Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.09.2015, Az.: 8 Sa 1529/14
Betriebsbedingte Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung bei Betriebsstilllegung; Heilung fehlender Unterrichtung über die betroffenen Berufsgruppen im Konsultationsverfahren zur Entlassung aller Beschäftigten
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 21.09.2015
- Aktenzeichen
- 8 Sa 1529/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 40210
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2015:0921.8SA1529.14.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 09.06.2016 - AZ: 6 AZR 640/15
Rechtsgrundlage
- § 1 Abs. 2 S. 1 3. Alt. KSchG
Fundstelle
- ArbR 2016, 410
Amtlicher Leitsatz
Fehler in der Unterrichtung des Betriebsrates nach § 17 Abs. 2 KSchG führen nicht immer zur Unwirksamkeit der Kündigung. Durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates können ggf. Formfehler geheilt werden. Auch Fälle teilweise fehlerhafter Unterrichtung wie die fehlende Angabe der Berufsgruppen gegenüber dem Betriebsrat führen dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn dies keine Folgen für die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Prüfung durch den Betriebsrat hat. Das ist bei der Entlassung aller Arbeitnehmer der Fall.
Tenor:
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 23.10.2014 - 3 Ca 190/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Massenentlassung.
Der Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin seit dem 1. August 1977 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Sein Brutto-Monatseinkommen betrug zuletzt 2.400,00 Euro. In dem Betrieb wurden mehr als 10 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt. Es bestand ein Betriebsrat. Das zuständige Amtsgericht eröffnete über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten am 1. Dezember 2013 zum Insolvenzverwalter. Dieser traf die Entscheidung, den Betrieb stillzulegen. Er informierte hierüber den Betriebsrat. Am 4., 12. und 19. Dezember 2013 fanden Verhandlungen über einen Interessenausgleich statt. Am 19. Dezember 2013 wurde der Interessenausgleich finalisiert und versandt, auch an den Vertreter des Betriebsrates. Dieser bestätigte am 20. Dezember, dass der Interessenausgleich in der so verschriftlichen Form abgeschlossen werden könne. Am 23. Dezember 2013 fand ein weiterer Termin mit dem Betriebsrat statt, in dem der Interessenausgleich unterzeichnet wurde. Er hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Präambel
Eine Aufrechterhaltung der Produktion ist angesichts der Umsätze und der notwendigen Umsätze von lediglich 1.300.000 € handelnd und einer monatlichen Vollkostenbelastung von 2.000.000 € nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses am 01.12.2013 die Betriebsstillegung des Unternehmensträgers A. im Ganzen beschlossen.
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Interessenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zukünftig aus Gründen der Lesbarkeit zusammen Mitarbeiter) des Betriebes, soweit sie von Maßnahmen nach §§ 2,3 dieses Interessenausgleichs betroffen sind und dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegen. Leitende Angestellte gern. § 5 Abs. 2 BetrVG sind ausdrücklich vom Geltungsbereich dieses Interessenausgleichs ausgenommen.
(2) Die Insolvenzschuldnenn, die A. GmbH & Co.KG, die B. GmbH, die C. GmbH & Co. KG sowie die D. GmbH und E. GmbH haben einen gemeinschaftlichen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gebildet. Dieses haben die Firmen und die Gesellschaften u.a. auch im Tarifvertrag vom 21.01.2013 und 14.02.2013 vereinbart.
§ 2 Unternehmerische Maßnahmen
(1) Gegenstand des Interessenausgleiches ist die Stilllegungsentscheidung des Insolvenzverwalters am 01.12.2013, den Betrieb des Unternehmensträgers A. am Standort in F. Stadt zu schließen.
(2) Durch die Betriebsstilllegung entfallen alle Arbeitsplätze in sämtlichen Betriebsteilen spätestens zum 28.02.2014. 0b unternehmensübergreifende Arbeitsplätze bei den Unternehmen C., D. und B. GmbH entfallen, ist nicht Gegenstand dieses Interessenausgleichs.
Die Auslaufproduktion- und Abwicklungsarbeiten, die bis spätestens zum 28 Februar 2014 abgeschlossen sein werden, werden mit Auslauf der Produktion von zurzeit 90 Mitarbeitern und 20 Auszubildenden durchgeführt. Sämtliche übrigen Mitarbeiter von insgesamt 257 der A. sind vom Insolvenzverwalter bereits freigestellt worden. Die Abwicklungsarbeiten erfolgen in der Auslaufproduktion, den Bereichen Buchhaltung, Personal und Verkauf.
