Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.01.2015, Az.: 5 Sa 1013/14

Betriebsbedingte Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Teil-Namensliste für den Produktionsbereich

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
22.01.2015
Aktenzeichen
5 Sa 1013/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 12191
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:0122.5SA1013.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hameln - 1 Ca 531/13 - 19.06.2014

Fundstelle

  • AE 2015, 147-149

Amtlicher Leitsatz

Eine Teil-Namensliste ist als integraler Bestandteil eines Interessenausgleiches gem. § 111 BetrVG jedenfalls dann eine ausreichende Basis für die Rechtswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG, wenn der durch die Namensliste erfasste Bereich so deutlich abgrenzbar von dem nicht erfassten Bereich ist, dass die Sozialauswahl nicht beeinflusst werden kann und er darüber hinaus wesentlich größer ist.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 19.06.2014 - 1 Ca 531/13 - wird zurückgewiesen.

Soweit der Kläger seine Berufung teilweise zurückgenommen hat, wird er des Rechtsmittels für verlustig erklärt.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der am 00.00.1960 geborene Kläger ist seit dem 09.01.1984 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Er erhält eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 3 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Entgelttarifvertrages der Niedersächsischen Metallindustrie. Die Vergütung belief sich auf zuletzt durchschnittlich 3.026,36 €.

Der verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist einem schwerbehinderten Menschen mit einem GDB von 30 gleichgestellt.

Die Beklagte beschäftigte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung an ihrem Standort in A-Stadt ca. 1020 Arbeitnehmer. Sie schloss unter dem 18.07.2013 mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich und als Anlage 2 zu diesem Interessenausgleich eine von den Betriebspartnern und dem Vorsitzenden der tariflichen Schlichtungsstelle unterzeichnete Namensliste. Dort ist unter der Personalnummer ... auch der Kläger aufgeführt. Die Betriebspartner (Beklagter und Betriebspart) einigten sich in der Anlage 1 zum Interessenausgleich auf diverse Vergleichsgruppen zwecks Durchführung der sozialen Auswahl, unter anderem auch auf die Vergleichsgruppe "Anlerntätigkeit".

Der von den Betriebspartnern unterzeichnete Interessenausgleich der den Abbau von 99 Arbeitsplätzen im Bereich "Fertigungsbereich Mechanism" und den Abbau von 65 Arbeitsplätzen im Bereich "Frames" vor. Unter dem Bereich "Frames" ist die Fertigung von Sitzstrukturen und unter dem Bereich "Mechanism" die sogenannte Beschlagfertigung zu verstehen.

Alle Mitarbeiter aus der Vergleichsgruppe "Anlerntätigkeit" sind auf der Namensliste aufgeführt gewesen. Insgesamt umfasste die Namensliste die Namen von 129 in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmern aus den Bereichen "Frames" und "Mechanism".

Der von den Betriebspartnern und vom Vorsitzenden der tarifvertraglichen Schlichtungsstelle unterzeichnete Interessenausgleich sah ebenfalls den Wegfall von 12 Arbeitsplätzen aus dem Bereich der "NESD Zentralfunktion" vor. Auf Bl. 10 des Interessenausgleiches heißt es im vorletzten Absatz insoweit wörtlich:

"In dieser Namensliste sind Entlassungen, die den Bereich NESD Zentralfunktionen betreffen (siehe 13.III) nicht enthalten. Diese Entlassungen (12) sollen soweit als möglich über Auflösungsvereinbarungen erfolgen. Insoweit soll die Namensliste auch künftig nicht ergänzt werden."

Ergänzend wird auf den mit Schriftsatz vom 22.11.2013 vorgelegten Interessenausgleich nebst Vergleichsgruppen und Namensliste (Bl. 35 - 54 der Gerichtsakte) verwiesen.

Die Beklagte holte die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Klägers beim Integrationsamt ein. Diese wurde mit Beschluss vom 26.09.2013 erteilt. Nach Anhörung des Betriebsrates mit Schreiben vom 16.10.2013, bei dem Gremium am 16.10.2013 eingegangen, sprach sie mit Schreiben vom 28.10.2013, welches der Kläger am 29.10.2013 erhalten hat, die betriebsbedingte Kündigung zum 31.05.2014 aus. Insgesamt sprach die Beklagte vor dem Hintergrund des Interessenausgleichs mehr als 100 betriebsbedingte Kündigungen aus.

