Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.11.2015, Az.: 7 Sa 1690/14

Konkurrenztätigkeit einer Steuerfachangestellten außerhalb des unmittelbaren Einzugsgebiet des Arbeitgebers; Arbeitgeberklage auf Herausgabe der für fremde Rechnung bezogenen Vergütung bei unerheblichem Einwand der Arbeitnehmerin zum Abzug der durch eigenen Zeitaufwand entstanden Lohnkosten

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.11.2015
Aktenzeichen
7 Sa 1690/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 35521
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:1112.7SA1690.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 06.11.2014 - AZ: 5 Ca 314/13

Fundstelle

  • EzA-SD 6/2016, 10

Amtlicher Leitsatz

1. Eine Konkurrenztätigkeit liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer nicht im unmittelbaren Einzugsgebiet des Beklagten tätig wird.

2. Der Arbeitsaufwand, den der Arbeitnehmer für eine Konkurrenztätigkeit aufwendet, ist nicht als gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 06.11.2014, 5 Ca 314/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen noch darüber, ob der Wert der eigenen Arbeitszeit der Klägerin, die diese bei einer Konkurrenztätigkeit aufgewandt hat, die an den Beklagten nach § 61 Abs. 1 2. Halbsatz HGB herauszugebende Vergütung mindert.

Die am 0.0.1982 geborene Klägerin war auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 14.07.2005 (Bl. 19-22 d.A.) in der Steuerberatungskanzlei des Beklagten in C-Stadt als Steuerfachangestellte beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte dabei auch die Lohn- und Finanzbuchhaltung.

Die Mutter der Klägerin betreibt seit 1994 ein Buchhaltungsbüro in E-Stadt. Die Klägerin unterstützte ihre Mutter bei dieser Tätigkeit, als diese den Arbeitsaufwand gesundheitlich nicht mehr bewältigen konnte.

Am 21.07.2009 meldete die Klägerin ein Gewerbe mit der Tätigkeit "Lohn- und Finanzbuchhaltung und Büroservice" für eine Betriebsstätte in E-Stadt an. Für die Ausübung dieses Gewerbes, das sie neben ihrer Tätigkeit bei dem Beklagten ausübte, wandte sie nach ihrer Behauptung in der Zeit von 2009-2013 insgesamt 1869 Stunden auf.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis wegen der Konkurrenztätigkeit mit Schreiben vom 18.06.2013 zum 19.06.2013 außerordentlich. Das Arbeitsgericht Braunschweig wies durch rechtskräftiges Teilurteil vom 09.01.2014 (Bl. 157- 167 d.A.) die Kündigungsschutzklage ab und verurteilte die Klägerin dazu, Auskunft darüber zu erteilen, welche Mandate des Rechnungswesens, der Lohn- und Finanzbuchhaltung sie alleine oder gemeinschaftlich mit Dritten in der Zeit vom 14. Juli 2005 bis 19. Juni 2013 geschlossen und welche Vergütung sie hierfür erhalten hat.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 17.03.2014 die Erlöskonten hinsichtlich der Lohn- und Finanzbuchhaltung sowie des Rechnungswesens vor (Bl. 195- 221 d.A.). Hiernach erzielte sie während des im Streit stehenden Zeitraums aus diesen Tätigkeiten einen Erlös von 46.433,60 €. Die Herausgabe dieses Betrages verlangte der Beklagte mit dem Schreiben vom 10.06.2014. Er machte diese Forderung mit der im Streit stehenden Widerklage geltend.

Das Arbeitsgericht hat durch ein der Klägerin am 21.11.2014 zugestelltes Schlussurteil vom 06.11.2014, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 314 - 326 d.A.), die Klägerin dazu verurteilt, an den Beklagten 39.320,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2014 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen und die Kosten der Klägerin zu 88 % und dem Beklagten zu 12 % auferlegt.

Mit ihrem am 15.12.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt die Klägerin Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gemäß der als Entwurf beigefügten Berufungsbegründung (Bl. 341-418 d.A.). Das Landesarbeitsgericht hat zunächst durch Beschluss vom 12.03.2015 (Bl. 440-444 d.A.) den Antrag zurückgewiesen. Auf die Gegenvorstellung der Klägerin vom 17.04.2015 (Bl. 455-464 d.A.) hat das Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 30.04.2015 den Prozesskostenhilfebeschluss vom 12.03.2015 teilweise abgeändert und der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie sich gegen die Verurteilung von Zahlung von 30.894,57 € wendet (Bl. 467 d.A.).

