Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.08.2015, Az.: 12 Sa 245/15

Zeitzuschläge für Bereitschaftsdienst eines Rettungsassistenten in DRK-Kreisverband

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
31.08.2015
Aktenzeichen
12 Sa 245/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 33743
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:0831.12SA245.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 03.02.2015 - AZ: 2 Ca 275/14

Amtlicher Leitsatz

Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport erhalten nach dem konkreten Haustarifvertrag (angelehnt an den DRK Reformtrarifvertrag) zusätzlich zum Bereitschaftsentgelt nach § 3 Abs. 1 der Sonderregelung den 25%igen Zeitzuschlag für Bereitschaftsdienste nach § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) des MTV.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 3. Februar 2015 - 2 Ca 275/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zeitzuschläge für Bereitschaftsdienst.

Der Kläger ist seit Februar 2005 als Rettungsassistent mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden für den beklagten Verein tätig. Seine monatliche Vergütung als Angestellter der Entgeltgruppe 8 Stufe 3 betrug im Mai 2014 2.481,14 € brutto. In der Zeit vom 27.10.2013 bis zum 30.05.2014 leistete der Kläger vielfach Bereitschaftsdienst, welcher mit insgesamt 61,5 Stunden als Arbeitszeit gewertet wurde.

In der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz am 31.08.2015 wurde zwischen den Parteien unstreitig, dass auf ihr Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung nicht der DRK-Reformtarifvertrag, sondern ein zwischen der Gewerkschaft B. und der Beklagten abgeschlossener Haustarifvertrag mit der Bezeichnung "Manteltarifvertrag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DRK Kreisverbandes C-Stadt- e.V." Anwendung findet. Dessen Regelungen lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 13 Sonderformen der Arbeit

(...)

(3) Bereitschaftsdienst leistet der Mitarbeiter, der sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. (...)

§ 14 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

(...)

(2) Der Mitarbeiter erhält neben seinem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung bzw. deren Bewertung als Arbeitszeit gemäß Absatz 10 und 11 Zeitzuschläge. 2Bei Überstunden richtet sich das Entgelt nach der jeweiligen Entgeltgruppe und der individuellen Stufe, höchstens jedoch der Stufe 4. 3Bei Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaft gilt die für die Arbeitszeit gewertete Zeit, auch für die in der Rufbereitschaft tatsächlich geleitete Arbeit. 4Die Zeitzuschläge betragen:

a)

für nicht durch Freizeit gemäß Absatz 1 ausgeglichene Überstunden

50 v.H.

b)

für Sonntagsarbeit

25 v.H.

c)

für Feiertagsarbeit mit Freizeitausgleich

für Feiertagsarbeit ohne Freizeitausgleich

35 v.H.

135 v.H.

d)

für Arbeit am 24. Dezember und 31. Dezember jeweils ab 14.00 Uhr

35 v.H.

e)

für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaftsdienst

25 v.H.

des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts.

3Pro geleistete Stunde wird für

f)

Nachtarbeit ein Zuschlag von

EUR 1,28

gezahlt. 4Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge nach Absatz 2 Satz 2 Buchstabe b) bis d) wird nur der höchste Zeitzuschlag geleistet. 5Auf Wunsch des Mitarbeiters können, soweit ein Arbeitszeitkonto (§ 15) eingerichtet ist und die betrieblichen Verhältnisse es zulassen, die nach Satz 2 Buchstabe b) bis d) zu zahlenden Zeitzuschläge entsprechend dem jeweiligen Vomhundertsatz einer Stunde in Zeit umgewandelt und ausgeglichen werden. 6Dies gilt entsprechend für Überstunden als solche.

Protokollerklärung zu Absatz 2 Satz 1:

Bei Überstunden richtet sich das Entgelt nach der jeweiligen Entgeltgruppe und der individuellen Stufe, höchstens jedoch der Stufe 4. Bei Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft gilt Satz 1 der Protokollerklärung für die als Arbeitszeit gewertete Zeit. Dies gilt auch für die in der Rufbereitschaft tatsächlich geleistete Arbeit.