(3) Dementsprechend wird der Insolvenzverwalter sämtlichen Mitarbeitern des Betriebes der A. betriebsbedingt kündigen.
§ 3 Durchführung des Personalabbaus
(1) Der Insolvenzverwalter wird sämtliche bei der A. beschäftigten Mitarbeiter durch betriebsbedingte Kündigungen entlassen. Die Entlassungen werden unter Einhaltung der jeweils geltenden Kündigungsfristen i. V. m. § 113 Ins° durchgeführt. Somit gilt eine Höchstkündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende, sofern sich nicht aus den Einzelverträgen oder dem Tarifvertrag eine kürzere Kündigungsfrist ergibt.
(2) Die Parteien dieses Interessenausgleichs sind sich darüber einig, dass die Kündigungen erst ab der 52. Kalenderwoche 2013, ab dem 27.12.2013 zugestellt werden sollen.
(3) Alle Mitarbeiter, für die eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht, können bis zum rechtlichen Ende ihres Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung bestehender Resturlaubs- und sonstiger Freizeitausgleichsansprüche freigestellt werden. Ein Anspruch auf Freistellung besteht nicht.
§ 4 Kündigung der Arbeitsverhältnisse
4. 1. Namensliste gem. §§ 1 Abs. 5 KSchG, 125 InsO, 111 BetrVG
Die zu kündigenden Mitarbeiter der A. werden in der diesem Interessenausgleich als Anlage 1 beigefügten Namensliste, die vollinhaltlich Bestandteil des Interessenausgleichs ist, namentlich benannt. Die Sozialdaten sämtlicher Mitarbeiter sowie Kündigungsfristen sind in der Namensliste enthalten. Der Betriebsrat bestätigt die Vollständigkeit der Namensliste. Sollte wider Erwarten ein Mitarbeiter des Betriebs A. nicht auf der Namensliste vermerkt sein, so besteht Einigkeit, dass auch solche Mitarbeiter der A. vom Interessenausgleich erfasst sind und auch solchen Mitarbeitern mit Wirkung zu dem im § 2 des Interessenausgleichs genannten Datum gekündigt werden kann.
Die Betriebsparteien gehen auch davon aus, dass für Mitarbeiter, die sich bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsschließung aus Rechtsgründen nicht mehr möglich ist (Vergleiche: BAG, Urteil vom 05.12.2002, Az: 2 AZR 571/01). Es befinden sich derzeit vier Mitarbeiter in der Freistellungsphase in der Altersteilzeit. Diese sind somit von der Kündigung nicht betroffen.
Im Zuge der Betriebsänderung werden die betroffenen Arbeitsverhältnisse nach Abschluss des Interessenausgleichs zum in §§ 2,3 vorher genannten Zeitpunkt unverzüglich unter Beachtung der jeweils einzuhaltenden Kündigungsfristen aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt. Soweit für den Ausspruch der Kündigung Zustimmung von Behörden eingeholt werden muss (z. B. nach SGB IX, BEEG, MuSchG) werden diese vor Ausspruch der Kündigung vom Insolvenzverwalter eingeholt.
4.2 Sozialauswahl
Da es sich um eine einheitliche Schließung des Betriebes der A. zu einem bestimmten Zeitpunkt handelt und alle Mitarbeiter des Betriebs einheitlich betroffen sind, ist eine Sozialauswahl nicht erforderlich.
§ 5 Sozialplan
Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Mitarbeitern durch Betriebsstilllegung entstehen, wird ein Sozialplan abgeschlossen. Dieser Sozialplan ist in der Datierungshöhe nicht abschließend. Dies ergibt sich aus den Vereinbarungen aus dem Tarifvertrag vom 21.01.2013 zwischen der B. GmbH, der A. GmbH & Co.KG; der C. GmbH & Co. KG; der D. GmbH und der I. sowie dem Anerkennungstarifvertrag mit der E. GmbH vom 14.02.2013 (Anerkennungstarifvertrag).
