Landgericht Göttingen
Urt. v. 21.06.2002, Az.: 9 S 10/02

Beweisposition; Recht; schutzbedürftig; Schutzbedürftigkeit; Treu und Glauben; Umstandsmoment; unzulässige Rechtsausübung; vergangene Zeit; Verschlechterung; Verwirkung; widersprüchliches Verhalten; Zeitablauf; Zeitmoment

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
21.06.2002
Aktenzeichen
9 S 10/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43586
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 20.12.2002 - AZ: 3 C 203/01

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgericht Hann. Münden vom 20.12.2001 -3 C 203/01- wird auf ihre Kosten nach einem Berufungsstreitwert von 1.022,58 € zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a. F. abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

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Es kann dahinstehen, ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Darlehensrückzahlung nebst Zinsen zusteht, denn jedenfalls hat sie diesen Anspruch verwirkt.

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Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde; die Verwirkung ist damit ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, wobei der Verstoß gegen Treu und Glauben

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(§ 242 BGB) in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung liegt (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 242 Rdnr. 87 m. w. N.).

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Das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist gegeben. Denn seit der Möglichkeit, das Recht erstmals geltend zu machen, ist längere Zeit verstrichen. Nach dem Klagvortrag war der Anspruch auf Darlehensrückzahlung mit dem 17.04.1977 fällig. Bis zur Klageinreichung sind etwa 24 Jahre vergangen. Zwar hat der Beklagte eingeräumt, schon vor längerer Zeit sei ihm gegenüber die Geltendmachung erfolgt, ohne dass er in der Lage war, dies zeitlich näher einzuordnen. Unbestritten allerdings ist sein Vortrag geblieben, in den Unterlagen des Darlehensnehmers F., seines Rechtsvorgängers, hätten sich keinerlei Hinweise darauf befunden, dass der Klägerin bzw. ihrer angeblichen Rechtsvorgängerin G., die geltend gemachte Forderung (noch) zugestanden habe. Da die Klägerin dem nicht entgegengetreten ist, folgt hieraus, dass die Klägerin zu Lebzeiten des Rechtsvorgängers des Beklagten, F., den Anspruch nicht geltend gemacht hat. F. ist am 26.04.1991 verstorben. Bis dahin waren seit Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruches 14 Jahre vergangen. Schon dieser Zeitraum dürfte angesichts der sonstigen Umstände dieses Einzelfalles genügen, um das Zeitelement der Verwirkung als gegeben anzusehen. Zudem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass anschließend erneut 10 Jahre mit der Folge verstrichen sind, dass sich die Beweispositionen der Parteien, auch diejenige des Beklagten, nochmals verschlechtert haben. Bei einem starken Umstandsmoment indessen verringern sich die Anforderung an das Zeitmoment (Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 93 m. w. N.).

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Das Umstandsmoment ist hier in besonderer Weise ausgeprägt. Der Verpflichtete kann nämlich auch deshalb besonders schutzbedürftig sein, weil der Zeitablauf seine Beweisposition verschlechtert hat (Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 95 m. w. N.). Davon ist hier auszugehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klage nur aufgrund des -schon erstinstanzlich pauschal gehaltenen- Vortrages der Klägerin schlüssig ist, noch vor der Vereinbarung vom 18.06.1969, von der erst zweitinstanzlich klargestellt wurde, dass sie nach dem Tode der Darlehensgeberin G. geschlossen wurde, habe es eine mündliche Vereinbarung zwischen den Parteien des ursprünglichen Darlehensvertrages gegeben, wonach die Darlehensvaluta nebst Zinsen anteilig an die Nichten und Neffen der Darlehensgeberin G. auszukehren sei. Hierin könnte nämlich eine Abänderung der ursprünglich getroffenen Darlehensvereinbarung in dem Sinne zu sehen sein, dass die alte Darlehensforderung erlassen und eine neue Darlehensforderung zugunsten der Klägerin als Dritter begründet wurde (s. dazu Palandt/Heinrichs, vor § 328 Rdnr. 8 m. w. N.). Aus allen anderen Rechtsgründen hingegen ist die Klage nicht schlüssig, wie das Amtsgericht bereits ausgeführt hat; hierauf wird Bezug genommen. Auf die schriftliche Vereinbarung vom 18.06.1969 lässt sich ein Recht der Kläger schon deswegen nicht stützen, weil diese Vereinbarung nach dem Tode der Frau Elsa Unterdörfer zustande gekommen ist, G. nach den Darlegungen der Klägerin von ihren Geschwistern beerbt wurde und diese nicht sämtlich an der Vereinbarung mitgewirkt haben, so dass ein Rechtsübergang nach dem Tode der G. auf die Klägerin nicht erfolgt sein kann.

