Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.11.2015, Az.: 4 Sa 1251/13 B

Altersversorgung der Betriebskrankenkassen; Berechnung des Betriebsrentenanspruchs unter einschränkender Berücksichtigung sämtlicher Beschäftigungszeiten vor dem Wechsel in das System der betrieblichen Altersversorgung der BKK-Verbände

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
05.11.2015
Aktenzeichen
4 Sa 1251/13 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 36024
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:1105.4SA1251.13B.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 17.10.2017 - AZ: 3 AZR 737/15

Redaktioneller Leitsatz

1. Der Tarifvertrag über die Altersversorgung der BKK-Verbände (Ergänzungstarifvertrag Nr. 5 zum BAT/BKK vom 11.09.1992) vom 05.11.2002 (TV-Altersversorgung BKK-Verbände) unterscheidet bei der Bestimmung der Betriebszugehörigkeit nicht zwischen rentennahen und rentenfernen Jahrgängen; der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung erstreckt sich vielmehr auf alle nach dem BAT/BKK zurückgelegten Beschäftigungszeiten, in denen ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung erworben wurde, wobei für Beschäftigte, die bereits vor dem Wechsel der jeweiligen Arbeitgeberin in das System der betrieblichen Altersversorgung der BKK-Verbände nach dem BAT/BKK pflichtversichert waren, die bis dahin in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes berücksichtigungsfähigen Zeiten hierin eingeschlossen werden.

2. Es ist mit der Halbanrechnungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (22. März 2000 - 1 BvR 1136/96) vereinbar, den Ablauf des Jahres 2000 als den Zeitpunkt für den Beginn der erforderlichen Systemumstellung zu verstehen, nicht aber als einen Zeitpunkt, ab dem keine Rente mehr von der Halbanrechnung beeinflusst sein darf.

3. Soweit § 5 Abs. 3 Unterabs. 3 TV-Altersversorgung BKK-Verbände in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 20.10.2005 "höchstens eine Rentenleistung in Höhe dieser ermittelten Zusatzrente" vorsieht und nach dem übereinstimmenden Verständnis der Vertragsparteien mit der "ermittelten Zusatzrente" die Rente gemeint ist, die sich auf Basis der Gesamtversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ergäbe, ist diese Übergangsregelung wirksam, da weder rentennahe Jahrgänge durch die Besitzstandsregelung ("mindestens jedoch die Leistung des Altersvorsorgeplanes 2001") bevorzugt sind noch eine generelle Benachteiligung durch die "einschränkende Regelung" feststellbar ist.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts vom 22. Oktober 2013 - 13 Ca 594/12 B - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger,

1. 521,58 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 86,93 € brutto seit dem

15. Januar 2009

15. Februar 2009

15. März 2009

15. April 2009

15. Mai 2009

15. Juni 2009

2. 1.053,59 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 87,70 € brutto seit dem

15. Juli 2009

15. August 2009

15. September 2009

15. Oktober 2009

15. November 2009

15. Dezember 2009

15. Januar 2010

15. Februar 2010

15. März 2010

15. April 2010

15. Mai 2010

15. Juni 2010

3. 1.062,92 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 88,57 € brutto seit dem

15. Juli 2010

15. August 2010

15. September 2010

15. Oktober 2010

15. November 2010

15. Dezember 2010

15. Januar 2011

15. Februar 2011

15. März 2011

15. April 2011

15. Mai 2011

15. Juni 2011

4. 626,18 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 89,54 € brutto seit dem

15. Juli 2011

15. August 2011

15. September 2011

15. Oktober 2011

15. November 2011

15. Dezember 2011

15. Januar 2012

zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 15. Februar 2012 über die gezahlte Betriebsrente von 403,74 € brutto hinaus monatlich jeweils weitere 89,54 € brutto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente der Klägerin.

Die am 00.00.1943 geborene Klägerin trat auf der Grundlage eines schriftlichen befristen Arbeitsvertrages vom 1. Juni 1983 als Angestellte im Rahmen einer AB-Maßnahme in die Dienste des Beklagten. Der Beklagte ist die Dachorganisation aller Betriebskrankenkassen, die ihren Hauptsatz u. a. in A. haben. Auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrages vom 2./15. Januar 1985 war die Klägerin seit dem 1. Januar 1985 als Justiziarin für den beklagten Landesverband tätig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT/BKK) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.