Neun Arbeitnehmer, die auf der Namensliste namentlich genannt worden sind, sind von der Beklagten nicht gekündigt worden. Der vom Kläger insoweit benannte Herr P. ist gekündigt worden, das Verfahren ist beim Landesarbeitsgericht anhängig gewesen zu dem Az.: 5 Sa 1216/14.

Sämtliche nicht gekündigten Arbeitnehmer entstammen einer anderen Vergleichsgruppe als der Kläger und erhalten eine höhere Vergütung nach dem Tarifvertrag.

Mit seiner am 05.11.2013 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung zur Wehr gesetzt. Er hat sie als sozial ungerechtfertigt gerügt und die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bestritten. Ferner hat er die soziale Auswahl als fehlerhaft gerügt und vorsorglich einen Wiedereinstellungsantrag geltend gemacht. Nach Verkündung eines Versäumnisurteils zu seinen Lasten am 13.03.2014, ihm am 19.03.2014 zugestellt, hat er unter dem 20.03.2014 Einspruch eingelegt.

Er hat beantragt, wie folgt zu erkennen:

1. das Versäumnisurteil vom 13.03.2014 aufzuheben,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.10.2013 nicht am 31.05.2014 enden wird, sondern fortbesteht,

3. die Beklagte wird weiter verurteilt, ihn über den 31.05.2014 hinaus auf der Grundlage des Arbeitsvertrages der Parteien in Vollzeit als Angestellten bis zur Rechtskraft des Bestandsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen,

4. hilfsweise, die Beklagte wird verurteilt, ihn ab dem 01.06.2014 als gewerblichen Arbeitnehmer in Vollzeit unter Wahrung des erworbenen Besitzstandes wieder einzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 13.03.2014 aufrecht zu erhalten und die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs mit Namensliste berufen und die Auffassung vertreten, die Zuordnung des Klägers zu der Vergleichsgruppe "Anlerntätigkeit" sei nicht zu beanstanden. Wegen der Entlassung sämtlicher Arbeitnehmer dieser Vergleichsgruppe sei eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, dort Bl. 2 - 4 desselben, Bl. 145 - 147 der Gerichtsakte, verwiesen.

Mit Urteil vom 19.06.2014 hat das Arbeitsgericht Hameln das Versäumnisurteil vom 13.03.2014 aufrecht erhalten. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils, dort Bl. 4 - 8 desselben, Bl. 147 - 151 der Gerichtsakte, verwiesen.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 15.07.2014 zugestellt worden. Mit einem am 17.07.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt und diese mit einem am 18.08.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit seiner Berufung verfolgt er - mit Ausnahme des erstinstanzlich gestellten Wiedereinstellungsantrages, den er zu Protokoll der Kammerverhandlung im Wege einer Teilberufungsrücknahme zurückgenommen hat - sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Er vertritt die Auffassung, die Anlage 2 zum Interessenausgleich vom 18.07.2013 sei unvollständig und deswegen als sogenannte Teil-Namensliste keine Grundlage für § 1 Abs. 5 KSchG. Darüber hinaus habe sich die Sachlage nach dem Zustandekommen des Interessenausgleiches wesentlich geändert, da unter Einschluss des Arbeitnehmers P. 10 Arbeitnehmer, die in der Namensliste aufgelistet gewesen seien keine Kündigung erhalten hätten. Auch sei seine Beschäftigungsmöglichkeit nicht weggefallen. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei von anderen Mitarbeitern, die höher eingruppiert worden seien, übernommen worden.

Auch sei die Sozialauswahl fehlerhaft gewesen. Schließlich sei auch die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Ergänzend werde auf das erstinstanzliche Vorbringen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hameln vom 19.06.2014 zum Aktenzeichen 1 Ca 531/13 das Versäumnisurteil vom 13.03.2014 aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.10.2013 nicht am 31.05.2014 geendet hat und die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.05.2014 hinaus auf der Grundlage des Arbeitsvertrages in Vollzeit als Angestellten weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 18.08. und 22.10.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 46, 64 ArbGG und 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das angefochtene Urteil das klageabweisende Versäumnisurteil gem. § 343 ZPO aufrechterhalten.

Die streitgegenständliche Kündigung ist unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.05.2014 beendet. Deswegen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung, wie von ihm mit dem Antrag zu 2) unbedingt geltend gemacht.

I.

Zugunsten der Beklagten wird gem. § 1 Abs. 5 KSchG vermutet, dass die streitgegenständli-che gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG.