Die Klägerin hat daraufhin am 26.05.2015 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Ferner beantragt sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht sämtliche Kunden der Klägerin dem Einzugsbereich des Beklagten zugeordnet. Die Steuerberatungskanzlei des Beklagten sei nur regional tätig. Der Beklagte betreibe außerhalb von C-Stadt keine Akquise. Die Kunden der Klägerin fielen deshalb nicht zum Einzugsgebiet des Beklagten, sodass es sich bei der Betreuung dieser Kunden auch nicht um eine Konkurrenztätigkeit handele.

Zudem müsse der Arbeitsaufwand der Klägerin als Aufwendung gewinnmindernd berücksichtigt werden. § 61 HGB könne nicht entnommen werden, dass nur Aufwendungen im Sinne von § 670 BGB berücksichtigt werden könnten. Mit dem Eintritt des Geschäftsherrn in die Geschäfte sollten vielmehr lediglich die Vorteile des Arbeitnehmers abgeschöpft werden, die dieser aus den Konkurrenzgeschäften erlangt habe. Der Geschäftsherr bzw. Arbeitgeber solle bei Geltendmachung des Eintrittsrechts nicht mehr erhalten, als er erhalten hätte, wenn er das Geschäft selbst durchgeführt hätte. In diesem Fall hätte der Beklagte den Arbeitsaufwand der Klägerin mit einem Stundenlohn von 16,53 € vergüten müssen.

Bei dem Verkauf einer Sache im Rahmen einer Konkurrenztätigkeit sei es selbstverständlich, dass der Kaufpreis, den der Arbeitnehmer für den Erwerb der Sache aufwenden musste, vom Gewinn in Abzug gebracht werden müsse. Bei Dienstleistungen müssen dementsprechend die Kosten in Abzug gebracht werden, die bei der Erbringung der Dienstleistung anfallen. Dies seien typischerweise die Lohnkosten. Der Arbeitgeber würde sonst mehr erhalten, als er erhielte, wenn er die Dienstleistung in seinem eigenen Betrieb erbringen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf den Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.05.2015.

Die Klägerin beantragt,

ihr wegen Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 06.11.2014 teilweise abzuändern und die Widerklage in Höhe von 30.894,57 € zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 01.07.2015.

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Zwar hat die Klägerin die Berufung nicht innerhalb der Fristen des § 66 ArbGG eingelegt und begründet. Ihr konnte jedoch wegen Versäumung dieser Fristen gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Das durch Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme einer fristwahrenden Prozesshandlung zu beauftragen, begründet eine unverschuldete Versäumung der Rechtsmittelfrist, wenn die Partei alles in ihren Kräften stehende und ihr Zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren (BGH vom 25.03.2015, XII ZB 96/14, Rn. 5). Deshalb besteht ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn die Partei ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht einreicht.

Dies ist vorliegend geschehen. Die Klägerin hat nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch das Landesarbeitsgericht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO die versäumten Prozesshandlungen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nachgeholt.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin den aus ihrem Gewerbe mit der Tätigkeit "Lohn- und Finanzbuchhaltung und Büroservice" erzielten Erlös in Höhe von 39.320,73 € an den Beklagten herauszugeben hat. Das Landesarbeitsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Schlussurteils zu Eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Die Berufungsbegründung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden und zusammenfassenden Ausführungen:

1. Konkurrenztätigkeit der Klägerin

Entgegen der von der Klägerin im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung ist vorliegend von einer Konkurrenztätigkeit der Klägerin auszugehen, auch wenn sie nicht im unmittelbaren Einzugsgebiet des Beklagten tätig geworden ist.

Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung zu Recht davon aus, dass das Wettbewerbsverbot der §§ 60, 61 HGB für alle Arbeitnehmer Anwendung findet. Untersagt ist einem Arbeitnehmer deshalb der Abschluss von Umsatzgeschäften im Handelszweig des Arbeitgebers oder das Anbieten von Diensten und Leistungen gegenüber Dritten im Marktbereich des Arbeitgebers (BAG vom 17.10.2012, 10 AZR 809/11, Rn. 19).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat im Marktbereich des Beklagten Dienste und Leistungen angeboten, die zu dem Geschäftszweig des Beklagten gehören. Der Schutz des Arbeitgebers ist insoweit umfassend. Der Arbeitnehmer darf auch dann keine Konkurrenzgeschäfte tätigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kunden nicht erreichen wird (BAG vom 16.01.2013, 10 AZR 560/11, Rn. 16; Baumbach/Hopt-Roth, § 61 HGB, Rn. 3). Die Klägerin kann sich deshalb nicht erfolgreich darauf berufen, dass die von ihr betreuten Kunden aufgrund der Entfernung bzw. langjährigen vertraglichen Bindung zum Steuerhilfeverein der Mutter ohnehin keine Geschäftsbeziehungen zu dem Beklagten aufgenommen hätten. Auf eine Ortsbindung kommt es grundsätzlich nicht an.