(3) Für die Zeit des Bereitschaftsdienstes und der Rufbereitschaft einschließlich der geleisteten Arbeit werden Zeitzuschläge gemäß Absatz 2 b), c), d) bzw. f) nicht geleistet.

(...)

(10) Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit entsprechend dem Anteil der erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Zeit der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gewertet und mit der Bereitschaftsdienstvergütung gemäß Absatz 2 e) vergütet. 2Die Bewertung darf 15 v.H., vom achten Bereitschaftsdienst im Kalendermonat an 25 v.H. nicht unterschreiten. 3Diese Vergütung entfällt, soweit entsprechende Arbeitsbefreiung bis zum Ende des dritten Kalendermonats erteilt wird (Freizeitausgleich). 4Für den Freizeitausgleich ist eine angefangene halbe Stunde, die sich bei der Berechnung ergeben hat, auf eine halbe Stunde aufzurunden. 5Für die Zeit des Freizeitausgleichs werden die Vergütung und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt. 6Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich im Ausgleichszeitraum nach § 12 Absatz 2 nicht überschreiten."

Zudem gelten zwischen den Parteien die "Sonderregelungen für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport" deren § 3 das "Bereitschaftsentgelt" wie folgt regelt

"(1)

1Zum Zwecke der Entgeltberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit wie folgt als Arbeitszeit gewertet.

Nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes wie folgt als Arbeitszeit gewertet:

Stufe

Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes

Bewertung als Arbeitszeit

A

0 bis 10 v.H.

40 v.H.

B

mehr als 10 bis 25 v.H.

50 v.H.

C

mehr als 25 bis 40 v.H.

65 v.H.

D

mehr als 40 bis 49 v.H.

80 v.H.

2Die Zuordnung zu einer Stufe des Bereitschaftsdienstes erfolgt jeweils für einen Zeitraum von sechs Monaten.

(2) Ein geleisteter Bereitschaftsdienst kann gemäß § 14 Abs. 10 S. 3 ff. in Freizeit abgegolten werden."

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die vom Kläger im Zeitraum von Dezember 2013 bis Mai 2014 geleisteten Bereitschaftsdienste, die mit 61,5 Stunden bewertet wurden, durch tatsächlich gewährten Freizeitausgleich kompensiert wurden. Ein etwaiger 25 %-Zuschlag ist jedoch in diesen Freizeitausgleich nicht eingeflossen.

Mit Schreiben der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft B. vom 28.05.2014 verlangte der Kläger erfolglos die Zahlung von Zeitzuschlägen in Höhe von 25 % für diese Bereitschaftsdienste in der Zeit von Dezember 2013 bis Mai 2014 in Höhe von insgesamt 228,17 € brutto. Im Rahmen der am 30.09.2014 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangenen Zahlungsklage hat der Kläger geltend gemacht, dass die tarifliche Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) einen 25 %igen Zuschlag für Bereitschaftsdienst vorsehe, welcher von dem Beklagten noch nicht ausgeglichen worden sei. Freizeitausgleich habe der Beklagte lediglich im Umfange der 61,5 Stunden, nicht jedoch in Höhe der noch ausstehenden 25 %igen Zuschläge gewährt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 228,17 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der beklagte Verein hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der beklagte Verein hat zur Begründung ausgeführt, dem Zahlungsanspruch müsse bereits deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil § 3 Abs. 2 der Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport die Möglichkeit des Freizeitausgleichs für geleistete Bereitschaftsdienste ausdrücklich vorsehe. Von dieser Möglichkeit habe der beklagte Verein unstreitig Gebrauch gemacht. Zudem werde der in § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) vorgesehene Zeitzuschlag für Bereitschaftsdienste für den Bereich des Rettungsdienstes und Krankentransportes durch die entsprechende Sonderregelung verdrängt. Das zu zahlende Bereitschaftsdienstentgelt ergebe sich abschließend aus § 3 der Sonderregelung.