Auf Grundlage des in Bezug genommenen Tarifrechtes für den öffentlichen Dienst (Bereich Betriebskrankenkassen und deren Verbände) erwarb die Klägerin beginnend mit dem 1. Januar 1985 eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Der Beklagte war Mitglied (sogenannter "Beteiligter") bei der VBL und verpflichtet, die Zusatzversorgung in Form von Umlagen, deren Höhe sich nach einem prozentualen Anteil am sogenannten zusatzversorgungspflichtigen Entgelt richtete, (mit) zu finanzieren. Mit dem Altersvorsorgeplan 2001 vom 13. November 2001 - einem dokumentierten Verhandlungsergebnis - verständigten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes sich darauf, das bisherige Gesamtversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2000 zu schließen und durch ein Betriebsrentensystem in Form eines Versorgungspunktemodells zu ersetzen. Die redaktionelle Umsetzung dieses Verhandlungsergebnisses erfolgte durch den Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002. Aus Gründen des Besitzstandschutzes berücksichtigten die Tarifvertragsparteien im Rahmen des Übergangsrechts das Jahr 2001 noch entsprechend dem bisherigen Gesamtversorgungssystems, so dass die in das neue Betriebsrentensystem zu überführenden Anwartschaften zum Stichtag 31. Dezember 2001 zu berechnen waren.

Mit der auf dem Tarifvertrag Altersversorgung - ATV beruhenden Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 um. Die zum 1. Januar 2001 rückwirkend in Kraft getretene Satzung der VBL enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als sogenannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Ausgangswert für die Berechnung der Startgutschrift für rentennahe Jahrgänge ist grundsätzlich die auf der Grundlage des am 31. Dezember 2000 geltenden Zusatzversorgungsrechts individuell ermittelte Versorgungsrente, die sich bei Eintritt des Versicherungsfalles am 31. Dezember, frühestens jedoch zum Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres ergeben würde. Davon ist die im Versorgungspunktemodell vom 1. Januar 2002 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres noch erreichbare Betriebsrente abzuziehen.

Im Zuge der Systemumstellung erteilte die VBL der Klägerin, die zu den rentennahen Jahrgängen zählt, zum 31. Dezember 2001 eine Startgutschrift über 97,29 Versorgungspunkte (dies entspricht einer monatlichen Rentenanwartschaft von 389,16 Euro). Sie berücksichtigte die Vordienstzeiten der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung (119 Monate) zur Hälfte.

Der Beklagte kündigte das Beteiligungsverhältnis zur VBL zum 31. Dezember 2002. Mit Wirkung vom 1. Januar 2003 wurde der Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 - ATV zum BAT - durch den Tarifvertrag über die Altersversorgung der BKK-Verbände vom 18. Dezember 2002 (künftig: ATV-BKK) ersetzt. Seitdem führt der Beklagte die gesamte betriebliche Altersversorgung außerhalb der aufrechterhaltenen Anwartschaften bei der VBL mit Stand "31. Dezember 2002" über einen anderen Versorgungsträger durch. In dem Ergänzungstarifvertag Nr. 5 zum BAT/BKK heißt es auszugsweise:

Präambel

Mit diesem Tarifvertrag eröffnen die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit einer eigenständigen betrieblichen Altersversorgung für die Beschäftigten der BKK-Verbände. Sie löst die bisherige Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ab. Die alternative Durchführung der Altersversorgung in einer Zusatzversorgungsanstalt des öffentlichen Dienstes bleibt weiterhin möglich.

§ 1

Überführung und Öffnungsklausel zum Verbleib in der Zusatzversorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes

(1) (Überführung) Der Altersvorsorgeplan 2001 und der Tarifvertrag Altersversorgung - ATV zum BAT vom 1. März 2002 werden durch diesen Tarifvertrag mit Wirkung vom 1. Januar 2003 ersetzt.

(2) ...

(3) Für die zusätzliche betriebliche Altersversorgung aller anderen nach dem BAT/BKK Beschäftigten gelten die nachfolgenden Regelungen dieses Tarifvertrages. Maßgebender Zeitpunkt ist der Wechsel des jeweiligen Arbeitgebers in das System der betrieblichen Altersversorgung der BKK-Verbände.

§ 2

Anspruchsberechtigter Personenkreis

(1) Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer, die nach dem BAT/BKK oder einem diesen ersetzenden oder ergänzenden Tarifvertrag beschäftigt sind.

