Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.05.2015, Az.: 5 Sa 1321/14
Betriebsbedingte Kündigung aufgrund Interessenausgleich mit Teil-Namensliste
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 07.05.2015
- Aktenzeichen
- 5 Sa 1321/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 17698
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2015:0507.5SA1321.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hameln - 1 Ca 21/14 - 11.09.2014
Rechtsgrundlagen
- KSchG § 1 Abs. 5
- § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3 KSchG
- § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG
- § 1 Abs. 2 S. 1 3. Alt. KSchG
Fundstellen
- AE 2015, 221
- AUR 2015, 332-333
- AuUR 2015, 332-333
- DB 2015, 2400
- EzA-SD 15/2015, 3
Amtlicher Leitsatz
Eine Teil Namensliste ist als integraler Bestandteil eines Interessenausgleiches gem. § 111 BetrVG jedenfalls dann eine ausreichende Basis für die Rechtswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG, wenn der durch die Namensliste erfasste Bereich so deutlich abgrenzbar von dem nicht erfassten Bereich ist, dass die Sozialauswahl nicht beeinflusst werden kann und er darüber hinaus wesentlich größer ist.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 11.09.2014 - 1 Ca 21/14 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers und hilfsweise über einen Wiedereinstellungsantrag.
Der am 00.00.1961 geborene Kläger, ledig, für kein Kind zum Unterhalt verpflichtet, ist seit dem 01.08.1978 bei der Beklagten beschäftigt. Seine monatliche Arbeitsvergütung belief sich auf zuletzt ca. 3.400,00 € brutto.
Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 14.01.1982, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 264 d.A.), nennt als Tätigkeit des Klägers "Energieanlagenelektroniker" und enthält eine Versetzungsklausel. Der Kläger ist gelernter Energieanlagenelektroniker und hat die Abschlussprüfung in diesem Ausbildungsberuf bestanden.
Seit dem Jahr 2005 war er im Bereich des betrieblichen Vorschlagswesens tätig und übernahm im Jahr 2009 noch Aufgaben im Magazin. Zum 01.04.2012 versetzte die Beklagte ihn mit seinem Einverständnis und beschäftigte ihn als Sachbearbeiter der elektronischen Instandhaltung. Die Arbeitsaufgaben sind in der Arbeitsplatzbeschreibung vom 01.04.2012 enthalten. Hierauf (Anlage K 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 05.05.2014, Bl. 73 d.A.) wird vollumfänglich verwiesen.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 60.
Die Beklagte beschäftigte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung an ihrem Standort in A-Stadt ca. 1000 Arbeitnehmer. Sie schloss unter dem 18.07.2013 mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich und als Anlage 2 zu diesem Interessenausgleich eine von den Betriebspartner und dem Vorsitzenden der tariflichen Schlichtungsstelle unterzeichnete Namensliste. Dort unter der Personalnummer 00000 auch der Kläger aufgeführt. Die Betriebspartner (Beklagte und Betriebsrat) einigten sich in der Anlage 1 zum Interessenausgleich auf diverse Vergleichsgruppen zwecks Durchführung der Sozialauswahl, unter anderem auch auf die Vergleichsgruppen "Einzelposition" und "elektrische Instandhaltung". Die Beklagte reihte den Kläger in die Vergleichsgruppe "Einzelposition" ein. In dieser Vergleichsgruppe war er der einzige Mitarbeiter.
Mit Schreiben vom 14.01.2014 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger nach Anhörung des Betriebsrates und nach Zustimmung des Integrationsamtes eine ordentliche Kündigung zum 31.08.2014 aus. Am 06.01.2014 erhielt der Betriebsrat eine schriftliche Anhörung zur betriebsbedingten Kündigung des Klägers. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben (Anlage K 6 zur Klageerwiderung vom 07.04.2014, Bl. 67 und 68 d.A.) verwiesen.
Insgesamt sprach die Beklagte vor dem Hintergrund des Interessenausgleichs mehr als 100 betriebsbedingte Kündigungen aus.