Mit Urteil vom 03.02.2015 hat das Arbeitsgericht Braunschweig der Zahlungsklage voll umfänglich stattgegeben und hat die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass der in § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) normierte 25 %ige Zuschlag für geleisteten Bereitschaftsdienst nicht durch die Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst zum Krankentransport verdrängt werde. Diese Entscheidung wurde am 18.02.2015 an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt. Die hiergegen gerichtete Berufungsschrift des Beklagten ist am 12.03.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung des Beklagten vom 02.04.2015 ist am 07.04.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, dass mit § 3 der Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport das zu zahlende Bereitschaftsdienstentgelt abschließend geregelt sei. § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) des Manteltarifvertrages könne daneben nicht mehr zur Anwendung kommen. Die zur Bewertung als Arbeitszeit in § 3 Abs. 1 der Sonderregelung gebildete Staffel sei deutlich günstiger als die "normale" Vergütung für Bereitschaftsdienste, welche sich aus § 14 Abs. 10 des MTV ergebe. Die für die Beschäftigten mit der Leistung eines Bereitschaftsdienstes einhergehenden Belastungen seien durch diese erhöhte Grundvergütung bereits angemessen und vollständig berücksichtigt. Zudem ergebe sich aus der tariflichen Regelung, dass für die Zahlung von Zeitzuschlägen immer dann kein Raum mehr sei, wenn die geleisteten Zeiten bereits durch Freizeitausgleich kompensiert worden seien. Ergänzend wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 02.04.2015 (Bl. 89 ff. d.A.) verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Braunschweig vom 03.02.2015 - 2 Ca 275/14 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend, dass die Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport die Regelungen des Manteltarifvertrages nur insoweit verdränge als in der Sonderregelung ausdrücklich andere Bestimmungen getroffen worden seien. Der Anspruch auf einen 25 %igen Zeitzuschlag für geleistete Bereitschaftsdienste ergebe sich eindeutig aus § 14 Abs. 2 e) MTV. Diese zugunsten des Klägers angefallenen Zeitzuschläge seien von dem Beklagten noch nicht durch Freizeit ausgeglichen worden. § 3 der Sonderregelung befasse sich nur mit der Berechnung des Bereitschaftsdienstentgeltes. Regelungen zu den über das Bereitschaftsdienstentgelt hinaus zu zahlende Zeitzuschläge enthalte die Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport nicht. Es könne und müsse daher ergänzend auf § 14 Abs. 2 e) MTV zurückgegriffen werden. Im Übrigen wird auf die Berufungserwiderung des Klägers vom 10.06.2015 (Bl. 103 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet.

I.

Die Berufung ist trotz des Nichtüberschreitung des Wertes des Beschwerdegegenstandes von 600 € nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft, weil das Arbeitsgericht die Berufung gem. § 64 Abs. 3 Ziff. 2 b) ArbGG ausdrücklich zugelassen hat. Dies war nach dem Vorbringen der Parteien in erster Instanz nur folgerichtig. Erst zum Ende der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat sich herausgestellt, dass die Parteien tatsächlich nicht über die Anwendbarkeit des bundesweit anwendbaren DRK-Reformtarifvertrages streiten, sondern dass es sich lediglich um einen Haustarifvertrag handelt, welcher über den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Braunschweig hinaus keine Geltung beansprucht. Dies stellt die vom Arbeitsgericht vorgenommene Zulassung der Berufung jedoch nicht in Frage. Das Landesarbeitsgericht ist an die tatsächlich erfolgte Berufungszulassung gebunden, auch wenn deren Voraussetzungen objektiv nicht vorlagen (GMP/Germelmann ArbGG § 64 Rn. 48).

Nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 18.02.2015 ist innerhalb der Monatsfrist Berufung eingelegt und die Berufung auch innerhalb der weiteren Monatsfrist begründet worden.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen für Bereitschaftsdienst in Höhe von 228,17 € brutto gem. § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) MTV nebst Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe. Dem stehen weder der erfolgte Freizeitausgleich der arbeitszeitgewerteten Bereitschaftsdienste noch die Sonderregelungen für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport entgegen.

1.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zur erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 10.02.2015, 3 AZR 904/13, Rn. 27).

2.

Der Anspruch des Klägers auf Vergütung des 25 %igen Zuschlags auf die geleisteten 61,5 Stunden folgt aus § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) des Manteltarifvertrags für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DRK Kreisverbandes Brauschweig-Salzgitter e.V.

a)

Diese tarifliche Regelung bestimmt, dass Mitarbeiter neben ihrem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung bzw. deren Bewertung als Arbeitszeit Zeitzuschläge erhalten. Dieser Zeitzuschlag beträgt für Bereitschaftsdienste 25 v.H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts. Derweil für Zeiten des Bereitschaftsdienstes Zeitzuschläge wegen der Arbeit an Sonntagen und Feiertagen ausdrücklich nicht gezahlt werden, bleibt der Zuschlag in Höhe von 25 % für die besonderen Belastungen des Bereitschaftsdienstes unangetastet (§ 14 Abs. 3 MTV). Zwar bestimmt § 14 Abs. 10 Satz 3 MTV dass die Vergütung für Bereitschaftsdienste insgesamt entfällt, soweit "entsprechende Arbeitsbefreiung" bis zum Ende des dritten Kalendermonats erteilt wird (Freizeitausgleich). Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist jedoch zu berücksichtigen, dass zuvor nicht nur die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit nach entsprechenden Erfahrungswerten zu ermitteln ist, sondern dass diese Werte noch um den Zuschlag für den Bereitschaftsdienst gem. § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) MTV zu erhöhen sind. Nur wenn und insoweit der Arbeitgeber sowohl die Bereitschaftsdienstvergütung und den Zeitzuschlag in Freizeit ausgleicht, erübrigt sich eine gesonderte Vergütung. Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht geschehen. Der Kläger ist lediglich im Umfange der 61,5 Stunden freigestellt worden. Eine um 25 % erhöhte Freistellung ist nicht erfolgt.

b)

Die nach § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) MTV bestehende Zuschlagspflicht wird nicht durch die Sonderregelung für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport verdrängt. In § 1 dieser Sonderregelung ist zum Geltungsbereich geregelt, dass für diesen gesonderten Mitarbeiterkreis die Arbeitsbedingungen des MTV gelten, soweit in der Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist. Durch diese Regelungssystematik wird der MTV nicht insgesamt verdrängt, sondern nur partiell insoweit die Sonderregelung etwas "anderes bestimmt".

Eine andere Bestimmung trifft die Sonderregelung in § 3 bezüglich des Bereitschaftsdienstentgelts. Zum Zwecke der Entgeltabrechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit nach der Staffelung von Stufe A bis Stufe D als Arbeitszeit gewertet. Dadurch wird die Vergütungsberechnung für den Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 10 MTV verdrängt. Es gelten die in der Sonderregelung gebildeten - für die Arbeitnehmer günstigeren - Staffeln. Zu den Zeitzuschlägen gem. § 14 Abs. 2 Satz 4 Buschstabe e) MTV verhält sich hingegen § 3 der Sonderregelung nicht. Dabei haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 14 Abs. 3 MTV gezeigt, dass sie die Frage des Verhältnisses der einzelnen Zuschläge zueinander im Falle der Leistung von Bereitschaftsdienst bedacht haben. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 14 Abs. 3 MTV erhalten die Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst zwar weder Sonntags- noch Feiertagszuschläge, aber die besonderen Belastungen des Bereitschaftsdienstes werden insgesamt mit einem Zeitzuschlag von 25 % - unabhängig von der konkreten Lage der Bereitschaftsdienste - kompensiert. Wenn die Tarifvertragsparteien auch die besondere Zuschlagsregelung für den Bereitschaftsdienst aus § 14 Abs. 2 e) MTV durch die Regelung zum Bereitschaftsdienstentgelt in § 3 der Sonderregelung hätten verdrängen wollen, hätten sie hierzu eine ausdrückliche Regelung treffen müssen. Da dies unterblieben ist, gilt in Anwendung von § 1 der Sonderregelung, dass der MTV - also auch einschließlich von § 14 Abs. 2 Satz 4 Buschstabe e) MTV - uneingeschränkt gilt, soweit in der Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist. Dieses Ergebnis wird nach Auffassung der Kammer auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Tarifvertragsparteien in § 14 Abs. 10 Satz 1 MTV von "der Bereitschaftsdienstvergütung gemäß Absatz 2 e)" sprechen und somit offenbar auch den Zeitzuschlag gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 Buschstabe e) MTV auch als Teil der "Bereitschaftsdienstvergütung" sehen. Diese Terminologie widerspricht indes der Begrifflichkeit in § 14 Abs. 2 MTV, wo zwischen dem "Entgelt" und den "Zeitzuschlägen" klar unterschieden wird.