2. Eigener Arbeitsaufwand der Klägerin

Der eigene Arbeitsaufwand der Klägerin ist nicht als gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Nach dem entsprechend anwendbaren § 61 Abs. 1 HGB (BAG vom 26.09.2007, 10 AZR 511/06, Rn. 17) kann der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer Schadensersatz fordern, wenn sein Arbeitnehmer ohne Einwilligung Konkurrenzgeschäfte tätigt. Stattdessen kann er nach dem Gesetz die aus den Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausverlangen. Der Arbeitgeber ist so zu stellen, als ob er das Geschäft selbst abgeschlossen hätte. Er muss jedoch die Auslagen und Aufwendungen des Arbeitnehmers erstatten. Das bedeutet, dass er diesen so stellen muss, als wäre das Geschäft für Rechnung des Arbeitgebers gemacht worden (BAG vom 15.02.1962, 5 AZR 79/61, Rn. 11; ErfK-Oetker, § 61 HGB, 16. Aufl. 2016, Rn 5; Baumbach/Hopt-Roth, § 61 HGB, 36. Aufl. 2014, Rn. 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Boecken, § 61 HGB, 3. Aufl. 2014, Rn. 15; Wagner in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 61 HGB Rn. 18).

Der Beklagte muss die von der Klägerin getätigten Aufwendungen gemäß § 670 BGB erstatten. Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB sind Vermögensopfer, die der Beauftragte im Interesse eines anderen, des Geschäftsherrn macht. Es muss sich mithin um Vorgänge handeln, die sich auf das Vermögen des Beauftragten negativ auswirken (vgl. BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 657/02, Rn. 43).

Dies ist hinsichtlich der Zeit, die ein Beauftragter für den Auftrag aufwendet, nicht der Fall. Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft zählt grundsätzlich nicht zu den erstattungsfähigen Aufwendungen (so auch BayObLG vom 07.05.1998, 2Z BR 111/97; BayObLG vom 09.06.1988, BReg 2 Z 1/88, Rn. 20; OVG Berlin vom 15.10.1996, 8 B 102.96). Vielmehr kann der Beauftragte eine besondere Vergütung nur dann verlangen, wenn der wettbewerbswidrig Handelnde auch sonst eine zu beanspruchen hätte, z. B. als Provisionsangestellter (Schaub-Dr. Vogelsang, Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl., § 54 Rn. 24). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Für die Richtigkeit dieser Argumentation spricht, dass bei wettbewerbswidrigen Geschäften, die sich in einer reinen Dienstleistung (= Arbeitsleistung) erschöpfen, die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB weitgehend ins Leere laufen würde, wenn der Beauftragte die für die Dienstleistung erbrachte Zeit gegenrechnen könnte.

Die Klägerin hat zudem nicht dargelegt, dass der Arbeitsaufwand für die von ihr getätigten Geschäfte nicht im Rahmen der üblichen Arbeitszeit von ihr selbst oder von den bei dem Beklagten tätigen anderen Mitarbeitern hätte erledigt werden können. Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Beklagte mit dem zugesprochenen Betrag mehr erhalten hat, als er erhalten hätte, wenn er das Geschäft selbst durchgeführt hätte.

Zudem handelte es sich bei dem im Streit stehenden Anspruch gerade nicht um einen Schadensersatzanspruch. Denn der Beklagte darf als Arbeitgeber auch ohne Nachweis eines Schadens in die Geschäfte eintreten und die erzielten Vergütungen herausverlangen (BAG vom 15.02.1962, 5 AZR 79/61, Rn. 11).

Der Einwand der Klägerin, dass bei Dienstleistungen die Kosten in Abzug gebracht werden müssen, die bei der Erbringung der Dienstleistung anfielen, dies seien typischerweise die Lohnkosten, ist unerheblich. Dabei kann dahinstehen, ob diese Auffassung zutrifft, wenn die Klägerin Lohnkosten etwa bei der Beschäftigung Dritter im Rahmen der Durchführung der Aufträge aufgewandt hat. Denn der Einsatz der eigenen Arbeitskraft ist im Gegensatz dazu nicht als erforderliches Vermögensopfer im Sinne von § 670 BGB anzusehen.

III.

Die Berufung der Klägerin war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.