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Wie allerdings eine Vereinbarung darüber, dass ein bestehender Vertrag in einen Vertrag zugunsten eines Dritten umgewandelt wird, auszulegen sind, ist eine Frage des Einzelfalles. Denn allein nach den Abreden der Parteien und ihrer Auslegung entscheidet sich beispielsweise, ob die Vereinbarung auch Zinsen erfasst (siehe dazu BGHZ 35, 173; BGH WM 1972, 560) und ob nunmehr auch Ansprüche auf rückständige Zinsen von der Verjährungsfrist des § 195 erfasst werden sollen (siehe dazu Palandt/Sprau, § 780 Rdnr. 8). Weiter ist es eine Frage der Auslegung der im Einzelfall getroffenen Abreden, ob der Dritte das Recht selbst erwerben soll, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten bleiben soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern, § 328 Abs. 2 BGB. Die Klägerin ist aufgrund fehlender Informationen von vornherein nicht in der Lage, hierzu Einzelheiten vorzutragen. Sie behauptet lediglich pauschal, es habe eine mündliche Vereinbarung zwischen den Parteien des Darlehnsvertrages gegeben, ohne diese Vereinbarung nach Zeitpunkt und Inhalt näher konkretisieren zu können. Darüber hinaus sind die Parteien in der Geltendmachung ihrer rechtlichen Position auch erheblich dadurch behindert, dass die beweisrechtlichen Möglichkeiten stark eingeschränkt bzw. überhaupt nicht vorhanden sind. Die Klägerin beruft sich, nachdem sämtliche schriftlichen Originalunterlagen -aus welchen Gründen auch immer- verlorengegangen sind, auf die Zeugin H., die 97 Jahre alt ist und von der die Klägerin nicht weiß, ob sie überhaupt vernehmungsfähig ist bzw. wird nachvollziehbare Angaben zu den beweiserheblichen Tatsachen wird machen können. Darüber hinaus bezieht sie sich nunmehr auf den Zeugen I., der aber auch nur Zeuge von Hörensagen ist. Dem Beklagten stehen keinerlei Beweismöglichkeiten mehr zu Gebote, wobei insbesondere auch zu berücksichtigen ist, dass er unstreitig im Nachlass keine Unterlagen über die streitbefangenen Vorgänge vorgefunden und dass sowohl die handels- als auch steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für die entsprechenden Belege zu diesen Vorgängen bereits vor dem Erbfall im Jahre 1991 abgelaufen waren. Auch hatte der Beklagten keinerlei Veranlassung, in den Nachlassunterlagen nach maßgeblichen Urkunden zu suchen, da er zunächst von gegen ihn gerichteten Ansprüchen gar nichts wusste. Schon der Zeitablauf bis zum Erbfall im Jahre 1991 hat also dazu geführt, dass die Möglichkeiten zur Rechtsverteidigung auf Beklagtenseite ganz erheblich beeinträchtigt worden sind und dass die Klägerin selbst außer Stande ist, die für die erforderliche Auslegung der angeblich vor dem Tode der G. im Jahre 1969 getroffenen Abreden nötigen Tatsachen vortragen. Berücksichtigt man nun zusätzlich, dass seit dem Erbfall, der den Beklagten begünstigt hat, wiederum 10 Jahre vergangen sind, bis Klage erhoben wurde, wird offenbar, dass hierdurch die Rechtsposition des Beklagten nochmals zusätzlich und ohne dessen Zutun ganz beträchtlich verschlechtert worden ist. Dies rechtfertigt im Rahmen einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen Einzelfallumstände die Sichtweise, dass die klägerischen Ansprüche, wenn nicht schon seit dem Jahre 1991, so doch jedenfalls jetzt verwirkt sind.

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Die Kostenenscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.