c)

Der Beklagte kann seine Rechtsauffassung zur Auslegung der streitbefangenen tariflichen Bestimmungen nicht auf das Urteil des BAG vom 12.12.2012 (5 AZR 918/11) stützen. In Würdigung von § 39 Abs. 2 DRK-TV-O hatte das Bundesarbeitsgericht dort entschieden, dass es rechtlich nicht zu beanstanden sei, dass für den Bereitschaftsdienst einschließlich der während des Bereitschaftsdienstes geleisteten Arbeit keine Zeitzuschläge vorgesehen sind. Zugrunde lag jedoch eine im entscheidenden Punkt deutlich abweichende tarifvertragliche Regelung: § 39 Abs. 2 DRK-TV-O regelt nämlich explizit, dass "für die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit und für die Zeit der Rufbereitschaft (...) Zeitzuschläge nicht gezahlt" werden. Eine solche Regelung fehlt im vorliegend zu beurteilenden Tarifwerk. Wenn die Tarifvertragsparteien die grundsätzlich für den Bereitschaftsdienst zu gewährenden Zeitzuschläge hätten ausschließen wollen, hätten sie eine entsprechende Regelung treffen müssen. Die Wirksamkeit einer solchen Regelung stünde dann mit Rücksicht auf die Entscheidung des BAG vom 12.12.2012 (5 AZR 918/11) außer Frage.

d)

Der Anspruch des Klägers auf Vergütung des 25 %igen Zeitzuschlags entfällt nicht nach § 3 Abs. 2 der Sonderregelungen für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport. Zwar kann danach ein geleisteter Bereitschaftsdienst gem. § 14 Abs. 10 Satz 3 in Freizeit abgegolten werden. Der 25 %ige Zeitzuschlag entfällt durch einen solchen Freizeitausgleich jedoch nur, wenn bei der Menge der zu gewährenden Freistellung der 25 %ige Zuschlag neben der zu berücksichtigenden Arbeitszeit zuvor mit eingerechnet worden ist. Dies hat der Beklagte hier jedoch - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt - gerade unterlassen.

e)

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass sich im Zusammenwirken der erhöhten Staffeln für das Bereitschaftsdienstentgelt nach § 3 der Sonderregelungen und des 25 %igen Zuschlags für den Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 2 Satz 4 Buchstabe e) MTV eine recht hohe Gesamtvergütung für Bereitschaftsdienste mit höherem Arbeitsanfall ergibt. Beim Zusammentreffen des 25 %igen Zuschlags mit einem Bereitschaftsdienst der Stufe D ergibt sich sogar eine 105 %ige Vergütung in Relation zur Normalvergütung für Vollarbeit. Ein solches Auslegungsergebnis führt indes nicht zu einer unvernünftigen oder praktisch nicht brauchbaren Regelung. Es mag Motiv der Tarifvertragsparteien gewesen sein, dass für die Aufrechterhaltung des Rettungsdienstes und des Krankentransportes notwendige qualifizierte Personal dadurch zu gewinnen, dass mit Rücksicht auf die ungünstigen Arbeitszeiten (regelmäßige Sonntags- und Feiertagsarbeit) pauschale Kompensationen gezahlt werden. Im Übrigen sind die Gerichte für Arbeitssachen - oberhalb der Regelungen des Mindestlohngesetzes - nicht befugt die Angemessenheit der von den Tarifvertragsparteien jeweils ausgehandelten (Gesamt-)Lohnhöhe zu beurteilen.

III.

Der Beklagte hat gem. § 97 ZPO die Kosten der von ihm erfolglos eingelegten Berufung zu tragen. Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht, da der Beklagte im Termin am 31.08.2015 erklärt hat, dass der streitbefangene Haustarifvertrag nur für den C. Anwendung findet. Die Voraussetzungen von § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG liegen daher nicht vor.