Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.11.2015, Az.: 5 Sa 621/15

Zulässigkeit der dauerhaften Übertragung einer unterwertigen Beschäftigung eines Angestellten in der Zivilverwaltung der Bundeswehr

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.11.2015
Aktenzeichen
5 Sa 621/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 41135
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:1112.5SA621.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 28.05.2015 - AZ: 7 Ca 160/14 Ö

Amtlicher Leitsatz

Die Systematik des § 3 TVUmBw gestattet es dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer auch dauerhaft eine unterwertige Beschäftigung zu übertragen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 28.05.2015 - 7 Ca 160/14 Ö - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers.

Der am 00.00.1957 geborene Kläger ist seit 1983 als Angestellter in der Zivilverwaltung der Bundeswehr bei der Beklagten beschäftigt. In dem Parallelprozess gleichen Rubrums streiten die Parteien zum Aktenzeichen 5 Sa 319/15 um einen Anspruch des Klägers auf Abschluss einer sogenannten Härtefallvereinbarung gemäß § 11 TVUmBw. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der TVöD und der TVUmBw Anwendung. Im Zusammenhang zu diesem Rechtsstreit versetzte die Beklagte den Kläger in das Bundeswehrdienstleistungszentrum C-Stadt auf den Dienstposten mit der Objekt-ID 30403578, FD 2.2 Flottenmanagement mit Schreiben vom 14.04.2014. Im Versetzungsschreiben teilte die Beklagte ihm mit, sein Dienstposten sei nach TVöD Bund E3 bewertet. Unter dem 04.07.2014 nahm die Beklagte eine tarifliche Neubewertung des Dienstpostens vor und kam zu dem Ergebnis einer Bewertung nach Entgeltgruppe E5 des TVöD. Der Kläger erhält seine bisherige Vergütung weiter.

Mit seiner Klage hat sich der Kläger erstinstanzlich gegen diese Versetzung zur Wehr gesetzt. Er hat behauptet, die Beklagte habe für ihn zeitlich keine hinreichende Beschäftigung. Er habe oft mehrere Stunden in der Woche nichts zu tun.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass seine Versetzung mit Schreiben der Beklagten vom 14.04.2014 zum 05.05.2014 auf den Dienstposten mit der Objekt-ID 30403578, FD 2.2 Flottmanagement unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der neue Dienstposten sei zutreffend nach Entgeltgruppe 5 zu bewerten.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort Bl. 2 und 3 desselben, Bl. 208 und 209 der Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Schlussurteil vom 28.05.2015 hat das Gericht die Unwirksamkeit der Versetzung festgestellt und die Kosten des Rechtsstreits insgesamt dem Kläger zu 3/4 und der Beklagten zu 1/4 auferlegt. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils, dort Bl. 3 bis 5, Bl. 209-210 der Gerichtsakte verwiesen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 30.06.2015 zugestellt worden. Mit einem am 08.07.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes hat sie Berufung eingelegt und diese mit einem am 30.09.2015 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 13.07.2015 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.2015 verlängert hatte.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte in vollem Umfang das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Auffassung, der neue, dem Kläger im Wege der streitgegenständlichen Versetzung zugewiesene Arbeitsplatz sei gegenüber dem vormaligen Arbeitsplatz gleichwertig. Der neue Arbeitsplatz werde zu Recht nach Entgeltgruppe 5 der Entgeltordnung Bund vergütet, der Kläger erhalte wegen seines Bewährungsaufstieges weiterhin die Vergütung nach der Entgeltgruppe 6. Im Übrigen folge aus dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren TVUmBw zwingend, dass auch nicht gleichwertige Arbeitsplätze angeboten werden könnten und müssten. Die Schlussfolgerung des angefochtenen Urteils, die Beklagte dürfe dem Kläger nur einen gleichwertigen oder höher dotierten Arbeitsplatz zuwenden, sei unzutreffend.

Sie beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 28.05.2015 - 7 Ca 160/14 Ö - zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, er sei gegenwärtig überhaupt nicht ausgelastet. Seine Arbeitsauslastung gestalte sich so, dass er von vier Wochen Arbeit pro Monat nur eine Woche "normal zu tun habe" und die restlichen drei Wochen regelrecht nur herumsitze, Eingangspost stemple, auf Fächer verteile und ansonsten aus dem Fenster schaue.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens in der Berufung wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 30.09. und 04.11.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung und Korrektur des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung.

Die streitgegenständliche Versetzung ist unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt rechtswirksam.

1.

Die Versetzung entspricht dem anwendbaren § 4 TVöD. Nach dieser Vorschrift können Beschäftigte aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen versetzt oder abgeordnet werden. Eine Versetzung ist aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen notwendig, wenn die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung in der Verwaltung unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit den Einsatz eines Arbeitnehmers bei einer anderen Dienststelle erfordert.

Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Denn der Kläger kann auf seinem ursprünglichen Arbeitsplatz nicht weiter beschäftigt werden. Das Kreiswehrersatzamt C-Stadt ist aufgelöst worden. Die Versetzung war aus dienstlichen Gründen erforderlich.

2.

Die Versetzung entspricht auch § 106 Satz 1 GewO.

Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein arbeitsvertragliches Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.

Erkennbar gab es keine andere sinnvolle Beschäftigung für den Kläger als die, welche die Beklagte ihm mit der streitgegenständlichen Versetzung zugewiesen hat. Die streitgegenständliche Versetzung war mithin der schonendste Eingriff, in Ermangelung einer anderen Alternative.

3.

Die Versetzung scheitert nicht daran, dass der neue dem Kläger zugewiesene Dienstposten möglicherweise tarifvertraglich unterwertig ist. Denn der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare TVUmBw lässt zur Sicherung eines Arbeitsplatzes die Zuweisung eines unterwertigen Arbeitsplatzes zu. Insoweit wird in vollem Umfang auf die den Parteien bekannten Entscheidungsgründe des Parallelverfahrens zum Aktenzeichen 5 Sa 319/15 verwiesen.

4.

Die Versetzung ist nicht schon deswegen rechtswidrig, weil der Kläger gegenwärtig (möglicherweise) nicht ausreichend beschäftigt wird.

Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Versetzung ist der Zeitpunkt ihres Ausspruches. Bezogen auf diesen Zeitpunkt war eine fehlende tatsächliche Auslastung des Klägers nicht absehbar, jedenfalls wird dies von ihm nicht behauptet. Der gesamte Vortrag des Klägers zu dem Problemkreis "fehlende Arbeitsauslastung/Nichtbeschäftigung" erstreckt sich auf einen Zeitraum, der weit jenseits der tatsächlichen Arbeitsaufnahme liegt. Diese Änderung im Nachhinein kann die Rechtswirksamkeit der Versetzung vom 14.04.2014 nicht mehr beeinflussen. Möglicherweise hat der Kläger einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung und kann eine Beschäftigungsklage erheben. Dies braucht nicht abschließend beurteilt zu werden.

C.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass das angefochtene Schlussurteil die gesamten Kosten des Rechtsstreites tenoriert hat (auch diejenigen Kosten, die Gegenstand des Teilurteils gewesen sind, welches dem Verfahren 5 Sa 319/15 zugrunde gelegen hat). Deshalb waren die Kosten des Rechtsstreits insgesamt (Kosten der Berufung und Kostenausspruch des Schlussurteils) gemäß § 91 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen, weil die Rechtswirksamkeit der Versetzung auch an § 3 TVUmBw zu messen war. Die Auslegung und Anwendung des TVUmBw ist von grundsätzlicher Bedeutung.