§ 3

Anspruchsvoraussetzungen

(1) Der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nach diesem Tarifvertrag erstreckt sich auf alle nach dem BAT/BKK zurückgelegten Beschäftigungszeiten, in denen ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung erworben wurde. Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem in § 1 Abs. 3 genannten Zeitpunkt nach dem BAT/BKK pflichtversichert waren, werden die bis dahin in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes berücksichtigungsfähigen Zeiten hierin eingeschlossen.

§ 5

Betriebliche Altersrente

(2) Die monatliche betriebliche Altersrente beträgt für alle Beschäftigten, die am Tag des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages beim Arbeitgeber beschäftigt und unmittelbar vorher bei einer Zusatzversorgungseinrichtung pflichtversichert waren und das 45. Lebensjahr vollendet haben

Teil 1

0,42 % des betriebsrentenfähigen Einkommens von 70 % der Beitragsbemessungsgrenze für jedes berücksichtigungsfähige Beschäftigungsjahr

Teil 2

0,85 % des betriebsrentenfähigen Einkommens oberhalb von 70 % der Beitragsbemessungsgrenze für jedes berücksichtigungsfähige Beschäftigungsjahr

Teil 3

25 % des betriebsrentenfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze als Sockelbetrag.

Die Summe der Teile 1 bis 3 ergibt die monatliche Betriebsrente.

Als Beitragsbemessungsgrenze wird der Durchschnitt der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (West) in der gesetzlichen Rentenversicherung in einem Zeitraum von drei Kalenderjahren vor dem Versorgungsfall zu Grunde gelegt.

Für Mitarbeiter, die am Tage des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages beim Arbeitgeber beschäftigt und unmittelbar bei einer Zusatzversorgungseinrichtung pflichtversichert waren und das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, wird bei Leistungsfestsetzung mindestens die Leistung des Altersvorsorgeplanes 2001 gewährt.

Protokollnotiz zu § 5 Abs. 3

Der Begriff "Beitragsbemessungsgrenze" wird mit Wirkung zum 1. Januar 2003 durch die Worte "Vergütungsgruppe 14 mit Lebensaltersstufe 9" ersetzt.

§ 11

Anrechnung bisheriger Versorgungszusagen

(1) Auf sämtliche Rentenleistungen nach diesem Tarifvertrag werden Ansprüche, die für den gleichen Zeitraum als berücksichtigungsfähige Beschäftigungsjahre aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bestehen oder bestehen würden in vollem Umfang angerechnet. Der ermittelte Differenzbetrag ergibt in diesen Fällen die Betriebsrente.

Durch Änderungstarifvertrag Nr. 2 erhielt § 5 Abs. 3 Unterabsatz 3 mit Wirkung vom 20. Oktober 2005 folgende Fassung:

Für Mitarbeiter, die am Tage des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages beschäftigt und unmittelbar bei einer Zusatzversorgungseinrichtung pflichtversichert waren und das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben und/oder unter sonstigen Voraussetzungen von der Zusatzversorgungseinrichtung eine Startgutschrift bzw. Vergleichsberechnung erhalten, die eine Zusatzversorgungsrente auf Basis der Gesamtversorgung ermittelt, wird bei Leistungsfestsetzung höchstens eine Rentenleistung in Höhe dieser ermittelten Zusatzrente, mindestens jedoch die Leistung des Altersvorsorgeplanes 2001 gewährt.

Protokollnotiz:

Die einschränkende Regelung lässt die Anwartschaften der Beschäftigten grundsätzlich unberührt. Sie zielt auf Ausnahmefälle, die Mitarbeiter mit langen Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes über Gebühr begünstigt.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 teilte die B. der Klägerin schriftlich mit, dass sie eine Altersrente ab Alter 65 in Höhe von 1.197,19 € erhalte. Auf diese Leistungen würden die erreichten Ansprüche aus der VBL in Höhe von 409,04 € angerechnet (= 708,55 €).

Mit Ablauf des 31. Dezember 2008 trat die Klägerin in den Ruhestand. Im März 2009 ermittelte die B. für die Klägerin beginnend mit dem 1. Januar 2009 eine monatliche Bruttorente in Höhe von 391,86 €. Sie legte ihrer Berechnung 6 anrechenbare Dienstjahre (2003 - 2008) zugrunde. Zum 1. Juli 2011 passte der Beklagte die Betriebsrente um 3 % auf 403,74 € brutto an.

