. v. 17.11.2009 - 8 OB 203/09 -, juris; Beschl. v. 22.7.2013, a.a.O.).