Landgericht Göttingen
Beschl. v. 23.12.2002, Az.: 5 T 247/02

Voraussetzungen der nochmaligen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung; Annahme des späteren Erwerbs pfändbaren Vermögens wegen Auflösung eines Bankkontos

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
23.12.2002
Aktenzeichen
5 T 247/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 30261
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2002:1223.5T247.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hann.Münden - 24.09.2002 - AZ: 5 M 669/02

Fundstellen

  • InVo 2003, 331-332 (Volltext mit red. LS)
  • JurBüro 2003, 216-217 (Volltext mit amtl. LS)
  • KKZ 2004, 108
  • Rpfleger 2003, 255 (Volltext mit red. LS)

In ...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 27./30. September 2002
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hann. Münden vom 24. September 2002
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht D,
den Richter am Landgericht E und
die Richterin am Landgericht F
am 23. Dezember 2002
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts Hann. Münden vom 24. September 2002 - Az. 5 M 669/02 - wird aufgehoben.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Schuldner zur nochmaligen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu laden und das Verfahren entsprechend dem Antrag der Gläubigerin weiter zu betreiben.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.500,00 EUR.

Gründe

1

I.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 29.04.2002 - Az. 02-7155491-0-8 - über eine Hauptforderung von 2.097,64 EUR zuzüglich Nebenforderungen und Zinsen.

2

Der Schuldner gab am 18.04.2000 die eidesstattliche Versicherung ab. Im Vermögensverzeichnis vom gleichen Tag gab er an, als selbständiger Kaufmann und Monteur tätig zu sein und ein Konto bei der G zu unterhalten. Einkünfte beständen aus dem Verkauf und der Montage von Küchen.

3

Die Gläubigerin erwirkte beim Amtsgericht Kassel einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Schuldner. Die H teilte als Drittschuldnerin nach Zustellung des Beschlusses mit, dass die in der Pfändung bezeichneten angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen sie nicht beständen. Daraufhin beantragte die Gläubigerin beim Amtsgericht Hann. Münden die Bestimmung eines Termins zur nochmaligen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 903 ZPO mit der Begründung, das Bankverhältnis bei der I sei aufgelöst bzw. habe nicht bestanden.

4

Mit Entscheidung vom 31.08.2002 hat der zuständige Gerichtsvollzieher den Antrag abgelehnt und sich auf mehrere Gerichtsentscheidungen bezogen, nach denen die Auflösung eines im Vermögensverzeichnis angegebenen Bankkontos den Schuldner nicht verpflichtet, die eidesstattliche Versicherung erneut abzugeben.

5

Die gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 24.09.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde der Gläubigerin.

6

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet.

7

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegen die Voraussetzungen der nochmaligen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 903 ZPO vor. Die Gläubigerin hat glaubhaft gemacht, dass der Schuldner später Vermögen erworben hat, § 903 S. 1, 1. Alt. ZPO.

8

Zwar ist dem Amtsgericht insoweit zu folgen, als allein aus der Auflösung eines Bankkontos nicht auf den späteren Erwerb pfändbaren Vermögens geschlossen werden kann (so auch Zöller-Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 903 Rz. 9; LG Kassel RPfl 1997, 74; LG Bochum DGVZ 2002, 76; a.A. LG Münster RPfl 1999, 230, 231). Im konkreten Fall liegen aber weitere Umstände vor, die für einen späteren Vermögenserwerb sprechen. Die Voraussetzungen des § 903 S. 1, 1. Alt. ZPO sind dann erfüllt, wenn der Gläubiger Umstände glaubhaft macht, die nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass der Schuldner in den Besitz pfändbarer Vermögensstücke gelangt ist. (Zöller, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.

9

So ist anzunehmen, dass der Schuldner aktuell eine (neue) Bankverbindung unterhält. Er verdient seinen Lebensunterhalt nach eigenen Angaben in der eidesstattlichen Versicherung ausschließlich aus selbständiger Tätigkeit. Zur Abwicklung seiner Aufträge benötigt er nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Bankkonto.

10

Zwar stellt eine Kontoverbindung als solche keine Erwerbsquelle dar, so dass allein aus der (neuen) Bankverbindung nicht auf neu erworbenes Vermögen geschlossen werden kann. Hier ist aber deshalb davon auszugehen, dass der Schuldner zwischenzeitlich neues Vermögen erworben hat, weil er allein von seiner selbständigen Tätigkeit lebt. Diese hat er in der eidesstattlichen Versicherung als einzige Einkunftsquelle genannt. Andere Erwerbsquellen sind nicht bekannt.

11

Durch die Auflösung seiner in der eidestattlichen Versicherung benannten Bankverbindung hat er seinem Gläubiger die Möglichkeit genommen, Zugriff auf eventuell pfändbare Einkünfte zu nehmen und sich einen Überblick über die wirtschaftliche Situation des Schuldners zu verschaffen. Der Zweck der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kann damit nicht erreicht werden. Das Schutzbedürfnis des Schuldners, nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung drei Jahre lang keine erneute eidesstattliche Versicherung abgeben zu müssen, muss in einem solchen Fall gegenüber den berechtigten Interessen des Gläubigers zurücktreten. Schließlich hat der Schuldner den Kontowechsel selbst veranlasst.

12

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 788 ZPO; die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO i.V.m. §§ 57 Abs. 3, 57 Abs. 2 Nr. 4 BRAGO.