Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.12.2013, Az.: 2 Sa 206/13

Wirksame Tarifregelung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Zustellung eines Rentenbescheids zum Bezug einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
11.12.2013
Aktenzeichen
2 Sa 206/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 54725
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2013:1211.2SA206.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Stade - 24.01.2013 - AZ: 1 Ca 391/12

Fundstellen

  • ArbR 2014, 209
  • schnellbrief 2014, 76-77

Amtlicher Leitsatz

Eine Regelung in einem Tarifvertrag verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, soweit er das Ende des Arbeitsverhältnisses anordnet, wenn der Krankenkasse ein Rentenbescheid zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht. Eine derartige Regelung verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG. Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung liegt nicht vor.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 24. Januar 2013 - 1 Ca 391/12 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht infolge der im Arbeitsvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung mit Ablauf des 31. August 2012 und des 20. November 2012 beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte zu je 1/2.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer auflösenden Bedingung.

Der am 00.00.1967 geborene Kläger war seit dem 15. Mai 1996 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Verkäufer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist im Wege eines Betriebsübergangs zum 1. September 2007 auf die Beklagte übergegangen. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Er erzielte zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung i. H. v. 2.248,00 €.

In dem zwischen dem Kläger und der M. als Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 6. Mai 1996 heißt es u. a. (Bl. 5 ff. d. A.):

"...

§ 2 Einkommen

1. Es wird folgendes Brutto-Einkommen pro Monat vereinbart:

Tarifschlüssel: 6230

DM 3.190,00

...

4. Sonstige soziale Leistungen richten sich nach dem jeweils gültigen Manteltarifvertrag in seiner letzten Fassung und den jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen.

...

§ 7 Urlaub

Der Arbeitnehmer erhält im Kalenderjahr Urlaub gemäß des jeweils gültigen Manteltarifvertrages in seiner letzten Fassung.

...

§ 14 Tarifliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen betriebliche Altersversorgung

Es wird vereinbart, daß auf das Arbeitsverhältnis ergänzend die Bestimmungen des Manteltarifvertrages sowie des Lohn- und Gehaltstarifvertrages, jeweils in der letzten gültigen Fassung, Anwendung finden. Gleiches gilt für Betriebsvereinbarungen; sie gelten ebenfalls in der jeweils gültigen Fassung.

...

§ 16 Erlöschen des Arbeitsverhältnisses

1. Das Arbeitsverhältnis endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, mit dem Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet.

2. Bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente (auch auf Zeit) endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tage des Zuganges des Rentenbescheides bei der Krankenkasse.

..."

Der Tarifschlüssel in § 2 des Arbeitsvertrages entspricht den in den Gehalts- und Lohntarifverträgen für die Mitarbeiter der Firma M. aufgeführten Entgeltgruppen. Der Kläger erhielt während der Laufzeit des Arbeitsverhältnisses sämtliche firmentariflichen Leistungen der Firma M.. Seine Vergütung wurde regelmäßig entsprechend dem jeweiligen Firmenentgelttarifvertrag erhöht. Auch die Länge des Urlaubs von sechs Wochen jährlich entsprach dem jeweiligen Manteltarifvertrag der Firma M..

In einem zwischen den Vorgängergewerkschaften der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und u. a. mit der M. GmbH abgeschlossenen Manteltarifvertrag vom 20. September 1993 (MTV 1993) heißt es u. a. (Hülle Bl. 181 d. A.):

"...

§ 22 Erlöschen des Arbeitsverhältnisses

1. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der/die Mitarbeiter/-in Altersruhegeld, vorgezogenes Altersruhegeld oder Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem er/sie das 65. Lebensjahr vollendet hat, soweit keine anderen gesetzlichen Regelungen/Bestimmungen dem entgegenstehen.

2. Bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente (auch auf Zeit) endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tage des Zuganges des Rentenbescheides bei der Krankenkasse.

..."

Die M. wurde spätestens am 8. September 1997, dem Tag des Inkrafttretens des neuen Gehalts- und Lohntarifvertrages der M. 1 vom gleichen Tag umfirmiert in M. 1.

In einem zwischen den Vorgängergewerkschaften der v. und der M. 1 abgeschlossenen Manteltarifvertrag vom 23. Dezember 1997 (MTV 1997) heißt es u. a. (Bl. 41 ff. d. A.):

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Manteltarifvertrag gilt

...

zeitlich

der Manteltarifvertrag tritt am 1.1.1998 in Kraft und gilt bis zum 31.12.2000, ohne daß es einer Kündigung bedarf.

...

§ 22

Erlöschen des Arbeitsverhältnisses

1. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der/die Mitarbeiter/-in Altersruhegeld, vorgezogenes Altersruhegeld oder Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem er/sie das 65. Lebensjahr vollendet hat, soweit keine anderen gesetzlichen Regelungen/Bestimmungen dem entgegenstehen.

2. Bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente (auch auf Zeit) endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tage des Zuganges des Rentenbescheides bei der Krankenkasse.

...

§ 27

Schlußbestimmungen

...

4. Der bisher gültige Manteltarifvertrag vom 20. September 1993 wird mit Wirksamwerden dieses Manteltarifvertrages außer Kraft gesetzt."

Mit Bescheid vom 3. August 2012 erkannte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. November 2012 zu (Bl. 10 d. A.). Den Rentenbescheid legte der Kläger der Beklagten am 16. August 2012 vor.

In einem Schreiben der Beklagten vom 19. September 2012 an den Kläger heißt es u. a. (Bl. 39 d. A.):

"Sehr geehrter Herr ...,

gemäß Ihrem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 03.08.2012 erhalten Sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer. Dieser Bescheid ging uns am 16.08.2012 zu. Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass Ihr Beschäftigungsverhältnis demnach am 31.08.2012 geendet hat.

Die Austrittsunterlagen gehen Ihnen in den nächsten Tagen zu.

..."

Am 20. November 2012 stellte die Beklagte den Rentenbescheid vom 3. August 2012 dem A. in C. zu. Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 teilten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter Hinweis auf diese Zustellung mit, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung vom 3. August 2012 zum 31. Dezember 2012 bzw. dem nächst zulässigen Termin enden werde (Bl. 38 d. A.). Dieser Schriftsatz ging den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2012 zu.

Mit seiner am 16. Oktober 2010 erhobenen und am 17. Dezember 2012 hinsichtlich der Erklärung vom 10. Dezember 2012 und am 3. Januar 2013 hinsichtlich der Zustellung des Rentenbescheides am 20. November 2012 bei der A. erweiterten Klage wehrt sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Rentenbescheides vom 3. August 2012. Der Kläger hat behauptet, das Schreiben der Beklagten vom 19. September 2012 sei ihm nach seiner Erinnerung erst Anfang Oktober 2012 zugegangen. Er hat die Ansicht vertreten, die in § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vereinbarte auflösende Bedingung halte einer Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht stand. Nach § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages solle das Arbeitsverhältnis auch dann enden, wenn der Arbeitnehmer nur eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit erhalte. Weil diese Klausel unabhängig von dem Rentenbeginn auf den Tag des Zuganges des Rentenbescheides bei der Krankenkasse abstelle, könne danach bereits eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt eintreten, zu dem möglicherweise noch keine Rente gewährt werde. Auch der in § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages enthaltene Verweis auf einen Tarifvertrag sei wegen Intransparenz unwirksam. Es sei nicht geregelt, welches Tarifwerk in Bezug genommen werde.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund des Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 3. August 2012 mit dem 31. August 2012 aufgelöst worden ist.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund des Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung vom 3. August 2012 zum 31. Dezember 2012, ersatzweise zum nächstzulässigen Termin, aufgelöst wird.

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund des Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 3. August 2012 mit dem 20. November 2012 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Bescheid vom 3. August 2012 habe das Arbeitsverhältnis gemäß § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, zumindest aber gemäß § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages i. V. m. § 22 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages vom 23. Dezember 1997 (MTV 1997) mit Wirkung zum 31. August 2012, spätestens aber aufgrund der Zustellung des Rentenbescheides vom 3. August 2012 und der Erklärung in dem Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 zum 31. Dezember 2012 beendet. Die Beklagte hat behauptet, das Schreiben vom 19. September 2012 sei dem Kläger 4 Tage später zugegangen. § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages verstoße nicht gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Soweit diese Ziffer auch eine auflösende Bedingung für den Fall der befristeten Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente vorsehe, könne dieser Teil der Klausel im Wege des sog. "Blue-pencil-Testes" gestrichen werden.

Mit Urteil vom 24. Januar 2013 hat das Arbeitsgericht Stade festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 3. August 2012 nicht aufgelöst worden ist. Die zulässige Bedingungskontrollklage sei vollumfänglich begründet. Der Kläger habe mit seinen Bedingungskontrollanträgen im Sinne von §§ 21, 17 S. 1 TzBfG die Klagefrist der §§ 21, 17 S. 1 TzBfG auch dann gewahrt, wenn ihm das Schreiben der Beklagten vom 19. September 2012 bereits am 23. September 2012 und nicht erst Anfang Oktober 2012 zugegangen sei. Das Schreiben vom 19. September 2012 stelle keine ordnungsgemäße Unterrichtung im Sinne von § 15 Abs. 2 TzBfG dar. In der Unterrichtung sei der Zeitpunkt der Zweckerreichung bzw. des Bedingungseintritts genau mitzuteilen. Diese Angaben müssten richtig sein, anderenfalls werde die Zwei-Wochen-Frist nicht in Lauf gesetzt, auch wenn der Zweck objektiv erreicht und die Bedingung eingetreten sei. Das Schreiben der Beklagten vom 19. September 2012 benenne weder eine auflösende Bedingung noch den Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Erst in dem Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 habe die Beklagte eine formwirksame Mitteilung im Sinne von § 15 Abs. TzBfG abgegeben. Insoweit habe der Kläger fristgerecht einen Bedingungskontrollantrag gestellt.

Das Arbeitsverhältnis habe jedoch nicht gemäß § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages bzw. § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages i. V. m. § 22 Ziff. 2 des MTV 1997 wegen des Eintrittes einer auflösenden Bedingung sein Ende gefunden. Weder § 16 Abs. 2 noch § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages hielten einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand. § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages sei unangemessen benachteiligend im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil danach das Arbeitsverhältnis bereits mit der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit enden solle. Hier werde von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen, wonach die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit regelmäßig nur zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führe. Auf die Durchführung eines sog. Blue-pencil-Testes komme es nicht an, weil § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages auch im Falle der Gewährung einer dauernden Erwerbsunfähigkeitsrente unangemessen benachteiligend sei. Die Klausel stelle nicht auf einen bestandskräftigen Bescheid des Rentenversicherungsträgers ab. Ein Arbeitnehmer würde deshalb auch im Falle eines fristgerechten Widerspruchs gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers seinen Arbeitsplatz verlieren. Eine geltungserhaltende Reduktion der Norm sei nicht möglich. § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages benachteilige den Kläger ebenfalls unangemessen, weil die Regelung nicht hinreichend klar und verständlich sei. Es sei offen, ob es sich bei den Bestimmungen des Manteltarifvertrages um einen einschlägigen Tarifvertrag handeln solle und ob ein Verbands- oder Firmentarifvertrag gemeint sei. Auch fehle der Verweis auf die jeweils geltende tarifliche Regelung. Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils, Bl. 4 bis 9 desselben, Bl. 76 bis 81 d. A. Bezug genommen.

Das Urteil ist der Beklagten am 11. Februar 2013 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 27. Februar 2013 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 10. April 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Soweit das Arbeitsgericht allerdings durch die vollumfängliche Klagestattgabe - ohne dies im Tenor klarzustellen - auch festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Zustellung des Rentenbescheides bei der Krankenkasse am 20. November 2012 nicht beendet worden sei, lässt die Beklagte das Urteil rechtskräftig werden.

Im Übrigen verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Ansicht, das Arbeitsverhältnis habe bereits aufgrund des Schreibens vom 19. September 2012 mit Ablauf des 31. August 2012 sein Ende gefunden. Das Schreiben sei dem Kläger spätestens am 23. September 2012 zugegangen mit der Folge, dass er mit seiner Klagerhebung am 16. Oktober 2012 die dreiwöchige Klagefrist der §§ 21, 17 TzBfG nicht gewahrt habe. Die Klagefrist habe der Kläger auch dann einhalten müssen, wenn sie das Datum des Eintritts der Bedingung unzutreffend mitgeteilt habe. Allenfalls hätte das Arbeitsgericht den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses entsprechend nach hinten versetzen müssen.

Das Arbeitsverhältnis sei zumindest durch die Mitteilung vom 10. Dezember 2012 mit Ablauf des 31. Dezember 2012 bzw. dem nächstzulässigen Termin gemäß § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages beendet worden. Die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung in einem Arbeitsvertrag sei weder überraschend noch ungewöhnlich im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB. Die Regelung in § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages sei auch eindeutig. Der Wirksamkeit der Klausel stehe auch die Rechtsprechung, die eine auflösende Bedingung bei Bezug einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente nicht anerkenne, nicht entgegen. Wenn im Wege eines Blue-pencil-Tests der Klammerzusatz "auch auf Zeit" in § 16 Abs. 2 gestrichen werde, sei die dann verbleibende Regelung wonach bei "Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente das Arbeitsverhältnis ende" weiterhin verständlich und wirksam. Das § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages nicht auf einen bestandskräftigen Bescheid des Rentenversicherungsträgers abstelle, sei unschädlich. Die Beendigung des Arbeitsvertrages erfolge nicht über den Kopf des Klägers hinweg, weil der Rentenversicherungsträger den Bewilligungsbescheid an den Kläger schicke. Die Krankenkasse erfahre von der Verrentung nicht automatisch, sondern erst durch den Zugang des an den Arbeitnehmer zugestellten Rentenbescheides. Es liege ausschließlich in der Hand des Arbeitnehmers, ob bzw. wann der Rentenbescheid der Krankenkasse zugehe und infolgedessen gemäß § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages das Arbeitsverhältnis ende. Da der Kläger infolge des Bescheids rentenrechtlich abgesichert sei, darüber hinaus die Verrentung auf seinen Antrag erfolge, komme es auf eine Bestandskraft des Rentenbescheides nicht an.

Unabhängig davon habe das Arbeitsverhältnis aufgrund des Schreibens vom 19. September 2012 gemäß § 22 Ziff. 1 MTV 1993 i. V. m. § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zum 30. November 2012 sein Ende gefunden, hilfsweise gemäß § 22 Ziff. 2 MTV 1993 aufgrund der Erklärung vom 10. Dezember 2012 zum 31. Dezember 2012. Durch § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages sei der MTV 1993 in Bezug genommen worden. Dieser Manteltarifvertrag sei speziell für die M.-Unternehmensgruppe abgeschlossen worden. Da die Parteien die Bestimmungen des Manteltarifvertrages vereinbart hätten, ohne auf den Flächentarifvertrag für den niedersächsischen Einzelhandel gesondert Bezug zu nehmen, sei davon auszugehen, dass sie den speziell für ihre Rechtsvorgängerin gültigen Tarifvertrag gemeint hätten. Für eine wirksame Inbezugnahme der Firmentarifverträge spreche auch die Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages. Die darin genannte Tarifschlüsselbezeichnung entspreche den in den Gehalts- und Lohntarifverträgen für die Mitarbeiter der M.-Handelsgesellschaft aufgeführten Entgeltgruppen. Hinzu komme, dass er während des Laufs des Arbeitsverhältnisses sämtliche firmentarifvertraglichen Leistungen von der Firma M. erhalten habe. Im Übrigen sei dem Kläger bei seiner Einstellung durch den damaligen Marktleiter mitgeteilt worden, dass es sich bei dem gemäß § 14 des Arbeitsvertrages in Bezug genommenen Manteltarifvertrag um den Firmen-Manteltarifvertrag handele.

Falls die Bezugnahmeregelung in § 14 des Arbeitsvertrages nicht ausreichend bestimmt wäre, sei das Arbeitsverhältnis jedenfalls gemäß § 2 Nr. 8 des seinerzeit für allgemeinverbindlich erklärten und nunmehr nachwirkenden Manteltarifvertrages für den Einzelhandel Niedersachsen vom 11. August 1993 beendet worden.

Mit Schriftsatz vom 10. April 2013 erklärt die Beklagte, sofern das Landesarbeitsgericht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach wie vor verneine, werde unter Berufung auf § 22 MTV M., § 2 Nr. 8 des Niedersächsischen Manteltarifvertrages für den Einzelhandel der Kläger darüber unterrichtet, dass das mit ihm möglicherweise noch bestehende Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung einer Frist von zwei Wochen zum 30. April 2013 beziehungsweise dem nächst zulässigen Zeitpunkt ende.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 24. Januar 2013 - 1 Ca 391/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung vom 3. August 2012 zum 30. April 2013, ersatzweise zum nächstzulässigen Termin, aufgelöst worden ist.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend nach Maßgabe seiner am 14. Mai 2013 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Berufungserwiderung (B. 146 ff. d. A.). Er macht geltend, es fehle weiterhin an einer wirksamen Nichtverlängerungsmitteilung im Sinne des § 15 Abs. 2 TzBfG seitens der Beklagten. Auch der Schriftsatz der Beklagten vom 10. April 2013 enthalte keine wirksame Mitteilung des Eintritts einer auflösenden Bedingung im Sinne des § 15 Abs. 2 TzBfG. Im Hinblick auf die Erklärung der Beklagten habe er die Klage jedoch erweitert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, soweit der Kläger geltend macht, das Arbeitsverhältnis habe über den 31. August 2012 bzw. über den 20. November 2012 hinaus fortbestanden. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der auflösenden Bedingung des § 22 Ziff. 2 MTV 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 2012.

I.

Die Anträge des Klägers sind zulässig, wenn auch auslegungsbedürftig.

Die Anträge sind als Bedingungskontrollanträge im Sinne von §§ 21, 17 S. 1 TzBfG zu verstehen. Zwischen den Parteien besteht kein Streit über andere Beendigungstatbestände als die von der Beklagten geltend gemachte auflösende Bedingung. Streitgegenstand dieses Antrages ist sowohl, ob die auflösende Bedingung wirksam vereinbart wurde, als auch, ob die auflösende Bedingung eingetreten ist (BAG, 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - AP TzBfG § 21 Nr. 9, BAG, 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - AP TzBfG § 21 Nr. 7).

II.

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

1.

Die Wirksamkeit der auflösenden Bedingung ergibt sich nicht bereits aus § 17 S. 2, 21 TzBfG i. V. m. § 7 KSchG. Der Kläger hat binnen der dreiwöchigen Frist Klage vor dem Arbeitsgericht Stade erhoben.

a.

§ 21 TzBfG bestimmt, dass u. a. § 17 TzBfG entsprechend gilt, wenn der Arbeitsvertrag unter einer auflösenden Bedingung geschlossen wird. Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die auflösende Bedingung, unter der sein Arbeitsvertrag steht, rechtsunwirksam ist, muss er nach § 17 S. 1 TzBfG innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des bedingten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Bedingung nicht beendet ist. Nach §§ 21, 17 S. 2 TzBfG gelten §§ 5 bis 7 KSchG entsprechend. Der Verweisung unterfällt auch die Rechtsfolge der §§ 21, 17 S. 2 TzBfG, § 7 KSchG. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer auflösenden Bedingung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die auflösende Bedingung als von Anfang an rechtswirksam. Die Fiktion bewirkt, dass der Arbeitsvertrag als wirksam auflösend bedingt gilt (BAG, 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - AP TzBfG § 21 Nr. 7).

b.

Das vereinbarte Ende, an das §§ 17 S. 1 TzBfG i. V. m. § 21 TzBfG anknüpft, ist mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung erreicht. Doch wirkt aufgrund der besonderen gesetzlichen Regelung in § 15 Abs. 2 TzBfG der Eintritt der Bedingung bzw. die Zweckerreichung nur dann mit sofortiger Wirkung vertragsbeendend, wenn zumindest 14 Tage zuvor dem AN eine entsprechende schriftliche Unterrichtung zugegangen ist (§ 21 i.V.m. § 15 Abs. 2 TzBfG). Damit wird das vereinbarte Vertragsende durch die gesetzliche Regelung modifiziert. Fristbeginn ist grundsätzlich der auf den Tag der Zweckerreichung (des Bedingungseintritts) folgende Tag. Ist jedoch die Unterrichtung dem Arbeitnehmer erst so spät zugegangen, dass die Zwei-Wochen-Frist (§ 15 Abs. 2 TzBfG) erst nach der Zweckerreichung bzw. dem Bedingungseintritt abläuft, beginnt die Klagefrist gemäß § 17 S. 3 TzBfG mit dem Zugang der schriftlichen Unterrichtung (BAG, 06. April 2011 - 7 AZR 704/09 - AP TzBfG § 21 Nr. 7)

c.

Vorliegend konnte die Klagefrist entsprechend der Regelung im Arbeitsvertrag frühestens mit dem 21. November 2012 zu laufen beginnen, weil der Rentenbescheid der Krankenkasse erst am 20. November 2012 zugestellt worden ist. Über diesen Bedingungseintritt hat die Beklagte den Kläger mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 unterrichtet. Dieser Schriftsatz ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2012 zugegangen. Die dreiwöchige Klagefrist begann sonach erst mit dem 13. Dezember 2012 zu laufen. Diese Frist hat der Kläger mit seinen Bedingungskontrollanträgen vom 16. Oktober 2012, 17. Dezember 2012 sowie vom 2. Januar 2013 eingehalten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nicht auf einen Zugang des Schreibens vom 19. September 2012 abgestellt werden, weil unstreitig zu diesem Zeitpunkt die arbeitsvertraglich vereinbarte auflösende Bedingung "Tag des Zugangs des Rentenbescheids bei der Krankenkasse" noch nicht eingetreten war. Unabhängig davon ist tragend auszuführen - wollte man auf den Zugang des Schreibens vom 19. September 2012 abstellen -, dass der Kläger auch dann die Klagefrist eingehalten hätte. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger das Schreiben der Beklagten vom 19. September 2012 erst Anfang Oktober 2012 erhalten. Die für einen früheren Zugang darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat trotz entsprechenden Hinweises in der angefochtenen Entscheidung keinen Beweis für ihre Behauptung angeboten, dass der Kläger das Schreiben noch im September 2012 erhalten habe.

2.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung gemäß § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages sein Ende gefunden.

a.

Gemäß § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages soll das Arbeitsverhältnis bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente (auch auf Zeit) mit dem Tage des Zugangs des Rentenbescheids bei der Krankenkasse enden.

b.

§ 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien ist unangemessen benachteiligend i.S.v. § 307 BGB mit der Folge der Unwirksamkeit der Vertragsklausel.

aa.

Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich nach dem äußeren Erscheinungsbild um einen Formulararbeitsvertrag, auf den grundsätzlich die §§ 305 ff. BGB anzuwenden sind.

bb.

Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäftes zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäftes generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 BGB angemessen zu berücksichtigen (BAG, 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - NZA 2012, 81; BAG, 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - AP GewO § 106 Ziff. 11; BAG, 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - AP BGB § 307 Ziff. 26; BAG, 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - BAGE 118, 22 [BAG 11.04.2006 - 9 AZR 557/05]). Nach § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB ist eine ungemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

cc.

Vorliegend ist § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages unangemessen benachteiligend, weil danach das Arbeitsverhältnis auch bei der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit enden soll.

(1).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt die Tatsache einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit für sich genommen keinen eine auflösende Bedingung rechtfertigenden Sachgrund dar. Vielmehr rechtfertigt erst die Einbindung des Bestandsschutzinteresses des Arbeitnehmers einen Auflösungstatbestand ohne Kündigung (BAG, 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP BAT § 59 Nr. 8). Danach ist selbst eine in einem Tarifvertrag enthaltene auflösende Bedingung bei der Gewährung einer Zeitrente nur dann zulässig, wenn vorgesehen ist, dass bei Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ein Anspruch auf Wiedereinstellung besteht (eine entsprechende Soll-Vorschrift ist danach als Muss-Vorschrift zu verstehen). Denn nur auf diese Weise kann dem durch das staatliche Kündigungsrecht gewährleisteten Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers an der wirtschaftlichen Absicherung nach Wegfall des Rentenbezugs überhaupt noch angemessen entsprochen werden (BAG, 23. Februar 2000 - 7 AZR 126/99 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Ziff. 13).

(2).

Vorliegend enthält § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages keine Regelung dahingehend, dass der Kläger nach Wegfall des Bezugs einer Zeitrente einen Anspruch auf Wiedereinstellung besitzt, wenn ein für ihn geeigneter Arbeitsplatz frei ist.

dd.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Regelung in § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages nicht einschränkend hinsichtlich einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente aufrechterhalten bleiben.

(1).

§ 306 Abs. 1 BGB weicht von der Auslegungsregel des § 139 BGB ab. Er bestimmt, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechtzuerhalten bleibt. Die Teilbarkeit der Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG, 19. Oktober 2011 - 7 AZR 672/10 - EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Ziff. 10; BAG, 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - AP BGB § 307 Nr. 52). Maßgeblich ist, ob die Vertragsklausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiter verständlich, bleibt sie bestehen (sog. Blue-pencil-Test, vgl. BAG, 14. November 2011 - 10 AZR 526/10 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54; BAG, 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - AP BGB § 307 Nr. 43). Handelt es sich nur um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (vgl. BAG, 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - BAGE 118, 36).

(2).

Bei von der Beklagten vorgenommenen einschränkenden Auslegung von § 16 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages durch Streichung des Klammerzusatzes verstößt die Vertragsklausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, weil sie ohne den unwirksamen Teil nicht klar und verständlich ist.

(a).

Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, das der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB (BAG, 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - NZA 2012, 81; BAG, 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; BAG, 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - AP BGB § 307 Nr. 40).

(b).

Bei Streichung des Klammerzusatzes soll nach dem dann verbleibenden Wortlaut der Regelung das Arbeitsverhältnis bei jedem Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente enden, unabhängig davon, ob es sich um eine befristete oder unbefristete Rente handelt. Es fehlt an einer eindeutigen Regelung, dass das Arbeitsverhältnis nur bei einer unbefristeten Bewilligung einer Rente auflösend bedingt geschlossen werden soll. Die Beendigung im Wege einer auflösenden Bedingung wegen des Bezuges einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit ist aus den oben dargelegten Gründen ohne Wiedereinstellungsanspruch unwirksam. § 16 Ziff. 2 kann deshalb im Wege des sog. Blue-pencil-Testes nicht auch nur teilweise aufrechterhalten werden.

3.

Soweit das Arbeitsgericht durch die vollumfängliche Klagestattgabe - ohne dies im Tenor klarzustellen - festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Zustellung des Rentenbescheides bei der Krankenkasse vom 20. November 2012 nicht beendet worden sei, hat die Beklagte das Urteil nicht angegriffen.

4.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht gemäß § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages i. V. m. § 22 Ziff. 1 MTV 1997 mit Ablauf des 30. November 2012 beendet worden.

Die Beklagte hat erst mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 den Kläger über die Zustellung des Rentenbescheides am 20. November 2012 unterrichtet und mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung vom 3. August 2012 zum 31. Dezember 2012 enden werde. Gemäß §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG endet das Arbeitsverhältnis frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung. Der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 10. Dezember 2012 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2012 zugegangen und konnte deshalb das Arbeitsverhältnis nicht zum 30. November 2012 beenden.

5.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die wirksam vereinbarte auflösende Bedingung gemäß § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages i. V. m. § 22 Ziff. 2 MTV 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 2012 beendet worden. Der MTV 1997 ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar und die Voraussetzungen des § 22 Ziff. 2 MTV liegen vor.

a.

Gemäß § 22 Ziff. 2 MTV 1997 endet das Arbeitsverhältnis bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente (auch auf Zeit) mit dem Tag des Zuganges des Rentenbescheides bei der Krankenkasse.

b.

Die Parteien haben die Regelungen des MTV 1997 wirksam in § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages in Bezug genommen.

aa.

Danach finden auf das Arbeitsverhältnis ergänzend die Bestimmungen des Manteltarifvertrages sowie des Lohn- und Gehaltstarifvertrages, jeweils in der letzten gültigen Fassung, Anwendung.

bb.

Der Einwand des Klägers, die Regelung in § 14 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages sei unangemessen benachteiligend im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, weil sie nicht klar und verständlich sei, greift nicht durch.

(1).

Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich daraus ergeben, dass eine Vertragsregelung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot mit ein. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Spielräume bestehen. Dabei ist nicht schon die Verweisung auf die Vorschriften eines Gesetzes oder eines anderen Regelungswerkes für sich genommen intransparent. Es ist ausreichend, wenn im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung die in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind.

(2).

Bei der Bezugnahmeregelung in dem Arbeitsvertrag handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

(a).

Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Verweisungsklauseln wie die vorliegende in aller Regel als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen, von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende normative Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. BAG, 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - BAGE 102, 275; BAG, 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40).

Diese Auslegungsregel hält das Bundesarbeitsgericht nicht mehr aufrecht. Das Gericht wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind (vgl. BAG, 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - BAGE 132, 261; BAG, 26. August 2009 - 4 AZR 285/05 - BAGE 132, 10 [BAG 26.08.2009 - 4 AZR 285/08]).

(b).

Die in dem Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung auf die Tarifverträge ist im Mai 1996 vereinbart worden. Bei einer Auslegung der Bezugnahmeklausel in § 14 des Arbeitsvertrages kommt somit die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Tragen. Die Bezugnahmeklausel ist als Gleichstellungsabrede anzusehen, die auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin als Tarifvertragspartei gebunden war, verweist. Im Jahre 1996 galt nach seinem räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich der MTV 1993. Dieser Manteltarifvertrag war speziell für die M.-Unternehmensgruppe abgeschlossen worden. Die Arbeitsvertragsparteien haben "die Bestimmungen des Manteltarifvertrages" vereinbart, ohne auf einen Flächentarifvertrag für den Niedersächsischen Einzelhandel Bezug zu nehmen. Der Vertrag ist deshalb dahingehend auszulegen, dass die Parteien mit der Bezugnahme den speziell für den Bereich der seinerzeitigen Arbeitgeberin des Klägers gültigen Tarifvertrag meinten. Die arbeitsvertragliche Verweisung sollte lediglich widerspiegeln, was tarifrechtlich galt und die fehlende Mitgliedschaft des Arbeitnehmers - hier des Klägers - in der tarifschließenden Gewerkschaft ersetzen. Die Bezugnahmeklausel ist daher so auszulegen, dass sie die für den Arbeitgeber fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifverträge erfasst (vgl. BAG, 14. Dezember 2005 - 10 AZR 296/05 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 37). In anderer Weise ist der erfasste Gleichstellungszweck der Verweisungsklausel nicht umzusetzen.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Arbeitsvertragsparteien dieses Tarifvertragswerk in Bezug genommen haben, liegt in der in § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages geregelten Bruttovergütung, die sich nach "Tarifschlüssel 6230" richtet. Dieser Tarifschlüssel findet sich in den Gehalts- und Lohntarifverträgen für die Mitarbeiter der M.1 für die jeweiligen Jahre und nicht in den Gehaltstarifverträgen für die Angestellten im Einzelhandel in Niedersachsen (vgl. zur Auslegung BAG, 16. Mai 2001 - 10 AZR 357/00 - EzA § 3 TVG Ziff. 23).

Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die von den Parteien praktizierte Durchführung des Arbeitsvertrages bestätigt. Für die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung ist ggf. auch die vertragliche Praxis heranzuziehen, weil diese für den Fall der Einvernehmlichkeit Rückschlüsse auf den Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt (BAG, 14. Dezember 2005 - 10 AZR 296/05 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 37; BAG, 25. Oktober 2000 - 4 AZR 506/99 - BAG 96, 177). Während des Laufes des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger sämtliche firmentarifvertraglichen Leistungen der Firma M.. Seine Vergütung wurde gemäß den jeweils einschlägigen Firmenentgelttarifverträgen (gemäß Tarifschlüssel 6230) angepasst, auch sein Urlaub richtete sich nach dem Manteltarifvertrag und betrug jährlich 6 Wochen.

Der Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede im vorliegenden Fall steht auch nicht die Unklarheitenregel (§ 305 c Abs. 2 i. V. m. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB) entgegen. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Arbeitsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Dies setzt tatbestandlich voraus, dass bei der Auslegung des Formularvertrages Zweifel bestehen. Der Umstand, dass die Gleichstellungsabrede eindeutiger hätte formuliert werden können, begründet für sich allein keinen Zweifel im Sinne der Unklarheitenregel (BAG, 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 33).

(c).

Sonach ist über die Verweisungsklausel in § 14 Ziff. 1 der jeweils geltende Manteltarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug genommen. Entsprechend der dynamischen Bezugnahmeklausel ist dies der MTV 1997 (gültig ab 1. Januar 1998), der zu diesem Zeitpunkt an die Stelle des insoweit identischen MTV 1993 getreten ist.

c.

Der Inbezugnahme von § 22 Ziff. 2 MTV 1997 steht nicht entgegen, dass neben dem Manteltarifvertrag auch der für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Niedersachsen vom 11. August 1993 existierte.

Dieser Tarifvertrag vom 11. August 1993 erfasste aufgrund seiner Allgemeinverbindlichkeit das Arbeitsverhältnis gemäß § 5 Abs. 4 TVG ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Tarifbindung. Da seinerzeit beide Tarifverträge auf dasselbe Arbeitsverhältnis anwendbar waren, lag eine echte Tarifkonkurrenz vor. Eine solche Kollision von zwei Tarifverträgen ist nach dem Spezialitätsprinzip zu lösen. Der Eigenart und den besonderen Bedürfnissen der einzelnen Betriebe und ihrer Arbeitnehmer wird am besten Rechnung getragen, wenn der diesen Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehende Tarifvertrag angewandt wird. Dabei geht ein Firmentarifvertrag als spezielle Regelung dem Verbandstarifvertrag stets vor (BAG, 24. Januar 2001 - 4 AZR 655/99 - ZIP 2001, 980), sonach vorliegend der speziell für die M.-Unternehmensgruppe abgeschlossene MTV 1997.

d.

Die tarifvertragliche Regelung in § 22 Ziff. 2 MTV 1997 ist wirksam, soweit sie einschränkend dahingehend ausgelegt wird, dass das Arbeitsverhältnis nur bei Bezug einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente endet.

aa.

Tarifliche Bestimmungen, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, müssen den Anforderungen der arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle genügen. Deren Aufgabe ist es, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen, den staatlichen Kündigungsschutz umgehenden Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen und damit einen angemessenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Genügen Tarifbestimmungen über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses den Anforderungen der arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle, verstoßen sie nicht gegen die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG (BAG, 25. August 1999 - 7 AZR 75/98 - juris, BAG, 23. Februar 2000 - 7 AZR 891/98 - AP MTL II § 62 Ziff. 1).

bb.

Aus den oben dargelegten Gründen ist die Regelung in § 22 Ziff. 2 MTV 1997 unwirksam, soweit sie eine auflösende Bedingung für den Fall einer nur befristeten Erwerbsminderungsrente enthält. Die Gewährung einer Rente auf Zeit kann nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, weil § 22 Ziff. 2 MTV 1997 keinen unbedingten Wiedereinstellungsanspruch des früheren Arbeitnehmers nach dem Wegfall des Rentenbezuges auf Zeit vorsieht.

cc.

Nach dem Grundsatz, wonach Tarifverträge nach Möglichkeit gesetzes- und verfassungskonform und damit zugleich geltungserhaltend auszulegen sind (BAG, 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - BAG 73, 364 ff.; BAG, 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP BAT § 59 Nr. 8; BAG, 23. Februar 2000 - 7 AZR 891/98 - AP MTL II § 62 Ziff. 1), kann § 22 Ziff. 2 MTV 1997 einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass bei Bezug einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente das Arbeitsverhältnis mit dem Tag des Zugangs des Rentenbescheides bei der Krankenkasse endet. § 306 BGB ist auf Tarifverträge nicht anzuwenden, § 310 Abs. 4 S. 1 BGB.

(1).

Diese Auslegung von § 22 Ziff. 2 MTV 1997 berücksichtigt die berechtigten Interessen beider Arbeitsvertragsparteien. § 22 Ziff. 2 MTV 1997 dient einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten und bei dem möglicherweise bei einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes besteht. Andererseits will die Tarifvorschrift dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen.

Der Eintritt einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (seit 1. Januar 2001 rentenrechtlich ersetzt durch Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI) wird von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes als zulässiger Grund für die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung anerkannt (vgl. BAG, 1. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 - AP BAT § 59 Ziff. 13 m. w. N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die mit dem Bezug dauerhafter Rentenleistungen verbundene wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers geeignet, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung zu rechtfertigen (BAG, 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP BAT § 59 Nr. 8; BAG, 1. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 - AP BAT § 59 Ziff. 13). Eine rentenrechtliche Absicherung ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die Rente der Höhe nach eine wirtschaftliche Absicherung darstellt, der Arbeitnehmer die einmal bezahlte Rente auch im Fall des späteren Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung behalten darf und auch im Übrigen seine Interessen im Fall des Erlöschens des Rentenanspruchs hinreichend berücksichtigt sind (BAG, 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - NZA 2001, 792 [BAG 06.12.2000 - 7 AZR 302/99]). Die in § 22 Ziff. 2 MTV 1997 normierte auflösende Bedingung des Bezugs einer unbefristeten Rente wegen Erwerbsminderung ist mit einer ausreichenden rentenrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers verbunden. Die wirtschaftliche Absicherung des Klägers aufgrund dieser Rente ist ausreichend. Sie wird vom gesetzlichen Rententräger erbracht, ohne dass sich der Kläger etwaigen Rückzahlungsanforderungen ausgesetzt sehen müsste.

Die Tarifvertragsparteien haben die Interessen des Arbeitnehmers bei der Ausgestaltung der auflösenden Bedingung hinreichend berücksichtigt. Die auflösende Bedingung tritt nur dann ein, wenn ein Bescheid des Rentenversicherungsträgers existiert und dieser der Krankenkasse zugeht. Solange dies nicht geschieht, endet das Arbeitsverhältnis nicht. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer insoweit die Dispositionsfreiheit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses behält. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass eine Rente wegen voller Erwerbsminderung immer einen entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers voraussetzt. Legt der Arbeitnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 84 SGG) Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein und nimmt er den Rentenantrag zurück oder beschränkt ihn auf Gewährung einer Zeitrente, tritt ebenfalls keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Anders als etwa ein öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber, der gemäß § 33 Abs. 2 TVöD vom Arbeitnehmer verlangen kann, von der Zustellung des Rentenbescheides unverzüglich unterrichtet zu werden, besitzt die Beklagte im Hinblick auf die Ausgestaltung der tarifvertraglichen Regelung solche Rechte nicht.

(2).

§ 22 Ziff. 2 MTV 1997 ist im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Gewährung einer unbefristeten Rente auf Dauer wegen voller Erwerbsminderung nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

(a).

Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam.

(b).

§ 22 Ziff. 2 MTV 1997 verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG. Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung liegt nicht vor.

(aa).

Eine unmittelbare Benachteiligung i.S. von § 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor, weil der Kläger nicht eine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfährt. § 22 Ziff. 2 MTV 1997 knüpft bereits nicht an das Merkmal der Behinderung an. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird an die Zustellung des Bescheides einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer geknüpft. Demgegenüber führt allein das Vorliegen einer Schwerbehinderung sowie einer Behinderung, die einen Grad der Behinderung von 50 nicht erreicht, nicht zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

(bb).

Auch eine mittelbare Benachteiligung i.S. von § 3 Abs. 2 AGG ist nicht gegeben.

(aaa).

Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.

(bbb).

Die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung scheitert allerdings noch nicht daran, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass Menschen mit einer Behinderung statistisch von § 22 Ziff. 2 MTV 1997 wesentlich stärker benachteiligt werden als Menschen ohne Behinderung.

Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung i.S. von § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine mittelbare Diskriminierung ist gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall sein, wenn Vorschriften im Wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllen können oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen in einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken (BAG, 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - AP TVöD § 17 Ziff. 1).

Vorliegend kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Personen, die eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, zumindest überwiegend auch die Behinderung i.S. des § 1 AGG aufweisen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, 26. Oktober 2011 - 4 Sa 1720/11 - ZTR 2012, 455; LAG Nürnberg, 26. September 2012 - 2 Sa 75/12 - EzTöD 100 § 33 TVöD-AT Erwerbsminderungsrente Nr. 7).

(ccc).

Eine mittelbare Benachteiligung ist jedoch bereits tatbestandlich nicht gegeben, wenn die betreffende Vorschrift durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. Rechtmäßiges Ziel i.S. von § 3 Abs. 2 AGG ist jedes legitime Ziel, das von einem berechtigten Interesse getragen wird (BAG, 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - AP AGG § 3 Nr. 8).

Nach § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI ist Voraussetzung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, dass der Arbeitnehmer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. § 22 Ziff. 2 MTV 1997 berücksichtigt bei der vorzunehmenden gesetzes- und verfassungskonformen Beschränkung der auflösenden Bedingung auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, dass der Beschäftigte zum einen seine Arbeitsleistung nicht oder zumindest zu großen Teilen nicht mehr erbringen kann und trägt damit dem Interesse des Arbeitgebers, keine sinnentleerten Arbeitsverhältnisse aufrecht zu erhalten, Rechnung. Des Weiteren hat § 22 Ziff. 2 MTV 1997 auch arbeitsmarktpolitische Bedeutung, weil er die Neubesetzung nunmehr freier Stellen ermöglicht. § 22 Ziff. 2 MTV verfolgt damit ein rechtmäßiges Ziel.

§ 22 Ziff. 2 MTV 1997 ist zur Erreichung des Zieles geeignet, erforderlich und angemessen. Durch § 22 Ziff. 2 MTV 1997 kann der dargestellte rechtmäßige Zweck erreicht werden. Eine gleiche Erfolgsgeeignetheit milderer Mittel ist nicht ersichtlich. § 22 Ziff. 2 MTV 1997 ist für den Fall der dauerhaften Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auch eine angemessene Regelung. Diese Vorschrift lässt den Verlust des Arbeitsplatzes nur und erst dann zu, wenn der Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Rente materiell abgesichert ist. Gleichzeitig berücksichtigt diese Vorschrift, dass das Arbeitsverhältnis im Falle der Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente regelmäßig nicht mehr vollzogen wird, weil der Arbeitnehmer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Wenn der Arbeitnehmer insoweit ohnehin aus dem Arbeitsverhältnis nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten kann und demgegenüber die Rente die materielle Absicherung gewährleistet, tritt die Schwere des Eingriffs im Verhältnis zur Bedeutung des Zieles zurück (vgl. LAG Nürnberg, 26. September 2012 - 2 Sa 75/12 - aaO. LAG Berlin-Brandenburg, 26. Oktober 2011 - 4 Sa 1720/11 - aaO.).

(ddd).

Ein Verstoß des § 22 Ziff. 2 MTV 1997 für den Fall der Gewährung einer dauerhaften Rente wegen voller Erwerbsminderung gegen andere höherrangige Regelungen ist nicht ersichtlich und wird von Seiten des Klägers auch nicht geltend gemacht.

e.

Die Voraussetzungen des § 22 Ziff. 2 MTV 1997 liegen vor.

Dem Kläger ist auf seinen Antrag vom 8. Mai 2012 durch Bescheid vom 3. August 2012 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt worden. Diesen Bescheid hat die Beklagte am 20. November 2012 dem A. in C. zustellt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 den Kläger über die Zustellung des Rentenbescheides am 20. November 2012 unterrichtet und mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung vom 03. August 2012 zum 31. Dezember 2012 enden werde. Diese Unterrichtung entspricht den Vorschriften des §§ 15 Abs. 2, 21 TzBfG.

Nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG endet das Arbeitsverhältnis frühestens 2 Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung. Der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 10. Dezember 2012 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2012 zugegangen. Damit endete das Arbeitsverhältnis entsprechend der Mitteilung mit Ablauf des 31. Dezember 2012.

6.

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedurfte nicht der Zustimmung des Integrationsamtes nach § 92 SGB IX.

§ 92 SGB IX kommt schon deshalb nicht zur Anwendung, weil dieser die Zustimmung des Integrationsamtes zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann erfordert, wenn die Beendigung im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, einer Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Der Fall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer ist hier nicht genannt. § 92 SGB IX ist auch nicht analog auf den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund unbefristeter Vollerwerbsminderung anzuwenden. Es fehlt bereits an einer für die Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke im Gesetz (vgl. LAG Nürnberg, 26. September 2012 - 2 Sa 75/12 aaO.).

7.

Auch das weitere Vorbringen der Parteien, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach §§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.