1.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG ist gegeben. Insbesondere haben die Betriebs-partner einen wirksamen Interessenausgleich mit dazugehörender Namensliste unterzeichnet.

Diese Namensliste enthielt den Namen des Klägers. Auch betrifft der Interessenausgleich eine Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG in Form eines Personalabbaues, der das in § 17 KSchG genannte Zahlenverhältnis unter Berücksichtigung der zusätzlichen Anforderungen des BAG (mehr als 5 % in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern) bei weitem übersteigt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

2.

Die Vermutungswirkung dieses Interessenausgleichs mit Namensliste entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Erfassung sämtlicher zu entlassender Arbeitnehmer auf der Namensliste.

a)

Ist in einem Interessenausgleich die Entlassung einer Vielzahl von Arbeitnehmern vorgesehen, enthält die Namensliste jedoch nicht die Namen sämtlicher der zur Entlassung anstehenden Arbeitnehmer, so wird unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der sogenannten Teil-Namensliste die Frage, ob eine solche Liste dem Tatbestand des § 1 Abs. 5 KSchG entspricht und zugunsten des kündigenden Arbeitgebers die dort vorgesehenen Kündigungserleichterungen auslöst, durchaus kontrovers erörtert.

aa)

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hat sich ersichtlich noch nicht vollständig abschließend zum vorstehenden Problemkreis geäußert:

Die Entscheidung vom 26.03.2009 (2 AZR 296/07 - AP Nr. 19 zu § 1 KSchG 1969 Na-mensliste) enthielt keine grundlegende Klärung der Frage, ob eine "Teil-Namensliste" eine ausreichende Grundlage für die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG darstellt. In diesem Zusammenhang hat das BAG ausgeführt, der Zweck des § 1 Abs. 5 KSchG bestehe vor allem darin, bei betriebsbedingten Kündigungen einer größeren Zahl von Arbeitnehmern die Sozialauswahl für alle Beteiligten rechtsicher zu gestalten. Der Wortlaut des § 1 Abs. 5 KSchG sei nicht eindeutig. Es komme auf den Sinn und Zweck dieser Vorschrift an. Es spreche Einiges dafür, Grundlage der Namensliste sei eine Betriebsänderung i.S. des § 111 BetrVG, der regelmäßig ein geschlossenes unternehmerisches Konzept zugrunde liege. Die Namensliste stelle die konkrete Umsetzung dieses unternehmerischen Konzeptes dar. Sie müsse deshalb, um in sich schlüssig zu sein, das unternehmerische Konzept vollständig erfassen und umsetzen. Im konkreten Streitfall hat das Bundesarbeitsgericht die generelle Klärung dieser Frage offen gelassen, weil die Betriebspartner bei ihrer Einigung Erwägungen hätten durchschlagen lassen, die außerhalb des Gesetzeszweckes lagen. Denn dort seien Arbeitnehmer nur deshalb in die Liste aufgenommen worden, um bei dem von diesen Mitarbeitern gewünschten freiwilligen Ausscheiden drohende Sperrzeiten gem. § 144 SGB III nach Möglichkeit auszuschließen.

Auch in den Entscheidungen vom 19.07.2012 (2 AZR 352/11 - AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste) und vom 27.09.2012 (Az: 2 AZR 516/11 - EZA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 25) hat das Bundesarbeitsgericht die grundsätzliche Eignung einer Teil-Namensliste als Grundlage für die Rechtswirkungen des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG nicht geklärt.

bb)

In der Literatur wird weit überwiegend eine Teil-Namensliste als Grundlage der Rechtswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG abgelehnt, weil es der Zweck dieser Norm gebiete, den Namen der zu kündigenden Arbeitnehmer vollständig aufzuführen, dem entspreche eine Teil-Namensliste nicht. Auch bestehe keine Gewähr, dass nach schlüssigen sozialen Kriterien entschieden werde. Der Zweck der Privilegierung verlange die abschließende Aufnahme der gekündigten Arbeitnehmer in die Namensliste (GK-Oetker, 10. Aufl., §§ 112, 112a, Rn. 27; Richardi, 13. Aufl., §112, Rn. 22 b; Fitting. 27. Aufl.. §§ 112, 112a Rn. 55; H/B/K-Quecke, 5. Aufl., § 1 KSchG Rn. 424; DKK-Däubler, 13. Aufl., §§ 112, 112a Rn. 32; ErfK-Oetker, 14. Aufl., § 1 KSchG Rn. 360a).