Der Berechnung des Beklagten liegen folgende Rechenschritte zugrunde:

70 % von 4.813,92 = 3.369,74

6 Dienstjahre

0,42 %

84,92

5.588,95 - 3.369,74 = 2.219,21

6 Dienstjahre

0.85 %

113,18

5.588,95 - 4.813,92 x 25 % = 775,03 x 25 %

25 %

193,76

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 6.753,61 € (37 x 182,53) für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Januar 2012 sowie die Feststellung, dass ihr beginnend mit dem 1. Februar 2012 ein Anspruch in Höhe weiterer 188,01 € zusteht. Sie berechnet ihre Ansprüche wie folgt:

70 % von 4.813,92 = 3.369,74

24 Dienstjahre

0,42 %

339,66

5.588,95 - 3.369,74 = 2.219,21

24 Dienstjahre

0.85 %

472,72

5.588,95 - 4.813,92 x 25 % = 775,03 x 25 %

25 %

193,76

986,15 € brutto

VBL-Rente

411,76 € brutto

Betriebsrente

391,86 € brutto

Differenzbetrag:

182,53 € brutto

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 6.753,61 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es hat darüber hinaus festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin ab dem 1. Februar 2012 über monatliche Betriebsrentenleistungen von 403,74 € brutto hinaus monatlich jeweils weitere 188,01 € brutto zu zahlen.

Gegen das ihm am 31. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 29. November 2013 Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist am 31. Januar 2014 begründet.

Der Beklagte macht geltend, für die Richtigkeit seiner Rentenberechnung spreche in systematischer Hinsicht vor allem die Protokollnotiz zu § 5 Abs. 3 Unterabs. 3 ATV-BKK. Satz 2 der Protokollnotiz verdeutliche, dass es gerade um Fälle wie dem vorliegenden gehe, in denen die VBL abweichend von § 18 Abs. 2 BetrAVG lange Vordienstzeiten (bereits) anerkannt habe. Die Protokollnotiz stelle vor allem klar, dass die "einschränkende Regelung" auf eine rechnerische Begrenzung abziele, die systematisch bei der Berücksichtigung von Betriebszugehörigkeitszeiten zur Bestimmung der Renten ansetze. Damit sei klar, dass die Kappung hinsichtlich der anzurechnenden Dienstzeiten durch deren Berücksichtigung erst ab dem 1. Januar 2003 gemäß der Berechnung der HPV vom 11. März 2009 der rechnerisch und systematisch richtige, weil am Inhalt der streitbefangenen Tarifnormen orientierte Weg zur Vermeidung einer ungewollten Überversorgung und Besserstellung der Klägerin gegenüber anderen Anwärtern und Pensionären sei.

Selbst wenn man eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten bzw. Anwärtergruppen durch die Differenzierung in § 5 Abs. 3 ATV-BKK unterstelle, sei diese sachlich gerechtfertigt und insbesondere zur Vermeidung unzulässiger Benachteiligungen der jüngeren, nicht nach der VBLS bestandsgeschützten Anwärter und (späteren) Betriebsrentner geboten.

Hinsichtlich der Rentenhöhe sei es nicht darum gegangen, die bisherigen Leistungen anzupassen bzw. deutlich zu erhöhen, sondern die Tarifvertragsparteien hätten primär zu einer Öffnung des Durchführungsweges gelangen wollen. Die Anwartschafts-/Rentenhöhe habe gleichbleiben, also entsprechend dem Wortlaut von § 5 Abs. 3 ATV-BKK "mindestens ... die Leistung des Altersvorsorgeplanes 2001" umfassen, in Altfällen (bei Angehörigen rentennaher Jahrgänge) keinesfalls jedoch das bis 31. Dezember 2000 geltende Gesamtversorgungsniveau übersteigen sollen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 22. Oktober 2013 - 13 Ca 594/12 B - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

B. Die Berufung des Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 2.

Der Antrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach dieser Bestimmung nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie - wie vorliegend - auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10).

II. Die Klage ist nur zum Teil begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin ab dem 1. Januar 2009 eine um 86,93 € brutto höhere monatliche Betriebsrente zu zahlen und diese jährlich zum 1. Juli um 1 % anzupassen. Daher schuldet er der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Januar 2012 eine rückständige Betriebsrente in Höhe von 3.264,27 € brutto. Seit dem 1. Februar 2012 kann die Klägerin die Zahlung weiterer 89,45 € brutto monatlich verlangen.

