Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.04.2015, Az.: 12 Ta 101/15

Versagung der Prozesskostenhilfe bei verspäteter Kündigungsschutzklage gegen Arbeitsplatzverlust im Rahmen einer Massenentlassung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
01.04.2015
Aktenzeichen
12 Ta 101/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 26649
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2015:0401.12TA101.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Celle - 05.01.2015 - AZ: 1 Ca 430/14

Fundstellen

  • ArbR 2015, 533
  • SPA 2015, 180
  • schnellbrief 2015, 180

Amtlicher Leitsatz

1. Die Drei Wochen Frist gem. § 4 S. 1 KSchG ist einzuhalten, wenn die Sozialwidrigkeit der Kündigung oder andere Unwirksamkeitsgründe der schriftlich erklärten Kündigung geltend gemacht werden sollen. Zu diesen Unwirksamkeitsgründen zählt auch der Einwand, dass der Arbeitgeber das gegebenenfalls nach den §§ 17 ff. KSchG zu beachtende Verfahren nicht eingehalten habe.

2. § 4 S. 4 KSchG erfasst zwei Grundkonstellationen: Zum einen Kündigungen, deren Wirksamkeit von der nachträglichen Zustimmung einer Behörde abhängt. Zum anderen Kündigungen, die erst wirksam ausgesprochen werden können nach Zulässigkeitserklärung der beabsichtigten Kündigung durch die zuständige Behörde.

3. § 4 S. 4 KSchG findet im Zusammenhang mit den §§ 17 ff. KSchG keine Anwendung. Die §§ 17 ff. KSchG sichern dem Arbeitnehmer keinen besonderen Kündigungsschutz zu. Die Bundesagentur für Arbeit muss den Kündigungen nicht zustimmen. Im Rahmen des Verfahrens nach §§ 17 ff. KSchG wird dem Arbeitnehmer keine Entscheidung der Behörde bekannt gegeben.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 05.01.2015 - 1 Ca 430/24 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage, die er außerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 S. 1 KSchG erhoben hat.

Der Kläger arbeitet seit 2012 als Zivilangestellter für die britischen Streitkräfte in Fallingbostel. Die Beklagte macht geltend, dass beabsichtigt sei, die den Kläger beschäftigende Dienststelle in Fallingbostel mit Wirkung zum 31.12.2015 vollständig aufzulösen und zu schließen. Mit Schreiben vom 14.03.2014 hat die Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit Celle) der Beklagten mitgeteilt, dass mangels der Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke für die beabsichtigte personelle Maßnahme eine Anzeigepflicht gem. § 17 KSchG nicht bestehe (Bl. 28 d.A.). Mit Schreiben vom 23.06.2014 hat die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2015 gekündigt. Gegen diese Kündigung hat der Kläger mit am 27.08.2014 beim Arbeitsgericht Celle eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.

Mit Beschluss vom 05.01.2015 wurde dem Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten verweigert. Dabei hat das Arbeitsgericht auf die Nichteinhaltung der 3-wöchigen Klagerhebungsfrist nach § 4 S. 1 KSchG abgestellt (Bl. 19 P). Dieser Beschluss wurde am 07.01.2015 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt. Mit am 06.02.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger hiergegen sofortige Beschwerde einlegen lassen. Mit Beschluss vom 19.02.2015 hat das Arbeitsgericht entschieden, dieser Beschwerde nicht abzuhelfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

Zur Begründung der Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die 3-wöchige Klagerhebungsfrist mit Rücksicht auf die Ausnahmevorschrift des § 4 S. 4 KSchG noch nicht zu laufen begonnen habe. Die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung hätte der vorherigen Zustimmung durch die Agentur für Arbeit bedurft.

II.

Die sofortige Beschwerde vom 06.02.2015 ist zulässig aber unbegründet.

1.

Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 127 Abs. 2 ZPO. Die einmonatige Notfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO ist durch die am 06.02.2015 eingegangene Beschwerdeschrift gewahrt, da der ablehnende PKH-Beschluss den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07.01.2015 zugestellt worden ist. Die sofortige Beschwerde ist unabhängig vom Beschwerdewert zulässig, da es sich vorliegend um eine Bestandsschutzstreitigkeit handelt (§ 46 Abs. 2 S. 3 ArbGG).

2.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Es fehlt an der nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO verlangten hinreichenden Aussicht auf Erfolg.

a)

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass seine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 4 S. 1 KSchG). Ansonsten gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG). Tatsächlich hat der Kläger im vorliegenden Fall seine Kündigungsschutzklage nach Zugang der Kündigung vom 23.06.2014 erst mehr als 2 Monate nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben. Der Sinn des § 4 KSchG wie auch der nachfolgenden §§ 5, 6, 7 KSchG ist es, im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglichst bald Klarheit über den Weiterbestand oder das Ende des Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Die 3-Wochenfrist ist einzuhalten, wenn die Sozialwidrigkeit der Kündigung oder andere Unwirksamkeitsgründe der schriftlich erklärten Kündigung geltend gemacht werden sollen. Zu diesen Unwirksamkeitsgründen zählt auch der Einwand, dass der Arbeitgeber das gegebenenfalls nach den §§ 17 ff. KSchG zu beachtende Verfahren nicht eingehalten habe. Im Rahmen einer fristgerecht erhobenen Kündigungsschutzklage kann der Arbeitnehmer dann eine entsprechende Rüge in Bezug auf §§ 17 ff. KSchG erheben. Der Arbeitgeber muss dann im Einzelnen darlegen und beweisen, dass er die notwendigen Formalien und Abläufe eingehalten hat.

b)

§ 4 S. 4 KSchG findet im Zusammenhang mit den §§ 17 ff. KSchG keine Anwendung. § 4 S. 4 KSchG erfasst zwei Grundkonstellationen: Zum einen Kündigungen, deren Wirksamkeit von der nachträglichen Zustimmung einer Behörde abhängt. Zum anderen Kündigungen, die erst wirksam ausgesprochen werden können nach Zulässigkeitserklärung der beabsichtigten Kündigung durch die zuständige Behörde (KR-Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 199). Zu der zweiten Konstellation zählt beispielsweise das Bestehen eines besonderen Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte nach § 85 SGB IX (vgl. BAG 13.02.2008, 2 AZR 864/06) oder das Fehlen einer Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG (vgl. BAG 03.07.2003, 2 AZR 487/02). Einen derartigen - oder auch nur einen vergleichbaren - besonderen Kündigungsschutz kann der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen. Selbst wenn die Beklagte die ausgesprochenen Kündigungen nach § 17 KSchG hätte anzeigen müssen, so hätte die zuständige Bundesagentur für Arbeit diesen Kündigungen nicht "zustimmen" müssen. Einer Zustimmung durch die Bundesagentur hätte nur eine Verkürzung der Sperrfrist nach § 18 KSchG bedurft. Auf eine solche will sich die Beklagte indes nicht berufen. Die dem Kläger zukommende individuelle Kündigungsfrist übersteigt ohnehin die gegebenenfalls zu beachtende Sperrfrist. Schließlich betrifft eine etwaige Sperrzeitverkürzung auch nicht die Wirksamkeit einer Kündigung als solcher, sondern nur den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung Wirksamkeit erlangt.

c)

Eine andere Betrachtung ist auch nicht im Rahmen einer teleologischen Auslegung von § 4 S. 4 KSchG oder unter Vertrauensschutzgesichtspunkten geboten. Die §§ 17 ff. KSchG sichern dem Kläger keinen besonderen Kündigungsschutz zu, auf den er hätte vertrauen dürfen. Im Rahmen des Verfahrens nach §§ 17 ff. KSchG wird dem "Arbeitnehmer" auch keine "Entscheidung der Behörde" bekannt gegeben. Was der Kläger in Bezug auf die §§ 17 ff. KSchG geltend macht ist schlicht ein anderer Unwirksamkeitsgrund i.S.v. § 4 S. 1 KSchG. Diese Rüge hätte er innerhalb der 3-Wochen-Frist erheben können und müssen.

3.

Der Kläger hat die Gebühr nach Nr. 8614 der Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG in Höhe von 50,00 € zu tragen. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.