Der von den Betriebspartnern unterzeichnete Interessenausgleich sah den Abbau von 99 Arbeitsplätzen im Fertigungsbereich "Mechanism" und den Abbau von 65 Arbeitsplätzen im Bereich "Frames" A-Stadt vor. Unter dem Bereich "Frames" ist die Fertigung von Sitzstrukturen und unter dem Bereich "Mechanism" die sogenannte Beschlagfertigung zu verstehen.
Insgesamt umfasste die Namensliste die Namen von 129 in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmern aus den Bereichen "Frames" und "Mechanism". Der von den Betriebspartnern und vom Vorsitzenden der tariflichen Schlichtungsstelle unterzeichnete Interessenausgleich sah ebenfalls den Wegfall von 12 Arbeitsplätzen aus dem Bereich der "NESD Zentralfunktionen" vor. Auf Bl. 10 des Interessenausgleich heißt es im vorletzten Absatz insoweit wörtlich: "In dieser Namensliste sind Entlassungen die im Bereich NESD Zentralfunktion betreffen (s. 3.3), nicht enthalten. Diese Entlassungen (12) sollen soweit als möglich über Auflösungsvereinbarungen erfolgen. Insoweit soll die Namensliste auch künftig nicht ergänzt werden".
Ergänzend wird auf den mit Schriftsatz vom 07.04.2014 vorgelegten Interessenausgleich nebst Vergleichsgruppen und Namensliste (Bl. 32 - 68 d.A.) verwiesen.
11 Arbeitnehmer, die auf der Namensliste namentlich genannt worden sind, sind von der Beklagten nicht gekündigt worden. Der vom Kläger insoweit benannte Herr P. ist gekündigt worden, das Verfahren war beim Landesarbeitsgericht anhängig zu dem Az. 5 Sa 1216/14.
Sämtliche nicht gekündigten Arbeitnehmer entstammten einer anderen Vergleichsgruppe als der Vergleichsgruppe des Klägers.
Nicht entlassen und weiter beschäftigt wurden die Arbeitnehmer Herr D., Herr S., Herr S. und Herr K. und Herr B. Diese Mitarbeiter ordnete die Beklagte der Vergleichsgruppe der "elektronischen Instandhaltung" zu. Wegen der genauen Aufgaben dieser Mitarbeiter wird auf ihre Tätigkeitsbeschreibungen (Anlagen 8 und 10 - 13 zum Schriftsatz der Beklagten vom 27.07.2014, Bl. 158 - 164 d.A.) verwiesen.
Mit seiner am 17.01.2014 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung zur Wehr gesetzt. Er hat sie als sozial ungerechtfertigt gerügt und die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß informiert worden. Ferner hat er die soziale Auswahl als fehlerhaft gerügt und die Auffassung vertreten, vor Ausspruch der Kündigung sei ein Konsultationsverfahren gem. § 17 Abs. 2 erforderlich gewesen, welches nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.
Er hat beantragt,
1. festzustellen, dass da Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.01.2014 nicht mit Ablauf des 31.08.2014 beendet worden ist, sowie
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.08.2014 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Angestellten in Vollzeit auf der Grundlage der letzten Beschäftigung oder einer vergleichbaren Tätigkeit bis zur Rechtskraft des Bestandsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen,
3. hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 01.09.2014 als gewerblichen Arbeitnehmer in Vollzeit unter Wahrung des erworbenen Besitzstandes wieder einzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs mit Namensliste berufen und die Auffassung vertreten, die Zuordnung des Klägers zu der Vergleichsgruppe "Einzeltätigkeit" sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei der Kläger nicht mit den Arbeitnehmern der Vergleichsgruppe der elektronischen Instandhaltung vergleichbar.
Mit Urteil vom 11.09.2014 hat das Arbeitsgericht Hameln der Klage in vollem Umfang stattgegeben, die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung festgestellt und die Beklagte antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Insbesondere würden dringende betriebliche Erfordernisse nicht gem. § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG vermutet, da die von der Beklagten vorgelegte Namensliste eine sogenannte "Teil-Namensliste" sei, die keine ausreichende Grundlage für das Eingreifen der Rechtswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG biete. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (dort Bl. 5 - 10, Bl. 201 - 206 d.A.) verwiesen.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 06.10.2014 zugestellt worden. Mit einem am 14.10.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, den 08.12.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit ihrer Berufung verfolgt sie ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter und vertritt die Auffassung, die Namensliste, welche Bestandteil des Interessenausgleiches vom 18.07.2013 geworden sei, könne keineswegs als sogenannte "Teil-Namensliste" bewertet werden. Denn der Personalbau im Bereich NESD/Zentralfunktionen sei ausschließlich durch Abschluss von Aufhebungsverträgen einvernehmlich umgesetzt worden. Dies sei so im Interessenausgleich bereits angelegt und geplant gewesen. Aufgrund konkreter Verhandlungen haben sie darauf vertrauen dürfen, beim Personalabbau im vorgenannten Bereich keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen zu müssen.
Selbst wenn es sich um eine Teil-Namensliste handeln sollte, sei diese jedenfalls rechtmäßig, weil sie sich auf ein in sich geschlossenes Konzept beziehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 11.09.2014, Az. 1 Ca 21/14, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zunächst einmal vertritt er die Auffassung, die Namensliste sei deswegen unvollständig, weil die 12 zu entlassenden Mitarbeiter aus dem NESD-Bereich nicht namentlich dort erwähnt worden seien. Deswegen habe es sich um eine sogenannte "Teil-Namensliste" gehandelt, die keine Vermutungswirkung auslöse. Darüber hinaus sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Die Bildung der Vergleichsgruppe "Einzelpositionen" sei grob fehlerhaft. Der Kläger sei mit den Arbeitnehmern der Vergleichsgruppe "elektrische Instandhaltung" vergleichbar. Als gelernter Elektriker könne er sämtliche Tätigkeiten, die auch ein Energieelektroniker ausübe, absolvieren und erledigten, ggf. nach einer kurzen Einarbeitungszeit von bis zu 6 Wochen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 08.12.2014 und 09.01.2015 sowie das Sitzungsprotokoll vom 07.05.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist zulässig, sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO).
Insbesondere wahrt die am Montag, den 08.12.2014 eingegangene Berufungsbegründung gem. §§ 193 BGB, 222 ZPO die gesetzliche Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG.
B.
Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung. Die streitgegenständliche Kündigung ist unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.08.2014 beendet. Deswegen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung, wie von ihm mit dem Antrag zu Ziff. 2 unbedingt geltend gemacht. Auch der unechte Hilfsantrag, gerichtet auf Wiedereinstellung, der in der Berufungsinstanz angefallen ist, musste erfolglos bleiben.
I.
Zugunsten der Beklagten wird gem. § 1 Abs. 5 KSchG vermutet, dass die streitgegenständliche gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG.
1.
Der Tatbestand des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG ist gegeben. Insbesondere haben die Betriebspartner einen wirksamen Interessenausgleich mit dazugehörender Namensliste unterzeichnet.
Diese Namensliste enthielt den Namen des Klägers. Auch betrifft der Interessenausgleich eine Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG in Form eines Personalabbaues, der das in § 17 KSchG genannte Zahlenverhältnis unter Berücksichtigung der zusätzlichen Anforderungen des BAG (mehr als 5 % in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern) bei weitem übersteigt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
2.
Die Vermutungswirkung dieses Interessenausgleichs mit Namensliste entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Erfassung sämtlicher zu entlassender Arbeitnehmer auf der Namensliste.
a)
Ist in einem Interessenausgleich die Entlassung einer Vielzahl von Arbeitnehmern vorgesehen, enthält die Namensliste jedoch nicht die Namen sämtlicher der zur Entlassung anstehenden Arbeitnehmer, so wird unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der sogenannten Teil-Namensliste die Frage, ob eine solche Liste dem Tatbestand des § 1 Abs. 5 KSchG entspricht und zugunsten des kündigenden Arbeitgebers die dort vorgesehenen Kündigungserleichterungen auslöst, durchaus kontrovers erörtert.