Der Betriebsrat wird daher mit den genannten weiteren Unternehmen, mit Ausnahme der A., einen weiteren, ergänzenden Interessensausgleich und Sozialplan bezüglich der weiteren Betriebsteile, der Errichtung einer Transfergesellschaft oder der Erhöhungen der Abfindungen dieses Sozialplans im Rahmen eines weiteren Sozialplans vereinbaren.
Der hier geschlossene Interessensausgleich und der damit im Zusammenhang stehende zwischen den Parteien Insolvenzverwalter und Betriebsrat abzuschließende Sozialplan sind ausschließlich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat abschließend, nicht jedoch gegenüber den anderen in Absatz 1 genannten Unternehmen mit Ausnahme der A. GmbH & Co.KG.
....
§ 8 Anhörung des Betriebsrates gern. § 102 BetrVG
Im Hinblick auf die betriebsbedingten Kündigungen der Mitarbeiter besteht Einigkeit zwischen den Parteien darüber, dass der Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen gem. § 102 BetrVG unterrichtet und beteiligt worden ist. Ihm sind insbesondere die Namen der betroffenen Mitarbeiter, die Geburtsdaten, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Tätigkeit, die Familienstände, die Unterhaltspflichten, die Schwerbehinderung, eine Gleichstellung, besonderer Kündigungsschutz sowie die jeweiligen Kündigungsfristen und -termine mitgeteilt worden. Ferner wurden dem Betriebsrat sämtliche Mitarbeiter genannt, die laut Tarifvertrag, Arbeitsvertrag ordentlich unkündbar sind oder anderweitig Sonderkündigungsschutz genießen.
Der Betriebsrat nimmt die Betriebsschließung und den damit einhergehenden Personalabbau mit Bedauern zur Kenntnis.
Nach Erörterung und Anhörung folgte eine Sitzung des beschlussfähigen Betriebsrates. Die Beschlüsse erfolgten in Abwesenheit der Arbeitgeberseite.
Der Betriebsrat bestätigt, im Rahmen der Erörterung und zur Erstellung der Namensliste, Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich, zu allen Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden zu sein.
Er erklärt, dass damit das Verfahren gern. § 102 BetrVG abgeschlossen ist.
....
§ 10 Konsultationsverfahren nach § 17 Kündigungsschutzgesetz
Der Betriebsrat wurde im Rahmen der Verhandlungen zu diesem Interessenausgleich am 04.12.2013 rechtzeitig und vollständig nach § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz unterrichtet. Sodann haben Insolvenzverwalter und Betriebsrat am 12.12.2013 nochmals die Möglichkeit beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass den in der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich aufgeführten Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen ist. Dies ist kein Präjudiz für die in § 9 dieses Interessenausgleichs festgehaltene unterschiedliche Rechtsauffassung zur Kündigung von Betriebsratsmitgliedern.
Der Betriebsrat bestätigt die Beendigung des Konsultationsverfahrens und erteilt seine Zustimmung zu den gemäß § 17 ff. Kündigungsschutzgesetz abzugeben Der Insolvenzverwalter wird der zuständigen Agentur für Arbeit seine Anzeige gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz i. V. m. § 125 Abs. 2 InsO diesem Interessenausgleich vorlegen."
Mit Schreiben vom 17. Januar 2014 erteilte die Agentur für Arbeit die Zustimmung zu den in der Massenentlassungsanzeige vom 27. Dezember 2013 angezeigten 257 Entlassungen sämtlicher Arbeitnehmer, auch zu der des Klägers. Mit Ausnahme derer, die über einen besonderen Kündigungsschutz verfügten, kündigte der Beklagte sodann Ende Dezember 2013 allen Arbeitnehmern des Betriebes. Den Schwerbehinderten wie dem Kläger und denen, die sich in Mutterschutz befanden, kündigte er im Februar 2014. Einem Sonderkündigungsschutz unterfielen mehr als 30 Arbeitnehmer. Der Kläger erhielt die Kündigung mit Schreiben vom 14. Februar 2014 zum 31. Mai 2014.
Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung und macht Kündigungsschutz geltend. Soweit für das Berufungsverfahren von Belang hat er die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 17 Abs. 2 KSchG konsultiert worden.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Beklagten, die Namensliste sei vor der Unterzeichnung körperlich fest mit dem Interessenausgleich verbunden gewesen. Hierzu hat es den Zeugen G. und gegenbeweislich die Zeugen H. und J. vernommen. Weiter hat es den Zeugen G. zu der Behauptung des Beklagten vernommen, der Ausspruch der Kündigung sei zeitlich erst nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erfolgt.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug einschließlich der dortigen Sachanträge sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die jenes Vorbringen dort erfahren hat, wird im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 61 - 70 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Kündigung sei nicht sozialwidrig im Sinne von § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG. Sie sei durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Variante 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden. Die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sei nicht widerlegt. Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG sei nicht zu beanstanden, die Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG fehlerfrei. Der Beklagte habe nicht seine Pflichten aus § 17 Abs. 2 KSchG verletzt. Auch das Konsultationsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Gegen dieses ihm am 10. November 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. November 2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 22. Januar 2015 begründet.
Die Berufung führt im Wesentlichen aus: Der Beklagte habe gegen seine aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG resultierenden Pflichten verstoßen. Das Konsultationsverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Zu einer schriftlichen Unterrichtung im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG sei es nicht gekommen. Auch wenn der Betriebsrat die Beendigung des Konsultationsverfahrens durch § 10 des von den Betriebsparteien unterzeichneten Interessenausgleichs bestätigt habe und ein etwaiger Schriftformverstoß durch das Zuleiten eines nicht unterzeichneten Textes in Form eines Interessenausgleichs geheilt werden könne, könne die Erfüllung der Unterrichtungsverpflichtung vorliegend nicht festgestellt werden. Denn tatsächlich sei es weder durch den Beklagten zu einer einseitigen schriftlichen Unterrichtung des Betriebsrates noch zu einer schriftlichen Abfassung sämtlicher vom Gesetzgeber verlangten Angaben gekommen. Nicht einmal die mündliche Unterrichtung des Betriebsrats in allen nach § 17 KSchG vorgesehenen Punkten sei vorgetragen. So lasse sich dem Interessenausgleich beispielsweise nicht entnehmen, welche Berufsgruppen von der Maßnahme erfasst seien. Über Berechnungskriterien etwaiger Abfindungen fänden sich keine Angaben. Ebenso wenig verhalte sich der Inhalt des Interessenausgleichs zu den vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer. In dem Interessenausgleich sei nicht einmal die Anzahl der zu kündigenden Arbeitnehmer und der Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, zu finden.
Nicht gefolgt werde der Auffassung des Arbeitsgerichts, eine fehlerhafte Unterrichtung in Fällen wie dem Vorliegenden sei rechtlich bedeutungslos. Bei einer Massenentlassung soll dem Betriebsrat durch die zu erteilenden Informationen die Möglichkeit gegeben werden, "konstruktive Vorschläge" zu unterbreiten. Hierfür sei eine umfassende Unterrichtung erforderlich. Wäre näher auf die Berufsgruppen eingegangen worden, hätte sich vielleicht eine andere Problemlösung als die Massenentlassung finden lassen. Weder dem Arbeitgeber noch dem Arbeitsgericht komme das Recht zu, zu entscheiden, welche Informationen erforderlich seien. Der Gesetzgeber habe in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen unmissverständlichen Wortlaut gewählt und ausgeführt, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat insbesondere über die sodann im Einzelnen genannten Punkte 1. bis 6. zu unterrichten habe.
Der Kläger beantragt,
auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 23.10.2014, AZ: 3 Ca 190/14, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei durch die Kündigung vom 14.02.2014 nicht aufgelöst worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 26. Februar 2015 und seines Schriftsatzes vom 15. April 2015, auf die Bezug genommen wird (Bl. 89 - 93 d. A.; 104 - 109 d. A.).
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zur Sach- und Rechtslage wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft; auch ist sie von dem Kläger frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO). Damit ist sie insgesamt zulässig.
II.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat aufgrund fristgemäßer, betriebsbedingter Kündigung des Beklagten vom 14. Februar 2014 zum 31. Mai 2014 geendet. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt. Auch ist sie nicht unwirksam nach den Vorschriften des § 102 BetrVG oder nach § 17 KSchG.
1.