1.a. Die Klägerin gehört zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 2 des Tarifvertrages über die Altersversorgung der BKK-Verbände (Ergänzungstarifvertrag Nr. 5 zum BAT/BKK vom 11. September 1992) vom 5. November 2002. Nach § 6 Abs. 1 ATV-BKK besteht ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung mit Erreichen der Regelrentenalters in der gesetzlichen Rentenversicherung, frühestens jedoch mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Rente wird ab dem Monat gewährt, der der Vollendung des 65. Lebensjahres folgt. Das ist vorliegend der 1. Januar 2009.

b. Bemessungsgrundlage für die Höhe der betrieblichen Altersversorgung ist das in den letzten Jahren vor Eintritt in den Ruhestand ermittelte monatliche Bruttoeinkommen. Dieses beträgt unstreitig 5.588,95 €. Als Beitragsbemessungsgrenze wird mit Wirkung zum 1. Januar 2003 die "Vergütungsgruppe 14 mit Lebensaltersstufe 9" zu Grunde gelegt, § 5 Abs. 3 ATV-BKK. Diese beträgt 4.813,92 €.

c. § 3 Abs. 1 ATV-BKK sieht vor, dass sich der Anspruch auf alle nach dem BAT/BKK zurückgelegten Beschäftigungszeiten erstreckt, in denen ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung erworben wurde. Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem in § 1 Abs. 3 ATV-BKK genannten Zeitpunkt nach dem BAT/BKK beschäftigt und in einer Zusatzversorgungsanstalt des öffentlichen Dienstes pflichtversichert waren, werden die bis dahin in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes berücksichtigungsfähigen Zeiten hierin eingeschlossen. Maßgebender Zeitpunkt ist der Wechsel des jeweiligen Arbeitgebers in das System der betrieblichen Altersversorgung der BKK-Verbände, vorliegend der 1. Januar 2003.

Der Beschäftigungszeit der Klägerin sind folgende Zeiten zugrunde zu legen:

1. Umlagemonate VBL bis 31.12.2001

204 Monate

2. Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bis 31.12.2001

323 Monate

3. Monate nach 2. abzügl. Monate nach 1.

119 Monate

zur Hälfte

59,50 Monate

zuzüglich Monate nach 1.

263,50 Monate

4. zuzüglich Monate vom 01.01.2002 bis zum 31.12. 2008

84 Monate

347,50 Monate = 28,96 Jahre

d. § 11 ATV-BKK bestimmt, dass auf sämtliche Rentenleistungen Ansprüche, die für den gleichen Zeitraum als berücksichtigungsfähige Beschäftigungsjahre aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bestehen, in vollem Umfang angerechnet werden. Der ermittelte Differenzbetrag ergibt in diesen Fällen die Betriebsrente.

Der der Klägerin zustehende Anspruch berechnet sich im ersten Schritt wie folgt:

70 % von 4.813,92 = 3.369,74

28,96 Dienstjahre

0,42 %

409,87

5.588,95 - 3.369,74 = 2.219,21

28,96 Dienstjahre

0,85 %

556,28

5.588,95 - 4.813,92 x 25 % = 775,03 x 25 %

25 %

193,76

1.159,91 € brutto

abzüglich VBL

411,76 € brutto

748,15 € brutto

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht nur von einer Betriebszugehörigkeit von sechs Jahren auszugehen. Das ergibt die Auslegung des ATV-BKK.

a. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 14. Juli 2015 - 3 AZR 903/13).

b. Der ATV-BKK differenziert bei der Definition der Betriebszugehörigkeit gerade nicht zwischen den rentennahen und rentenfernen Jahrgängen. Vielmehr erstreckt sich der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung auf alle nach dem BAT/BKK zurückgelegten Beschäftigungszeiten, in denen ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung erworben wurde. Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem in § 1 Abs. 3 genannten Zeitpunkt nach dem BAT/BKK pflichtversichert waren, werden die bis dahin in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes berücksichtigungsfähigen Zeiten hierin eingeschlossen, § 3 ATV-BKK. Ein davon abweichender Wille des Tarifvertragsparteien hat im Tarifvertrag jedenfalls keinen Niederschlag gefunden.