aa)
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hat sich ersichtlich noch nicht vollständig abschließend zum vorstehenden Problemkreis geäußert:
Die Entscheidung vom 26.03.2009 (2 AZR 296/07 - AP Nr. 19 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste) enthielt keine grundlegende Klärung der Frage, ob eine "Teil-Namensliste" eine ausreichende Grundlage für die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG darstellt. In diesem Zusammenhang hat das BAG ausgeführt, der Zweck des § 1 Abs. 5 KSchG bestehe vor allem darin, bei betriebsbedingten Kündigungen einer größeren Zahl von Arbeitnehmern die Sozialauswahl für alle Beteiligten rechtsicher zu gestalten. Der Wortlaut des § 1 Abs. 5 KSchG sei nicht eindeutig. Es komme auf den Sinn und Zweck dieser Vorschrift an. Es spreche Einiges dafür, Grundlage der Namensliste sei eine Betriebsänderung i.S. des § 111 BetrVG, der regelmäßig ein geschlossenes unternehmerisches Konzept zugrunde liege. Die Namensliste stelle die konkrete Umsetzung dieses unternehmerischen Konzeptes dar. Sie müsse deshalb, um in sich schlüssig zu sein, das unternehmerische Konzept vollständig erfassen und umsetzen. Im konkreten Streitfall hat das Bundesarbeitsgericht die generelle Klärung dieser Frage offen gelassen, weil die Betriebspartner bei ihrer Einigung Erwägungen hätten durchschlagen lassen, die außerhalb des Gesetzeszweckes lagen. Denn dort seien Arbeitnehmer nur deshalb in die Liste aufgenommen worden, um bei dem von diesen Mitarbeitern gewünschten freiwilligen Ausscheiden drohende Sperrzeiten gem. § 144 SGB III nach Möglichkeit auszuschließen.
Auch in den Entscheidungen vom 19.07.2012 (2 AZR 352/11 - AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste) und vom 27.09.2012 (Az: 2 AZR 516/11 - EZA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 25) hat das Bundesarbeitsgericht die grundsätzliche Eignung einer Teil-Namensliste als Grundlage für die Rechtswirkungen des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG nicht geklärt.
bb)
In der Literatur wird weit überwiegend eine Teil-Namensliste als Grundlage der Rechtswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG abgelehnt, weil es der Zweck dieser Norm gebiete, den Namen der zu kündigenden Arbeitnehmer vollständig aufzuführen, dem entspreche eine Teil-Namensliste nicht. Auch bestehe keine Gewähr, dass nach schlüssigen sozialen Kriterien entschieden werde. Der Zweck der Privilegierung verlange die abschließende Aufnahme der gekündigten Arbeitnehmer in die Namensliste (GK-Oetker, 10. Aufl., §§ 112, 112a, Rn. 27; Richardi, 13. Aufl., §112, Rn. 22 b; Fitting. 27. Aufl.. §§ 112, 112a Rn. 55; H/B/K-Quecke, 5. Aufl., § 1 KSchG Rn. 424; DKK-Däubler, 13. Aufl., §§ 112, 112a Rn. 32; ErfK-Oetker, 14. Aufl., § 1 KSchG Rn. 360a).
cc)
Demgegenüber hält eine abweichende Literaturmeinung eine Teil-Namensliste für grundsätzlich geeignet, die Rechtsfolgen des § 1 Abs 5 KSchG auszulösen (Richter/Riem: Ganz oder gar nicht? - Rechtsfolgen von Teil-Namenslisten in NZA 2011, 1254 ff.).
b)
Die vorstehende Problematik der Teil-Namensliste als Grundlage für die Rechtswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG ist auch entscheidungserheblich. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten lassen sich die konkreten in dem Interessenausgleich vom 18.07.2013 vorgenommenen Regelungen als Teil-Namensliste charakterisieren: Die Entlassungen der Arbeitnehmer im Produktionsbereich und die Entlassungen der Angestellten im Bereich der NESD-Zentralfunktionen sind gegenständlich in ein und demselben Interessenausgleich als unternehmerische Maßnahme zusammengefasst worden. Sie bilden die Betriebsänderung gem. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG ab, die Grundlage der Privilegierung des § 1 Abs. 5 KSchG sind. Darüber hinaus lassen sich die in III des Interessenausgleiches unter NESD-Zentralfunktionen beschriebenen unternehmerischen Maßnahmen unproblematisch als die in der Vorbemerkung zum Interessenausgleich genannten Restrukturierungsmaßnahmen verstehen. Schlussendlich entspricht es auch einem ganz allgemeinen grundlegenden Verständnis, dass der Abbau von mehr als 100 Arbeitsplätzen im Produktionsbereich regelmäßig auch zu einer Verschlankung des administrativen Bereiches führt.
