Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.10.2013, Az.: 1 TaBV 61/13
Einigungsstelle zur Regelung einer Sonntagsöffnung im Einzelhandel bei abschließender betrieblicher Regelung zur regelmäßigen Arbeitszeit
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 22.10.2013
- Aktenzeichen
- 1 TaBV 61/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 50192
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2013:1022.1TABV61.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 08.07.2013 - AZ: 6 BV 8/13
Rechtsgrundlagen
- § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
- § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG
Fundstelle
- EzA-SD 2/2014, 14
Amtlicher Leitsatz
Eine abschließende ungekündigte betriebliche Regelung zur regelmäßigen Arbeitszeit steht der Anrufung einer Einigungsstelle zur Regelung einer Sonntagsöffnung im Einzelhandel nicht entgegen, selbst wenn die Verfahrensregelungen in der bestehenden Betriebsvereinbarung (hier: Spruch einer Einigungsstelle) Teilregelungen zur Sonntagsarbeit enthalten.
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08. Juli 2013 - 6 BV 8/13 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten setzen sich auch im Beschwerderechtszug weiterhin darüber auseinander, ob die von der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) beantragte Einigungsstelle zur "Durchführung von Sonntagsöffnungen" offensichtlich unzuständig ist, da nach Meinung des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) in der Betriebsvereinbarung vom 09.04.2013 (Spruch der Einigungsstelle) abschließende Regelungen auch zur "Sonntagsöffnung" getroffen worden seien.
Das Arbeitsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 08. Juli 2013 den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts A. zum Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlung einer "Betriebsvereinbarung zur Durchführung von Sonntagsöffnungen" bestellt und die Zahl der Beisitzer für die Beteiligten auf je zwei festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Einführung und Regelung von Sonntagsarbeit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliege und durch den Spruch der Einigungsstelle vom 09.04.2013 hierzu keine abschließende Regelung getroffen worden sei. Dies lege bereits die Überschrift der Betriebsvereinbarung nahe (Regelung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit); im Zusammenhang mit Sonntagsöffnungen gehe es aber gerade nicht um die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Die Anlage zur Betriebsvereinbarung, auf die in § 3 Abs. 6 verwiesen werde, enthalte nur Angaben zur Rahmenarbeitszeit für verschiedene Bereiche von Montag bis Samstag. Die Arbeit an Sonntagen werde nur in § 4 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung erwähnt, ohne dass es sich auf den ersten Blick erkennbar um eine abschließende Regelung zur Durchführung von Sonntagsarbeit handele. Auch gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Betriebsvereinbarung vom 18.12.2008 (Betriebsvereinbarung ... zur Durchführung von Sonntagsöffnungen; Blatt 26 f d. A.) ersetzt werde.
Zum Vorbringen der Beteiligten im ersten Rechtszug wird im Übrigen auf den Beschluss des Arbeitsgerichts (Blatt 67 - 71 d. A.) verwiesen.
Gegen den ihm am 10. Juli 2013 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig hat der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) Beschwerde nebst Begründung zum Landesarbeitsgericht eingelegt am 22. Juli 2013 (Blatt 72, 80 d. A.).
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) hält die vom Arbeitsgericht eingerichtete Einigungsstelle für offensichtlich unzuständig, da die Regelungsfrage zur Sonntagsöffnung zum einen außerhalb der Regelungsmacht der Betriebspartner liege und zum anderen die Sonntagsarbeit in der Betriebsvereinbarung vom 09.04.2013 (Spruch) in § 4 Abs. 6 und § 6 Abs. 6 als auch § 3 Abs. 3 angesprochen und dort abschließend geregelt worden sei. Von daher ersetze die Betriebsvereinbarung vom 09.04.2013 auch die Betriebsvereinbarung "Sonntagsöffnungen" vom 18.12.2008. Dies bestätige sich auch in der Entscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30. Januar 2013 (- 3 BVGa 1/13 -), wonach sich die Personaleinsatzplanung (PEP) der Arbeitgeberin für den verkaufsoffenen Sonntag des 03.02.2013 nicht mehr nach der Betriebsvereinbarung vom 18.12.2008 richte.
Zur Personaleinsatzplanung sei noch einmal auf § 4 Abs. 6 des Einigungsstellenspruchs vom 09.04.2013 hinzuweisen, wo es am Ende heiße: "Entsprechendes gilt, sofern an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden soll".
Ein Widerspruch zur angefochtenen Entscheidung ergebe sich ferner aus einem Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.10.2013 (- 5 BV 12/13 -), wo es auf Seite 4 heiße: "Nach § 4 Abs. 6 des Einigungsstellenspruchs entscheide gerade die Einigungsstelle über die Personaleinsatzplanung - auch für den Einsatz an Sonn- und Feiertagen -, soweit der Betriebsrat seine Zustimmung nicht erteilt hat". Von daher gebe es keinen Regelungsbedarf mehr für alle unter den zwingenden Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG fallenden Regelungsfragen. Die weitergehenden Verhandlungsvorschläge der Arbeitgeberin (vgl. dazu Blatt 28 f d. A.) unterfielen allenfalls einer freiwilligen Mitbestimmung, die einer gerichtlichen Einsetzung der Einigungsstelle nicht zugänglich sei.
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) b e a n t r a g t,
den Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und den Arbeitgeberantrag gänzlich abzuweisen.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) b e a n t r a g t,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.07.2013 - 6 BV 8/13 - zurückzuweisen.
Sie tritt den Beschlussgründen des Arbeitsgerichts bei. § 3 der Betriebsvereinbarung (Spruch) vom 09.04.2013 betreffe nur Mitarbeiter mit variabler Arbeitszeit; § 6 Abs. 6 behandle lediglich die zu bezahlenden Zuschläge bei Sonntagsarbeit. Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) habe selbst einen Vorschlag zur Durchführung der Sonntagsöffnung unterbreitet (vgl. Blatt 31 f d. A.), was verdeutliche, dass der Themenkomplex "Sonntagsöffnung" einer separaten Regelung durch eine Betriebsvereinbarung zugänglich sei. Der im Stadium der Nachwirkung befindliche Manteltarifvertrag für den niedersächsischen Einzelhandel vom 08.06.2012 stehe mit seiner Regelung in § 7a einer Betriebsvereinbarung über Sonntagsöffnungen nicht entgegen. Soweit der Betriebsrat auf die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren (- 3 BVGa 1/13-) hinweise, sei dort für die Zustimmung zur Sonntagsarbeit eine unter dem 27.01.2012 beschlossene Betriebsvereinbarung genannt worden.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf das Anhörungsprotokoll vom 22.10.2013 und die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze vom 17.07., 08.08., 04.09., 25.09. und 16.10.2013 Bezug genommen. Das Gericht hat die Verfahrensakte Arbeitsgericht Braunschweig -3 BVGa 1/13- beigezogen und zum Gegenstand der Anhörung gemacht.
II.
1)
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Braunschweig hat zutreffend entschieden und zu Recht eine Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "Betriebsvereinbarung zur Durchführung von Sonntagsöffnungen" eingesetzt. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
2)
a).Das Beschwerdegericht folgt der Begründung des Arbeitsgerichts und macht sich diese zu Eigen.
Die Einrichtung einer Einigungsstelle scheitert nur an deren offensichtlichen Unzuständigkeit, wenn das Mitbestimmungsrecht durch Abschluss einer wirksamen, ungekündigten Betriebsvereinbarung bereits ausgeübt worden ist und eine abschließende ungekündigte Regelung auf Betriebsebene besteht (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 29. Juli 2008, 1 TaBV 47/08 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 51 Rz. 13 m. w. N.). Eine solche abschließende Regelung ist in der Betriebsvereinbarung vom 09.04.2013 (Spruch der Einigungsstelle) für Sonntagsöffnungen nicht erkennbar. Ebenso wenig fehlt es an einer tarifvertraglichen Regelung, die eine Betriebsvereinbarung zur Sonntagsarbeit sperrt.
b).Die Betriebsvereinbarung "Sonntagsöffnungen" vom 18.12.2008, zu deren Inhalt auf Blatt 28 f. der Akten verwiesen wird, ist nach übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten gekündigt worden. Nach § 77 Abs. 6 BetrVG kann sie deshalb durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dem Betriebsrat und Beteiligten zu 2) ist insoweit zuzugeben, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 09.04.2013 Teilregelungen zur Sonntagsarbeit enthält. So ist in § 3 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung (Spruch) die Rahmenarbeitszeit von Montag bis Samstag zwar festgelegt (Blatt 39 d. A.), aber ebenso in § 3 Abs. 3 bestimmt worden, dass bei Arbeitszeiten außerhalb der Rahmenarbeitszeit dies mit Einverständnis des Mitarbeiters bei Zustimmung des Betriebsrats zulässig ist. § 4 Abs. 6 gibt vor, dass im Rahmen der Personaleinsatzplanung (PEP) bei fehlender Zustimmung des Betriebsrats auf die in der Vergangenheit liegende jüngste PEP zurückzugreifen ist und dies auch entsprechend gelte, sofern am Sonntag und Feiertag gearbeitet werden soll. § 6 Abs. 6 regelt die gesonderte Saldierung von Zuschlägen bei Sonntags- und Feiertagsarbeit.
c).Das Gericht folgt indessen nicht der Argumentation der Betriebsratsseite, dass damit alle Fragen zur Sonntagsöffnung und Sonntagsarbeit abschließend geregelt seien. So können, wie die gekündigte Betriebsvereinbarung vom 18.12.2008 aufzeigt, abweichende Arbeitszeitregelungen bei Sonntagsöffnungen vereinbart werden. Offen ist auch, ob bei der Einsatzplanung vorrangig auf freiwillige Mitarbeiter zurückgegriffen werden soll (so Vorschlag der Geschäftsleitung) oder die Teilnahme an der Sonntagsöffnung für alle Mitarbeiter freiwillig sein soll und bei einer größeren Zahl Freiwilliger das Los über den Einsatz entscheidet (so Vorschlag Betriebsrat). Weitere zusätzliche Regelungen zu Vergünstigungen für die teilnehmenden Arbeitnehmer sind denkbar; diese unterliegen allerdings nicht der zwingenden Mitbestimmung.
d).Der gekündigte nachwirkende gekündigte Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Niedersachsen sperrt nach § 7 a derartige Regelungen nicht, da dort nur die Vergütung und Zuschläge unter anderem auch bei Sonntagsarbeit aufgenommen worden sind.
e).Sofern der Betriebsrat auf das einstweilige Verfügungsverfahren 3 BVGa 1/13 beim Arbeitsgericht Braunschweig hinweist, ging es dort um einen anderen Regelungsgegenstand, nämlich die Zustimmung zur Sonntagsarbeit nach der Betriebsvereinbarung vom 27.01.2012. Das Gericht kann ferner keinen Widerspruch zur Entscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.10.2013 - 5 BV 12/13 - erkennen, da auch dort aus Anlass der Sonntagsöffnung am 03. November 2013 eine Einigungsstelle über die Verhandlung zur Personaleinsatzplanung unter demselben Einigungsstellenvorsitzenden wie im vorliegenden Verfahren eingesetzt worden ist. Das Arbeitsgericht Braunschweig sieht dort ebenfalls keinen Hinderungsgrund für eine Einsetzung der Einigungsstelle, da die nachwirkende Betriebsvereinbarung vom 18.12.2008 gekündigt worden ist. Im Übrigen verweist das Arbeitsgericht auf § 4 Abs. 6 des Einigungsstellenspruchs, der ja die Personaleinsatzplanung(PEP) der Einigungsstelle auch für den Einsatz an Sonn- und Feiertagen zuweist.
Insoweit mag es eine im Rahmen der Regelung zur regelmäßigen Arbeitszeit abschließende Verfahrensregelung geben, die aber einer weitergehenden Betriebsvereinbarung zur Sonntagsöffnung nicht im Wege steht.
3)
Die Person des Einigungsstellenvorsitzenden und die Zahl der Beisitzer ist unter den Beteiligten nicht streitig. Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb.
4)
Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht zu treffen, da das Beschlussverfahren gerichtskostenfrei ist.
5)
Gegen diese Entscheidung ist nach § 98 Abs. 2 ein Rechtsmittel nicht gegeben.