Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.12.2013, Az.: 17 Sa 335/13

Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung bei unterlassener Massenentlassungsanzeige des Insolvenzverwalters im Gemeinschaftsbetrieb

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
18.12.2013
Aktenzeichen
17 Sa 335/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 53857
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2013:1218.17SA335.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 14.03.2013 - AZ: 3 Ca 341/12

Fundstellen

  • ArbR 2014, 136
  • DStR 2014, 12
  • EzA-SD 8/2014, 7
  • NZI 2014, 356
  • ZInsO 2014, 1236
  • schnellbrief 2014, 61

Amtlicher Leitsatz

1.Bei einer Personalreduzierung im Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen, ist für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs.1 KSchG auf die Zahl der insgesamt von allen beteiligten Arbeitgebern zu Entlassenden im Verhältnis zur Zahl der im Gemeinschaftsbetrieb in der Regel Beschäftigten abzustellen.

2. Erstattet nur einer der Arbeitgeber für die in seinem Unternehmen erfolgenden Entlassungen eine Anzeige nach § 17 KSchG, während der andere wegen Nichterreichens der Verhältniszahlen des § 17 Abs. 1 KSchG bezogen auf die von ihm Beschäftigten die Anzeige unterlässt, kann sich ein von der Anzeige nicht erfasster Arbeitnehmer auf die zu niedrige Angabe der Anzahl der zu Entlassenden mit der Folge der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung berufen.

3. Die unterlassene Anzeige wird auch im Fall des § 125 Abs.1 InsO nicht dadurch geheilt, dass der Massenentlassungsanzeige des einen Unternehmens ein Interessenausgleich mit Namensliste beigefügt wird, aus dem sich die Anzahl der insgesamt zu Entlassenden, einschließlich derer des Partnerunternehmens ergibt.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 14.03.2013 - 3 Ca 341/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der am 00.00.1956 geborene, ledige Kläger ist seit dem 01.02.1982 bei der H. AG tätig. Sein Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.171,30 €.

Die H. AG bildete mit der H. NC GmbH am Standort C-Stadt einen Gemeinschaftsbetrieb, für den auch bei der letzten Betriebsratswahl ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt wurde.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 30.08.2012 wurde sowohl über das Vermögen der H. NC GmbH als auch der H. AG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 30.08.2012 erklärte der Beklagte dem Kläger gegenüber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter Beachtung der Kündigungsfrist des § 113 InsO mit Wirkung zum 30.11.2012. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 30.08.2012 zu.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schlossen der Beklagte und der Betriebsrat noch am 30.08.2012 einen Interessenausgleich mit Namensliste/Sozialplan. Der Interessenausgleich, wegen dessen genauen Wortlaut auf die Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 22.11.2012 (Bl. 23 - 44 d. A.) verwiesen wird, sah vor, dass - ausgehend von 106 Mitarbeitern im Gemeinschaftsbetrieb - insgesamt 28 Mitarbeiter von einer Vertragsbeendigung betroffen sein sollten. Von diesen 28 Mitarbeitern waren 25 Mitarbeiter für die H. NC GmbH und 3 Mitarbeiter - darunter der Kläger - für die H. AG tätig. In der dem Interessenausgleich als Anlage 1 angefügten Namensliste sind diese 28 Mitarbeiter einschließlich des Klägers aufgelistet (Anlage 1 zum Beklagtenschriftsatz vom 22.11.2012, Bl. 42 d. A.). Welche Arbeitnehmer der Namensliste zum Interessenausgleich vom 30.08.2012 bei der H. AG tätig waren, ist in der zweiten Spalte ("ArbG") der Namensliste an dem Eintrag "AG" zu erkennen. Der Beklagte erstattete nur für die zu kündigenden Arbeitnehmer der Schuldnerin "H. NC GmbH" unter Beifügung des Interessenausgleichs mit Namensliste eine Anzeige nach § 17 KSchG. In dieser Anzeige war der Kläger nicht angeführt; sie bezog sich hinsichtlich der Gesamtzahl nur auf die zu Entlassenden der H. NC GmbH.

Der Kläger hat mit seiner beim Arbeitsgericht am 19.09.2012 eingegangenen Kündigungsschutzklage die soziale Rechtmäßigkeit der Kündigung und ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung gerügt und mit am 11.03.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz bestritten, dass der Beklagte vor Ausspruch der Kündigungen die erforderliche Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG bei der Bundesagentur für Arbeit erstattet hat.

Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 30.08.2012 - zugestellt am 30.08.2012 - zum 30.11.2012 aufgelöst wird, sondern ungekündigt darüber hinaus fortbesteht.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Kesselwärter zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.500,00 € brutto weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Betriebsänderung und ein rechtswirksamer Interessenausgleich mit Namensliste vorgelegen hätten, so dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der ausgesprochenen Kündigung beendet worden sei. Auch sei der Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden.

Das Arbeitsgericht Lingen hat mit Urteil vom 14.03.2013, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 92 - 100 d. A.), 1. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 30.08.2012 - zugestellt am 30.08.2012 - zum 30.11.2012 aufgelöst worden ist, 2. den Beklagten verurteilt, den Kläger als Kesselwärter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen, im Übrigen den Antrag abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits zu 12 % dem Kläger und zu 88 % dem Beklagten auferlegt.

Gegen das ihm am 25.03.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.03.2013 beim Landesarbeitsgericht eingelegte und am 20.06.2013 innerhalb der verlängerten Frist begründete Berufung des Beklagten.

Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zur Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung und ordnungsgemäßen Einhaltung des Verfahrens nach § 102 BetrVG und ist der Auffassung, da die Grenzen des § 17 Abs. 1 KSchG für die H. AG nicht erreicht bzw. überschritten wurden, sei er im Fall des bei der Schuldnerin "H. AG" beschäftigten Klägers als der H. AG nicht verpflichtet gewesen, eine Anzeige gem. § 17 KSchG zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 14.03.2013, Az.: 3 Ca 341/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 21.08.2013, auf die die Kammer Bezug nimmt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird außerdem ergänzend auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze jeweils mit Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht i. S. d. §§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig.

B.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 30.08.2012 nicht aufgelöst worden ist und den Beklagten verurteilt, den Kläger als Kesselwärter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 30.08.2012 nicht aufgelöst worden. Die Kündigung verstößt gegen § 17 KSchG, denn eine wirksame Massenentlassungsanzeige liegt nicht vor.

1.

In § 17 Abs. 1 KSchG heißt es auszugsweise wörtlich, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

"1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,

2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 von 100 der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer ... innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden."

Nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG muss die Anzeige Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu Entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer. Gleichzeitig hat der Arbeitgeber gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten, die zumindest die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 5 KSchG vorgesehenen Angaben enthalten muss. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenen Arbeitnehmer gemacht werden. Die Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten, § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Im Fall des § 125 Abs. 1 InsO ersetzt der Interessenausgleich die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG.

2.

Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dabei dem der § § 1, 4 BetrVG (BAG vom 15.12.2011 - 8 AZR 692/10 - Rz. 73, AP Nr. 424 zu § 613 a BGB = EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 132).

2.1

Für das Betriebsverfassungsgesetz gilt ein eigener Betriebsbegriff. Das BetrVG setzt den Betrieb voraus und versteht darunter die organisatorische Einheit, mit der Unternehmer ihre wirtschaftlichen oder ideellen Zwecke verfolgen (BAG vom 07.08.1986 - 6 ABR 57/85 - AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972 = EzA § 4 BetrVG 1972 Nr. 5). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH ist für den Betriebsbegriff die wirtschaftliche Einheit der Organisation maßgebend (ErfK-Kiel, 13. Auflage 2013, Rn 8 zu § 17 KSchG m.w.N.).

2.2

Dem mit § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erstmals generell für den gesamten Geltungsbereich des BetrVG gesetzlich geregelten gemeinsamen Betrieb fehlt von Hause aus die rechtliche Identität des Betriebsinhabers. Die im Gemeinschaftsbetrieb Beschäftigten sind arbeitsvertraglich verschiedenen Arbeitgebern zugeordnet. Eine gesetzliche Definition des gemeinsamen Betriebs fehlt. Die Neufassung des Gesetzes führt die schon vorhandene Rechtsprechung fort. Diese ist daher weiterhin heranzuziehen (BAG vom 11.02.2004 - 7 ABR 27/03 - AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb = EzA § 1 BetrVG 2001 Nr. 2). Ein gemeinsamer Betrieb liegt vor, wenn mindestens zwei Unternehmen die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Mittel für einen oder mehrere einheitliche arbeitstechnische Zwecke zusammenfassen, ordnen, gezielt einsetzen und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird; dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken (BAG vom 11.02.2004, aaO.).

3.

Liegt ein Gemeinschaftsbetrieb mindestens zweier Unternehmen vor, ist bei einer Personalreduzierung für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs.1 KSchG auf die Zahl der insgesamt von allen beteiligten Arbeitgebern zu Entlassenden im Verhältnis zur Zahl der im Gemeinschaftsbetrieb in der Regel Beschäftigten abzustellen. Erstattet nur einer der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige für die von ihm zu Entlassenden, während der Andere dies für die von ihm zu Kündigenden - wegen Nichterreichens der Verhältniszahlen des § 17 Abs. 1 KSchG bezogen auf "seine Arbeitnehmer" - unterlässt, stellt dies einen Verstoß gegen § 17 KSchG dar.

3.1

Im Streitfall haben die Schuldnerinnen "H. NC GmbH" und "H. AG" am Standort C-Stadt unter einheitlicher Leitung einen gemeinsamen Betrieb im oben genannten Sinne, gebildet, der durch die Insolvenzen beider Firmen auch nicht aufgelöst wurde, sondern vielmehr von dem Beklagten als Insolvenzverwalter beider Schuldnerinnen fortgeführt wird. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig. Für beide Schuldnerinnen ist auch ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt, der mit dem Beklagten für den Gemeinschaftsbetrieb am 30.08.2012 einen Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen hat. Der Interessenausgleich sah Entlassungen in dem Gemeinschaftsbetrieb in einem die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 Ziff. 2 KSchG (28 von 106 Regelbeschäftigten) auslösenden Umfang vor.

3.2

Der Beklagte hat eine Massenentlassungsanzeige lediglich für die zu entlassenden Arbeitnehmer erstattet, die einen Arbeitsvertrag mit der H. NC GmbH hatten, nicht jedoch für die drei zu entlassenden Arbeitnehmer der H. AG, darunter der Kläger. Hierzu war er jedoch verpflichtet, da der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG - wie oben ausgeführt - dem des § 1 BetrVG entspricht. Zwar stellt § 17 auf eine Verpflichtung des Arbeitgebers ab, die Anzeigepflicht bezieht sich aber auf den Betrieb unter Zugrundelegung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs. Führen mehrere Arbeitgeber gemeinsam einen Betrieb i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, so müssen sie für die in ihrem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer ggf. gemeinsam die Anzeige nach § 17 KSchG erstatten. Hierfür spricht nicht zuletzt auch der ursprüngliche arbeitsmarktpolitische Sinn und Zweck der Vorschrift des § 17 KSchG, nämlich Massenentlassungen zu verhindern oder sich rechtzeitig auf zu erwartende Entlassungen größeren Umfangs einzustellen (BAG vom 24.02.2005 - 2 AZR 207/04 - AP Nr. 20 zu § 17 KSchG = EzA § 17 KSchG Nr. 14 m.w.N.). Wäre bei Gemeinschaftsbetrieben nur auf das Verhältnis der von den einzelnen Arbeitgebern zu Entlassenden zu ihren in der Regel Beschäftigten abzustellen, würde dies dem Gesetzeszweck nicht gerecht.

3.3

Dahinstehen lassen konnte die Kammer, ob es unter Umständen auch ausreicht, wenn einer der Arbeitgeber für die Gesamtzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs (unter Einbeziehung auch der zu entlassenen Arbeitnehmer des oder der weiteren Unternehmen) die Anzeige nach § 17 KSchG erstattet. Denn im Streitfall hat der Beklagte als Insolvenzverwalter der Hagedorn NC GmbH in der Massenentlassungsanzeige nur die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer der H. NC GmbH angeführt.

Nicht ausreichend ist insoweit, dass der Massenentlassungsanzeige des Beklagten der Interessenausgleich mit Namensliste vom 30.08.2012 beigefügt war. Auch wenn in diesem der Kläger als zu Entlassender aufgeführt und ersichtlich war, dass die H. NC GmbH und die Hagedorn AG einen Gemeinschaftsbetrieb bilden, liegt keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsagentur vor. Denn nach § 125 Abs. 2 InsO ersetzt der Interessenausgleich nach Abs. 1 zwar die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes, nicht aber die Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG.

4.

Nach der Rechtsprechung des BAG führen Fehler bei den "Muss-Angaben" nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG, zu denen auch die Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer gehört, zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige, wobei sich nur die Arbeitnehmer auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer berufen können, die die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind (BAG vom 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - Rn 50, NZA 2012, 1029 ff. [BAG 28.06.2012 - 6 AZR 780/10][BAG 28.06.2012 - 6 AZR 780/10]).

Da der Kläger von der vom Beklagten erstatteten Massenentlassungsanzeige nicht erfasst ist, kann er sich auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer berufen. Das Fehlen einer nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderlichen, den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG genügenden Massenentlassungsanzeige hat die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Denn in der Erklärung der Kündigung ohne wirksame Massenentlassungsanzeige liegt gleichermaßen ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB (BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 - EzA § 17 KSchG Nr. 30 = NZA 2013, 966 ff.; vom 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 - Rn 37, EzA § 17 KSchG Nr. 28 = NZA 2013, 845 ff. [BAG 22.11.2012 - 2 AZR 371/11][BAG 22.11.2012 - 2 AZR 371/11]).

5.

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 17 KSchG auch rechtzeitig geltend gemacht. Er hat zwar sein Feststellungsbegehren zunächst nur auf die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung und Anhörung des Betriebsrats gestützt. Gem. § 6 KSchG konnte er sich aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz auch auf andere, innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG nicht geltend gemachte Unwirksamkeitsgründe berufen. Der Kläger hat sich erstinstanzlich mit seinem am 11.03.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz auf eine unterbliebene Massenentlassungsanzeige berufen.

II.

Da die streitbefangene Kündigung rechtsunwirksam ist, kann der Kläger nach der ständigen Rechtsprechung des BAG seit dem Beschluss des Großen Senats vom 27.02.1985 (BAG GS vom 27.02.1985 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) auch die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verlangen. Tatsachen dafür, dass die Interessen des Beklagten an der Nichtbeschäftigung die des Klägers an der Weiterbeschäftigung übersteigen, hat der Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht vorgetragen.

C.

Als unterlegene Partei hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.