Der Einwand der Beklagten, betriebsbedingte Kündigungen seien im Bereich des Abbaues vorgenannter Arbeitsplätze nicht vorgesehen, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn der Interessenausgleich enthält keine verbindliche Festlegung, in welcher Weise die Entlassungen durchgeführt werden sollen. Soweit es dort vorrangig um Auflösungsvereinbarungen geht, sind betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Ohne Auflösungsvereinbarungen wären betriebsbedingte Entlassungen erforderlich gewesen. Die Prognose der Beklagten, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleiches sei absehbar gewesen, sämtliche Entlassungen hätten im Wege von Auflösungsvereinbarungen erfolgen können, war zum seinerzeitigen Zeitpunkt keineswegs zwingend. Allein positiv verlaufende Verhandlungen, die noch nicht zum Abschluss geführt haben, rechtfertigen eine solche Annahme nicht.
c)
Obwohl durch die Herausnahme der Entlassungen im NESD-Zentralfunktionenbereich aus der Namensliste die mit dem Interessenausgleich verbundene Namensliste als sogenannte Teil-Namensliste zu qualifizieren ist, begründet sie die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG und ist die Grundlage für die Anwendung dieser Norm.
aa)
Hierbei hält die Berufungskammer eine Teil-Namensliste nicht generell für eine taugliche Grundlage des § 1 Abs. 5 KSchG, sondern nur in einer eng umgrenzten Fallkonstellation, die vorliegend jedoch anzuerkennen ist: Diese Fallkonstellation ist zum einen dadurch gekennzeichnet, dass der Bereich, in dem die Betriebspartner eine Namensliste erstellen, von dem Bereich, für den keine Namensliste existiert, so deutlich abgrenzbar ist, dass nicht die entfernte Möglichkeit besteht, die Sozialauswahl des einen Bereiches könnte die Sozialauswahl in dem anderen Bereich in irgendeiner Form beeinflussen. Mit anderen Worten: Es ist ausgeschlossen, dass die Arbeitnehmer der Namensliste mit den übrigen Arbeitnehmern aus dem Bereich der NESD-Zentralfunktion vergleichbar sein könnten.
Darüber hinaus muss auch ein wertendes Element vorhanden sein, um die unterschiedliche Handhabung der Entlassungen in dem einen wie in dem anderen Bereich zu rechtfertigen. Zu fordern ist ein quantitatives Element, der Bereich der durch die Namensliste geregelt ist, muss von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer den übrigen Bereich deutlich überwiegen, so dass das erkennbare Interesse der Betriebspartner, Rechtsklarheit durch eine Namensliste zu schaffen, gegenüber dem nicht durch Namenslisten geregelten Bereich hervorgehoben wird.
bb)
All die Vorgaben hat die Beklagte zur Überzeugung der Berufungskammer erfüllt: Die Entlassungen in dem Bereich NESD-Zentralfunktionen sind absolut von den übrigen Produktionsbereichen zu unterscheiden, die Sozialauswahl in dem einen Bereich kann die Sozialauswahl des anderen Bereiches nicht berühren. Auch ist der Bereich der Entlassungen in dem NESD- Zentralfunktionen so klein, dass problemlos individuelle Lösungen (sei es durch Auflösungsverträge oder auch durch betriebsbedingte Kündigungen) durchgeführt werden können und ein echtes Bedürfnis nach Rechtsklarheit durch Namensliste - anders im Produktionsbereich, wo mehr als 100 Arbeitsplätze abgebaut werden - nicht besteht.
3.
Zugunsten des Klägers greift auch nicht die Ausnahme des § 1 Abs. 5 S. 3 KSchG ein. Allein die fehlende Umsetzung der Namensliste bezüglich 11 Personen, denen gegenüber keine Kündigung ausgesprochen worden ist, hat die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleiches nicht wesentlich geändert.