cc)

Demgegenüber hält eine abweichende Literaturmeinung eine Teil-Namensliste für grundsätzlich geeignet, die Rechtsfolgen des § 1 Abs 5 KSchG auszulösen (Richter/Riem: Ganz oder gar nicht - Rechtsfolgen von Teil-Namenslisten in NZA 2011, 1254 ff.).

b)

Die vorstehende Problematik der Teil-Namensliste als Grundlage für die Rechtswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG ist auch entscheidungserheblich. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten lassen sich die konkreten in dem Interessenausgleich vom 18.07.2013 vorgenommenen Regelungen als Teil-Namensliste charakterisieren: Die Entlassungen der Arbeitnehmer im Produktionsbereich und die Entlassungen der Angestellten im Bereich der NESD-Zentralfunktionen sind gegenständlich in ein und demselben Interessenausgleich als unternehmerische Maßnahme zusammengefasst worden. Sie bilden die Betriebsänderung gem. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG ab, die Grundlage der Privilegierung des § 1 Abs. 5 KSchG sind. Darüber hinaus lassen sich die in III des Interessenausgleiches unter NESD-Zentralfunktionen beschriebenen unternehmerischen Maßnahmen unproblematisch als die in der Vorbemerkung zum Interessenausgleich genannten Restrukturierungsmaßnahmen verstehen. Schlussendlich entspricht es auch einem ganz allgemeinen grundlegenden Verständnis, dass der Abbau von mehr als 100 Arbeitsplätzen im Produktionsbereich regelmäßig auch zu einer Verschlankung des administrativen Bereiches führt.

Der Einwand der Beklagten, betriebsbedingte Kündigungen seien im Bereich des Abbaues vorgenannter Arbeitsplätze nicht vorgesehen, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn der Interessenausgleich enthält keine verbindliche Festlegung, in welcher Weise die Entlassungen durchgeführt werden sollen. Soweit es dort vorrangig um Auflösungsvereinbarungen geht, sind betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Ohne Auflösungsvereinbarungen wären betriebsbedingte Entlassungen erforderlich gewesen. Die Prognose der Beklagten, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleiches sei absehbar gewesen, sämtliche Entlassungen hätten im Wege von Auflösungsvereinbarungen erfolgen können, war zum seinerzeitigen Zeitpunkt keineswegs zwingend. Allein positiv verlaufende Verhandlungen, die noch nicht zum Abschluss geführt haben, rechtfertigen eine solche Annahme nicht.

c)

Obwohl durch die Herausnahme der Entlassungen im NESD-Zentralfunktionenbereich aus der Namensliste die mit dem Interessenausgleich verbundene Namensliste als sogenannte Teil-Namensliste zu qualifizieren ist, begründet sie die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG und ist die Grundlage für die Anwendung dieser Norm.

Hierbei hält die Berufungskammer eine Teil-Namensliste nicht generell für eine taugliche Grundlage des § 1 Abs. 5 KSchG, sondern nur in einer eng umgrenzten Fallkonstellation, die vorliegend jedoch anzuerkennen ist: Diese Fallkonstellation ist zum einen dadurch gekennzeichnet, dass der Bereich, in dem die Betriebspartner eine Namensliste erstellen, von dem Bereich, für den keine Namensliste existiert, so deutlich abgrenzbar ist, dass nicht die entfernte Möglichkeit besteht, die Sozialauswahl des einen Bereiches könnte die Sozialauswahl in dem anderen Bereich in irgendeiner Form beeinflussen. Mit anderen Worten: Es ist ausgeschlossen, dass die Arbeitnehmer der Namensliste mit den übrigen Arbeitnehmern aus dem Bereich der NESD-Zentralfunktion vergleichbar sein könnten.

Darüber hinaus muss auch ein wertendes Element vorhanden sein, um die unterschiedliche Handhabung der Entlassungen in dem einen wie in dem anderen Bereich zu rechtfertigen. Zu fordern ist ein quantitatives Element, der Bereich der durch die Namensliste geregelt ist, muss von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer den übrigen Bereich deutlich überwiegen, so dass das erkennbare Interesse der Betriebspartner, Rechtsklarheit durch eine Namensliste zu schaffen, gegenüber dem nicht durch Namenslisten geregelten Bereich hervorgehoben wird.

