Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.02.2013, Az.: 3 Sa 601/12 B

Betriebsrentenanpassung durch gewerkschaftliche Unterstützungskasse; Eingeschränkte Kontrolle der Anpassungsentscheidung aus verfassungsrechtlichen Gründen

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
26.02.2013
Aktenzeichen
3 Sa 601/12 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 43155
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2013:0226.3SA601.12B.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 03.04.2012 - AZ: 6 Ca 180/10 B

Amtlicher Leitsatz

Bei einer Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG ist es den Arbeitsgerichten auf Grund der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich untersagt, die Verwendung der Einkünfte einer Gewerkschaft im Einzelnen zu überprüfen oder gar zu bewerten (BAG, Urteil vom 13.12.2005 - 3 AZR 217/05 - AP Nr. 57 zu § 16 BetrAVG = NZA 2007, 39 [BAG 13.12.2005 - 3 AZR 217/05]). Sind die Ausgaben höher als die Mitgliedsbeiträge, verfügt die Gewerkschaft aber gleichzeitig über sonstige Einnahmen und Zinserträge, die zu einem Positivsaldo führen, verpflichtet sie das noch nicht zwingend zu einer Rentenanpassung. Vielmehr kann sich die Gewerkschaft darauf berufen, diese Beträge seien einerseits zur Erhaltung des vorhandenen Vermögens, das ja einem inflationsbedingten Kaufwertverlust unterliegt, und andererseits zur Erhaltung der Arbeitskampfkraft erforderlich. Insoweit ist der Kernbereich der Verfolgung koalitionspolitischer Zwecke betroffen, der von Art. 9 Abs. 3 GG garantiert wird. Art. 9 III GG überlässt den Koalitionen die Wahl ihrer Tätigkeiten und Mittel, mit denen sie die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolgen (BVerfG, Beschluss vom 10.9.2004 - 1 BvR 1191/03 - AP 167 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NZA 2004, 1338 [BVerfG 10.09.2004 - 1 BvR 1191/03]). Hierzu gehört insbesondere auch die Frage der Verwendung der Mittel und welche Rücklagen für Arbeitskampfmaßnahmen gebildet werden sollen.

Eine nur eingeschränkte Kontrolle der Anpassungsentscheidung greift jedenfalls dann, wenn die Gewerkschaft auf bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten mit einem Gesamtkonzept reagiert, das nicht nur die Betriebsrentner, sondern auch die aktiven Arbeitnehmer erfasst.

Tenor:

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts G-Stadt vom 03.04.2012 - 6 Ca 180/10 B - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1) - 3) als Gesamtschuldnerinnen zu 17 % und die Klägerin zu 1) zu 83 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anpassung einer betrieblichen Altersversorgung ab dem 01.07.2010.

Die Klägerin zu 1) ist die Ehefrau des am 0.0.2011 verstorbenen Herrn A., die Klägerinnen zu 2) und 3) sind dessen Töchter. Herr A. war bei der Beklagten von 1971 bis zum 30.11.2004 als Gewerkschaftssekretär, zuletzt im Rahmen eines Altersteilzeitverhältnisses, beschäftigt. Seit dem 01.012.2004 bezog er Altersrente und zusätzlich von der Beklagten eine Betriebsrente durch die Unterstützungskasse DGB e. V. in Höhe von monatlich 2.458,93 €. Diese Rente wurde bisher nicht angepasst. Im Juni 2007 teilte die Beklagte Herrn A. und anderen Betriebsrentnern mit, eine Anpassung der laufenden Versorgungsleistung zum 01.07.2006 könne nicht vorgenommen werden. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 14.10.2010 überreichte Kopie (Bl. 59/60 d. A.) Bezug genommen. Herr A. legte hiergegen keinen Widerspruch ein. Eine weitere abschlägige Mitteilung erhielt er unter dem 23.07.2010. Hiergegen erhob er fristgerecht Widerspruch.

Unstreitig verringerte sich die Zahl der Mitglieder bei der Beklagten von 2004 bis zum Jahr 2007 von ... auf .... Bis zum Jahr 2009 ergab sich eine weitere Verringerung auf ... Mitglieder. Gleichzeitig reduzierte die Beklagte die Beschäftigtenzahl von ... Vollzeitäquivalenten im Jahr 2004 auf ... Vollzeitäquivalente im Jahr 2009. Bei den Beitragseinnahmen ergab sich eine Minderung von ... Millionen € im Jahr 2004 auf ... Millionen € im Jahr 2009. Die Prognose für das Jahr 2010 belief sich zum Zeitpunkt der Anpassungsentscheidung auf ... Millionen €. Bei den Ausgaben ergab sich eine Entwicklung von ... Millionen € im Jahr 2004 auf ... Millionen € im Jahr 2009 und eine Ausgabenerwartung für das Jahr 2010 zum Anpassungszeitpunkt in Höhe von ... Millionen €. Unstreitig erzielt die Beklagte neben den Beitragseinnahmen noch sonstige Einnahmen sowie Zinserträge, und zwar in einer Höhe, die das sich aus der Differenz zwischen Beitragseinnahmen und Ausgaben ergebende Defizit überschreitet. Wegen der einzelnen Daten wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 14.12.2010 überreichte Übersicht über die Beschäftigtenzahlen, die Finanzperspektive und die Finanzdaten 2000 bis 2009 (Bl. 62 bis 64 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte ist gegenüber ca. 1000 Unterstützungsempfängern leistungsverpflichtet. Im Jahr 2007 erbrachte sie insoweit Leistungen in Höhe von ... Millionen € (von denen ... Millionen € nicht rückgedeckt waren), was einem Anteil von 25,3 % der Personalkosten entspricht.

In den Jahren 2005 und 2006 gab es für die aktiven Beschäftigten keine Entgelterhöhung. Die Anhebung im Jahr 2007 betrug 1,5 %. 2008 gab es keine Gehaltssteigerung und im Jahr 2009 eine Steigerung um 1,2 %. Gleichzeitig erfolgte aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung aus dem Jahr 2005 eine Kürzung der Jahressonderzahlung von 1,5 auf 0,75 Gehälter. Drei Beschäftigte klagten mit Erfolg gegen diese Entgeltreduzierung. Die übrigen Mitarbeiter nahmen die Kürzung der Jahressonderzahlung, von der Arbeitnehmer in Altersteilzeit ausgenommen waren, hin.

Herr A. war bis zu seinem Ausscheiden - wie im Verlaufe des Berufungsverfahrens unstreitig geworden ist - gemäß der (früheren) Gehaltsgruppe 3, Stufe 8 (die höchste Stufe) zugeordnet und nicht wie in erster Instanz übereinstimmend vorgetragen, der Gehaltsgruppe 4. Die Nettogehaltsentwicklung von Mitarbeitern gemäß Gehaltsgruppe 4, Stufe 8 entwickelte sich von 2002 bis 2009 negativ (- 2,9 %), in der Gehaltsgruppe 3, Stufe 8 ergaben sich Nettogehaltszuwächse.

Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, bei der Prüfung der wirtschaftlichen Gegebenheiten müssten die erheblichen Zinseinnahmen der Beklagten berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Nettoentgeltentwicklung habe die Beklagte Entgeltsteigerungen durch Umgruppierungen oder Umstufungen oder vertragliche Verbesserungen außer Acht gelassen. Darüber hinaus könne sich die Beklagte bei der Vergleichsgruppe nicht auf nur eine Stufe einer bestimmten Gehaltsgruppe beschränken. Unberücksichtigt blieben zudem Kompensationen für Gewerkschaftssekretäre in Form von Entgelten in Aufsichtsräten, Mandaten des Sozialversicherungssystems oder ähnlichen Institutionen. Unerheblich sei die Kürzung der Jahressonderzahlung, weil diese rechtswidrig erfolgt sei.

Die Klägerinnen haben beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 575,40 € zu zahlen,

2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 517,86 € zu zahlen,

3. die Beklagte wird verurteilt, die monatlichen Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ab dem 01.04.2012 bis zum Tod der Klägerin zu 1) um 57,54 € zu erhöhen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, aufgrund der wirtschaftlichen Lage sei eine Anpassung nicht möglich. Sie könne im Wesentlichen nur auf Mitgliederbeiträge als Einkünfte zurückgreifen. Die Verwendung dieser Einkünfte könne bei ihr als Gewerkschaft arbeitsgerichtlich nicht überprüft werden. Die zusätzlichen Einnahmen neben den Mitgliedsbeiträgen seien erforderlich, um die Arbeitskampfkraft zu erhalten und zu stärken. Ein etwaiger Streik nur im Bereich eines Bundeslandes würde innerhalb kürzester Zeit zweistellige Millionensummen verschlingen. Darüber hinaus stehe einem Anspruch die negative Reallohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer entgegen. Bei der Festlegung der Gruppe vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer habe der Arbeitgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.

Durch Urteil vom 03.04.2012 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und den Klägerinnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 179 Rs. bis 182 d. A.) Bezug genommen. Das Urteil ist den Klägerinnen am 26.04.2012 zugestellt worden. Sie haben hiergegen am 22.05.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.07.2012 am 17.07.2012 begründet.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, das Arbeitsgericht gehe bei der Prüfung der Entgeltentwicklung von einem falschen Referenzzeitraum aus. Da Herr A. gegen die Anpassungsentscheidung aus dem Jahr 2007 niemals Widerspruch eingelegt habe, sei diese "bestandskräftig" geworden. Daher müsse die Erhöhung der Renten für den Zeitraum von 2007 bis 2010 nicht mehr nachgeholt werden. Dem entsprechend beziehe sich aber auch der maßgebliche Zeitraum für die Ermittlung des Kaufpreisindexes lediglich auf die Jahre 2007 bis 2010. Dasselbe gelte für die Entwicklung der Nettovergütung vergleichbarer Mitarbeiter, so dass ausgehend von den Angaben der Beklagten ein leichter Anstieg der Entgelte zu verzeichnen sei. Bei den wirtschaftlichen Daten könne nicht außer Betracht gelassen werden, dass die Beklagte seit dem Jahr 2000 einen Überschuss von ... Millionen € erwirtschaftet habe. Außerdem verfüge sie als Miteigentümerin von Immobilien mit beachtlichem Wert (2,5 €) über ein erhebliches Vermögen. Wegen der Streikkosten dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass es im Bereich der X-Industrie - vorsichtig ausgedrückt - schon längere Zeit her sei, dass es nennenswerte Streiks gegeben habe.

Die Klägerinnen beantragen,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 03.04.2012, Az. 6 Ca 180/10 B, wird abgeändert,

2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1) bis 3) 960,48 € zu zahlen,

3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung der Klägerin zu 1) ab dem 01.04.2011 um 4,34 % zu erhöhen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 20.09.2012 (Bl. 262 bis 269 d. A.) sowie 09.02.2013 (Bl. 307 bis 313 d. A.).

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66, 64 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

1.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das gemäß § 256 ZPO für den Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, obwohl ein Leistungsantrag für die Vergangenheit möglich gewesen wäre (und in I. Instanz auch gestellt wurde). Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, auch auf ein feststellendes Urteil hin eine Rentenanpassung zu gewähren.

2.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

a)

Die Klägerinnen können das Erhöhungsverlangen trotz der Versorgung über die Unterstützungskasse DGB e. V. gegenüber der Beklagten geltend machen. Normadressat der Pflicht zur Anpassungsprüfung und -entscheidung ist nach § 16 I BetrAVG der Arbeitgeber.

Allerdings schließen Unterstützungskassen grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf die in Aussicht gestellten Versorgungsleistungen aus. Dennoch entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass aus einer Versorgungszusage unter Einschaltung einer Unterstützungskasse ein Rechtsanspruch entsteht, der aber ganz oder teilweise aus sachlichem Grund widerruflich ist (BAG, Urteil vom 17.5.1973 - 3 AZR 381/72 - AP 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen = NJW 73, 1946 [BAG 17.05.1973 - 3 AZR 381/72]; BAG, Urteil vom 13.12.2005 - 3 AZR 217/05 - AP Nr. 57 zu § 16 BetrAVG = NZA 2007, 39 [BAG 13.12.2005 - 3 AZR 217/05]

b)

Die Beklagte ist nicht gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, die monatlichen Rentenzahlungen beginnend mit dem 01.07.2010 zu erhöhen. Einer Anpassung steht die wirtschaftliche Lage der Beklagten entgegen.

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Es ist in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 2 und Abs. 3 BGB zu überprüfen, ob der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat.

Bei der wirtschaftlichen Lage ist grundsätzlich auf den Anpassungsstichtag abzustellen. Beurteilungsgrundlage ist die wirtschaftliche Entwicklung des Arbeitgebers in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung gezogen werden können. Die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag kann die frühere Prognose entweder bestätigen oder entkräften (BAG, Urteil vom 17.04.1996 - 3 AZR 56/95 - AP Nr. 35 zu § 16 BetrAVG = NZA 97, 155 [BAG 17.04.1996 - 3 AZR 56/95]). Der Begriff der wirtschaftlichen Lage ist dabei nicht gleichbedeutend mit dem Begriff einer "Notlage". In jedem Fall haben aber die Erhaltung des Betriebes und die Sicherung der Arbeitsplätze Vorrang vor der Befriedigung des Anpassungsbedarfs (BAG, Urteil vom 14.12.1993 - 3 AZR 519/93 - AP Nr. 29 zu § 16 BetrAVG = NZA 94, 551 [BAG 14.12.1993 - 3 AZR 519/93]). Bei einem am Markt tätigen Unternehmen ist eine die Anpassung ausschließende Belastung dann anzunehmen, wenn der Teuerungsausgleich nicht aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen ist. Dabei muss eine angemessene Kapitalverzinsung erhalten bleiben. Diese besteht aus einem Basiszinssatz, der der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen entspricht, sowie einem für alle Unternehmen einheitlichen Risikozuschlag von 2 % (BAG, Urteil vom 23.05.2000 - 3 AZR 146/99 - AP Nr. 45 zu § 16 BetrAVG = NZA 2001, 1251 [BAG 23.05.2000 - 3 AZR 146/99]; BAG, Urteil vom 23.01.2001 - 3 AZR 287/00 - AP Nr. 46 zu § 16 BetrAVG = NZA 2002, 560 [BAG 23.01.2001 - 3 AZR 287/00]).

Besonderheiten müssen aber für Gewerkschaften gelten, weil sie nicht am Markt mit dem Ziel der Gewinnerzielung tätig sind und ihnen als Einkünfte im Wesentlichen lediglich Mitgliedsbeiträge zur Verfügung stehen. Darüber hinaus genießt eine Gewerkschaft den verfassungsrechtlichen Schutz der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG, der es den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich untersagt, die Verwendung der Einkünfte im Einzelnen zu überprüfen oder gar zu bewerten. Andererseits muss aber auch eine Gewerkschaft, wie jeder andere Arbeitgeber, die Verbindlichkeiten erfüllen, die sie gegenüber ihren Arbeitnehmern übernommen hat (BAG, Urteil vom 13.12.2005 - 3 AZR 217/05 - AP Nr. 57 zu § 16 BetrAVG = NZA 2007, 39 [BAG 13.12.2005 - 3 AZR 217/05]).

Ein starkes Indiz für erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten und damit die Erforderlichkeit von Einsparungen ist ein Rückgang im Bereich der Beschäftigten (BAG, Urteil vom 11.12.2001 - 3 AZR 512/00 - AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Ablösung = NZA 2003, 1414 [BAG 11.12.2001 - 3 AZR 512/00]). Die Zahl der Mitarbeiter der Beklagten ist in der Zeit seit 1998 kontinuierlich gesunken. Im Dezember 1998 gab es noch 1.092,7 Vollzeitäquivalente und im Dezember 2004, dem Jahr, als Herr A. in den Ruhestand gegangen ist, 901,5 Vollzeitäquivalente. Im Dezember 2007, also zu dem Zeitpunkt der letzten Anpassungsentscheidung, gab es 776,7 Vollzeitäquivalente und im Dezember 2009 nur noch 737,7 Vollzeitäquivalente. Dabei lag in keinem der Jahre der Beschäftigungsrückgang unter 1,7 %. Ein weiteres Indiz für wirtschaftliche Schwierigkeiten ergibt sich daraus, dass die Beklagte an ihre mittlerweile über 1.000 Unterstützungsempfänger Unterstützungsleistungen in Höhe von 25,3 % der Personalkosten des Jahres 2007 gezahlt hat. Gleichzeitig sind die Beitragseinnahmen in den Jahren von 2000 bis 2009 kontinuierlich zurückgegangen, wobei sie allerdings in dem Zeitraum von 2006 bis 2009 weitgehend konstant waren. Die Ausgaben lagen aber in all den Jahren jeweils deutlich über den Beitragseinnahmen. Der Mitgliederrückgang hat sich in dem gesamten Zeitraum seit dem Ruhestand des Klägers kontinuierlich fortgesetzt, so dass ein weiterer Beitragsrückgang zu erwarten war.

Zwar weisen die Klägerinnen zu Recht darauf hin, dass eine Berücksichtigung der von der Beklagten angegebenen sonstigen Einnahmen und der Zinserträge zu einem Positivsaldo führen würde. Das verpflichtet die Beklagte aber nicht zu einer Rentenanpassung. Die Beklagte macht insoweit zu Recht geltend, diese Beträge seien einerseits zur Erhaltung des vorhandenen Vermögens, das ja einem inflationsbedingten Kaufwertverlust unterliegt, und zur Erhaltung der Arbeitskampfkraft erforderlich. Dabei ist unstreitig, dass etwaige kurzfristige Streiks auch in nur einem Bundesland möglicherweise zweistellige Millionensummen verschlingen können. Die Kammer durfte in diesem Zusammenhang nicht etwa überprüfen, ob tatsächlich Arbeitskampfmaßnahmen zu erwarten sind, welchen Umfang diese möglicherweise haben und welche Auswirkungen das auf die Finanzlage der Beklagten hätte. Das Gericht ist auch nicht befugt zu untersuchen, ob etwa aus der Tatsache, dass in der Vergangenheit größere Streiks durch die Beklagte nicht geführt wurden, daraus geschlossen werden kann, dies werde auch künftig möglicherweise nicht der Fall sein. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nämlich nicht berechtigt, die Verfolgung der koalitionspolitischen Zwecke durch die Gewerkschaften zu überprüfen. Denn ebenso wenig wie ein Unternehmer von der Verfolgung wirtschaftlicher Ziele absehen, etwa seine Produktion einschränken muss, um Rentenanpassungen vorzunehmen oder Versorgungswerke unverändert fortführen zu können, hat eine Gewerkschaft die Pflicht, ihre koalitionspolitischen Aufgaben wegen künftig anwachsender Versorgungsverbindlichkeiten zu reduzieren oder die Intensität ihrer Aufgabenwahrnehmung einzuschränken. Diese Fragen betreffen vielmehr den Kernbereich der Verfolgung koalitionspolitischer Zwecke, der von Art. 9 Abs. 3 GG garantiert wird. Durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 III GG wird nicht nur der Einzelne, sondern auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und in ihren koalitionsspezifischen Betätigungen geschützt (BVerfG Beschluss vom 24.4.1996 - 1 BvR 712/86 - AP 2 zu § 57a HRG = NZA 96, 1157 [BVerfG 24.04.1996 - 1 BvR 712/86]; Beschluss vom 10.9.2004 - 1 BvR 1191/03 - AP 167 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NZA 2004, 1338 [BVerfG 10.09.2004 - 1 BvR 1191/03]; BAG, Urteil vom 7.7.2010 - 4 AZR 549/08 - AP 140 zu Art. 9 GG = NZA 2010, 1068 [BAG 07.07.2010 - 4 AZR 549/08]; Schaub/Treber § 190 Rn. 19). Art. 9 III GG überlässt den Koalitionen die Wahl ihrer Tätigkeiten und Mittel, mit denen sie die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfolgen (BVerfG, Beschluss vom 10.9.2004 - 1 BvR 1191/03 - AP 167 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NZA 2004, 1338 [BVerfG 10.09.2004 - 1 BvR 1191/03]; Schaub/Treber § 190 Rn. 26). Hierzu gehört insbesondere auch die Frage der Verwendung der Mittel und welche Rücklagen für eventuelle Arbeitskampfmaßnahmen gebildet werden sollen. Berührt eine arbeitsgerichtliche Entscheidung die Koalitionsfreiheit, müssen die Gerichte der Bedeutung dieses Grundrechts bei der Auslegung und Anwendung des Privatrechts Rechnung tragen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1995 AP AP 80 zu Art. 9 GG = NZA 96, 381 [BVerfG 14.11.1995 - 1 BvR 601/92]). Das gilt auch für die Auslegung von § 16 BetrAVG, der die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation bei einer Anpassungsentscheidung vorsieht.

Ob die Bildung von Rücklagen generell keiner Überprüfung durch die Arbeitsgerichte unterliegt oder ob das nur dann gilt, wenn bestehende wirtschaftliche Probleme sowohl zur Einbußen bei den Betriebsrentnern als auch bei den aktiven Mitarbeitern führen, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Eine nur eingeschränkte Kontrolle greift nach Ansicht der Kammer jedenfalls dann, wenn die Gewerkschaft auf bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten mit einem Gesamtkonzept reagiert, das nicht nur die Betriebsrentner, sondern auch die aktiven Arbeitnehmer erfasst. Die Beklagte hat sich in dem maßgeblichen Zeitraum nicht etwa darauf beschränkt, die Leistungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung einzuschränken bzw. Rentenanpassungen abzulehnen. Gleichzeitig hat sie vielmehr entweder keine Gehaltssteigerungen vorgenommen oder lediglich Steigerungen, die den Anstieg der Lebenshaltungskosten nicht kompensierten. Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gros der Beschäftigten aufgrund der Kürzung der Jahressonderzahlung seit 2005 deutliche Gehaltseinbußen hinnehmen musste. Ob dies rechtmäßig geschehen ist, woran aufgrund der erfolgreichen Klagen dreier Mitarbeiter Zweifel bestehen könnten, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Allein entscheidend ist, dass tatsächlich eine entsprechende Entgeltentwicklung eingetreten ist; dies insbesondere auch wohl deshalb, weil die Mehrheit der Mitarbeiter und der Betriebsrat die Erforderlichkeit solcher Maßnahmen angenommen haben. Darüber hinaus hat die Beklagte in dem maßgebenden Zeitraum auch die Zahl der aktiven Mitarbeiter deutlich kontinuierlich verringert.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.