Eine wesentliche Änderung der Sachlage scheidet jedenfalls bei einer geringfügigen Änderung der Anzahl der zu kündigenden Arbeitnehmer aus (BAG Urteil vom 23.10.2008, 2 AZR 163/07 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste).
Angesichts 129 in die Namensliste aufgenommener Arbeitnehmer sind 11 Arbeitnehmer keine wesentliche Anzahl, sie entsprechen noch nicht einmal einem zahlenmäßigen Anteil von 10%.
4.
Die soziale Auswahl ist nicht grob fehlerhaft gem. § 1 Abs. 5 S. 1 und Abs. 3 KSchG.
a)
Die Beklagte hat trotz der Privilegierung in § 1 Abs. 5 KSchG und der Überprüfung der Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit ordnungsgemäß Auskunft über die Kriterien zu geben, nachdem die Sozialauswahl durchgeführt worden ist. Dem ist sie bereits mit ihrer Klagerwiderung, der Darstellung der Vergleichsgruppen und dem Hinweis darauf, dass der Kläger als einziger Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe "Einzeltätigkeiten" entlassen worden ist, nachgekommen.
b)
Der Einwand des Klägers, eine Gruppenbildung "Einzelposition" sei grundsätzlich nicht möglich, wird nicht geteilt. Regelmäßig sind bei betriebsbedingten Kündigungen Fallkonstellationen denkbar und entsprechen der Gerichtspraxis, in denen der gekündigte Arbeitnehmer mit keinem anderen Arbeitnehmer vergleichbar ist, weil es sich um einen individuellen Arbeitsplatz handelt.
c)
Die Beklagte hat jedenfalls nicht grob fehlerhaft den Kläger in die Vergleichsgruppe der "Einzelposition" eingereiht und ihn nicht grob fehlerhaft aus in die Vergleichsgruppe "elektrische Instandhaltung" herausgenommen.
aa)
Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Durch § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass unter anderen die durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnisse Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur, wo dies nicht der Fall ist, sondern der vom Gesetzgeber gewährte Spielraum verlassen wird, so dass der Sache nach nicht mehr von einer "sozialen" Auswahl die Rede sein kann, darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden. Der Arbeitgeber genügt seiner Pflicht, die gesetzlichen Kriterien ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft zu berücksichtigen bereits dann, wenn das Auswahlergebnis objektiv ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft ist. Dieser Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit gilt nicht nur für die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung, sondern auch für die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen (BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 405/06 - juris Rn. 20, 19).
bb)
Gemessen an vorstehenden Rechtsgrundsätzen ist die Bildung der Vergleichsgruppe nicht grob fehlerhaft.
bb1)
Zunächst einmal ist die von den Betriebspartnern vorgenommene Stichtagsregelung nicht zu beanstanden. Danach sind die vergleichbaren Arbeitnehmer betriebsbezogen unter Berücksichtigung der zumutbaren Dauer von Einarbeitungsmaßnahmen auf der Grundlage der den Arbeitnehmern am 01.06.2013 auf Dauer übertragenden Tätigkeit ermittelt worden.
bb2)
Die dem Kläger ausweislich seiner eigenen Arbeitsplatzbeschreibung übertragenen Tätigkeiten unterschieden sich von denen der in die Vergleichsgruppe "elektrische Instandhaltung" eingereihten Arbeitnehmer deutlich. Sie ist nicht identisch. Denn der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers, soweit es den Elektrobereich anbelangt, liegt in der Prüfung und in der Koordination und Überwachung von Prüfterminen. Demgegenüber lassen die Tätigkeitsbeschreibungen der im Bereich der elektronischen Instandhaltung eingeordneten Arbeitnehmer (B., S. K., S. und D.) einen Schwerpunkt im Bereich von Reparatur, Pflege, Wartung und Programmierung also durchaus im eigentlich handwerklichen Bereich erkennen. Darüber hinaus enthält die Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers auch noch einen großen Anteil an Tätigkeiten, die nichts mit der Elektronik im weitesten Sinne zu tun haben.