Im Ergebnis und in der Begründung zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage daher abgewiesen. Das Berufungsgericht macht sich jene Gründe nach eigener Prüfung ausdrücklich zu Eigen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Feststellungen des Arbeitsgerichts zur sozialen Rechtfertigung, zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 BetrVG, zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO und zur ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG greift die Berufung auch nicht mehr an. Sie hält allein die Durchführung des Konsultationsverfahrens für fehlerhaft und die Mängel für nicht heilbar.
2.
Die Kündigung ist aber auch unter dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 KSchG nicht unwirksam. Der Fehler ist geringfügig und wirkt sich nicht aus. Bei der Entlassung aller Arbeitnehmer hat die fehlende schriftliche Mitteilung ihrer Berufsgruppen keine Folgen für die Prüfung des Betriebsrates. Eine schriftliche Unterrichtung des Betriebsrates im Übrigen ist erfolgt.
a)
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG hat der Arbeitgeber, wenn er beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer und die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Die fehlerhafte Konsultation des Betriebsrates führt zu einer Rechtsunwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 21. März 2013 - 2 AZR 637/12 - Juris, Rn. 20).
aa)
Es liegt eine nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassung vor. Auch bei den im Februar 2014 ausgesprochenen Kündigungen handelt es sich um eine solche (vgl. BAG vom 25.04.2013 - 6 AZR 49/12, Juris Rn. 148 ff; vom 22.04.2010 - 6 AZR 948/08, Juris Rn. 13). Dabei kann unentschieden bleiben, ob von der Zahl aller Arbeitnehmer, nämlich 257, oder von der im Februar 2014 noch Beschäftigten auszugehen ist. Denn im Februar 2014 wurden jedenfalls mehr als 30 Arbeitnehmer entlassen, sodass die nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG erforderliche Anzahl von "mehr als 25 Arbeitnehmer" unzweifelhaft erreicht ist.
Einer erneuten Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG bedurfte es nicht. Gemäß § 18 Abs. 4 KSchG besteht eine Freifrist von 90 Tagen, wenn, wie vorliegend, zuvor schon alle beabsichtigten Kündigungen angezeigt wurden.
bb)
Das Konsultationsverfahren ist auch nicht entbehrlich, weil der gesamte Betrieb stillgelegt und alle Arbeitnehmer entlassen wurden (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - Juris Rn. 39; 41). Das wäre nur der Fall, wenn kein Arbeitgeber mehr vorhanden ist, der als Ansprechpartner für Verhandlungen dienen könnte (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - juris Rn. 39; 41). Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - juris Rn. 42; 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 60 mwN, ZIP 2012, 2412[BAG 20.09.2012 - 6 AZR 155/11]). Die Beratungen mit der Arbeitnehmervertretung müssen sich dabei nicht auf die Vermeidung oder Beschränkung der Massenentlassungen beziehen. Sie können auch die Möglichkeit betreffen, die Folgen solcher Entlassungen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Dabei kann es sich insbesondere um Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulungen der entlassenen Arbeitnehmer handeln (EuGH 3. März 2011 - C-235/10 ua. - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337 [EuGH 03.03.2011 - Rs. C-235/10; Rs. C-236/10; Rs. C-237/10; Rs. C-238/10; Rs. C-239/10]).
cc)
Beabsichtigt der Arbeitgeber demnach, anzeigepflichtige Entlassungen im Sinne von § 17 Abs. 1 KSchG vorzunehmen, hat er den Betriebsrat nach näherer Maßgabe über die beabsichtigte Massenentlassung zu unterrichten und mit ihm über Möglichkeiten zu beraten, diese zu vermeiden oder einzuschränken. § 17 Abs. 2 KSchG enthält eine eigenständige Verpflichtung des Arbeitgebers, die gleichwertig neben den in § 17 Abs. 3 KSchG geregelten Verpflichtungen gegenüber der Agentur für Arbeit steht (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - juris Rn. 51). Die verschiedenen Beteiligungsverfahren können lediglich, soweit die Pflichten nach den unterschiedlichen Verfahren übereinstimmen, miteinander verbunden und damit vom Arbeitgeber gleichzeitig erfüllt werden. Eine solche Verbindung verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - juris Rn. 47 ff.).
b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte das Konsultationsverfahren in vielen, nicht aber in allen Teilen vollständig durchgeführt.