3. Die im ersten Schritt ermittelte Betriebsrente der Klägerin in Höhe von 748,15 € wahrt den Besitzstand der Klägerin. § 5 Abs. 3 Unterabsatz 5 des ATV-BKK sieht vor, dass für Mitarbeiter, die am Tage des Inkrafttretens des Tarifvertrages beim Arbeitgeber beschäftigt und unmittelbar bei einer Zusatzversorgungseinrichtung pflichtversichert und das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, bei Leistungsfestsetzung mindestens die Leistung des Altersvorsorgeplanes 2001 gewährt wird. Dieser sieht neben der Zahlung der VBL-Rente in Höhe von 411,76 € eine Vergleichsberechnung nach dem Punktemodell der VBL für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2008 vor. In der Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2008 hätte die Klägerin weitere 27,33 Punkte erzielen und damit eine weitere Bruttorente in Höhe von 109,32 € (27,33 x 4,00 €) erwerben können.

4. Die ermittelte Betriebsrente der Klägerin in Höhe von 748,15 € unterfällt der "einschränkenden" Regelung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 zum Tarifvertrag über die Altersversorgung der BKK-Verbände. Danach wird mit Wirkung vom 20. Oktober 2005 für Mitarbeiter, die am Tage des Inkrafttretens des Tarifvertrages beim Arbeitgeber beschäftigt und unmittelbar bei einer Zusatzversorgungseinrichtung pflichtversichert waren und das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben und von der Zusatzversorgungseinrichtung eine Startgutschrift erhalten, die eine Zusatzversorgungsrente auf Basis der Gesamtversorgung ermittelt, bei Leistungsfestsetzung höchstens eine Rentenleistung in Höhe dieser ermittelten Zusatzrente gewährt.

a. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Regelung. Sie war am Tage des Inkrafttretens des Tarifvertrages (1. Januar 2003) bei dem Beklagten beschäftigt, hatte das 55. Lebensjahr bereits vollendet und erhält von der VBL eine Startgutschrift, die eine Zusatzversorgung auf Basis der Gesamtversorgung ermittelt. Sie gehört zu den rentennahen Pflichtversicherten, deren Startgutschriften in der VBL grundsätzlich nach Maßgabe des abgelösten Gesamtversorgungssystems berechnet werden, wobei als Rentenbeginn bei diesen Versicherten das 63. Lebensjahr unterstellt wird (§ 79 Abs. 2 VBLS). Bei den jüngeren Pflichtversicherten, die nicht vom Kreis der rentennahen Jahrgänge erfasst werden (rentenferne Pflichtversicherte), erfolgt die Berechnung der Startgutschrift hingegen durch Verweis in § 69 Abs. 1 VBLS nach dem Pauschalverfahren gem. § 18 Abs. 2 BetrAVG.

b. § 5 Abs. 3 Unterabsatz 3 ATV-BKK sieht "höchstens eine Rentenleistung in Höhe dieser ermittelten Zusatzrente" vor. Nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien ist mit der "ermittelten Zusatzrente" die Rente gemeint, die sich auf Basis der Gesamtversorgung der VBL ergäbe. Die maßgebende Gesamtversorgung der Klägerin beträgt 1.744,19 €. Nach Abzug der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.265,40 € ergibt sich eine Anwartschaft auf eine Versorgungsrente in Höhe von 478,79 € (Anlage 3 zum Schreiben der VBL vom 17. September 2003, Bl. 32 d. A.). Unter Abzug der von dem Beklagten gezahlten Rente in Höhe von 391,86 € ergibt sich für die Klägerin beginnend mit dem 1. Januar 2009 ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren Betriebsrente in Höhe von 86,93 € brutto (478,79 - 391,86).

c. Die Protokollnotiz schränkt den Anwendungsbereich der "einschränkenden Regelung" nicht auf Mitarbeiter mit langen Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes ein. Protokollnotizen oder -erklärungen können eigenständiger Teil eines Tarifvertrags sein (BAG 29. September 2010 - 10 AZR 630/09; 27. Januar 2011 - 6 AZR 382/09). Gegebenenfalls ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Protokollnotiz oder -erklärung eine tarifliche Inhaltsnorm darstellt oder lediglich bei der Auslegung der tariflichen Regelungen zu berücksichtigen ist (BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 51/11). Entscheidend ist, ob der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Gegen die Charakterisierung der Protokollnotiz als Inhaltsnorm spricht vorliegend schon die Tatsache, dass sie als Inhaltsnorm dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Prinzip der Normenklarheit nicht genügen würde. Die "Ausnahmefälle, die Mitarbeiter mit langen Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes über Gebühr" begünstigen, sind einer Subsumtion nicht zugänglich. Die Protokollnotiz ist dahingehend zu verstehen, dass sie - vor allem - auf Mitarbeiter mit langen Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes abzielt, ohne eine lange Vordienstzeit zur Anspruchsvoraussetzung der Regelung zu machen.