bb3)
Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger behaupteten Einarbeitungszeit "ggf. bis zu 6 Wochen" lässt sich eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht begründen. Bereits nach dem allgemeinen Maßstab des § 1 Abs. 3 KSchG vermag eine Einarbeitungsdauer von 6 Wochen problematisch zu sein. Im Bereich des § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG ist es jedenfalls nicht grob fehlerhaft, einen Arbeitnehmer von der Vergleichbarkeit herauszunehmen, wenn er bis zu 6 Wochen benötigt, um alle Aufgaben des anderen Arbeitnehmers erlernen zu können. Hierbei berücksichtigt die Berufungskammer sehr wohl den Ausbildungsberuf und den ursprünglichen Arbeitsvertrag des Klägers. Entscheidend ist aber auch das Argument, dass der Kläger jedenfalls seit dem Jahr 2005 mit diesen Kernaufgaben eines Energieanlagenelektronikers nicht mehr beschäftigt worden ist. Die Wertung der Betriebspartner ist angesichts des Prüfungsmaßstabes "grobe Fehlerhaftigkeit" nicht zu beanstanden.
II.
Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG rechtsunwirksam. Insbesondere ist auch das Anhörungsschreiben vom 06.01.2014, welches der Betriebsrat am selben Tag erhalten hat, vollständig und enthält sowohl umfassende Angaben zur Person des zu entlassenden Arbeitnehmers, zur auszusprechenden Kündigung und zu den Kündigungsgründen. Die erstinstanzlich geäußerte Kritik des Klägers, der Betriebsrat sei nicht über alle wesentlichen Umstände informiert worden, wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.
III.
Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter (ordnungsgemäßer) Durchführung des Konsultationsverfahrens gem. § 17 Abs. 2 KSchG, § 134 BGB rechtsunwirksam. Denn die vorliegende Kündigung war nicht gem. § 17 Abs. 1 KSchG massenentlassungsanzeigepflichtig. Aufgrund der Länge des vorherigen Verfahrens beim Integrationsamt konnte die Kündigung erst im Januar 2014 ausgesprochen werden, so dass innerhalb des 30-Tages-Zeitraumes, auf den § 17 Abs. 1 KSchG abstellt, nicht das erforderliche Quorum von Entlassungen, wobei hiermit der Ausspruch der Kündigung gemeint ist, erreicht worden ist. Das Argument des Klägers, hierin liege eine Benachteiligung von Schwerbehinderten, wird gleichfalls vom Berufungsgericht nicht geteilt. Für die Frage der Konsultationspflicht gem. § 17 Abs. 2 KSchG ist allein § 17 Abs. 1 KSchG maßgebend. Nach der formalen Logik des Gesetzes ist ausschließlich auf das Zahlenverhältnis und den im Gesetz genannten Zeitraum abzustellen. Diese Wertung ist elementar und entspricht darüber hinaus auch der BAG-Rechtsprechung (Urt. vom 25.04.2013, 6 AZR 49/12 - juris, Rn. 148 ff).
III.
Weitere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 31.08.2014 beendet. Deswegen musste auch der Weiterbeschäftigungsantrag, der nicht als uneigentlicher Hilfsantrag gefasst worden war, abgewiesen werden.
IV.
Auch der Hilfsantrag des Klägers, gerichtet auf Wiedereinstellung, musste erfolglos bleiben.
1.
Wie allgemein anerkannt ist, steht einem Arbeitnehmer dann ein Wiedereinstellungsanspruch zu, wenn im Laufe der Kündigungsfrist der ursprünglich vorhandene Kündigungsgrund in Fortfall geraten ist. Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht lediglich dann nicht, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers der Wiedereinstellung entgegenstehen. Solche entgegenstehenden Interessen des Arbeitgebers können insbesondere dann vorliegen, wenn er bereits andere Dispositionen getroffen hat.
2.
Der Kläger hat diese Anspruchsvoraussetzung mit seinem Argument "Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden im Bereich der elektrischen Instandhaltung nach wie vor" bereits nicht schlüssig vorgetragen. Denn diese Tätigkeiten werden von anderen Arbeitnehmern, die im Rahmen der sozialen Auswahl betrachtet wurden, auch schon zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung verrichtet. Für einen Wiedereinstellungsanspruch ist kein Raum.
C.
Der Kläger hat als unterlegende Partei gem. § 81 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gem. § 72 Abs. 2 ArbGG war die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen.