Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.12.2015, Az.: 17 Sa 174/15

Außerordentliche Kündigung eines Bäckereifachverkäufers bei Verdacht der Unterschlagung von Kundengeldern; Wahrung arbeitsvertraglicher Ausschlussfrist durch Eingang einer demnächst zuzustellenden Widerklage bei Gericht

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
07.12.2015
Aktenzeichen
17 Sa 174/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 40150
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:1207.17SA174.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 13.01.2015 - AZ: 13 Ca 310/14

Fundstelle

  • AE 2016, 209

Amtlicher Leitsatz

1. Einzelfallentscheidung zur außerordentlichen Kündigung einer Bäckereifachverkäuferin wegen des Verdachts der Unterschlagung von Kundengeldern.

2. § 167 ZPO ist auch dann anwendbar, wenn es um die Wahrung einer vertraglichen Ausschlussfrist zur außergerichtlichen Geltendmachung geht.

Redaktioneller Leitsatz

1. Vereinnahmt eine Arbeitnehmerin Geld des Arbeitgebers unerlaubt für sich oder besteht insoweit zumindest ein dringender Verdacht, kann dieses Verhalten eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Die Arbeitnehmerin verletzt mit einem solchen Verhalten unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung in erheblichem Maße ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen ihres Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB.

2. Eine Verdachtskündigung ist nur gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Der Verdacht muss dringend sein und eine große Wahrscheinlichkeit für die Pflichtwidrigkeit der gekündigten Arbeitnehmerin nahelegen.

3. Umstände, die den Verdacht begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Die Verdachtsumstände müssen auf objektiven Tatsachen beruhen und geeignet sein, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen aus der Sicht eines verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgebers zu zerstören, so dass lediglich auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht ausreichen.

4. Hat eine Bäckereifachverkäuferin an fünf Tagen von einem Kunden Geld kassiert, ohne den Kassiervorgang zu registrieren, begründen diese Umstände einen ausreichenden dringenden Verdacht der Unterschlagung, insbesondere wenn aus den Kassenabschlüssen kein Überschuss über dem sich aus der Registrierung ergebenen Sollbestand ergibt.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 13.01.2015 - 13 Ca 310/14 -teilweise - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.584,85 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2014 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Auf die Widerklage des Beklagten wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 33,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 79 %, der Beklagte zu 21% zu tragen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen, soweit sie verurteilt wurde, an den Beklagten 33,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerecht ausgesprochenen Kündigung des Beklagten, um Zahlungsansprüche sowie einen Auflösungsantrag der Klägerin.

Die Klägerin war seit dem 06. April 2010 bei dem Beklagten, der mehrere Bäckereifilialen in und um A-Stadt betreibt und regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt, als Bäckereifachverkäuferin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26. März 2010 (Anl. K 1 zur Klageschrift Bl. 5 ff. d. A.) zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 1.700,00 € bei 35 Wochenstunden zuletzt in der Filiale HF in der K-Straße in A-Stadt beschäftigt. Die Zentrale des Beklagten befindet sich im C-Straße in A-Stadt.

In dem Arbeitsvertrag der Parteien heißt es in § 14 unter der Überschrift "Ausschlussfrist" - soweit hier von Interesse - auszugsweise wörtlich:

"Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung sowie alle mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Ansprüche verfallen, wenn sie nicht binnen einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden".

Zur Überprüfung seiner Filialen beauftragte der Beklagte im Jahr 2014 ein in der Bäckereibranche tätiges Detektivunternehmen, die Firma XY. Die Firma XY veranlasste zunächst, dass alle Mitarbeiter mit Kassenzugang, so auch die Klägerin, im März 2014 eine neue, einheitliche Arbeitsanweisung erhielten (Anl. B 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10. Oktober 2014, Bl. 61 ff. d. A.). Diese Arbeitsanweisung unterschrieb die Klägerin am 26. März 2014. In der Kassenanweisung heißt es auszugsweise wörtlich:

"Jeder Betrag wird einzeln und artikelgenau gebongt. Es darf nicht im Kopf gerechnet werden. Alle Beträge sind grundsätzlich und ausnahmslos sofort in der Kasse zu registrieren. Es ist streng untersagt, Beträge entgegenzunehmen, ohne dass diese sofort ordnungsgemäß registriert wurden.

...

Schließen sie die Kassenschublade nach jedem Kassiervorgang. Kassieren mit offener Kassenschublade ist verboten."

Die Firma XY führte mindestens seit April 2014 bis Juli 2014 in der der Beschäftigungsfiliale "HF" der Klägerin mehrere Testkäufe durch, deren genaue Anzahl zwischen den Parteien streitig ist. Die Testkäufer der Firma XY fertigten Berichte über ihre Testkäufe bei der Klägerin an, nach deren Inhalt die Klägerin insgesamt fünf Mal beim Kassieren jeweils entweder einen Latte Macchiato oder zwei Heidesandtaler nicht gebongt haben soll. Wörtlich heißt es in dem Abschlussbericht (Anlage B 2 zum SS des Beklagten vom 10.10.2014, Bl. 66 f. d.A.) auszugsweise:

"Am 11.04.2014 wurde die Filiale HF, K-Straße, in A-Stadt im Rahmen einer Routinekontrolle besucht. Es bediente und kassierte eine Frau A.. Ein Kunde (...) bestellte einen Latte Macchiato für 2,10 Euro. Er bezahlte diesen inklusive Trinkgeld mit 5,00 Euro passend. Frau A. nahm das Zahlgeld entgegen und bongte nicht, bis der Kunde die Filiale verließ, wurde nicht nachgebongt.

Um diesen Sachverhalt zu überprüfen, wurde das Kassenjournal gesichert und ausgewertet. Frau A. hatte tatsächlich die 2,10 Euro für den Latte Macchiato nicht im Kassensystem verbucht. An diesem Tag schloss die Kasse mit einer Minusdifferenz ab, sodass der Betrag auch nicht über war.

Am 30.04.2014 wurde die Filiale HF in A-Stadt erneut kontrolliert. Wieder bediente Frau A. Kunden und arbeitete an der Kasse. Ein Kunde (Herr G., festangestellter Mitarbeiter der Firma XY) kaufte zwei Schoko-Heidesand-Taler und bezahlte diese passend mit 2,00 Euro. Frau A. nahm das Geld entgegen und legte es auf die Arbeitsfläche, ohne zu bongen. Bis der Kunde die Filiale verließ, bongte sie auch nicht nach. Um diesen Vorgang zu prüfen, wurde das Kassenjournal gesichert und ausgewertet. Die 2,00 Euro für die zwei Schoko-Heidesand-Taler waren nicht in der Kasse verbucht worden.

Am 14.05.2014 wurde die Filiale HF in A-Stadt noch einmal besucht. Es bediente und kassierte wieder Frau A.. Eine Kundin (Frau I. - festangestellte Mitarbeiterin der Firma XY) verlangte nach ihrem ersten Einkauf noch einen Latte Macchiato für 2,10 Euro. Frau A. behielt sich direkt vom Wechselgeld des ersten Einkaufs die 2,10 Euro für den Latte Macchiato ein und legte diesen in die offene Kassenschublade ohne zu bongen.

Bis Frau I. die Filiale verließ, bongte Frau A. auch nicht nach. Wieder wurde das Kassenjournal gesichert und ausgewertet. Die 2,10 Euro für den Latte Macchiato wurden tatsächlich nicht gebongt. An diesem Tag schloss die Kasse bis auf einen Cent genau ab. Dies verdeutlicht zum einen eine sehr genaue Arbeitsweise. Es zeigt außerdem, dass sich das nicht verbuchte Geld für den Latte Macchiato nachweislich nicht in der Kasse befindet.

Am 28.05. wurde die Filiale in der K-Straße in A-Stadt noch einmal kontrolliert. Zu diesem Zeitpunkt bediente und kassierte wieder Frau A.. Eine Kundin (Frau J. - festangestellte Mitarbeiterin der Firma XY) verlangte zwei Heidesand für 2,00 Euro und bezahlte diese passend. Frau A. nahm das Zahlgeld entgegen und legte es ohne zu bongen auf die Kasse. Bis Frau J. die Filiale verließ, bongte Frau A. auch nicht nach. Um diesen Sachverhalt zu prüfen wurde das Kassenjournal gesichert und ausgewertet. Die Auswertung ergab, dass die 2,00 Euro für die zwei Heidesand nicht im Kassensystem verbucht worden waren. An diesem Tag schloss die Kasse mit einer Minusdifferenz ab, sodass der Betrag auch nicht über war.

...

Am 14.07.2014 wurde die Filiale HF in A-Stadt ein letztes Mal besucht. Es bediente und kassierte wieder Frau A.. Ein Kunde (Herr H. - festangestellter Mitarbeiter der Firma XY) bestellte nach seinem ersten Einkauf noch zwei Heidesand für 2,00 Euro. Frau A. behielt sich direkt vom Wechselgeld des ersten Einkaufs die 2,00 Euro für die zwei Heidesand ein und gab ihm sein restliches Wechselgeld aus der offenen Kasse, ohne zu bongen. Wieder wurde das Kassenjournal gesichert und ausgewertet. Tatsächlich waren die 2,00 Euro für die zwei Heidesand nicht gebongt worden. An diesem Tag schloss die Kasse mit einer Minusdifferenz ab, sodass der Betrag beim Kassenabschluss auch nicht übrig war."

Wegen der Einzelheiten der Testkaufberichte wird für den 11. April 2014 betreffend einen Betrag von 2,10 € für einen Latte Macchiato auf die Anl. B 4 zum SS des Beklagten vom 10.10.2014 (Bl. 70 d.A.), betreffend den 30. April 2014 und einen Betrag von 2,00 € für zwei Schokoheidesandtaler auf die Anlage B 6 zum SS des Beklagten vom 10.10.2014 (Bl. 72 d.A.), betreffend den 14. Mai 2014 und einen Betrag von 2,10 € für einen Latte Macchiato auf die Anlage B 8 zum SS des Beklagten vom 10.10.2014 (Bl. 74 d.A.), betreffend den 28. Mai 2014 und einen Betrag von 2,00 € für zwei Heidesandtaler auf die Anlage B 9 zum SS des Beklagten vom 10.10.2014 (Bl. 75 d.A.) und betreffend den 14. Juli 2014 und einen Betrag von 2,00 € für zwei Heidesandtaler auf die Anlage B 10 zum SS des Beklagten vom 10.10.2014 (Bl. 76 d.A.) verwiesen.

Das Kassenjournal vom 11. April 2014 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 11. Dezember 2014, Bl. 289 ff. d. A.) weist nach einem im Testkaufbericht angegebenen Referenzkauf des Testkäufers in Höhe von 62,00 € unmittelbar danach keine Position für einen Latte Macchiato aus. Wegen der Einzelheiten dieses Vorgangs wird auf die Anlage zum SS des Beklagten vom 06.12.2014 (Bl. 303 Rs.) verwiesen. Das auszugsweise vorgelegte Kassenjournal für den 30. April 2014 (Anl. B 7 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10. Oktober 2014, Bl. 73 d. A.) weist nach den im Testkaufbericht angegebenen Referenzkäufen von 1,13 € und 2,10 € (für einen Latte Macchiato) um 15.32 Uhr keinen weiteren Kauf von zwei Schokoheidesandtalern zu 2,00 € aus. Jedenfalls bis 15.50 Uhr wurde ein solcher Betrag ausweislich des Kassenjournals für zwei Schokoheidesandtaler auch nicht (nach-) gebongt. Das Kassenjournal für den 14. Mai 2014 (Anl. B 12 zum Schriftsatz des Beklagten vom 13. November 2014) weist nach einem angegebenen Referenzkauf eines Schweineohrs zu 1,20 € einen weiteren Kauf von einem Latte Macchiato für 2,10 € zu dem im Testkaufbericht angegebenen Zeitpunkt und auch bis 17.50 Uhr nicht aus. Das Kassenjournal vom 28. Mai 2014 (Anl. zum Schriftsatz des Beklagten vom 13. November 2014, Bl. 102 ff. d. A.) weist den von der Testkäuferin angegebenen Kauf von zwei Heidesand für 2,00 € zwischen den weiteren in Ihrem Bericht angegebenen Testkäufen von zwei Mandelbällchen zu 1,20 € und einem Latte Macchiato zu 2,10 € nicht aus und auch keine entsprechende Bonierung bis 17.31 Uhr. Das Kassenjournal vom 14. Juli 2014 (Anl. zum Schriftsatz des Beklagten vom 13. November 2014, Bl. 108 ff. d. A.) weist nach dem Referenzeinkauf von zwei kleinen Kaffee aus der Pumpkanne zu 2,60 € den weiteren im Testkaufbericht angegebenen Testkauf von zwei Heidesand zum Zeitpunkt des Testkaufs (7.34 Uhr bzw. 7.36 Uhr) und auch in der Zeit danach nicht aus.

Alle Kassen in den Filialen des Beklagten haben zwei Schubladen und einen großen Bildschirm, auf dem die Verkäuferin alle Eingaben tätigt. Jede Verkäuferin hat ihre eigene Schublade. Zu Beginn der Schicht und am Ende der Schicht gibt sie jeweils ihre Personalnummer ein. Während der gesamten Schicht muss sie sodann immer nur auf die Taste mit ihrem Namen drücken (Taste "Bediener", die für sie bestimmt ist). Das zentrale EDV-Kassensystem des Beklagten erfasst jede einzelne Einnahme, d. h. jedes Einzelstück Backware oder Getränk auf die Minute genau, zu der die Verkäuferin sie verkauft, weist aus wie der Kunde gezahlt hat und was ihm als Wechselgeld zurückgegeben wurde. Für jede Schicht einer Filiale gibt es einen Tagesbericht oder Kassenbericht über Soll und Haben und Fehlbeträge sowie ein Kassenjournal mit den geschilderten Einzeldaten. Am 11. April 2014 schloss die Kasse mit einer Minusdifferenz ab. Am 30. April 2014 schloss die Kasse mit einem Plusbetrag ab. Am 14. Mai 2014 schloss die Kasse bis auf einen Cent genau ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tagesbericht vom 14. Mai 2014 (Anl. B 12 zum Schriftsatz des Beklagten vom 13. November 2014, Bl. 90 d. A.) verwiesen. Am 28. Mai 2014 schloss die Kasse der Klägerin mit einer Minusdifferenz von 0,90 € ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tagesbericht vom 28. Mai 2014 (Anl. B 13 zum Schriftsatz des Beklagten vom 13. November 2014, Bl. 100 d. A.) Bezug genommen. Am 14. Juli 2014 schloss die Kasse der Klägerin mit einer Minusdifferenz von 1,30 € ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tagesbericht vom 14. Juli 2014 (Anl. B 14 zum Schriftsatz des Beklagten vom 13. November 2014, B 14, Bl. 106 d. A.) verwiesen.

Am 15. Juli 2014 wurde die Klägerin um 9.00 Uhr von der Ehefrau des Beklagten, der Zeugin K., aus der Filiale in der K-Straße abgeholt und in die Zentrale in der C-Straße gebracht. Diese Fahrt dauerte etwa 15 bis 20 Minuten. Dort wurde zwischen der Zeugin K., der Klägerin und dem Inhaber der Firma XY, Herrn E. ein Gespräch geführt, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Der Beklagte überreicht ein Protokoll für dieses Gespräch, wegen dessen Einzelheiten auf die Anl. B 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10. Oktober 2014 (Bl. 68 f. d. A.) verwiesen wird. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Protokoll zumindest insoweit falsch ist, als dort als Teilnehmerin statt der Zeugin K. eine Frau B. als für die Geschäftsleitung Anwesende genannt wird. Im Anschluss an dieses Gespräch wurde der Klägerin die streitgegenständliche Kündigung ausgehändigt.

Die Beklagte hat für die Tätigkeit der Testkäufer mit Datum vom 15. Juli 2014 eine Rechnung erhalten, die sich auf 1.003,00 € für 31 Testkäufe je 23,00 € und 10 Arbeitsstunden zu je 29,00 € - ausgewiesen ohne Mehrwertsteuer - beläuft. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anl. B 11 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10. Oktober 2014 (Bl. 77 d. A.) Bezug genommen. Diesen Betrag fordert der Beklagte von der Klägerin mit der am 13. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Klägerin-Vertreter am 21.10.2014 zugestellten Widerklage.

Für den Monat Juli 2014 behielt der Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.584,85 € brutto im Hinblick auf weitere Ersatzansprüche, die er meint nachweisen zu können, wenn der Prozess beendet ist, ein. Den einbehaltenen Betrag begehrt die Klägerin mit ihrer Zahlungsklage.

Die Klägerin hat das Vorliegen von Kündigungsgründen und den Vorwurf der Unterschlagung von vereinnahmten Geldern bestritten. Sie hat behauptet, es möge sein, dass sie nicht sofort immer alle Einnahmen gebongt habe, dies habe sie dann aber später nachgeholt. Da der Beklagte nicht die vollständigen Kassenjournale für die Tage der Testkäufe vorgelegt habe, sei es ihr nicht möglich darzulegen, dass sie die entsprechenden Beträge später eingebongt habe. So ergebe sich aus dem mit Schriftsatz des Beklagten vom 11. Dezember 2014 überreichten vollständigen Kassenjournal für den 11. April 2014 der Verkauf eines Latte Macchiato um 12.34 Uhr, der richtig mit 2,10 € gebongt worden sei. Als von der Klägerin angenommenes Geld habe sie 5,50 € eingetippt, als zurückgegebenes Geld 3,40 €. Sie hat im Übrigen bestritten, dass sie es gewesen sei, die die Testkäufer an den streitbefangenen Tagen bedient habe. Sie trage im Regelfall kein Namensschild und arbeite mit einer Kollegin zusammen, die ihr in Größe, Alter und Haarfarbe ähnlich sei. Es sei mithin nicht erkennbar, woraus der Testkäufer geschlossen haben will, dass er von der Klägerin bedient worden sei. Auch sei sie nicht gemäß dem Inhalt des von dem Beklagten vorgelegten Protokolls angehört worden. Herr E. habe sich nicht als Inhaber einer Detektei, sondern als Unternehmensberater vorgestellt. Es sei ihr nicht mitgeteilt worden, dass es sich um eine "Anhörung" handele und sie "gegen bestimmte Regeln der Kassieranweisung" verstoßen habe. Ihr seien auch keine Testkaufberichte oder ein Kassenjournal gezeigt worden. Es sei ihr nicht gesagt worden, dass es Zeugen gäbe, welche bestätigen könnten, dass sie nicht immer bongen würde. Sie habe auch nicht erklärt, dass sie die Kassenanweisungen genau kenne und befolge.

Ihren Auflösungsantrag hat die Klägerin damit begründet, dass ihr zu Unrecht Unterschlagungen unterstellt würden. Auch seien die Schriftsätze des Beklagten mit Beleidigungen und falschen Sachvortrag sowie Respektlosigkeit gegenüber der Klägerin "garniert". Dies mache es für die Klägerin unzumutbar wieder bei dem Beklagten zu arbeiten.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 15.07.2014 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 15.07.2014 aufgelöst worden ist;

3. das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird gem. §§ 9, 10 KSchG zum 31.08.2014 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 6.800,00 Euro brutto nicht überschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtskraft des Urteils verurteilt;

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.584,85 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.07.2014 zu zahlen;

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen und den Auflösungsantrag zurückzuweisen und die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, dem Beklagten 1.003,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

Der Beklagte hat behauptet, bei der Klägerin seien in all den Jahren ihrer Tätigkeit als Verkäuferin von Backwaren und Getränken immer wieder Differenzen in der Kasse festgestellt worden. Die Firma XY habe bei der Klägerin 31 Testkäufe durchgeführt, von denen fünf zu der Überzeugung geführt hätten, dass die Klägerin den Beklagten systematisch betrüge und bestehle.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. Januar 2015 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 15. Juli 2014 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist, den Auflösungsantrag der Klägerin abgewiesen, den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.584,85 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2014 zu zahlen, seine Widerklage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten zu 5/7, der Klägerin zu 2/7 bei einem Streitwert von 7.687,85 € auferlegt. Wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht zu seiner Entscheidung haben gelangen lassen, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 06. Februar 2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 19. Februar 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 07. April 2014 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 06. Mai 2015 verlängert worden war. Die Kammer nimmt auf den Inhalt dieses Schriftsatzes sowie auf die weiteren Schriftsätze des Beklagten vom 21. Mai 2015 und 25. Juni 2015 Bezug.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Kündigung sei bereits als Tatkündigung, jedenfalls aber als Verdachtskündigung wirksam. Das Protokoll der Anhörung der Klägerin vom 15. Juli 2014 gebe deren Inhalt zutreffend wieder. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Die Testkäufe zeigten, dass die Klägerin systematisch und vorsätzlich gegen die Kassenanweisung verstoßen habe. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Der Beklagte sei erstmals am 11. Juli 2014 und dann noch einmal am Tag des letzten Testkaufs, am15. Juli 2014 über die Ergebnisse der Testkäufer informiert worden. Die Detektivkosten könne er von der Klägerin erstattet verlangen. In ihrer Filiale habe es regelmäßig Differenzen zwischen der Soll- Verkaufsmenge und der tatsächlichen Verkaufsmenge gegeben. Exakte Werte könnten über die EDV und Warenkontrolle nebst Tagesberichten nicht ermittelt werden. Die Differenzen zwischen eingesetzter, an die Filiale gelieferter und verkaufter Ware seien daher nicht aufklärbar. Auch aus dem Zähler im Kaffeeautomaten, der sich nicht an der Maschine, sondern in dem Automaten befinde, mithin von außen nicht abzulesen sei, ließen sich keine zusätzliche Erkenntnisse erreichen. Mit dem Zähler ließe sich nur ermitteln, wie viele Getränke insgesamt pro Tag aus der Maschine gezapft worden seien. Man könne aber nicht ablesen, wann welche der insgesamt eingesetzten drei Verkäuferinnen eines Tages welches Getränk gezapft habe. Ab 2013 habe der Beklagte den Zählerstand an der Maschine nicht mehr erfasst und nicht mehr ausgelesen. Der Aufwand hierfür sei zu hoch. Er hätte hierzu kundiges und vertrauenswürdiges Personal zumindest morgens und abends entsenden müssen. Der Gewinn an zusätzlicher Information wäre den Aufwand nicht wert gewesen, denn wie beim Pumpkaffee lasse sich der "Schwund" damit weder genau nachweisen noch einer bestimmten Verkäuferin zuordnen. Soweit sich die Klägerin auf ihre langjährige Kollegin L. als Zeugin berufen habe, sei diese von den Detektiven der XY ebenfalls im Rahmen von Testkäufen erwischt worden, habe die Unterschlagungen gestanden und einen Abwicklungsvertrag mit Geständnis unterschrieben.

Der Beklagte beantragt daher,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen

sowie

die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, an den Beklagten 1.003,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten in Höhe dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen

und beantragt ihrerseits im Wege der Anschlussberufung

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. Januar 2015 - Az. 13 Ca 310/14 teilweise abzuändern, soweit es den Auflösungsantrag (Antrag zu Ziff. 3 aus dem Schriftsatz vom 26. Dezember 2014) abgewiesen hat, und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gem. § 9, 10 KSchG zum 31. August 2014 aufzulösen sowie die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird aber 6.800,00 € brutto nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtskraft des Urteils zu verurteilen.

Die Klägerin, der die Berufungsbegründung des Beklagten am 09.04.2015 zugestellt wurde verteidigt das erstinstanzliche Urteil und begründet ihre am 29.04.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Anschlussberufung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom selben Tage. Die Kammer nimmt auf den Inhalt dieses Schriftsatzes sowie auf die weiteren Schriftsätze der Klägerin vom 16. Juni 2015 und 26. Juni 2015 Bezug.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe nicht alles ihm zumutbare zur Aufklärung getan, beispielsweise den Zähler der Kaffeemaschine nicht ausgelesen. Sie bestreitet auch zweitinstanzlich, dass sie bei fünf Testkäufen nicht boniert habe. Sie sei nicht stets allein in der Filiale gewesen, insbesondere sei die Vormittagsschicht jeweils doppelt besetzt. So auch am 11. April 2014 um 11.02 Uhr und am 14. Juli 2014 um 7.36 Uhr. Auch sei ihre Kollegin Frau L., die ihr ähnele, nachmittags oft noch in der Filiale geblieben. Es seien keine Umstände ersichtlich, dass eine zuvor erfolgte Abmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung bei ihr geführt hätte. Vor der Anhörung sei ihr nicht ausreichend Zeit gegeben worden, um sich auf diese und die Vorwürfe vorzubereiten. Frau K. habe sie nicht zu einem Personalgespräch ins Büro gebeten.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der Sitzungen vom 01. Juli 2015 und 28. Oktober 2015 Bezug genommen.

Die Kammer hat gem. Beweisbeschluss vom 01. Juli 2015 (Bl. 566 d.A.), ergänzt in der Sitzung vom 28.10.2014, Beweis durch Vernehmung der Zeugen E., K., G., H., I., J. und S. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Oktober 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 15. Juli 2014 aufgelöst worden. Der Beklagte hat Anspruch auf Erstattung erforderlicher Detektivkosten in Höhe von 33,00 € nebst Zinsen. Im Übrigen ist die Berufung des Beklagten unbegründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. Januar 2015 war daher teilweise - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zu ändern. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.

I.

Die fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 15. Juli 2014 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Damit bleibt auch die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung erfolglos.

1.

Die Kündigung vom 15. Juli 2014 beendet das Arbeitsverhältnis wie vorgesehen fristlos, weil sie durch einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist. Wichtiger Grund ist der gegen die Klägerin bestehende Verdacht der Unterschlagung vereinnahmter Kundengelder.

a)

Vereinnahmt ein Arbeitnehmer Geld des Arbeitgebers unerlaubt für sich oder besteht insoweit zumindest ein dringender Verdacht, ist dies "an sich" geeignet, eine (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Der Arbeitnehmer verletzt mit solchen Handlungen in jedem Falle in erheblichem Maße seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB (BAG vom 21.6.2011 - 2 AZR 694/11 - Rn. 24).

An die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung sind strenge Anforderungen zu stellen. Sie ist nur gerechtfertigt, wenn auf vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Der Verdacht muss dringend sein, dh. es muss eine große Wahrscheinlichkeit für die Pflichtwidrigkeit des gekündigten Arbeitnehmers bestehen. Die Umstände, die den Verdacht begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag (BAG vom 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21). Die Verdachtsmomente müssen auf objektiven Tatsachen beruhen und geeignet sein, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen aus der Sicht eines verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgebers zu zerstören. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG vom 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 14). Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben (BAG vom 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16). Vor der Kündigung ist der Arbeitnehmer zu den Anschuldigungen anzuhören. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung (BAG vom 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 23).

b)

Bei der gebotenen Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist im Streitfall die fristlose Kündigung der Klägerin als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Auf Basis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit fest, dass die Klägerin an fünf Tagen von einem Kunden Geld kassiert hat ohne den Kassiervorgang zu registrieren. Diese Umstände begründen, einen ausreichenden dringenden Verdacht der Unterschlagung, zumal wenn aus den Kassenabschlüssen kein Überschuss über den sich aus den Registrierungen ergebenen Sollbestand ergibt, was vorliegend jedenfalls in vier von fünf Fällen nicht gegeben war.

aa)

Gem. § 286 ZPO kann das Gericht im Wege der freien Beweiswürdigung eine Behauptung als bewiesen ansehen, wenn es von ihrer Wahrheit überzeugt ist. Hierfür genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und die Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit; ein für einen vernünftigen, den Lebensfall klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256).

bb)

Einen solchen Grad von Gewissheit vom Vorliegen der Behauptungen des Beklagten betreffend den Verdacht der Unterschlagung durch die Klägerin vermochte sich die Kammer zu verschaffen, weil die Aussagen der Zeugen/innen S., G., H., I. und J. unter Heranziehung vernehmungstechnischer Erkenntnismethoden glaubhaft bekundet haben, dass die Klägerin bei den von ihnen durchgeführten Testkäufen die gekaufte Ware (teilweise) nicht boniert hat und Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugen nicht glaubwürdig wären, etwa weil das von ihnen bekundete Geschehen auf Irrtum, Suggestion oder Belastungseifer beruht, nicht vorliegen.

Die Zeugen, die alle im Rahmen ihrer täglichen Arbeitsaufgaben als Testkäufer in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin eingesetzt worden waren, bestätigten bei ihrer Vernehmung jeweils, dass sie an den fraglichen Tagen, nämlich der Zeuge S. am 11. April 2014, der Zeuge G. am 30. April 2014, der Zeuge H. am 15. Juli 2014, die Zeugin I. am 14. Mai 2014 und die Zeugin J. am 28. Mai 2014 Testkäufe in der Filiale K-Straße des Beklagten durchgeführt haben, von der Klägerin bedient wurden und dabei Unregelmäßigkeiten im Rahmen des Kassiervorgangs der von ihnen gekauften Waren beobachten konnten. Ausweislich der von den Zeugen G., I., H. und J. bestätigten Testkaufberichte bongte die Klägerin nicht alle von ihnen getätigten Einkäufe, jedenfalls bis zum Verlassen der Filiale.

Der Zeuge S. schilderte freimütig, dass er sich an den Testkauf vom 11. April 2014 als er die Ladung erhielt, nicht mehr erinnern konnte. In Vorbereitung des Beweisaufnahmetermins habe er sich in seinen Testkaufbericht noch einmal eingelesen, weshalb er das Datum auch genau benennen könne. An die Filiale HF um die Ecke (des Fachgerichtszentrums) könne er sich allerdings ziemlich gut erinnern. Bei der Beauftragung der Firma XY sei es um eine routinemäßige Überprüfung der Filialen der Bäckerei K. gegangen, die verschiedene Aspekte umfasst habe. Es seien verschiedene Filialen kontrolliert worden; es sei nicht um bestimmte Verkäuferinnen gegangen. Hierzu habe er im Vorfeld mit der Bäckerei K. verschiedene Sachen - typische Sachen und Situationen auch betreffend die Filiale HF - abgesprochen. Im Rahmen einer solchen Kontrolle sei auch die Filiale HF am 11. April 2014 überprüft worden. An diesem Tag habe er telefonisch 40 halbe belegte Brötchen zu 62,00 € bestellt. Die Bestellung habe die Klägerin entgegengenommen, sie habe ihren Namen genannt. Als er zur Abholung gekommen sei, habe die Verkäuferin bestätigt, dass sie die Bestellung entgegengenommen habe. So habe er den Namen gewusst. Er habe die 62,00 Euro passend dabei gehabt und der Verkäuferin gegeben. Dann habe er noch einen Latte Macchiato bestellt, dafür 5,00 € hingelegt und gesagt, dass der Rest für die Brötchenbestellung als Trinkgeld zu verstehen sei. Dann sei er mit seinen Brötchen zum Auto gegangen und noch einmal in die Filiale zurückgekehrt, um seinen Latte Macchiato zu holen. Anschließend habe er seinen Bericht formuliert und das was er gesehen habe in der Form aufgeschrieben und zur Auswertung in die Zentrale gegeben.

Der Zeuge G. hat ebenfalls ohne Umschweife bekundet, er erinnere sich zum Teil aus Berichten, die er sich noch einmal angeschaut habe, dass er am 30.04.2014 in der Filiale (an die er sich allerdings sehr gut erinnern könne, weil sie untypisch gewesen sei) zwei Schoko-Heidesandtaler mit 2,00 € passend bezahlt habe. Die Verkäuferin habe das Geld genommen, auf die Arbeitsfläche gelegt und bis zum Verlassen der Filiale nicht gebongt. Beim Hinausgehen habe er aus den Augenwinkeln, beim Wegdrehen von der Theke gesehen, dass die Klägerin das Geld auf den Tresen, also auf die Arbeitsfläche gelegt habe. Vor seinem Einkauf habe die mit ihm zusammen arbeitende Kollegin W. Brötchen oder Käsebrötchen und nach seinem Einkauf noch einen Latte Macchiato gekauft. Dies habe er in seinem nach Verlassen der Filiale umgehend angefertigten Bericht so festgehalten, ebenso wie die Personenbeschreibung der Verkäuferin, die kein Namensschild getragen habe.

Die Zeugin I. erklärte ohne Zögern, sie habe bezüglich der gekauften Ware und des Datums des von ihr durchgeführten Testkaufs erst einmal in ihren Testkaufbericht vom 14. Mai 2014 einlesen müssen. Danach habe sie zunächst ein Schweineohr zu 1,20 € gekauft, mit 5,00 Euro bezahlt und hinterher noch einen Latte Macchiato bestellt. Von dem ihr gegebenen Geld des ersten Einkaufs habe die Klägerin, die ein Namensschild getragen habe und die sie wiedererkenne, dann 2,10 € einbehalten und dieses Geld in die offene Kassenschublade gelegt ohne zu bongen.

Auch die Zeugin J. hat im Wesentlichen bestätigt, dass sie gem. dem von ihr umgehend nach dem Testkauf am 28. Mai 2014 angefertigten Bericht, den sie sich vor dem Termin noch einmal angesehen habe, die dort geschilderten Beobachtungen gemacht habe. Sie habe nach dem Preis für zwei bzw. ein Heidesand gefragt, die Ware gemäß ihrem Bericht bekommen und dann einfach 2,00 € auf den Tresen gelegt, die Verkäuferin habe den Betrag genommen und nicht gebongt. Die Zeugin J. hat zwar nicht sagen können, wie der Name der Klägerin in ihren Testkaufbericht (der eine Personenbeschreibung enthält) gekommen sei, aber gemeint, vom Gesicht her kenne sie die Klägerin. Sie sei auch nicht nur einmal in der Filiale gewesen und könne sich auch noch an eine zweite Verkäuferin, Frau L., die damals rötlich gelockte schulterlange Haare gehabt habe, erinnern. einen Teil ihrer Einkäufe, nämlich zwei Heidesandtaler, die sie passend auf den Tresen gelegt habe, nicht boniert habe. Die Klägerin habe das Geld vom Tresen genommen und nicht gebongt.

Der Zeuge H., der einen letzten Testkauf am 14. Juli 2014 bei der Klägerin durchführte, gab an, er sei dreimal in der Filiale gewesen und habe dabei die Klägerin gesehen. Den 14.07.2014 habe er nicht mehr hundertprozentig vor Augen. Das sei zu lange her und da liege zu viel Zeit dazwischen mit anderen Besuchen, die sie durchführten. Was er zu dem Testkauf am 14.07.2014 sagen könne, habe er aus dem Protokoll, das er umgehend nach Verlassen des Ladens geschrieben habe. Er könne jetzt zu dem sagen, was er protokolliert habe an dem Tag, dem 14.07.2014, dass er dort im Vorkauf zwei Kaffees gehabt und dann noch zwei Heidesand (Nachkauf) dazu genommen habe, die bis zum Verlassen der Filiale nicht boniert worden seien. Er habe mit 5,00 € bezahlt, 0,40 € Wechselgeld wiederbekommen, durch die Kasse aber offenbar die 2,00 € für die beiden Heidesand nicht auf dem Kassendisplay gesehen. Er hat weiter bekundet, dass er sich an die Person Klägerin noch erinnern könne, er sei bereits vorher mal in der Filiale gewesen, und erkenne die Klägerin wieder. Auch Frau L., die draußen auf dem Flur sitze und die auch einmal durch Zufall aufgefallen sei, sei ihm von damals noch bekannt. Bei dem Testkauf am 14.07.2014 habe die Verkäuferin kein Namensschild getragen. Er konnte allerdings schildern, wie er später den Namen in den Bericht nachgetragen habe. Er hat bekundet, es habe schon einmal ein Testprotokoll im März 2014 von seiner Partnerin, der Zeugin J., gegeben, bei dem es eine Auffälligkeit gegeben habe. Man habe dann die persönlichen Daten, was die Beschreibung angehe, abgeglichen und aufgrund des Dienstplans den Namen dazu gehabt.

Dass die als Zeugen vernommenen Testkäufer zur Vorbereitung ihrer Zeugenaussagen auf ihre nach den einzelnen Testkäufen schriftlich festgehaltenen Beobachtungen zurückgegriffen haben, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage oder ihre Glaubwürdigkeit. Angesichts der Vielzahl von Testkäufen, die die Zeugen regelmäßig in verschiedenen Betrieben und Städten durchführen und der Tatsache, dass seit den in der Filiale HF der Beklagten durchgeführten Testkäufen über ein Jahr vergangen ist, war vielmehr nicht zu erwarten, dass sie ohne Rückgriff auf ihre damaligen Aufzeichnungen noch konkrete Erinnerungen an die einzelnen Vorgänge oder gar die Geschehnisse außerhalb des Kerngeschehens, wie Anzahl Verkäuferinnen oder der Kunden im Laden, haben würden. Die Vorbereitung durch Einblick in ihre früheren Berichte lässt vielmehr auf die Gewissenhaftigkeit und das Bestreben der Zeugen schließen, den Sachverhalt vor Gericht korrekt darzustellen. Dass sie ihre fehlende konkrete Erinnerung ohne die Testkaufberichte unumwunden eingeräumt haben, spricht gerade für ihre Glaubwürdigkeit. Zudem macht es eine Zeugenaussage grundsätzlich nicht unglaubwürdig, wenn Zeugen auf eigene schriftliche Notizen zur Stützung des Gedächtnisses zurückgreifen. Die Zeugen haben glaubhaft bekundet, dass sie jeweils unmittelbar nach ihren Testkäufen die von ihnen beobachteten Kauf- und Kassiervorgänge schriftlich festgehalten haben. Es spricht nichts dafür, dass die von den Zeugen angefertigten Berichte über ihre Testkäufe nicht ihren damaligen Beobachtungen entsprachen. Im Zeitpunkt der schriftlichen Dokumentation konnten sie auch nicht wissen, ob die Klägerin ihre Einkäufe (gegebenenfalls nach Verlassen der Filiale) alle boniert und/oder das von ihnen bezahlte Geld der Kasse zugeführt hat. Dies blieb der Überprüfung der Kassenjournale und Tagesberichte vorbehalten. Die Zeugen haben, hiervon ist die Kammer überzeugt, lediglich ihren "Job gemacht", ohne eigenes Interesse an einem bestimmten Ergebnis. Die Testkäufer waren nach ihren übereinstimmenden Aussagen auch nicht speziell auf die Klägerin angesetzt. Ihr Auftrag ging schlicht dahin, die Filiale allgemein und das Kassierverhalten der angetroffenen Verkäuferinnen zu überprüfen, wobei sie vorher nicht wussten, auf wen sie treffen würden. Die Zeugen haben zudem teilweise bekundet, dass sie mehrfach in der Filiale HF in der K-Straße Testkäufe durchgeführt haben, von der Klägerin bedient wurden und keine Auffälligkeiten zu verzeichnen waren. Warnsignale, die auf Belastungseifer beruhen oder gar Falschbekundungen sein könnten fehlen insoweit. Gegen Belastungseifer spricht zudem, dass die Testkäufer der Firma XY ein Festgehalt beziehen und keinerlei Fang- oder sonstige Prämien, wie alle Zeugen übereinstimmend bestätigten. Es liegen schließlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das von den Zeugen schriftlich festgehaltene Geschehen auf Irrtum oder Suggestion beruhte die eine Zeugenaussage unglaubwürdig erscheinen lassen können. Insoweit konnte die Kammer sich bei der Vernehmung der Zeugen einen Eindruck davon verschaffen, dass es sich um geschulte Testkäufer handelte, die präzise beobachten. Auch haben die Zeugen alle glaubhaft bekundet, dass sie ihre Testberichte auf den mitgeführten Laptops bzw. Notebooks unmittelbar nach den jeweiligen Testkäufen angefertigt haben, was gegen Verwechslungen oder irrtümliche Wahrnehmung des Geschehens spricht. Dass unmittelbar nach dem Testkauf die Ergebnisse schriftlich festgehalten wurden, erscheint der Kammer auch glaubhaft, da die Zeugen ansonsten bei der großen Anzahl ihrer täglichen verschiedenen Testkäufe ihre Arbeit nicht mehr erledigen könnten.

Ein Irrtum über die getestete Person kann ebenfalls ausgeschlossen werden. Der Zeuge S. kannte den Namen der Klägerin, weil sie ihren Namen bei der telefonischen Bestellung genannt und bei der Abholung bestätigt hatte, dass sie die Bestellung entgegengenommen hatte. Zwar trug die Klägerin bei drei der Testkäufe kein Namensschild. Jedoch sind die Personenbeschreibungen in den Testkaufberichten der Frau J. (weiblich, 48 Jahre, 167 cm groß, Normalfigur sowie blonde schulterlange leicht gewellte Haare), des Herrn H. (weiblich, 48 Jahre alt, 166 cm groß, kräftig, blondes-schulterlanges Haar, gewellt, Pony) und des Herrn G. (weiblich, 51 Jahre alt und 1,66 Meter groß mit kräftiger Figur, dunkelblonden schulterlangen leicht gewellten Haaren und Pony), die die Verkäuferin die sie bediente, als weibliche Person im Alter von 48 bzw. 51 Jahren mit einer Größe von 166 bzw. 167 Zentimetern und blondem schulterlangen gewelltem Haar sowie normaler bis kräftiger Figur schilderten, so präzise, dass sie geeignet sind, auf die Klägerin rückzuschließen. Davon konnte sich die Kammer im Termin der mündlichen Verhandlung am 28. Oktober 2015, bei dem die Klägerin zugegen war, selbst überzeugen. Eine Verwechslung mit den eventuell zeitgleich ebenfalls in der Filiale anwesenden Verkäuferinnen Z., von selbst die Klägerin nicht behauptet, dass sie ihr im Aussehen ähnele und der deutlich älter wirkenden L. hält die Kammer hingegen für ausgeschlossen. Dagegen spricht nicht zuletzt auch, dass die Zeugen schon aufgrund ihres Berufs einen geschulten Blick auch für Personenbeschreibungen haben dürften. So konnte sich die Zeugin J. auch an eine zweite Verkäuferin in der Filiale erinnern, nämlich Frau L., die damals dunkel-rötliche und schulterlange gelockte Haare gehabt habe, und damit glaubhaft eine Verwechslung ausschließen.

Dass der Name der Klägerin in den Fällen, in denen sie zunächst nicht über das Namensschild bzw. über ihre Bestätigung am 11.04.2014 identifiziert werden konnte, später in den Bericht eingefügt wurde, lässt an den zutreffenden Personenbeschreibungen nicht zweifeln, auch wenn einzelne Zeugen sich nicht mehr erinnern konnten, wie es zur Eintragung des Namens der Klägerin gekommen war. Insoweit hat insbesondere der Zeuge H. nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, wie in Fällen, in denen zunächst nur eine Personenbeschreibung vorlag, später auf den Namen der Verkäuferin rückgeschlossen wurde und dass die entsprechende Eintragung nur von den Testkäufern vorgenommen wird. Der Zeuge hat genau erläutern können, wie es später - obwohl die Verkäuferin bei seinem Testkauf vom 14. Juli 2014 kein Namensschild trug - zu der Eintragung des Namens der Klägerin gekommen ist. Soweit der Zeuge G. sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie der Name der Klägerin in seinen Testkaufbericht gekommen ist, spricht dies nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage oder seine Glaubwürdigkeit. Der Zeuge, wirkte bei seiner Aussage ersichtlich unbeholfen und sprachlich nicht sehr gewandt. Dass er dann auf die Frage, wie der Name der Klägerin in seinen Testkaufbericht gekommen sei, keine Antwort geben konnte, sondern offensichtlich einen "Black out" hatte, verwunderte bei seinem eher schwerfälligen Aussageverhalten nicht. Einen Strukturbruch, der ein Warnsignal für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage darstellen könnte, konnte die Kammer hierin nicht sehen. Seine fehlende Erinnerung hinsichtlich der Namensangabe lässt insbesondere nicht an der von ihm nach dem Testkauf erstellten, auf die Klägerin zutreffenden Personenbeschreibung zweifeln. Ein Irrtum bei der Angabe der Bedienperson in den Testberichten kann nach alledem nicht angenommen werden. Es spricht deshalb eine objektiv hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Aussagen der Zeugen der Wahrheit entsprechen. Hinzu kommt, dass die Kammer auch subjektiv die Überzeugung gewonnen hat, dass die Angaben der Zeugen wahr und die Zeugen selbst glaubwürdig sind. Die Kammer ist davon überzeugt, dass es sich nicht um erfundene Berichte oder einen Irrtum/Verwechslung bei der Angabe der Klägerin als getesteter Verkäuferin handelt.

cc)

Die nach den Angaben der Zeugen nicht von ihnen, sondern später durchgeführte Überprüfung der Kassenjournale ergab, dass in allen fünf Fällen, mithin auch bei dem Einkauf des Herr S. am 11. April 2014, einzelne Einkäufe, bei Herrn S. ein Latte Macchiato, bei Frau J. am 28.05.2014 zwei Heidesandtaler, bei Herrn H. am 14.07.2014 ebenfalls zwei Heidesandtaler, bei Frau I. am 14.05.2014 ein Latte Macchiato und bei Herrn G. am 30.04.2014 zwei Schoko-Heidesandtaler nicht boniert wurden. Dies konnte aufgrund der sogenannten Ankerkäufe derselben Testkäufer bzw. einer weiteren Testperson sowie der (weitgehend) identischen Uhrzeitangaben der Testkäufer mit dem EDV-Ausdruck des Kassenjournals von der Kammer nachvollzogen werden. Verdachtsverstärkend kommt im Streitfall hinzu, dass es sich bei den nicht bonierten Beträgen immer um 2,00 € für Heidesandtaler bzw. 2,10 € für Latte Macchiato handelte, mithin nicht genau gezählte bzw. zählbare Waren und leicht erinnerbare Beträge.

c)

Damit liegen hinreichend objektive Tatsachen vor, die den Verdacht begründen, die Klägerin habe sich vereinnahmte Kundengelder zugeeignet. Der Beklagte beruft sich nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf die durchgeführten Testkäufe und die Auswertung der Kassenjournale sowie Minusbeträge der Kassenabschlüsse. Es handelt es sich mithin um objektive Verdachtstatsachen, die den dringenden Tatverdacht begründen, dass die Klägerin die nicht bonierten Beträge unterschlagen hat.

aa)

Zwar hat die Zeugin J. ihre im Testkaufbericht gemachte Angabe, die Klägerin habe das Geld auf die Kasse gelegt, im Rahmen ihrer Aussage nicht ausdrücklich bestätigt und mag die Angabe des Zeugen G., er habe aus dem Augenwinkel im Hinausgehen beobachten können, dass die Klägerin das Geld auf die Arbeitsfläche gelegt habe, mangels konkreter Erinnerung an den Vorgang selbst, zweifelhaft erscheinen. Gleichwohl besteht der dringende Verdacht, dass die Klägerin die nicht bonierten Beträge nicht der Kasse zugeführt hat. Eine Kassiererin in einer Bäckerei, die von einem Kunden Geld kassiert, den Kassiervorgang aber trotz eindeutiger Kassenanweisung nicht registriert, erzeugt damit nämlich grundsätzlich den für eine Verdachtskündigung ausreichenden Verdacht der Unterschlagung, zumal dann, wenn sich bei einer Kassenüberprüfung kein Überschuss des Istbestands über den aus den Registrierungen sich ergebenen Sollbestand ergibt. Es ist allgemein bekannt, dass die Registrierungspflicht für Kassier vor allem gerade auch dazu dient, die Entstehung eines entsprechenden Verdachts zu verhindern. Wer sich dennoch darüber hinwegsetzt, muss dazu ein Motiv haben, dass stark genug ist, um den dadurch hervorgerufenen Verdacht in Kauf zu nehmen. Dass dieses Motiv in einer Bereicherungsabsicht besteht, liegt zum einen deshalb nahe, weil ein Kassierer mit entsprechender Absicht genauso vorgehen muss, will er die Entstehung größerer Minusdifferenzen verhindern, zum anderen handelt es sich insoweit gerichtsbekanntermaßen um eine weit verbreitete Praxis unehrlicher Kassierer im Einzelhandel (vgl. auch LAG Köln vom 30. Juli 1999 - 11 Sa 425/99 - Rn. 8 f.). Auch wenn es sich bei den hier streitbefangenen nicht bonierten Einkäufen, um geringfügige Beträge handelt, ist der Verdacht der Unterschlagung auch geringfügiger Beträge bei einer Kassiererin, der die Obhut über die von ihr vereinnahmten Gelder und eine Vermögensbetreuungspflicht arbeitsvertraglich obliegt, geeignet, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

bb)

Die von der Klägerin vorgebrachten Rechtsfertigungsversuche sind wenig plausibel und vermögen den objektiven Tatverdacht nicht zu erschüttern.

Da jedem Kassierer bekannt ist, dass die von der Klägerin praktizierte Verfahrensweise untersagt ist und weil er sich mit ihr zwangsläufig in Verdacht bringt, vermeidet sie der redliche Kassierer tunlichst. Um nicht in Verdacht zu geraten, wird er sich auch nicht durch Kundenandrang oder eilige und ungeduldige Kunden abbringen lassen. Der redliche Kassierer weiß, dass auf der korrekten Bonierung seine besondere Aufmerksamkeit zu ruhen hat. Die Klägerin, die über langjährige Berufserfahrung verfügt und unbestritten früher selbständig tätig war, musste wissen, dass sie sich bei einem Verstoß gegen die Kassenanweisungen in Verdacht bringt, zumal ihr kurz vor Beginn der Testkäufe durch Übergabe der schriftlichen Kassenanweisung noch einmal vor Augen geführt wurde, dass der Beklagte auf die korrekte Bonierung aller verkauften Waren gesteigerten Wert legte.

Soweit die Klägerin versucht hat, sich damit zu rechtfertigen, sie habe bei gegebenenfalls vergessener Bonierung die fraglichen Beträge später nachboniert, wird dies durch die von dem Beklagten vorgelegten Kassenjournale nicht bestätigt. Dass diese nicht für alle Tage vollständig vorgelegt wurden, lässt den Verdacht gegen die Klägerin nicht entfallen. Denn jedenfalls in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu den durchgeführten Testkäufen finden sich in den Kassenjournalen keine Nachbonierungen der nicht bonierten Testkäufe. Soweit die Klägerin behauptet hat, den von dem Testkäufer, dem Zeugen S. am 11.04.2014 um 11.39 Uhr gekauften Latte Macchiato am 11. April 2014 um 12.34 Uhr gebongt zu haben, handelt es sich angesichts der glaubhaften Zeugenaussage des Zeugen S. ersichtlich um eine Schutzbehauptung. Herr S. hatte angegeben, den Latte Macchiato mit 5,00 € bezahlt und gesagt zu haben, der Rest sei Trinkgeld. Demgegenüber weist das Kassenjournal am 11.04.2014 um 12.34 Uhr eine Einnahme von 5,50 € und zurückgegebenes Wechselgeld von 3,40 € aus. Es kann sich mithin nicht um den Latte Macchiato des Zeugen S. handeln, der um 12.34 Uhr gar nicht mehr in der Filiale war. Zwar kann die Kammer nicht ausschließen, dass die Klägerin in Einzelfällen eine zunächst nicht vorgenommene, vergessene Bonierung sehr viel später nachgeholt hat, allerdings ist eine solche Annahme lebensfremd. Gerade weil die Klägerin im Laufe ihrer Schicht regelmäßig nicht nur einen Latte Macchiato oder einmal zwei Heidesandtaler verkaufen dürfte, hätte sie - um die Entstehung eines Verdachts von vornherein auszuschließen - dies entweder unmittelbar nachholen und/oder am Ende der Schicht mit einer Zusatzbemerkung bzw. einem zusätzlich in die Kasse gelegten Zettel vermerken müssen. Dass sie fünf Mal innerhalb von drei Monaten die Nachholung vergessen hat, ist nicht anzunehmen. Zudem hätten sich dann jeweils entsprechende Plusdifferenzen an den Tagen der Testkäufe ergeben müssen. Zwar stimmten die Kassenabschlüsse der Klägerin häufig nicht, dies entlastet die Klägerin aber für die Tage der fraglichen Testkäufe nicht. Eine Plusdifferenz ergab sich dagegen nur an einem Tag, nämlich am 30. April 2014, allerdings handelte es sich um mehr als 2,00 €, was dafür spricht, dass dieses Plus ganz andere Ursachen gehabt haben muss.

d)

Der Beklagte hat nicht seine Verpflichtung verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären, insbesondere hat der die Klägerin vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

aa)

Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Allerdings reicht es grundsätzlich nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auch im greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkel liegenden Geschehnisse beizutragen. Allein um dieser Aufklärung Willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Dagegen ist sie nicht dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG vom 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15). Eine Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsthemas ist gegenüber dem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht erforderlich (BAG vom 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 Rn. 58 ff.)

bb)

Diesen Anforderungen wird die Anhörung der Klägerin gerecht. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin K. sowie des Zeugen E. steht für die Kammer mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit fest, dass der Klägerin die konkreten Vorwürfe hinsichtlich der einzelnen Tage am 15.07.2014 bekannt gemacht und ihr hinreichend Gelegenheit für eine Stellungnahme eingeräumt wurde. Einer vorherigen Themenbekanntgabe vor der Anhörung bedurfte es ebenso wenig wie eines Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht (vgl. BAG, aaO.).

(1)

Die Zeugin K. hat den Verlauf der Anhörung - wie in dem vom Beklagten vorgelegten und vom Zeugen E. gefertigten Anhörungsprotokoll vom 15. Juli 2014 (B 3 zum Schriftsatz vom 10.10.14, Bl. 68 d. A.) festgehalten, glaubhaft bestätigt. Sie hat lebensnah geschildert, wie das Gespräch begonnen hat und im Einzelnen ablief. Sie hat bekundet, der das Gespräch führende Zeuge E. habe der Klägerin erklärt, dass mehrere seiner Mitarbeiter festgestellt hätten, dass der von der Klägerin zuvor geschilderte Kassiervorgang nicht immer ordnungsgemäß abgelaufen sei und sie dann gefragt worden sei, ob es da eine Erklärung dafür gebe. Die Klägerin habe hierauf immer nur gesagt, das könne nicht stimmen und das hätte sie aber getan. Die Zeugin hat weiter ausgesagt, der Zeuge E. habe der Klägerin gesagt, dass es sich um eine Anhörung handele, dass er diese protokolliere und dass der Beklagte sich vorbehalte, eine Anzeige zu machen. Auch habe der Zeuge E. der Klägerin gezielt die Vorfälle einzeln vorgehalten und immer gesagt, das und das wurde gekauft, von dem und dem, sie haben das Geld bekommen und sie haben das Geld aber nicht gebongt. Die einzelnen Auswertungen hätten dabei auf dem Tisch gelegen, er habe sie ihr so hingelegt, dass sie habe mitlesen können und sie auch auf die einzelnen Tage und Beträge hingewiesen. Er habe ihr die einzelnen Vorfälle nach und nach vorgehalten und sie habe immer nur wieder gesagt, das könne aber nicht sein, sie habe boniert.

Die die Kammer hält Zeugin für glaubwürdig und ihre Aussage für glaubhaft. Dass sie sich nach eigenem Bekunden eine Woche vor ihrer Aussage das Protokoll der Anhörung noch einmal angeschaut hat, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage. Zur Stützung ihres Erinnerungsvermögens durfte sie sich hierauf beziehen. Ihre Aussage war lebendig und anschaulich und vermittelte nicht den Eindruck, sie habe das Protokoll sozusagen auswendig gelernt. Zwar hat die Zeugin als Ehefrau des Beklagten ein Motiv, diesem zu nutzen, dies beeinträchtigt jedoch nicht per se ihre Glaubwürdigkeit oder die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Die Bedeutung der Motivation zur Lüge wird allgemein überschätzt. Ob die Motivation wirklich bis zu einer Falschaussage durchschlägt, muss stets anhand einer sorgfältigen Aussageanalyse geprüft werden. Insoweit sind hier bezüglich der Zeugin K. keinerlei Warnsignale ersichtlich, die auf eine erlogene Aussage hindeuten könnten.

Die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage und ihre Glaubwürdigkeit ist nicht dadurch erschüttert, dass sie zunächst angegeben hat, sie habe bei dem Gespräch nur dabei gesessen und nichts gesagt, während aus dem schriftlichen Protokoll der Anhörung ersichtlich ist, dass sie am Schluss des Gesprächs diverse Erklärungen abgegeben hat: So u.a. zu Kosten, die geltend gemacht würden, dass Anzeigeerstattung geprüft, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt und die Klägerin gebeten werde, noch kurz zu warten, damit sie die Kündigung gleich mitnehmen könne. Auf diesen Widerspruch angesprochen hat die Zeugin auf Vorhalt erklärt, nicht mehr so genau zu wissen, ob sie oder Herr E. schließlich die Kündigung organisiert hätten. Auf weiteren Vorhalt hat sie schließlich eingeräumt, dass sie zwar die gesamte Anhörung über nichts gesagt habe, weil sie von Herrn E. entsprechend instruiert worden sei, aber ehrlich gesagt nicht mehr wisse, ob sie oder Herr E. Erklärungen zur Kündigung abgegeben bzw. diese organisiert hätten. Diese Widersprüche und Veränderungen in ihrer Aussage erschüttern nicht die Glaubhaftigkeit der Aussage oder die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Es handelt sich hierbei um das Randgeschehen der Anhörung. Nur im Kerngeschehen ist inhaltliche Konstanz zu erwarten und weist die Aussage der Zeugin K. sie auch auf. Bei der Anhörung des Arbeitnehmers geht es um den Vorhalt der beanstandeten Vertragspflichtverletzungen, während die Kündigung dann ggf. die Konsequenz aus den festgestellten Vertragspflichtverletzungen und der Anhörung des Arbeitnehmers ist. Zum notwendigen Inhalt des Anhörungsgesprächs gehört es hingegen nicht, dem Arbeitnehmer schon mitzuteilen, ob eine Kündigung ausgesprochen oder nur in Erwägung gezogen wird.

(2)

Die Aussage der Zeugin K. wird durch die Aussage des Zeugen E. bestätigt. Zwar ist dessen Aussage in weiten Teilen sehr allgemein gehalten, insofern er weit ausholend sein regelmäßiges Vorgehen bei den von ihm regelmäßig durchgeführten Anhörungen geschildert hat. Dies war aber ersichtlich dem Bemühen geschuldet, der Kammer einen Eindruck von dem Ablauf des Gesprächs mit der Klägerin und seiner Funktion dabei zu vermitteln. Der Zeuge E. verharrte im Verlauf seiner Aussage nicht im Allgemeinen, sondern hat auch konkret dargestellt, dass er der Klägerin mehrere Fälle vorgehalten hat, wo sie offensichtlich bewusst nicht gebongt hatte, was er ihr anhand der einzelnen Beobachtungen aus den Testkaufberichten in Verbindung mit der Erklärung zu dem Kassenjournal versuchte deutlich zu machen. Er hat weiter bekundet, bei der Klägerin sei es so gewesen, dass sie das alles in Frage gestellt und gesagt habe, dass sie das bezweifle und nicht glaube, dass es die Testeinkäufe gegeben habe. Vielmehr glaube sie, dass das Unternehmen einen Grund gesucht habe, um sie los zu werden, dass das alles fingiert sei. Sie habe sich auf die im Einzelnen geschilderten Fälle nicht eingelassen. Bei anderen Anhörungen nähmen Mitarbeiter sich die ihnen vorgehaltenen Berichte, schauten sie nach, prüften und suchten nach Fehlern, nach Möglichkeiten, das habe Frau A. nicht getan. Diese Schilderung des Zeugen E. erscheint nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Prozessverhaltens der Klägerin glaubhaft. Anhaltspunkte für eine fehlende Glaubwürdigkeit des Zeugen E. sind nicht ersichtlich und auch von der Klägerin im Rahmen der abschließenden Beweiswürdigung nicht angeführt worden. Auch die Anzahl der vom Zeugen E. für den Beklagten durchgeführten Anhörungen, die er mit mehr als zwei und weniger als zehn angegeben hat, lässt nicht vermuten, dass seine Ausführungen auf Irrtum oder Suggestion beruhen. Allein die Tatsache, dass er in dem Protokoll versehentlich Frau B. als für die Geschäftsleitung teilnehmende Gesprächspartnerin statt der Ehefrau des Beklagten, der Zeugin K., angegeben hat und im Rahmen seiner Vernehmung nicht mehr genau sagen konnte, ob Frau K. oder Frau B. bei dem Gespräch dabei gewesen war, macht seine Aussage nicht unglaubhaft oder ihn selbst unglaubwürdig. Auch insoweit handelt es sich um Randgeschehen im Rahmen seiner Aussage. Denn für den Zeugen E. dürfte insoweit nur entscheidend gewesen sein, dass jemand von der Geschäftsleitung bei dem Anhörungsgespräch dabei war. Die Tatsache, dass er freimütig eingeräumt hat, sich nicht mehr zu erinnern, spricht gerade für seine Glaubwürdigkeit, zumal er auf Vorhalt auch nachvollziehbar erläutert konnte, dass er die Protokolle von seinem Büro vorbereiten lässt, wobei von dort auch abgefragt werde, wer an dem Gespräch teilnehme. Es möge daher sein, dass sich da etwas geändert habe. Entscheidende Bedeutung kommt der falschen Angabe der Teilnehmer in dem Protokoll schon deshalb nicht zu, weil zwischen den Parteien gar nicht streitig ist, dass die Zeugin K. an dem fraglichen Anhörungsgespräch am 15. Juli 2014 teilgenommen hat. Es handelt sich um einen Fehler des Herrn E. bei der Ausfertigung des Protokolls, hingegen nicht um eine falsche Anhörung.

cc)

Im vorliegenden Fall ergeben sind auch keine Besonderheiten vorgetragen oder ersichtlich, aus denen sich im konkreten Einzelfall eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur vorherigen Themenbekanntgabe ableiten ließe. Von der fast 50jährigen Klägerin, die zuvor selbständig tätig war, konnte erwartet werden, dass sie sich zu den ihr in der Anhörung bekannt gegebenen fehlenden Bonierungen äußern konnte, sei es auch nur mit der Aussage, dass sie ihr nicht erklärlich seien. Auch hätte sie ohne weiteres einräumen können, dass unter Umständen bei größerem Kundenandrang, eiligen Käufern oder aufgrund von Unaufmerksamkeiten einmal Bonierungen unterblieben und/oder in die offene Kassenschublade kassiert wurde, wie sie dies im vorliegenden Verfahren zugestanden hat. Schließlich war zu erwarten, dass sie ggf. Einsicht in die ihr vorgehaltenen Unterlagen oder eine Stellungnahmefrist verlangt. Stattdessen hat sie im Rahmen der Anhörung nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugen K. und E. die ihr vorgehaltenen fehlenden Bonierungen lediglich abgestritten. Damit hat der Beklagte der Pflicht zur Anhörung genügt.

e)

Der Beklagte hat nicht weitere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen. Er war weder gehalten, den täglichen Verkauf der Latte Macchiatos zu registrieren bzw. die Kaffeemaschine hinsichtlich der verkauften Latte Macchiatos täglich auszulesen, noch die einzelnen verkauften Brötchen und sonstigen Backwaren, insbesondere Heidesandtaler täglich zu zählen und zu kontrollieren. Eine genaue Registrierung jedes einzelnen verkauften Brötchens oder der sonstigen Backwaren, insbesondere Heidesandtaler hält die Kammer in einem Bäckereibetrieb wie dem des Beklagten für unpraktikabel und im Übrigen nicht geeignet, den gegenüber der Klägerin bestehenden Verdacht zu zerstreuen.

f)

Der Verdacht gegen die Klägerin besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten. Die Klägerin hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Umstände, die den Verdacht abschwächen könnten, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Auch die Würdigung des umfangreichen Sachvortrags der Klägerin, von dessen Darstellung im Einzelnen abgesehen wird, führt zu keinem anderen Ergebnis.

2.

Einer Abmahnung bedurfte es vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung nicht.

a)

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Dies gilt auch bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG vom 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 15).

b)

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze war auch für die Klägerin, die nach vorangegangener Selbständigkeit langjährig als Kassiererin tätig war, erkennbar, dass der Beklagte als ihr Arbeitgeber die fünfmalige Nichtbonierung von Verkäufen nicht hinnehmen würde, zumal sie erst kurz vor Beginn der bei ihr durchgeführten Testkäufe ausdrücklich noch einmal schriftlich durch die ihr überreichte Kassieranweisung darauf hingewiesen worden war, dass der Beklagte auf die korrekte Befolgung derselben entscheidenden Wert legte.

3.

Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der beiderseitigen Interessen war dem Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar. Der Beklagte hat ein erhebliches Interesse daran, dass die von ihm beschäftigten Kassiererinnen vertrauenswürdig sind. Die Klägerin arbeitet als Kassiererin und zudem Filialleiterin weitgehend selbständig; der Beklagte kann sie nicht ständig überwachen und kontrollieren. Auch kann er in dem von ihm betriebenen Bäckereigeschäft nicht jedes einzelne Gebäckstück oder jeden verkauften Kaffee so registrieren, dass daraus Rückschlüsse auf fehlende Bonierungen möglich wären. Es war ihm deshalb nicht zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsschluss einzuhalten. Demgegenüber wiegt das Interesse der Klägerin, die erst seit vier Jahren bei dem Beklagten beschäftigt war, weniger schwer, auch wenn die Kammer zu ihren Gunsten berücksichtigt hat, dass sie für ihren Ehemann sowie vier Kinder unterhaltsverpflichtet ist und mit Ende 40 unter Umständen nicht sofort eine Anschlussbeschäftigung gefunden hat.

4.

Die Kündigung verstößt nicht gegen § 626 Abs. 2 BGB.

a)

Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Kündigungsberechtigt ist der Arbeitgeber selbst, sein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter und die Personen, die eine ähnlich selbständige Stellung im Betrieb wie ein gesetzlicher Vertreter haben. Kenntnis Dritter muss sich der Arbeitgeber nur zurechnen lassen, wenn dessen Stellung im Betrieb nach den Umständen erwarten lässt, er werde den Kündigungsberechtigten über den Kündigungssachverhalt informieren (BAG vom 21.02.2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27 f.).

b)

Danach ist die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Beweismaß aufgrund der glaubhaften Bekundungen des Zeugen K. fest.

Der Zeuge K. hat ausgesagt, dass es der Beklagte bei der Beauftragung der Firma XY dieser überlassen hat, verschiedene seiner Filialen, so auch die Beschäftigungsfiliale der Klägerin in der K-Straße in A-Stadt eine Zeit lang zu überprüfen und sich erst bei Vorliegen erheblicher Verdachtsmomente zu melden. Der Zeuge K. hat weiter bekundet, dass er sich erstmals nach den ersten vier Testkäufen, bei denen Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, am 11. Juli 2014 bei der Ehefrau des Beklagten gemeldet und von dem Ergebnis dieser ersten vier Testkäufe berichtet hat. Dabei sei vereinbart worden, dass ein weiterer Testkauf durchgeführt werden sollte, was dann tatsächlich auch am 14. Juli 2014 stattfand. Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben des Zeugen S.. Sie ist auch von seiner Glaubwürdigkeit überzeugt. Anhaltspunkte dafür, dass die Firma XY den Beklagten bereits vorher informiert hat, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Auf die Kenntnis der Firma XY bzw. ihrer Detektive kommt es hingegen nicht an. Die am 15. Juli 2014 ausgesprochene Kündigung wahrt mithin die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

II.

Die Widerklage des Beklagten ist nur zu einem geringen Teil in Höhe von 33,00 € begründet.

1.

Grundsätzlich kommt eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Detektivkosten auch dann in Betracht, wenn die ermittelten Tatsachen zu einem so schwerwiegenden Verdacht einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung führen, dass eine deswegen ausgesprochene Kündigung im Sinne einer Verdachtskündigung als begründet angesehen werden muss. Danach hat der Arbeitnehmer wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 280 Abs. 1 BGB) dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Insofern handelt es sich dann um keine Vorsorgekosten, die unabhängig von konkreten schadensstiftenden Ereignissen als ständige Betriebsausgabe vom Arbeitgeber zu tragen sind (BAG vom 26. September 2013 - 8 AZR 1026/12 - Rn. 21 f.)

2.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Widerklage nur in Höhe von 33,00 € begründet.

a)

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Beklagte die Firma XY nicht wegen eines konkreten Tatverdachts gegenüber der Klägerin beauftragt hat. Vielmehr ging es ihm um eine generelle Überprüfung verschiedener Filialen. Dies haben alle vom Beklagten benannten Zeugen so bestätigt. Einen konkreten Tatverdacht gegen die Klägerin konnte der Beklagte frühestens am 11. Juli 2014 haben, nachdem ihm die beauftragte Detektei berichtet hatte, dass die Klägerin bei vier Testkäufen dahingehend aufgefallen war, dass sie gekaufte Waren nicht boniert hat. Bis zum 11. Juli 2014 handelte es sich deshalb bei den vom Beklagten aufgewandten Detektivkosten um allgemeine Vorsorgekosten. Erst der letzte Testkauf am 14. Juli 2014 betraf offensichtlich die anlassbezogene Observation der Klägerin aufgrund eines konkreten Tatverdachts. Ein Erstattungsanspruch kann daher nur für den am 14. Juli 2014 durchgeführten Testkauf der Detektive bejaht werden. Die dabei festgestellte Nichtbonierung des Kaufs von zwei Heidesand erhärtete den gegen die Klägerin bestehenden Verdacht im Sinne eines dringenden und eine Verdachtskündigung rechtfertigenden Indizes.

b)

Die Höhe des dem Beklagten durch den Testkauf vom 14. Juli 2014 entstandenen Schadens hat die Kammer gem. § 287 Abs. 1 ZPO auf 33,00 € geschätzt. Sie hat dabei die vom Beklagten angegebenen Kosten von 23,00 € pro Testkauf zugrunde gelegt, die nicht übersetzt erscheinen. Als zusätzliche Kosten für die Auswertung der Kassenjournale etc. hat der Beklagte angegeben, ihm seien von der Firma XY für insgesamt 31 Testkäufe 10 Stunden á 29,00 € pro Stunde in Rechnung gestellt worden. Geschätzt entfallen damit auf den einzelnen Testkauf 10,00 €.

3.

Der Beklagte hat mit seiner am 13. Oktober 2014 eingegangenen und dem Rechtsanwalt der Klägerin am 21.10.2014 zugestellten Widerklage die vertragliche Ausschlussfrist, die eine schriftliche Geltendmachung aller gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung sowie aller mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit verlangt, gewahrt.

a)

Zwar wäre nach der bisherigen Rspr. des BAG (vgl. BAG vom 25. September 1996 - 10 AZR 678/95 - zu II 3 und II 4 der Gründe mwN) mit der der Klägerin erst am 21.10.2014 zugestellten Widerklage die Ausschlussfrist nicht gewahrt, weil die schriftliche Geltendmachung der Klägerin erst nach Ablauf von 3 Monaten gerechnet vom Erhalt der Rechnung der Firma XY erfolgte (die nach der Erklärung der Beklagten im Kammertermin vom 28.10.2015 spätestens am 18. Juli 2014 vorlag) und der Beklagte den Anspruch nicht gesondert schriftlich geltend gemacht hatte. Nach seinem Vortrag war ihm die Kostenaufstellung der Firma XY vom 15. Juli 2014 (B 11 zum Beklagtenschriftsatz vom 10. Oktober 2014) vor dem 21.07 2014 zugegangen ist.

Allerdings hat das BAG für die Wahrung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG an dieser Rspr. nicht festgehalten. Es hat sich vielmehr der Rspr. des Bundesgerichtshofs angeschlossen, nach dessen Entscheidung vom 17. Juli 2008 (I ZR 108/05 - Rn. 23 - 25) § 167 ZPO grundsätzlich anwendbar ist, wenn es um die Wahrung einer Frist zur außergerichtlichen Geltendmachung geht. Diese Grundsätze sind nach Ansicht der Kammer auch auf eine vertragliche Ausschlussfrist anwendbar, denn es handelt sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist wie bei der Frist nach § 15 Abs. 4 AGG. Es liegt auch kein Sonderfall vor, der ausnahmsweise die Anwendung des § 167 ZPO ausschließt (vgl. LAG Hamm vom 26. Februar 2015 - 17 Sa 1340/14 - mwN).

b)

Der zur Hauptforderung akzessorische Zinsanspruch ist nach §§ 291, 187 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2, 247 BGB begründet.

III.

Soweit der Beklagte mit der Berufung noch weitere Detektivkosten in Höhe von 970,00 € gegenüber der Klägerin geltend macht, seine Berufung hingegen aus den oben genannten Gründen (siehe unter A. II. 1. und 2.) abzuweisen. Die Abweisung der Widerklage im Übrigen wurde aufgrund einer Konzentrationsschwäche der Vorsitzenden versehentlich nicht in die Neufassung der Urteilsformel aufgenommen, ergibt sich aber unzweifelhaft aus der Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen sowie aus der Urteilsbegründung und konnte deshalb gem. § 319 ZPO als offenbare Unrichtigkeit ohne weiteres von Amts wegen berichtigt werden.

IV.

Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet, soweit er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 1.584,85 € brutto nebst Zinsen wendet. Insoweit ist die Klage der Klägerin begründet.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin bis zum 15. Juli 2014 noch 1.584,85 € brutto zu standen. Diesen nach eigenem Bekunden des Beklagten formal richtig berechneten Lohn hat der Beklagte nicht ausbezahlt, sondern wegen behaupteter Ersatzansprüche einbehalten.

Soweit der Beklagte wegen der behaupteten Ersatzansprüche auf ihm entstandene Detektivkosten verweist und seine diesbezügliche Erklärung als Aufrechnung zu werten ist, steht der Aufrechnung bereits entgegen, dass es sich nicht um gleichartige Forderungen nach § 387 BGB handelt. Der Beklagte kann nicht mit einer Nettoforderung gegen eine Bruttoforderung aufrechnen. Darüber hinaus steht dem das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB entgegen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass der für vier Kinder unterhaltspflichtigen Klägerin überhaupt noch ein pfändbarer Nettobetrag für den Monat Juli 2014 verbleiben würde.

2.

Der Zinsanspruch ist nach §§ 280 Abs. 1 und 2 iVm. §§ 286 Abs. 2, 288 BGB begründet.

B.

Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist nicht begründet. Da die außerordentliche Kündigung des Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 15. Juli 2014 beendet hat, ist der Antrag der Klägerin, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2014 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, unbegründet. Der Auflösungsantrag hat zur Voraussetzung, dass eine rechtswidrige Kündigung vorliegt, was hier nicht der Fall ist.

C.

Da die Parteien teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, waren die Kosten des Rechtsstreits gem. §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

Die Revision war für die Klägerin gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, soweit die Klägerin dazu verurteilt wurde, an den Beklagten 33,00 € zu zahlen. Im Übrigen liegen Gründe, die Revision zuzulassen, nicht vor. Insoweit ist gegen die vorliegende Entscheidung daher ein Rechtsmittel nicht gegeben.