1. § 5 Abs. 3 ATV-BKK in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 ist wirksam.

a. Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12).

Art. 3 Abs. 1 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird. Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12).

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07; BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 19. Dezember 2013 -6 AZR 94/12; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12). Bei der Gruppenbildung dürfen die Tarifvertragsparteien generalisieren und typisieren. Ihre Verallgemeinerungen müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären.

b. Die hier in Frage stehende Bestimmung des § 5 Abs. 3 Unterabs. 5 ATV-BKK erfüllt die so definierten Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung.

aa. Das Gegenteil ergibt sich entgegen der Annahme der Klägerin nicht schon daraus, dass die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts aus der Halbanrechnungsentscheidung (22. März 2000 - 1 BvR 1136/96) bei der Anrechnungsbestimmung in § 11 ATV-BKK und der Änderung des § 5 Abs. 3 Unterabs. 3 ATV-BKK nicht beachtet worden wären.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Halbanrechnungsentscheidung nicht gemeint, dass für alle Rentner die Rente ab dem 1. Januar 2001 nicht mehr von der Halbanrechnung beeinflusst sein dürfe. Zwar kann nach einem in der Halbanrechnungsentscheidung enthaltenen Satz "die Benachteiligung der Rentner" durch die Halbanrechnung "nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden". Doch kann die Gesamtaussage dieser Entscheidung nicht anhand einer isoliert herausgegriffenen Formulierung ermittelt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Halbanrechnungsentscheidung keine "harte" Grenze anhand eines Geburtsjahrgangs oder eines anderen präzisen Kriteriums gezogen. Vielmehr stützt sich die Bewertung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Veränderung der Verhältnisse auf eine Vielzahl von Aspekten, die sich nicht gleichzeitig und schlagartig auswirken. Zu dem im Vordergrund stehenden Gesichtspunkt des Wandels der typischen Erwerbsbiographie treten verwaltungstechnische Erwägungen und der Finanzierungsgesichtspunkt ebenso hinzu wie die besonders wertungsgeprägte Frage, ob eine Orientierung an der Beamtenversorgung unter den heutigen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen noch sachgerecht ist. Zusätzlich unterliegt dieser Komplex von Aspekten einer ständigen Veränderung. Die Erkenntnis, dass es sich um einen dynamischen Prozess handelt, spiegelt sich in der Halbanrechnungsentscheidung in der Erwägung wider, dass die auch im öffentlichen Dienst stark gestiegene Anzahl der Teilzeitbeschäftigten und die allgemein stärkere Diskontinuität im Laufe des Erwerbslebens auf eine weitergehende Entwicklung hindeuten.

Vor diesem Hintergrund ist es mit der Halbanrechnungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, den Ablauf des Jahres 2000 als den Zeitpunkt für den Beginn der erforderlichen Systemumstellung zu verstehen, nicht aber als einen Zeitpunkt, ab dem keine Rente mehr von der Halbanrechnung beeinflusst sein dürfte (BVerfG 18. April 2008 - 1 BvR 759/05). Dieses Verständnis respektiert zum einen den in der Entscheidung selbst zum Ausdruck kommenden Umstand, dass die 3. Kammer des 1. Senats zwar den Anstoß zu einer Veränderung geben wollte, im Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses aber keine vollständige inhaltliche Handlungsanleitung für die Tarifvertragsparteien und den Satzungsgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht erstellen wollte und konnte. Zum anderen trägt dieses Verständnis dem Umstand Rechnung, dass die Kammer die Zeitgrenze "Ende des Jahres 2000" mit Rücksicht auf die in der Entscheidung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1998 (1 BvR 1554/89) gesetzte Frist für die ohnehin anstehende Reform wählte.

bb. Die Übergangsregelung in § 5 Abs. 3 Unterabs. 5 ATV-BKK ist wirksam, weil sie einerseits die rentennahen Jahrgänge durch die Besitzstandsregelung ("mindestens jedoch die Leistung des Altersvorsorgeplanes 2001") bevorzugt, eine generelle Benachteiligung durch die "einschränkende Regelung" vom 20. Oktober 2005 hingegen nicht feststellbar ist.