aa)
Der Beklagte hat dem Betriebsrat auf der Grundlage seines Restrukturierungsplans während der Interessenausgleichsverhandlungen zunächst alle "zweckdienlichen Auskünfte'" erteilt. Damit ist das Beratungserfordernis des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG gegeben. Auch ist der Betriebsrat mit den Inhalten des Interessenausgleichs vor Ausspruch der Kündigung schriftlich im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet worden. Hierzu hat der Zeuge G. bei seiner Vernehmung erklärt, mit Eröffnung des Verfahrens am 1. Dezember 2013 und der Änderung in ein Regelinsolvenzverfahren habe es am 4., am 12. und am 19. Dezember 2013 jeweils ab 14.00 Uhr Verhandlungstermine mit dem Betriebsrat gegeben. Am 19. Dezember 2013 sei dann der Interessenausgleich finalisiert und dem Vertreter des Betriebsrates ausgehändigt worden. Dieser habe am nächsten Tag bestätigt, dass der Interessenausgleich in der so verschriftlichten Form abgeschlossen werden könne. Einwände gegen die Richtigkeit dieser glaubhaften Aussage und die Glaubwürdigkeit des Zeugen hat die Berufung nicht erhoben. Der Interessenausgleich lag dem Betriebsrat damit in schriftlicher Form vor.
bb)
Unschädlich ist, dass sich das Verhandlungsangebot in erster Linie auf den Interessenausgleich bezog. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es zulässig, das Interessenausgleichsverfahren mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu verbinden (BAG vom 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - juris Rn. 45). Auch wenn sich die Verhandlungen über den Interessenausgleich nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und die Beratung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG formal unterscheiden, sind sie in der Praxis inhaltlich deckungsgleich. Hier eine Unterscheidung zu treffen, wäre ein übertriebener Formalismus (Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 26.02.2015 - 5 Sa 1318/14 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
cc)
Dem Schriftformerfordernis wird genügt. Der Betriebsrat hatte den Entwurf des Interessenausgleichs in schriftlicher Form am 19. Dezember 2013 zur Beratung erhalten. Bereits am nächsten Tag bestätigte er, dieser könne in der so verschriftlichten Form abgeschlossen werden. Der Entwurf enthielt ebenso wie der anschließend unterzeichnete Interessenausgleich in § 10 die Formulierung: "Der Betriebsrat wurde im Rahmen der Verhandlungen zu diesem Interessenausgleich am 04.12.2013 rechtzeitig und vollständig nach § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz unterrichtet. Sodann haben Insolvenzverwalter und Betriebsrat am 12.12.2013 nochmals die Möglichkeit beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass den in der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich aufgeführten Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen ist. Dies ist kein Präjudiz für die in § 9 dieses Interessenausgleichs festgehaltene unterschiedliche Rechtsauffassung zur Kündigung von Betriebsratsmitgliedern."
Jedenfalls vor dem Hintergrund eines solchen als Entwurf übersandten Interessenausgleichs musste der Betriebsrat das Angebot zur Verhandlung über einen Interessenausgleich als Angebot zur Verhandlung im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG verstehen. Durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in § 10 des Interessenausgleichs wäre darüber hinaus ein Schriftformverstoß geheilt. Der Betriebsrat hat mit seiner abschließenden Stellungnahme die Beendigung des Konsultationsverfahrens bestätigt und deutlich gemacht, dass er sich für ausreichend unterrichtet hielt und die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen wolle.
dd)
Der Interessenausgleich enthält Informationen zu den Gründen für die geplanten Entlassungen. Er weist aus, es würden alle Arbeitnehmer gekündigt werden und gibt damit die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer an; er enthält eine Namensliste mit den Namen und Daten aller bei dem Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Der Interessenausgleich weist ebenfalls den Zeitraum aus, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen (§ 3 Abs. 2) und die Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer (§ 4, 4.2). § 5 enthält Regelungen zum Sozialplan. Da insoweit noch keine weiteren Angaben gemacht werden konnten, genügt der Verweis auf den abzuschließenden Sozialplan (BAG 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - juris Rn. 34). Allein die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer finden sich in dem Interessenausgleich nicht. Auch die Namensliste enthält hierzu keine Angaben. Dass dem Betriebsrat auf andere Weise Informationen dazu gegeben wurden, behauptet der Beklagte nicht.
