Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.05.2015, Az.: 8 Ta 136/15

Stillhalteabkommen zur Beauftragung eines Rechtsanwalts in der Berufungsinstanz

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
08.05.2015
Aktenzeichen
8 Ta 136/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 40633
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:0508.8TA136.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Wilhelmshaven - 23.01.2015 - AZ: 1 Ca 319/13

Redaktioneller Leitsatz

1. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Rechtsmittelbeklagten. Den Zugang der Berufungsbegründung braucht der Rechtsmittelbeklagte nicht abzuwarten.

2. Hat der Rechtsmittelbeklagte dem Gegner zugesagt, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz zu bestellen, ist er an ein solches Stillhalteabkommen gebunden und hat auch keinen verminderten Erstattungsanspruch in Höhe einer 1,1 Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3201.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts C-Stadt vom 23.01.2015 aufgehoben und der Antrag auf Festsetzung der Kosten vom 21.08.2014 zurückgewiesen.

Der Beschwerdegegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.287,14 Euro.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die von dem Beklagten in Ansatz gebrachten Kosten sind zwar entstanden, aber nicht erstattungsfähig. Sie waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig.

1.

Zwar ist allgemein anerkannt, dass der Rechtsmittelbeklagte erstattungsrechtlich einen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz beauftragen darf, sobald das Rechtsmittel ihm zugestellt ist. Er muss also mit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht warten, bis ihm die Berufungsbegründung zugegangen ist.

2.

Anderes gilt aber dann, wenn der Rechtsmittelbeklagte dem Gegnerzugesagt hat, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz zu bestellen; in diesem Fall ist er an ein solches Stillhalteabkommen gebunden und hat keinen Erstattungsanspruch, auch nicht den reduzierten Anspruch in Höhe einer 1,1 Verfahrensgebühr gem. VV 3201 (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Aufl. VV 3200 Rn. 47; OLG München FamRZ 2006, 1695). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

a)

Die Parteien haben ein wirksames Stillhalteabkommen vereinbart. Ausweislich der Erklärung des ersten Vorsitzenden des Beklagten vom 14.02.2015 (Bl. 226 d. A.) sagte dieser dem Kläger in einem Telefonat vor Einlegen der Berufung sein Einverständnis zu, solange für die Berufungsinstanz beim Landesarbeitsgericht keine Anwälte zu beauftragen, bis er (gemeint ist der Kläger) seine Prüfungen, ein Berufungsverfahren durchzuführen, abgeschlossen habe. Als Zeitpunkt vereinbarten die Parteien den Anruf des Klägers (sic): "Bevor Sie dann später aber eine Entscheidung träfen, würden Sie mich zuvor rechtzeitig anrufen." Einen Anruf des Klägers beim ersten Vorsitzenden vor Legitimation des Rechtsanwaltes in dem Berufungsverfahren gab es jedoch nicht. Vielmehr nahm der Kläger vor der Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 15. August 2014 seine Berufung zurück.

b)

Die Vereinbarung ist als Stillhalteabkommen zu verstehen. Das ergeben die übereinstimmenden Erklärungen der Parteien, die eine andere Wertung nicht erlauben. Der Wunsch, eine solche Vereinbarung zu treffen, wird vorliegend deutlich genug zum Ausdruck gebracht. An der Auslegung der Erklärungen bestehen auch insoweit keine Bedenken, werden von dem Beklagten auch nicht vorgetragen.

c)

Das Stillhalteabkommen ist nicht wegen eines Formmangels unwirksam. Der Beklagte muss sich die Erklärungen seines ersten Vorsitzenden zurechnen lassen.

aa)

Zwar wird der Beklagte laut Eintrag im Vereinsregister grundsätzlich jeweils von zwei Vorstandsmitgliedern gemeinsam vertreten (Bl. 264 d. A.). Allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre folgend konnte der Kläger jedoch die von dem ersten Vorsitzenden des Vereins abgegebenen Erklärungen unter dem Gesichtspunkt einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht als wirksam ansehen. Der erste Vorsitzende hat dem Kläger ausweislich seines Bestätigungsschreibens vom 14.02.2015 erklärt, mit dem Stillhalteabkommen einverstanden zu sein und ihm zuzustimmen. Er hat ausgeführt, die Verwaltung angewiesen zu haben die Anwälte vorerst nicht zu beauftragen; seines Wissens sei eine Beauftragung für die Berufungsinstanz dann auch nicht erfolgt. Der Beklagte hätte den Kläger informieren müssen, wenn seine Anweisungen intern keinen Rückhalt finden. Das hat er nicht getan, sodass der Kläger darauf vertrauen konnte, der erste Vorsitzende dürfe derart verpflichtende Zusagen auch allein abgeben.

bb)

Der Beklagte verstößt mit der Berufung auf den Formmangel darüber hinaus auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Eine wirksame Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes zur Führung des Berufungsverfahrens lag bis zu dessen Beendigung durch Berufungsrücknahme nicht vor. Sie wurde erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens erteilt. Die zu den Akten gereichte Prozessvollmacht enthält kein Datum; auch der erste Vorsitzende hat diese, wohl im Nachhinein, unterzeichnet. Noch mit Schreiben vom 14.02.2015 versicherte er aber: "Eine Beauftragung für die Berufungsinstanz ist dann auch meines Wissens nicht erfolgt". Daraus folgt, dass es am 14.02.2015 noch keine wirksame Bevollmächtigung gegeben hat.

d)

Das Stillhalteabkommen ist auch zwischen den Naturalparteien zulässig. Nicht erforderlich ist, dass die Vereinbarung zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien abgeschlossen wurde (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, aaO., VV 3200 Rn. 47, 48, 49; KG Rpfl. 05, 569; Köln OLGR 03, 223). Die zu diesem Problemkreis ergangenen Entscheidungen der Gerichte prüfen das Vorliegen eines Stillhalteabkommens aufgrund von Erklärungen der Prozessparteien, ohne ihre Stellung als Partei zu problematisieren (vgl. für viele: BGH vom 17.12.2002 - X ZB 9/02, NJW 2003, 756; OLG Düsseldorf AGS 1996, 136). Anderes ergäbe auch keinen Sinn. Ziel des Stillhalteabkommens ist es, die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten für das Rechtsmittelverfahren zu unterbinden, zumindest hinauszuzögern. Die Beauftragung erfolgt aber durch die Partei.

3.

Die Kostenentscheidung folgt, soweit sie die außergerichtlichen Kosten betrifft, aus

§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 34 GKG.

4.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.