Während für die Startgutschriften der rentenfernen Versicherten nach den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS auf die Regelung des § 18 Abs. 2 BetrAVG zurückgegriffen wird, bleibt den rentennahen Versicherten mit der Startgutschrift im Grundsatz die Versorgungsrente erhalten, die sie nach dem bisherigen Gesamtversorgungssystem bezogen hätten, wenn sie bis zum 63. Lebensjahr im öffentlichen Dienst tätig gewesen und dann in Rente gegangen wären. Der Startgutschrift liegt insoweit eine fiktive Versorgungsrente zum 63. Lebensjahr zugrunde, die sich im Grundsatz nach dem bisherigen Zusatzversorgungsrecht berechnet. Die Übergangsregelung für die rentennahen Versicherten beschränkt sich daher - anders als die für die rentenfernen Versicherten - nicht auf den Schutz des nach den Berechnungsregeln des § 18 Abs. 2 BetrAVG zu bestimmenden erdienten Teilbetrages, sondern zielt auf die Übertragung eines darüber hinausgehenden Besitzstandes ab. Das ist Ausdruck eines erhöhten Vertrauensschutzes. Anders als rentenferne Versicherte können sie wegen des nahen Rentenbeginns ihre Altersversorgung nicht mehr umstellen oder haben jedenfalls nur eingeschränkt die Möglichkeit, Kürzungen in der Zusatzversorgung durch eigene Bemühungen - beispielsweise mittels einer freiwilligen Höherversicherung - auszugleichen.

cc. Eine generelle Benachteiligung der rentennahen Jahrgänge durch die einschränkende Regelung vom 20. Oktober 2005 ist hingegen nicht feststellbar. Die Klägerin sieht in der Höchstbegrenzung eine Schlechterstellung der rentennahen Jahrgänge gegenüber den Beschäftigten, die als rentenferne Versicherte in das Punktesystem der VBL übergeleitet wurden. Sie könnten Versorgungsanwartschaften ohne eine solche "Deckelung" erwerben.

Zweck der Besitzstandsregelung war es, rentennahen Versicherten einen weitergehenden Besitzstandsschutz - gemessen an der Zusatzversorgung in der VBL - zu gewähren als den rentenfernen Versicherten. Dieses Ziel ist für alle rentennahen Versicherten durch die Bezugnahme auf den Altersvorsorgeplan 2001 erreicht worden. Aus dem Tarifvertrag selbst ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien die bisherigen Leistungen für alle Mitarbeiter anpassen bzw. deutlich verbessern wollten. Die vom Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 1. Juli 2014 überreichten Anlagen sprechen eine andere Sprache. Sie verdeutlichen, dass der Beklagte mit dem Ausstieg aus der VBL und den Einstieg in ein eigenes Altersversorgungsmodell die Gesamtkostenbelastung nicht erhöhen und für die Beschäftigten ein angemessenes Leistungsniveau sicherstellen wollte, das sich an dem VBL-Leistungsniveau Stand 2001 orientiert. Die im Tatbestand wiedergegebene eigene Berechnung der Klägerin aus der Klageschrift verdeutlicht anschaulich, dass die Tarifvertragsparteien die Leistungen der Mitarbeiter, die ein betriebsrentenfähiges Einkommen bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze beziehen, gegenüber den Leistungen aus der VBL nicht merklich angehoben haben. Eine erhebliche Verbesserung der Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ergibt sich nur bei den Mitarbeitern, die - wie die Klägerin - ein Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze beziehen. Das verdeutlicht die folgende Gegenüberstellung: Die Klägerin bezieht seit dem 1. Januar 2009 von der VBL unter Zugrundelegung einer Beschäftigungszeit von 26,96 Jahren eine Zusatzrente in Höhe von 411,76 €, von dem Beklagten nach dem ATV-BKK vom 18. Dezember 2002 eine Betriebsrente in rechnerisch zutreffender Höhe von 489,79 €.

Der ATV-BKK differenziert bei der Definition der Betriebszugehörigkeit gerade nicht zwischen den rentennahen und rentenfernen Jahrgängen. Vielmehr erstreckt sich der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung auf alle nach dem BAT/BKK zurückgelegten Beschäftigungszeiten, in denen ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung erworben wurde. Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem in § 1 Abs. 3 genannten Zeitpunkt nach dem BAT/BKK pflichtversichert waren, werden die bis dahin in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes berücksichtigungsfähigen Zeiten hierin eingeschlossen, § 3 ATV-BKK. Ein davon abweichender Wille des Tarifvertragsparteien hat im Tarifvertrag jedenfalls keinen Niederschlag gefunden.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.