All die Vorgaben hat die Beklagte zur Überzeugung der Berufungskammer erfüllt: Die Entlassungen in dem Bereich NESD-Zentralfunktionen sind absolut von den übrigen Produktionsbereichen zu unterscheiden, die Sozialauswahl in dem einen Bereich kann die Sozialauswahl des anderen Bereiches nicht berühren. Auch ist der Bereich der Entlassungen in dem NESD- Zentralfunktionen so klein, dass problemlos individuelle Lösungen (sei es durch Auflösungsverträge oder auch durch betriebsbedingte Kündigungen) durchgeführt werden können und ein echtes Bedürfnis nach Rechtsklarheit durch Namensliste - anders im Produktionsbereich, wo mehr als 100 Arbeitsplätze abgebaut werden - nicht besteht.

3.

Der Kläger hat die Vermutungswirkung der Namensliste auch nicht durch konkreten Sachvortrag widerlegt. Sein summarischer Vortrag bezüglich des fehlenden Wegfalls seiner Beschäftigungsmöglichkeit ist zum einen unpräzise und zum anderen nicht unter Beweis gestellt worden.

Zugunsten des Klägers greift auch nicht die Ausnahme des § 1 Abs. 5 S. 3 KSchG ein. Allein die fehlende Umsetzung der Namensliste bezüglich 9 Personen, denen gegenüber keine Kündigung ausgesprochen worden ist, hat die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleiches nicht wesentlich geändert.

Eine wesentliche Änderung der Sachlage scheidet jedenfalls bei einer geringfügigen Änderung der Anzahl der zu kündigenden Arbeitnehmer aus (BAG Urteil vom 23.10.2008 2 AZR 163/07 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste).

Angesichts 129 in die Namensliste aufgenommener Arbeitnehmer sind 10 Arbeitnehmer keine wesentliche Anzahl, sie entsprechen noch nicht einmal einem zahlenmäßigen Anteil von 10%.

4.

Die soziale Auswahl ist nicht grob fehlerhaft gem. § 1 Abs. 5 S. 1 und Abs. 3 KSchG.

a)

Die Beklagte hat trotz der Privilegierung in § 1 Abs. 5 KSchG und der Überprüfung der Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit ordnungsgemäß Auskunft über die Kriterien zu geben. nach denen die Sozialauswahl durchgeführt worden ist.

Dem ist sie bereits mit ihrer Klageerwiderung, der Darstellung der Vergleichsgruppen und dem Hinweis darauf, dass alle Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe "Anlerntätigkeit" entlassen worden sind, nachgekommen.

b)

Die Beklagte hat die Vergleichsgruppe der Anlerntätigkeit sachgerecht gebildet und hierbei entsprechend dem Bedürfnis der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei Massenentlassungen auf die Tätigkeit der Arbeitnehmer zum nicht willkürlich gewählten Stichtag am 01.06.2014 abgestellt. Der Kläger war auch dieser Gruppe zuzuordnen, er hat nach der unwidersprochenen Darstellung der Beklagten "am 01.06.2013 Teile eingelegt und händisch montiert". Jedenfalls vor dem Hintergrund der Prüfung der Sozialauswahl lediglich auf "grobe Fehlerhaftigkeit" ist diese Vorgehensweise nicht zu beanstanden.

II.

Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG rechtsunwirksam. Das von der Beklagten vorgelegte Anhörungsschreiben, dessen Inhalt unstreitig ist, zeigt, dass der Betriebsrat vollständig und ordnungsgemäß über die Person des Klägers, die Art der Kündigung und die zugrundeliegenden Kündigungsgründe informiert worden ist. Die Rüge zu Ziffer VII aus der Berufungsbegründung ist nicht stichhaltig. Denn die Betriebsratsanhörung entspricht den Grundsätzen der sogenannten subjektiven Determination, die Beklagte hat diesem Gremium die aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungsgründe mitgeteilt.

III.

Auch weitere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere lag ein Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vor. Auf dessen Rechtskraft kommt es nicht an. Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 31.05.2014 beendet. Deswegen musste auch der Weiterbeschäftigungsantrag, der nicht als uneigentlicher Hilfsantrag gefasst worden war, abgewiesen werden.

C.

Der Kläger hat die Kosten seines teils erfolglosen und teils zurückgenommenen Rechtsmittels gem. §§ 97 I, 516 III ZPO zu tragen. Gem. § 72 Abs. 2 ArbGG war die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen.