Landgericht Göttingen
Beschl. v. 30.01.2002, Az.: 10 T 7/02

Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Überführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren; Überschaubarkeit von Vermögensverhältnissen

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
30.01.2002
Aktenzeichen
10 T 7/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28555
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2002:0130.10T7.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 08.01.2002 - AZ: 74 IK 1/02

Fundstellen

  • NZI 2002, 322-323
  • NZI 2002, 8
  • ZInsO 2002, 244-245 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2002, 205-207

Verfahrensgegenstand

Das Vermögen des Schuldners und Beschwerdeführers Herr XXX

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen die Überführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in das Regelinsolvenzverfahren wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe

1

Der Schuldner hat am 28.12.2001 den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Der Schuldner ist Gesellschafter verschiedener Personen- und Kapitalgesellschaften, die den Erwerb von Wohn- und Geschäftsgebäuden zum Zweck haben. Aus diesen Gesellschafterstellungen des Schuldners resultieren Eigentumsanteile des Schuldners an sechs verschiedenen Grundstücken. Ausweislich des Schuldenbereinigungsplans hat der Schuldner neun Gläubiger mit einer Gesamtforderung von rd. 8.251.000,-- EUR. Mit Beschluss vom 8.1.2002 hat das Amtsgericht das Verbraucherinsolvenzverfahren in ein Regelinsolvenzverfahren überführt. Hierzu hat das Amtsgericht ausgeführt, es handele sich um ein Regelinsolvenzverfahren, weil die Verbindlichkeiten des Schuldners aus seiner ehemals selbstständigen Tätigkeit stammten. Auch wegen der Unüberschaubarkeit der Vermögensverhältnisse, der Höhe der Schulden und des vorhandenen Grundvermögens sei das Regelinsolvenzverfahren die zutreffende Verfahrensart.

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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt vor, er sei früher nicht selbstständig wirtschaftlich tätig gewesen, sondern angestellt. Es sei auch zweifelhaft, ob die gesellschaftlichen Beteiligungen des Schuldners eine zusätzliche eigene wirtschaftliche Tätigkeit darstellten. Darüber hinaus seien die Vermögensverhältnisse nicht unüberschaubar, denn dieser Fall liege nur vor, wenn der Schuldner mehr als 19 Gläubiger habe. Hier habe der Schuldner jedoch nur neun Gläubiger, sodass die Vermögensverhältnisse überschaubar seien. Auf die Höhe der Verbindlichkeiten und auf das Vorhandensein von Grundvermögen komme es deshalb nicht an.

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Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, da die Gesellschaften, an denen der Schuldner als Gesellschafter beteiligt sei, überwiegend keine Kapitalgesellschaften seien, liege auch keine bloße Geldanlage seitens des Schuldners vor. Vielmehr sei er als maßgeblicher Mitgesellschafter der verschiedenen

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Gesellschaften bürgerlichen Rechts selbstständig tätig gewesen. Angesichts der verschiedenen Beteiligungen des Schuldners an den Gesellschaften, des Grundvermögens, der Verpfändungen und Belastungen der Grundstücke könnten die Vermögensverhältnisse des Schuldners auch nicht als überschaubar bezeichnet werden.

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Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig. Gemäß § 6 Abs. 1 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen das Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Dies ist hier nicht der Fall, denn die Insolvenzordnung sieht eine sofortige Beschwerde für die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Einstufung als Regel- oder Sonderinsolvenzverfahren nicht vor, sodass diese Entscheidung mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar ist (vgl. Kübler/Prütting/Wenzel, Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Lfg. 11/01, § 304 Rn. 8; Pape, NWB, Fach 19, Seite 2405, 2407). Die gegen die Überführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist deshalb unzulässig.

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Zwar hat das Insolvenzgericht die Entscheidung unter Verletzung des rechtlichen Gehörs getroffen, diese Verletzung eröffnet jedoch hier nicht die außerordentliche Beschwerde, denn im Ergebnis ist der Schuldner durch die vom Amtsgericht vorgenommene Einstufung nicht beschwert. Grundsätzlich ist das Insolvenzgericht an den Antrag des Schuldners, der ausdrücklich die Eröffnung, der für ihn nicht einschlägigen Verfahrensart enthält, gebunden (vgl. OLG Köln NZI 2000, 216; AG Köln NZI 1999, 241, 242; Landfermann in HK-lnsO 2. Aufl., § 304 Rn. 6). Das Insolvenzgericht darf nicht von Amts wegen die für zulässig erachtete Verfahrensart dem weiteren Verfahren zu Grunde legen. Vielmehr ist dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, seinen Antrag auf die zulässige Verfahrensart umzustellen (Landgericht Göttingen NZI 2001, 218, 219; Landgericht Mannheim NZI 2000, 490, 491). Wenn der Schuldner diesem Hinweis des Insolvenzgerichts nicht nachkommt, ist sein Antrag sodann insgesamt mit verfahrensabschließender Wirkung als unzulässig zurückzuweisen bzw.

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gemäß § 305 Abs. 3 S. 2 InsO als erledigt anzusehen (OLG Köln ZIP 2000, 2031, 2033; OLG Schleswig NZI 2000, 164; OLG Celle ZIP 2000, 802). Diese Vorgehensweise hat das Insolvenzgericht hier außer Betracht gelassen, indem es - ohne dem Schuldner Gelegenheit zur Änderung seines Antrags zu geben - sogleich das Verbraucherinsolvenzverfahren in ein Regelinsolvenzverfahren überführt hat.

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Gleichwohl ist der Schuldner im Ergebnis nicht beschwert, denn selbst wenn die Entscheidung des Amtsgerichts anfechtbar wäre, wäre die sofortige Beschwerde jedoch unbegründet. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren nicht um ein Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern um ein Regelinsolvenzverfahren handelt. Gemäß 304 Abs. 1 InsO (n.F.) gelten die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens, wenn der Schuldner eine natürliche Person ist, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat. Hat der Schuldner eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, so finden die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens Anwendung, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen hier nicht gegeben sind. Entgegen der Auffassung des Schuldners ist seine frühere Tätigkeit als selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit einzuordnen. Der Schuldner war Mitgesellschafter in insgesamt sechs Personengesellschaften und einer Kapitalgesellschaft, deren Zweck der Erwerb von Wohn- und Geschäftsgebäuden war. Die zur Erfüllung dieses Gesellschaftszwecks vorgenommenen Handlungen und Geschäfte stellen jedoch eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Darauf, dass der Schuldner daneben noch angestellt war, also einer abhängigen Beschäftigung nachging, kommt es nicht an, entscheidend ist vielmehr die selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit, die hier vorgelegen hat. Es greift auch nicht der in § 304 Abs. 1 S. 2 InsO geregelte Ausnahmefall ein, wonach ehemalige oder noch aktive Unternehmer dem Verbraucherinsolvenzverfahren zuzuordnen sind, wenn die von ihnen ausgeübte selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit nur geringfügig war. Die ehemaligen Unternehmer unterfallen also dem Verbraucherinsolvenzverfahren, wenn ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen (Kübler/Prütting/Wenzel, a.a.O., § 304 Rn. 15). Entgegen der Auffassung des Schuldners sind seine Vermögensverhältnisse nicht überschaubar. Dabei geht das Gesetz von nicht überschaubaren Vermögensverhältnissen aus, wenn der Schuldner 20 oder mehr Gläubiger hat, sodass in diesem Fall das Verbraucherinsolvenzverfahren ohne weiteres ausgeschlossen ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass bei einem ehemals unternehmerisch tätigen Schuldner, der weniger als 20 Gläubiger hat, die Vermögensverhältnisse stets überschaubar sind. Vielmehr kann das Gericht auch bei weniger als 20 Gläubigern das Regelinsolvenzverfahren eröffnen, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht überschaubar sind. Dabei ist im Einzelfall zu entscheiden, ob die Verschuldungsstruktur des Schuldners sich von ihrem Gesamterscheinungsbild so darstellt, dass sie den Verhältnissen eines Schuldners, der in das Regelinsolvenzverfahren fällt, entspricht (Kübler/Prütting/Wenzel, a.a.O., § 304 Rn. 18). Hier bestehen Forderungen gegen den Schuldner in Höhe von rd. 8.251.000,- EUR. Diese Verbindlichkeiten resultieren aus der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners. Darüber hinaus sind die Beteiligungen des Schuldners an den verschiedenen Gesellschaften und seine Eigentumsanteile an den Grundstücken keineswegs überschaubar. Sie passen nicht in die Struktur eines Verbraucherinsolvenzverfahrens.

9

Ungeachtet des oben dargestellten Verfahrensfehlers ist die vom Amtsgericht vorgenommene Einordnung des Verfahrens als Regelinsolvenzverfahren deshalb nicht zu beanstanden, denn der Schuldner hat in der sofortigen Beschwerde nicht zum Ausdruck gebracht, dass er von der Durchführung des Insolvenzverfahrens absehen will, wenn nicht das Verbraucherinsolvenzverfahren einschlägig ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: bis zu 2.000,- EUR.

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach dem Interesse des Schuldners bewertet (§ 3 ZPO).

Pape