Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.02.2013, Az.: 8 Sa 1086/12 E

Eingruppierung einer Angestellten im Pflegekinderdienst des Kommunalen Sozialdienstes

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
04.02.2013
Aktenzeichen
8 Sa 1086/12 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 33932
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2013:0204.8SA1086.12E.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 13.05.2015 - AZ: 4 AZR 355/13

Amtlicher Leitsatz

Werden dem Arbeitnehmer durch Organisationsentscheidung des Arbeitgebers Aufgaben im Sinne der Protokollerklärung Nr. 13 (Entgeltgruppe S 14 TVöDSuE) übertragen, liegt ein einheitlicher Arbeitsvorgang vor, wenn zu Beginn der Fallbearbeitung nicht absehbar ist, ob eine Entscheidung zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls zu treffen ist oder nicht und ob in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. dem Vormundschaftsgericht eine zur Gefahrenabwehr erforderliche Maßnahme eingeleitet werden muss. Für diese Annahme spricht, dass der Personenkreis ein einheitlicher ist. In diesem Fall sind die Tätigkeiten nicht tatsächlich trennbar.

Tenor:

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover - 7 Ca 72/12 - vom 05.07.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2.) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.05.1990 als Angestellte im Pflegekinderdienst des Kommunalen Sozialdienstes beschäftigt. Sie verfügt über den Abschluss einer Dipl.-Sozialarbeiterin und Dipl.-Sozialpädagogin. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit und kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag nach dem TVöD-VKA. Zum 01.11.2009 leitete die Beklagte die Klägerin gemäß der Tarifeinigung zwischen den Gewerkschaften und dem VKA aus der TVöD Entgeltordnung in die neue Entgeltordnung für den Sozial- und Erziehungsdienst über und ordnete sie der Entgeltgruppe S 12 zu.

3

Der Klägerin obliegt es, für Kinder, die bereits wegen einer akuten Notfallsituation aus ihren Familien herausgenommen worden und in der sogenannten Bereitschaftspflege untergebracht sind, neue dauerhafte Pflegefamilien zu finden und diese während des Aufenthalts bei der Pflegefamilie zu begleiten, zu betreuen und im Hilfeplanverfahren mitzuwirken. Bei einem dauerhaften Verbleib in der Pflegefamilie (sogenannte Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII) wechselt die Fallzuständigkeit vom Kommunalen Sozialdienst auf den Pflegekinderdienst, wo sie verbleibt, bis eine neue Entscheidung getroffen oder die Vollzeitpflege spontan beendet wird.

4

Die Arbeitsplatzbeschreibung vom 18.04.2011, die die Arbeitsinhalte benennt und auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 17 bis 21 d. A.), hat zu Ziffer 4.1.1 folgenden Inhalt:

4.1.1.

Vorbereitung, Qualifizierung, Prüfung, Vermittlung, Beratung und Aufsicht der Pflegefamilien im Rahmen des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung

Dabei haben die PKD Mitarbeiterinnen folgende Aufgaben und Befugnisse:

4.1.1.1

Vorbereitung, Qualifizierung und Auswahl von Pflegeelternbewerberinnen und -bewerbern für zu vermittelnde Kinder sowie Feststellung der Eignung gem. §§ 37/44 SGB VIII nach eigenständiger Exploration der Familiengeschichte und Auswertung unter dem Focus, ob langfristig das Kindeswohl in der Pflegefamilie gewährleistet ist.

20 %

4.1.1.2

Kontinuierliche Beratung, Unterstützung, Begleitung und Aufsicht der Pflegefamilien während der gesamten Dauer der Pflegeverhältnisse unter Berücksichtigung des Schutzauftrages gem. § 8 a SGB VIII.

9 %

4.1.1.3

Erarbeitung und eigenverantwortliche Steuerung der fortlaufenden Hilfeplanverfahren.

