Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.10.2013, Az.: 11 TaBV 49/13

Teilnahme des Betriebsarztes und einer Fachkraft für Arbeitssicherheit an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses; Feststellungsantrag des Betriebsrats zum Mitbestimmungsrecht bei Regelungen zur Teilnahme der gesetzlichen Mitglieder an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
22.10.2013
Aktenzeichen
11 TaBV 49/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 52744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2013:1022.11TABV49.13.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 08.12.2015 - AZ: 1 ABR 83/13

Fundstelle

  • sis 2015, 328

Amtlicher Leitsatz

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erstreckt sich nicht auf die Regelung der Teilnahme der gesetzlichen Mitglieder an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses gem. § 11 ASiG (Im Anschluss an BAG 1 ABR 82/12). Der Umfang der Mitbestimmung bei einer evtl. Geschäftsordnung des Ausschusses bleibt offen. Ferner Ausführungen zur Rechtskraftwirkung eines vorangegangenen Beschlussverfahrens.

Tenor:

die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.04.2013 - 3 BV 9/12 - abgeändert.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht bei der Festlegung des Umfangs der Teilnahmeverpflichtung des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses nach § 11 ASiG.

Die Beteiligte zu 2 ist ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen, das mehr als 390 Filialen betreibt, die jeweils als eigenständige Betriebe organisiert sind. Der Antragsteller ist der in der Filiale 623 in C-Stadt gebildete Betriebsrat. Dort sind mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.

In der Filiale besteht ein Arbeitsschutzausschuss nach § 11 ASiG, in den der Betriebsrat 2 Mitglieder entsandt hat. Die Arbeitgeberin hat für die Tätigkeit der Betriebsärzte und der Fachkräfte für Arbeitssicherheit bundesweit einen überbetrieblichen Dienst im Sinn von § 19 ASiG verpflichtet, nämlich die Arbeitsmedizin und Umwelttechnik GmbH (PIMA) und die Gesellschaft für Arbeit und Prävention (GAP). Laut einem internen Informationspapier (Bl. 14 d.A.) hat sie vorgesehen, dass jede Filiale einmal pro Jahr von der GAP und alle 2 Jahre von der PIMA besucht wird. Tatsächlich nimmt seither an der überwiegenden Zahl der vierteljährlichen Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses weder ein Betriebsarzt noch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit teil.

Der Betriebsrat hatte im November 2010 ein Beschlussverfahren eingeleitet mit folgenden Anträgen (12 BV 4/10):

- Festzustellen, dass die Beteiligte verpflichtet ist, mit dem von ihr beauftragten Betriebsarzt sowie der Fachkraft für Arbeitssicherheit eine Vereinbarung zu treffen, wonach diese sich verpflichten, einmal im Vierteljahr an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses im Betrieb 623 der Beteiligten teilzunehmen.

- Hilfsweise festzustellen, dass die Beteiligte verpflichtet ist, mit dem von ihr beauftragten Betriebsarzt sowie der Fachkraft für Arbeitssicherheit eine Vereinbarung zu treffen, wonach diese sich verpflichten, einmal im Vierteljahr mit einem jeweiligen Zeitvolumen von 4,5 Stunden an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses im Betrieb 623 der Beteiligten teilzunehmen.

- Hilfsweise festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet ist, sicherzustellen, dass der von ihr beauftragte Betriebsarzt sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit einmal im Vierteljahr an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses im Betrieb 623 der Beteiligten teilzunehmen;

- bzw. weiter hilfsweise festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet ist, sicherzustellen, dass der von ihr beauftragte Betriebsarzt sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit einmal im Vierteljahr mit einem jeweiligen Zeitvolumen von 4,5 Stunden an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses im Betrieb 623 der Beteiligten teilnehmen.

Das Arbeitsgericht wies die Anträge ab mit der Begründung, dass eine Rechtsgrundlage fehle. In dem Beschwerdeverfahren LAG Niedersachen 2 TaBV 55/11 stellte der Betriebsrat folgenden Hilfsantrag:

festzustellen, dass die Festlegung des Umfangs der Teilnahmeverpflichtung des Betriebsarztes und der Arbeitssicherheitsfachkraft an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 2.7.2010 die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Mit seinem Antrag vom 30.07.2012 hat der Betriebsrat nunmehr beantragt,

festzustellen, dass die Festlegung des Umfangs der Teilnahmeverpflichtung des Betriebsarztes und der Arbeitssicherheitsfachkraft an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt.

Die Beteiligte zu 2 hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Rechtskraft des Beschlusses in dem Verfahren 12 BV 4/10 stehe einer erneuten Entscheidung im vorliegenden Verfahren entgegen. Im Übrigen bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht, da die Festlegung des Umfangs der Teilnahmeverpflichtung nach § 11 ASiG eine reine Rechtsfrage darstelle.

Das Arbeitsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 11.04.2013 dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei zulässig. Die Streitgegenstände des vorangegangenen Beschlussverfahrens 12 BV 4/10 = 2 TaBV 55/11 und des vorliegenden Verfahrens seien nicht identisch. In ersterem sei es um die Verpflichtung der Arbeitgeberin gegangen, mit den überbetrieblichen Diensten eine Vereinbarung bezüglich der Anwesenheit bei den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses treffen zu müssen. Im vorliegenden Verfahren gehe es dagegen um die Feststellung eines Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates. Zwar seien der hier gestellte Antrag und der Hilfsantrag des Betriebsrats im Schriftsatz vom 31.05.2011 - 2 TaBV 55/11 - identisch. Da über letzteren aber nicht entschieden worden sei, liege keine entgegenstehende rechtskraftfähige Entscheidung vor.

Dem Antrag liege auch das § 256 ZPO i. V. m. § 80, 46 Abs. 2 ArbGG erforderliche Feststellungsinteresse zu Grunde. Konkreter betrieblicher Anlass sei hier die Auseinandersetzung der Betriebsparteien über die Abwesenheit der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit an einigen Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses.

Der Antrag sei auch begründet. Es bestehe diesbezüglich ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht setze ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv bestehe und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlange, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz unmittelbar oder mittelbar diene, sei unerheblich. In diesem Sinn sei § 11 ASiG bezüglich des Umfangs der Teilnahmeverpflichtung des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit eine Rahmenvorschrift. § 11 ASiG lege fest, dass der Arbeitsschutzausschuss einmal im Vierteljahr zu tagen habe und sich u. a. aus den Betriebsärzten und den Fachkräften für Arbeitssicherheit zusammensetze. Daraus sei jedoch - abweichend von der Entscheidung der 12. Kammer des Arbeitsgerichts vom 18.03.2011 - nicht gesetzlich vorgegeben, dass der Arbeitsschutzausschuss nur dann tage, wenn alle in § 11 Satz 2 ASiG genannten Mitglieder daran teilnehmen. In der Regel könnten Gremien auch tagen, wenn nicht alle Mitglieder anwesend seien. Die Einzelheiten, ob beispielsweise die Teilnahme eines Mitgliedes nicht erforderlich sei, oder Ersatzmitglieder berufen werden können, lasse die gesetzliche Vorschrift gerade offen. § 11 ASiG mache eine betriebliche Regelung notwendig, in der Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam festlegten, in welcher Weise die Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses zur Teilnahme an den Sitzungen verpflichtet sind. Es obliege dem Arbeitsschutzausschuss, die Teilnehmerverpflichtung zu regeln. Da der Arbeitgeber für die Umsetzung der Regelung des ASiG verantwortlich sei, gebe es den erforderlichen Handlungsspielraum des Arbeitgebers. Welche Teilnahmeverpflichtung bestehe, werde durch den Arbeitsschutzausschuss entschieden, der hierzu einer Geschäftsordnung bedürfe. In Bezug auf eine solche Geschäftsordnung gebe es ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.

Gegen diesen ihm am 02.05.2013 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2 am Montag, den 03.06.2013 Beschwerde eingelegt und diese am 01.07.2013 begründet.

Der Antrag des Betriebsrats sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts wegen Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zum selben Streitgegenstand bereits unzulässig. Auch in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover 12 BV 4/10 sei Streitfrage gewesen, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Anwesenheit der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit in den vierteljährlichen Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses zusteht. Der Betriebsrat habe die ein und dieselbe Feststellung nur unterschiedlich formuliert. Dies könne keinen Unterschied machen.

Es bestehe auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht. Bei der Festlegung des Umfangs der Teilnahmeverpflichtung des Betriebsrates und der Fachkraft für Arbeitssicherheit gemäß § 11 ASiG bestehe kein ausfüllungsbedürftiger Spielraum. Nach dem klaren Wortlaut könne daher nicht zweifelhaft sein, dass der Gesetzgeber abschließend festgelegt habe, wer an dem Arbeitssicherheitsausschuss teilzunehmen habe. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach § 11 ASiG eine betriebliche Regelung geltend notwendig mache, in welcher Weise die Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses zur Teilnahme an den Sitzungen verpflichtet sind, finde im Gesetz keine Grundlage. Auch aus der tatsächlich abweichenden Handhabung in den Betrieben der Beteiligten zu 2 ergebe sich nicht, dass ein gesetzlicher Regelungsspielraum bestehe. Allerdings habe die Beteiligte zu 2 diese Regelungen in Absprache mit den Berufsgenossenschaften getroffen. Von Aufsichtsbehörden sei diese Vorgehensweise bisher nicht beanstandet worden. Der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliege diese Handhabung jedenfalls nicht. An welchen Maßnahmen der Betriebsrat zu beteiligen sei, sei gesetzlich vor allem in § 9 ASiG geregelt. Damit sei klargestellt, dass der Betriebsrat bei Bestellung und Abberufung der Betriebsärzte bzw. Erweiterung oder Einschränkung von deren Aufgaben ein Mitbestimmungsrecht besitze. Hätte der Gesetzgeber darüber hinaus ein weiteres Mitbestimmungsrecht vorgesehen, wäre dies auch in Form eines anderen Wortlauts der Vorschrift zum Ausdruck gekommen. Schließlich werde nach herrschender Rechtsprechung auch ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses verneint.

Die Beteiligte zu 2 beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.04.2013 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Das Bundesarbeitsgericht habe etwa mit Urteil vom 25.07.2007 - 10 AZR 195/06 entschieden, dass präjudizielle Rechtsverhältnisse und Vorfragen nur dann rechtskräftig festgestellt würden, wenn sie Streitgegenstand waren. Hieraus ergebe sich, dass in den Verfahren 12 BV 4/10 = 2 TaBV 55/11 nicht rechtskräftig über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Antragstellers entschieden worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, etwa Beschluss vom 08.06.2004, 1 ABR 13/03, stehe dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zu. Von der gesetzlichen Struktur her seien § 11 ASiG und § 5 ArbSchG vergleichbar. Beide legten dem Arbeitgeber eine entsprechende Handlungspflicht auf. Da das Gesetz keine ausdrückliche Teilnahmeverpflichtung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit an jeder Sitzung des Arbeitsschutzausschusses fixiere, bleibe ein entsprechender Regelungsspielraum, der dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliege.

Wegen der Zuständigkeit einer Einigungsstelle zum Thema stehende Tätigkeiten ist ein weiteres Beschwerdeverfahren 3 TaBV 56/13 beim Landesarbeitsgericht anhängig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärung Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig.

Sie ist auch begründet. Der Antrag des Betriebsrates ist zurückzuweisen, weil ein Mitbestimmungsrecht über den streitgegenständlichen Sachverhalt nicht besteht.

1.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antrag des Betriebsrats zulässig ist. Die rechtskräftige Entscheidung im Verfahren 12 BV 4/10 = 2 TaBV 55/11 steht unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraft dem jetzt zu entscheidenden Antrag nicht entgegen. Es ist nicht ausreichend, dass in beiden Verfahren, ggf. als rechtliche Vorfragen, dieselben Rechtsfragen zu behandeln sind. Sowohl die gestellten (Haupt-) Anträge als auch das dahinterstehende tatsächliche Regelungsbegehren unterscheiden sich materiell. In dem Verfahren 12 BV 4/12 wollte der Betriebsrat eine konkrete Handlungsverpflichtung des Arbeitgebers durch das Arbeitsgericht festgestellt wissen. Zwar hatte der Betriebsrat einen dem Wortlaut des jetzigen Antrages entsprechenden Hilfsantrag in dem Beschwerdeverfahren 2 TaBV 55/11 angekündigt. Über diesen ist jedoch nicht in der Sache entschieden worden. (Erst) mit dem erneuten Antrag vom 30.07.2012 begehrt der Betriebsrat nun die grundsätzliche gerichtliche Klärung der Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 11 ASiG besteht bzw. wie weit dies reicht. Welche konkrete Umsetzung sich aus einem solchen Mitbestimmungsrecht ergeben kann, bliebe weiteren Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, ggf. auch einem Einigungsstellenverfahren vorbehalten.

Angesichts der umfangreichen Streitigkeiten, die um Fragen des Gesundheitsschutzes zwischen den Beteiligten bestehen, besteht auch ein ausreichendes Interesse, zumindest eine grundsätzliche Frage des Mitbestimmungsrechts vorab klären zu lassen.

2.

Der Antrag ist unbegründet, weil dem Betriebsrat aus § 11 ASiG kein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Anwesenheit der Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses bei dessen Sitzungen zusteht. Zwar eröffnet § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein weitreichendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich aller gesetzlichen Regelungen, die der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie dem Gesundheitsschutz dienen. Aufgrund dieser sehr allgemeinen und unspezifischen Formulierung des gesetzlichen Mitbestimmungstatbestandes hat eine Abgrenzung der mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen innerhalb der jeweiligen spezialgesetzlichen Vorschriften zu erfolgen. Rechtsprechung zum ASiG und ArbSchG liegt bisher nur zu Einzelfragen vor. So umfasst das Mitbestimmungsrecht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung der Arbeitnehmer gerade auch die konkreten Gefährdungen am einzelnen Arbeitsplatz (etwa BAG 8.11.11, 1 ABR 42/10, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz). Bezüglich Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit sieht § 9 ASiG, worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hinweist, bezüglich der Bestellung und Abberufung und Erweiterung oder Beschränkung von deren Aufgabenbereichen ein Mitbestimmungsrecht vor (zu dessen Umfang etwa LAG Hamm 7.1.08, 10 TaBV 125/07, juris). Völlig unabhängig von Mitbestimmungsrechten statuiert § 9 ASiG einen Anspruch des Betriebsrats, vom Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit in erforderlichem Umfang beraten zu werden.

§ 11 ASiG sieht in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten zwingend die Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses vor, dessen Aufgabe darin besteht, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Rechtlich verantwortlich für die Gewährleistung ausreichenden Arbeitsschutzes ist nach § 3 ArbSchG der Arbeitgeber. Im Hinblick auf den zwingenden Charakter des § 11 ASiG wird in der Rechtsprechung überwiegend ein Mitbestimmungsrecht im Sinne eines Initiativrechts des Betriebsrats zur Installierung eines Arbeitsschutzausschusses abgelehnt. Die Frage liegt zurzeit dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vor (LAG Baden-Württemberg vom 9.8.12, 3 TaBV 1/12, jetzt BAG 1 ABR 82/12; anders Hess. LAG 1.2.96, 12 TaBV 97, 114, NZA 97, 114 [LAG Hessen 01.02.1996 - 12 TaBV 32/95]). Hingegen wird angenommen, bei der Bestellung bestehe jedenfalls bezüglich der Mitgliederzahl und der Zusammensetzung bzw. Auswahl der Mitglieder ein Mitbestimmungsrecht (etwa Fitting BetrVG 26. Aufl. § 87 Rn. 328; Aufhauser/Brunhöber/Igl, ASiG 4. Aufl. § 11 Rn. 2).

Daneben unterliegt die Teilnahme einzelner Mitglieder an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses nicht der Mitbestimmung. Nimmt man an, dass aus § 11 Satz 4 ASiG zugleich eine entsprechende Teilnahmeverpflichtung der Mitglieder an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses folgt - so wohl auch die Beteiligte zu 2 -, dann lässt das Gesetz keinen Regelungsspielraum, der auszufüllen wäre. Letztlich ist der Zeitaufwand für die Teilnahme an den Sitzungen dem gesamten Zeitkontingent des Betriebsarztes bzw. der Fachkraft für Arbeitssicherheit zuzurechnen (Aufhauser/Brunhöber/Igl ASiG § 11 Rn. 6). Wenn die Beteiligte zu 2 in ihren Betrieben gesetzlichen Regelungen nicht einhält, mag dies, was in den Schriftsätzen und der mündlichen Erörterung selbst thematisiert worden ist, von den Aufsichtsbehörden zu beurteilen sein. Ein ggf. eigenmächtiges Handeln des Arbeitgebers begründet jedoch keinen mitbestimmungspflichtigen Regelungsspielraum im Sinne des § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anwesenheitspflichten durch eine Geschäftsordnung des Arbeitsschutzausschusses abweichend geregelt werden können, wie das Arbeitsgericht meint. Dahingestellt bleiben kann auch, ob für die Aufstellung einer solchen Geschäftsordnung der Arbeitsschutzausschuss selbst oder gem. § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam zuständig wären. Denn Aufstellung oder Inhalt einer Geschäftsordnung sind nicht Gegenstand des Verfahrens.

Durch dieses Auslegungsergebnis wird der Betriebsrat auch nicht unverhältnismäßig in der Erfüllung seiner Aufgaben eingeschränkt. Da jedenfalls das Verfahren zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG im Wege der Mitbestimmung auszugestalten ist, kann auch dort, ggf. bei Verhandlungen einer Einigungsstelle, das Interesse wirksam eingebracht werden, Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit in ausreichendem zeitlichen Umfang zu den Beratungen über erforderliche betriebliche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes heranzuziehen.

Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen worden gemäß § 92 Abs. 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.