c)
Dem Erfordernis des § 17 Abs. 2 KSchG ist dennoch Genüge getan. Führt der Arbeitgeber ein Konsultationsverfahren durch und unterrichtet den Betriebsrat hierbei nicht über die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, hat dies bei der Entlassung aller Arbeitnehmer keine Folgen für die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Prüfung durch den Betriebsrat und führt ausnahmsweise nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Aufl. 2013, § 17 Rn. 14).
aa)
Weitgehend ungeklärt ist die Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Vorschriften für das Konsultationsverfahren auf die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und die nachfolgenden Kündigungen hat, wenn die in § 17 Abs. 2 KSchG verlangten Angaben im schriftlichen (nicht notwendig unterschriebenen) Text nicht vollständig dokumentiert worden sind, weil etwa - wie vorliegend - Angaben zu den Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer fehlen (vgl. ErfK/Kiel 15. Aufl. 2015, § 17 KSchG Rn. 24, 26a, 29; 36).
Das Bundesarbeitsgericht hat bisher offengelassen, ob und inwieweit die fehlende Unterrichtung des Betriebsrates über die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer im Rahmen der Konsultationspflicht nachteilige Rechtsfolgen für den Arbeitgeber haben kann (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - juris Rn. 36; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - juris Rn. 52). Anerkannt ist, dass Fehler in der Unterrichtung nicht immer zur Unwirksamkeit der Kündigung führen müssen: Durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats können ggf. Formfehler geheilt werden (LAG Hamm vom 15.12.2010 - 6 Sa 1344/10 - juris Rn. 12; KR/Weigand, 10. Aufl. 2013, § 17 KSchG Rn. 65 mit weiteren Nachweisen; KDZ/Deinert § 17 KSchG Rn. 40). Gleiches gilt, wenn die Arbeitsagentur durch bestandskräftigen Bescheid die Massenentlassung nicht beanstandet bzw. die Frist des § 18 Abs. 1 KSchG verkürzt (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - juris Rn. 56 f.). Eine bloß verspätete Unterrichtung führt nur zu einer verzögerten Umsetzung (Schramm/Kuhnke, NZA 2011, 1071, 1071).
Die wohl herrschende Literaturmeinung hält im Übrigen dafür, dass Fälle teilweise fehlerhafter Unterrichtung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, wenn dies keine Folgen für die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Prüfung durch den Betriebsrat hat (vgl. ErfK/Kiel, 15. Aufl. 2015, 15. Aufl. 2015, § 17 KSchG Rn. 24, 36; Schaub/Linck ArbR-Hdb, 15. Aufl. 2013, § 142 Rn. 19; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 60, 65; KR/Weigand, 10. Aufl. 2013, § 17 KSchG Rn. 63; Thüsing/Laux/Lembke/Oberwinter, 3. Aufl. 2014, § 17 Rn. 101 bis 106; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen Seite 174; wohl auch Bader/Bram/Dörner/Suckow § 17 Rn. 82; unklar Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918, die annehmen, jedenfalls sei eine Missachtung nicht ohne Bedeutung; differenzierend APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76 ff.).
bb)
Nach diesem richtigem Verständnis kann die ungenaue oder fehlerhafte Unterrichtung jedenfalls dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, wenn sich der Fehler nicht unmittelbar auf den gekündigten Arbeitnehmer bezieht. Das gilt insbesondere für die Angaben zu den regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern bzw. den Berufsgruppen, wenn die Entlassung aller Arbeitnehmer geplant ist.
Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat also nicht über die Berufsgruppen der zu entlassenen Arbeitnehmer, hat dies bei der Entlassung aller Arbeitnehmer keine Folgen für die Prüfung durch den Betriebsrat. Der Fehler kann sich nicht zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken; er bleibt folgenlos, der Betriebsrat wurde durch die fehlerhaften Angaben nicht in seiner Prüfung beeinflusst.
cc)
Eine solche Fallkonstellation ist vorliegend gegeben. Der Beklagte hat den gesamten Betrieb stillgelegt. Er hat allen Arbeitnehmern gekündigt. Die Kenntnis der Berufsgruppen kann sich auf die Prüfung des Betriebsrates zu der Frage, welchen Arbeitnehmern zu kündigen ist, nicht auswirken. Eine Unwirksamkeit der Kündigung ist damit nicht gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 ArbGG.
IV.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage, die für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich ist, zuzulassen.