38 %

4.1.1.4

Abgabe von für die Einzelfälle richtungweisenden Stellungnahmen und fachgutachtlichen Äußerungen an das Familien- bzw. Vormundschaftsgericht zu den folgenden Frage:

8 %

- Übertragung der Angelegenheiten der elterlichen Sorge (§ 1630, 3 BGB)

- Herausgabe des Kindes, Bestimmung des Umgangs, Wegnahme von der Pflegeperson (§ 1632 BGB)

- Gefährdung des Kindeswohl (§ 1666a BGB)

- Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII)

- Unterbringung mit Freiheitsentziehung (§ 1631b BGB)

- Ruhen der elterlichen Sorge (1674 BGB)

- Sorgerecht (§§ 16980/1681 BGB)

- Mitwirkung und Beteiligte in gerichtlichen Verfahren (§ 50 SGB VIII)

- Beratung und Unterstützung von Pflegern und Vormündern (§ 53 SGB VIII)

- Umwandlungen von Pflegeverhältnissen in Adoption

4.1.1.5

Selbstständige Erarbeitung und Einleitung weiterer Hilfen gemäß §§ 27 ff. und Hilfen für junge Volljährige gem. § 41 SGB VIII bei Beendigung oder Abbruch von Pflegeverhältnissen unter Beachtung des Schutzauftrages:

- Klärung sachlicher und örtlicher Zuständigkeit

- Beratung

- Antragsaufnahme

- Durchführung eines Hilfeplanverfahrens

13 %

4.1.1.6

Inobhutnahmen (§ 42 SGB VIII) - vorläufige Maßnahme zum Schutz von Kindern und Jugendlichen.

2 %

5

Die Tätigkeiten der Ziffern 4.1.1.5 und 4.1.1.6 sind der Klägerin durch Organisationsentscheidung der Beklagten zugewiesen. Diese Aufgaben, die in vielen Gemeinden vom Kommunalen Sozialdienst erfüllt werden, bewerten beide Parteien mit S 14.

6

Jedenfalls mit Schreiben vom 10.10.2011 begehrte die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 des Anhangs zur Anlage C TVöD-VKA. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.11.2011 ab.

7

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie erfülle die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 14. Ihre Arbeiten bildeten einen einheitlichen Arbeitsvorgang, weil sie im Rahmen der Fürsorge für einen bestimmten Personenkreis anfielen. Bei Beginn der Bearbeitung eines Falles könne sie nicht wissen, ob im Bereich der Pflegefamilien eine Entscheidung zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls zu treffen sei oder nicht.

8

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.07.2010 Vergütung nach der Entgeltgruppe S 14 Stufe 6 TVöD SuE anstatt bisher gewährter Vergütung der Entgeltgruppe S 12 Ü TVöD SuE nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB auf den sich jeweils ergebenden Differenzbetrag ab Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat zunächst die Auffassung vertreten, die Ziffern 4.1.1.2, 4.1.1.4, 4.1.1.5 und 4.1.1.6 der Arbeitsplatzbeschreibung seien Tätigkeiten im Sinne der Entgeltgruppe S 14. Da diese jedoch nicht den erforderlichen Zeitanteil von 50% ausmachten, verbleibe es bei der Entgeltgruppe S 12.

11

Bei der Tätigkeit der laufenden Nr. 4.1.1.3 handele es sich zwar um Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII. Die eigenverantwortliche Hilfeplanung bzw. die Fallverantwortung beziehe sich aber ausschließlich auf das Pflegeverhältnis, also auf die Durchführung der Hilfen nach den getroffenen Entscheidungen (Pflege- und Unterbringungsart) und entspreche damit nicht der Entgeltgruppe S 14. Die Klägerin treffe keine Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls mehr. Durch die Aufnahme in die Bereitschaftspflege seien Gefährdungen des Kindeswohls bereits abgewendet und lebe nur noch im Einzelfall wieder auf. Die Fallverantwortung werde dem Pflegekinderdienst erst übertragen, wenn die Hilfemaßnahme in eine dauerhafte Unterbringung münde. Die damit verbundene eigenverantwortliche Steuerung des fortlaufenden Hilfeplanverfahrens beziehe sich auf Grund der Aufgaben in erster Linie auf förderliche und beratende Tätigkeiten und nicht auf Gefahrenabwehr.

12

Eine Zusammenfassung aller in der Arbeitsplatzbeschreibung aufgeführten Tätigkeiten zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang sei nicht möglich. Die Entgeltgruppe S 14 beschreibe Arbeitsvorgänge mit einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis. Zudem enthalte die Entgeltgruppe S 14 nicht lediglich ein Heraushebungsmerkmal. Voraussetzungen und Aufbaumerkmale seien abschließend beschrieben.

13

Durch Urteil vom 05.07.2012 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.09.2011 Vergütung nach der Entgeltgruppe S 14 Stufe 6 TVöD SuE anstatt bisher gewährter Vergütung nach Entgeltgruppe S 12 TVÖD SuE nebst Zinsen zu zahlen, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin treffe im Rahmen ihrer Tätigkeit im Pflegekinderdienst Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls und leite in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen ein, die zur Gefahrenabwehr erforderlich seien. Der Begriff des Kindeswohls sei weit zu verstehen und beschränke sich nicht nur auf die akute Gefahr für Leib, Gesundheit und ggf. das Leben. Das ergebe sich insbesondere aus der Protokollnotiz Nr. 13, nach der auch die Hilfsplanung nach § 36 SGB VIII die Voraussetzung der Entgeltgruppe S 14 erfülle. Ein Anspruch ergebe sich allerdings erst ab September 2010, weil Ansprüche aus vorliegenden Zeiträumen verfallen seien.

14

Gegen dieses ihr am 31.07.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.08.2012 Berufung eingelegt, die sie innerhalb der verlängerten Frist am 24.10.2012 begründet hat.

15

Die Berufung führt aus: Das Arbeitsgericht missachte die tarifvertraglichen Vorgaben der Protokollerklärung Nr. 13, nach denen nur Tätigkeiten unter die Entgeltgruppe S 14 fielen, die in die Entscheidung zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung einmünden. Tätigkeiten nach dieser Entscheidung gehörten zur Entgeltgruppe S 12. Die Aufgaben des Pflegekinderdienstes seien ausnahmsweise nur dann der Entgeltgruppe S 14 zuzuordnen, wenn nach der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers der Pflegekinderdienst im Rahmen der Fallverantwortung auch mit Aufgaben des allgemeinen Sozialdienstes betraut werde. Ausweislich des Datenflussdiagramms, auf welches Bezug genommen werde (Bl. 120, 121 d. A.), wechsele die Fallzuständigkeit des Pflegekinderdienstes erst nach der Entscheidung durch den Kommunalen Sozialdienst über den dauerhaften Verbleib in der Pflegefamilie. Dort verbleibe sie, bis Phase 4 einleitend eine neue Entscheidung getroffen oder die Vollzeitpflege spontan beendet werde. Im Rahmen seiner Fallverantwortung treffe der Kommunale Sozialdienst die Grundlagenentscheidung hinsichtlich der Kindeswohlgefährdung und deren Abhilfe. Der Pflegekinderdienst sei einerseits Fachdienst und andererseits nach der Entscheidung des Kommunalen Sozialdienstes zur Vollzeitpflege mit deren Durchführung betraut. Die Tätigkeit zu Ziffer 4.1.1.4 der Arbeitsplatzbeschreibung beschreibe nicht die Vorbereitung eigener Entscheidungen, ob das Kindeswohl gefährdet sei und wie der Gefährdung Abhilfe geschaffen werden könne bzw. ob ein gerichtliches Verfahren nach § 50 SGB VIII eingeleitet werden soll. Auch die Aufgaben der Ziffern 4.1.1.2 und 4.1.1.4 gehörten zum originären Aufgabenbereich des Pflegekinderdienstes. Ebenso wie die Tätigkeiten der Ziffer 4.1.1.3. beschrieben sie Tätigkeiten des Tagesgeschäfts zur Umsetzung der Vollzeitpflege. Nur die Tätigkeit des Pflegekinderdienstes jenseits der Tätigkeit als Fachdienst nach den Ziffern 4.1.1.5 und 4.1.1.6 seien der Entgeltgruppe S 14 zuzurechnen.

16

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.07.2012 - 7 Ca 72/12 E - die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit den bereits erstinstanzlich erhobenen Rechtsausführungen nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 20.12.2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 136 bis 144 d. A.).

19

Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

20

I. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von dieser form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG). Die Berufung ist daher zulässig.

21

II. Die Berufung ist indes unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab dem 01.09.2011 Vergütung nach der Entgeltgruppe S 14 Stufe 6 TVöD SuE anstatt bisher gewährter Vergütung nach der Entgeltgruppe S 12 TVöD SuE nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den sich jeweils ergebenden monatlichen Differenzbetrag ab dem monatlichen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD SuE.

22

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach übereinstimmender Erklärung der Parteien der den BAT zum 01.10.2006 ablösende TVöD-VKA Anwendung.

23

2. Entsprechend richtet sich die Eingruppierung der Klägerin nach den §§ 12 ff. TVöD-VKA. Gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ gelten bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD die §§ 22, 23, 25 BAT fort, so dass auf die bisherigen Eingruppierungsgrundsätze zurückzugreifen ist. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit der Klägerin ausführenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr beanspruchten Entgeltgruppe S 14 TVöD-VKA entsprechen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT).

24

a. Die Eingruppierungsvorschriften nebst Protokollerklärung des Tarifvertrages lauten, soweit vorliegend von Belang:

"S 14

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung der zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z. B. sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise).

(Hierzu Protokollerklärung Nr. 12 und Nr. 13)

Protokollerklärungen:

(...)

13. Das "Treffen von Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls und die Einleitung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind", sind im Allgemeinen Sozialen Dienst bei Tätigkeiten im Rahmen der Fallverantwortung bei

- Hilfen zu Erziehung nach § 27 SGB VIII,

- der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII,

- der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII),

- der Mitwirkung in Verfahren vor Familiengerichten (§ 50 SGB VIII)

einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erfüllt.

Die Durchführung der Hilfen nach den getroffenen Entscheidungen (z. b. Erziehung in einer Tagesgruppe, Vollzeitpflege oder Heimerziehung) fällt nicht unter die Entgeltgruppe S 14. In den Aufgabengebieten außerhalb des allgemeinen Sozialdienstes wie z.B. Erziehungsbeistand, Pflegekinderdienst, Adoptionsvermittlung, Jugendgerichtshilfe, Vormundschaft, Pflegschaft auszuübende Tätigkeiten fallen nicht unter die Entgeltgruppe S 14, es sei denn, dass durch Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers im Rahmen dieser Aufgabengebiete ebenfalls Tätigkeiten auszuüben sind, die die Voraussetzungen von Satz 1 erfüllen."

25

b. Danach erfüllen, was zwischen den Parteien unstreitig ist, die Ziffern 4.1.1.5 und 4.1.1.6 die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 14. Die Ziffer 4.1.1.3 allerdings erfüllt die Voraussetzung nicht. Die dort aufgeführten Tätigkeiten gehören zu den originären Aufgaben des Pflegekinderdienstes. Die Erarbeitung und eigenverantwortliche Steuerung der fortlaufenden Hilfeplanverfahren sind Tätigkeiten des Tagesgeschäfts zur Umsetzung der Vollzeitpflege und bestehen in der Überprüfung der Zuständigkeit, Verwaltungsarbeiten wie Aktenpflege, Sammlung aller erforderlichen Unterlagen, der Dokumentation im Fachverfahren "LOGODATA", der Anforderungen von Stellungnahmen und Bescheinigungen (Ärzte, Schulen, Kitas etc.), der Einladung der Beteiligten zu Gesprächen, der Vor- und Nachbereitung von Gesprächen, der Terminüberwachung, der Überwachung des Verfahrens, der Überprüfung des Hilfeplans des Kommunalen Sozialdienstes (Bezirk), der kollegialen Beratung und der Überlegung zu erforderlichen Leistungen. Sie werden durch die Protokollerklärung Nr. 13, Abs. 2 Satz 1 auch ausdrücklich von der Entgeltgruppe S 14 ausgenommen.

26

3. Daher hängt die Entscheidung davon ab, ob die der Klägerin in Ziffer 4.1.1.3 übertragenen Tätigkeiten zusammen mit denen nach 4.1.1.5 und 4.1.1.6 einen einheitlichen Arbeitsvorgang darstellen. Das ist indes der Fall.

27

a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird der Begriff des Arbeitsvorganges verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbarer und rechtlich selbstständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (vgl. BAG vom 10.07.1996 - 4 AZR 139/95 - AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, dass die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (BAG vom 30.01.1985 - 4 AZR 184/83 - AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 23.02.1983 - 4 AZR 220/80 - AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (BAG vom 20.10.1993 - 4 AZR 45/93 - AP Nr. 172 zu § 22, 23 BAT 1975; vom 20.03.1991 - 4 AZR 471/90 - AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Ein Arbeitsvorgang ist nicht der jeweils kleinstmögliche tatsächlich abgrenzbare Teil der Tätigkeit. Vielmehr müssen die Zusammenhangstätigkeiten eine vernünftige Verwaltungsausführung und das jeweilige Arbeitsergebnis sowie die Möglichkeit einer selbstständigen tariflichen Bewertung in die Beurteilung einbezogen werden (BAG vom 08.02.1978 - 4 AZR 540/76 - AP Nr. 5 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Bei der Prüfung, welche Arbeitsvorgänge in einer Tätigkeit anfallen, kommt es entscheidend auf die jeweiligen Arbeitsergebnisse an. Ein innerer Zusammenhang der einzelnen Arbeitsleistungen, die auf dasselbe Arbeitsergebnis gerichtet sind, ist ein starkes Indiz für einen einheitlichen Arbeitsvorgang (BAG vom 26.01.2005 - 4 AZR 6/04 - AP Nr. 302 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Neben der behördlichen Organisationen/dem Geschäftsverteilungsplan und einem engeren Zusammenhang zwischen den Einzeltätigkeiten, spricht auch die einheitliche Übertragung dieser Einzeltätigkeiten auf den jeweiligen Beschäftigten für eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit. Das gilt insbesondere dann, wenn nicht einzelne Geschäftsvorgänge, sondern ein Aufgabengebiet übertragen worden ist (BAG vom 19.02.2003 - 4 AZR 265/02 - ZTR 2003, 508 = USK 2003-191). Ob es verwaltungstechnisch möglich wäre, Einzelaufgaben anderen Beschäftigten zuzuweisen, ist nicht entscheidungserheblich (BAG vom 14.03.2001 - 4 AZR 172/00 - ZTR 2002, 71 = EzBAT §§ 22, 23 BAT A Nr. 80).

28

b. Danach ist vorliegend von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen. Insbesondere die Arbeit von Sozialarbeitern in Beratungs- und Betreuungstätigkeiten ist regelmäßig auf ein einheitliches Arbeitsergebnis ausgerichtet und wird dementsprechend als einheitlicher Arbeitsvorgang angesehen. Das gilt entsprechend auch für die Tätigkeiten der Klägerin. Sie dienen insgesamt dem einheitlichen Ziel der Hilfestellung einer Klientel, dem Pflegekind. Die während der Fallbearbeitung anfallenden Arbeiten können zu Beginn nicht vorhergesagt werden. Bei der Übernahme eines Falles ist gleichfalls nicht absehbar, ob eine Entscheidung zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls zu treffen ist oder nicht und ob in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. dem Vormundschaftsgericht eine zur Gefahrenabwehr erforderliche Maßnahme eingeleitet werden muss. Die Entscheidungen fallen allesamt im Rahmen der Fürsorge für den zu betreuenden Personenkreis an. Sie werden "im Rahmen dieses Aufgabengebietes" erledigt und fallen in diesem Rahmen an. Zu Beginn der Fallbearbeitung ist es daher auch nicht möglich, die einzelnen Tätigkeiten nach ihrer tariflichen Wertigkeit zu unterscheiden. Typisierungen der Standardwirkungskreise sind genau so wenig möglich wie die der einzelnen Aufgaben. So, wie sich die Schwierigkeit der Aufgaben im Verlaufe der Betreuung erheblich ändern kann, ist auch vorliegend der Verlauf der Betreuung bei ihrer Übernahme nicht absehbar (vgl. BAG vom 30.09.1997 - 4 AZR 539/97 - AP Nr. 257 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG vom 07.07.2004 - 4 AZR 507/03 - AP Nr. 297 zu §§ 22, 23 BAT 1975; LAG Niedersachsen vom 13.10.2011 - 5 Sa 397/11 E - n.v., zit. n. [...]).

29

c. Die Beklagte kann nicht einwenden, die Auslegung der Protokollerklärung Nr. 13 rechtfertige ein solches Ergebnis nicht. Zudem seien tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen.

30

aa. Zwar ist es richtig, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden können (vgl. für viele BAG vom 10.07.1996 - 4 AZR 139/95 - AP Nr. 29 zu § 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Auch ist richtig, dass nach der Protokollerklärung Nr. 13 die Aufgaben des Pflegekinderdienstes ausdrücklich nicht der Entgeltgruppe S 14 zugewiesen werden und eine Ausnahme hierfür nur gemacht wird, wenn durch Organisationsentscheidungen des Arbeitsgebers im Rahmen dieser Aufgabengebiete Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls getroffen werden und Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht eingeleitet werden, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Gerade eine solche Ausnahme liegt jedoch vor. Auch sind die Tätigkeiten nicht tatsächlich trennbar.

31

bb. Die Protokollnotiz Nr. 13 verhält sich nicht zu dem Begriff des Arbeitsvorganges. Sie erklärt auch nicht, dass S 14-wertige Tätigkeiten, deren Erledigung durch Organisationsentscheidung des Arbeitgebers übertragen wurden, als eigener Arbeitsvorgang anzusehen seien. Es gilt daher grundsätzlich der von der Rechtsprechung entwickelte Begriff des Arbeitsvorgangs. Danach können - wie oben ausgeführt - die Aufgabenbereiche 4.1.1.5 und 4.1.1.6 nicht von denjenigen der Ziffer 4.1.1.3 getrennt werden. Denn die Klägerin weiß zu Beginn der Fallbearbeitung nicht, ob eine Entscheidung zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls zu treffen ist oder nicht und ob in Zusammenarbeit mit dem Familien- oder Vormundschaftsgericht Maßnahmen einzuleiten sind, die zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Diese Arbeiten fallen unregelmäßig während der Beratung, der Betreuung und Beaufsichtigung der Pflegekinder an. Der Personenkreis ist ein einheitlicher.

32

d. Für dieses Verständnis spricht nicht zuletzt die Formulierung und das Verständnis der Protokollerklärung Nr. 13 Abs. 2 Satz 2. Sie schließt die Bewertung von Tätigkeiten der Aufgabengebiete des Pflegekinderdienstes mit Entgeltgruppe S 14 zwar aus, fügt jedoch hinzu: "es sei denn, dass durch Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers im Rahmen dieser Aufgabengebiete ebenfalls Tätigkeiten auszuüben sind, die die Voraussetzungen von Satz 1 erfüllen". Die Wortwahl "im Rahmen dieser Aufgabengebiete" rechtfertigt es, die durch Organisationsentscheidung übertragenen höherwertigen Tätigkeiten als Teil des Aufgabengebietes 4.1.1.3 anzusehen und damit als einheitlichen Arbeitsvorgang. "Im Rahmen" bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nämlich: "in, innerhalb, als Teil von, anlässlich, bei" oder "während, im Zuge, im Zusammenhang mit" (vgl. wortbedeutung.info-Wörterbuch/Rahmen). Der Satzteil "im Rahmen dieser Aufgabengebiete" bezieht sich grammatikalisch auf den Pflegekinderdienst, denn er wird zuvor in der Aufzählung genannt. Dieses Verständnis ist auch sinnvoll.

33

4. Da die in S 14 beschriebene Tätigkeit ein allgemeines Heraushebungsmerkmal darstellt, genügt es, dass die S 14-wertigen Tätigkeiten in einem rechtserheblichen Ausmaß, d. h. deutlich wahrnehmbar, vorliegen (vgl. LAG Niedersachsen vom 13.10.2011 - 5 Sa 397/11 E - aaO.). Das ist indes unzweifelhaft gegeben.

34

III. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 ZPO).

35

IV. Wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage war die Revision zum Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.