Landgericht Göttingen
Beschl. v. 04.11.2002, Az.: 5 T 161/02
Festsetzung der Kosten bei zwischenzeitlicher Unterbrechung des Verfahrens wegen Insolvenz; Rechtzeitigkeit der Einlegung einer Beschwerde bei fehlerhaftem Faxausdruck; Geltung der Regelungen über die Aussettzung des Verfahrens auch für das Kostenfestsetzungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 04.11.2002
- Aktenzeichen
- 5 T 161/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28548
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2002:1104.5T161.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 14.05.2002 - AZ: 25 C 100/99
Rechtsgrundlagen
- § 240 ZPO
- § 239 f. ZPO
Fundstelle
- ZInsO 2002, 1146-1147 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 29. Mai 2002
gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 14. Mai 2002
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Hollstein als Einzelrichter
am 4. November 2002
beschlossen:
Tenor:
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 14. Mai 2002 - 25 C 100/99 - wird aufgehoben.
Eine Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin betreffend die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz kann zur Zeit nicht getroffen werden. Das Verfahren ist wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten gemäß § 240 ZPO unterbrochen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 864,08 EUR.
Gründe
Mit Beschluss vom 14.05.2002, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Göttingen die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits erster Instanz auf 864,08 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Diesem Beschluss liegt ein Kostenfestsetzungsantrag der früheren Klägerin, der Firma Jasper und Brandenburg GmbH vom 28.01.2001 zu Grunde, dem das Amtsgericht bei der Kostenfestsetzung in vollem Umfang gefolgt ist. Zu den errechneten und geltend gemachten Anwaltskosten für die erste Instanz hat das Amtsgericht verauslagte Gerichtskosten von 268,43 EUR hinzugesetzt.
Durch Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 24.11.2000 ist die Beklagte im Wesentlichen dem Klageantrag entsprechend verurteilt worden. Das Amtsgericht hat die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Während des Berufungsverfahrens ist auch über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden, mit der Folge, dass das Berufungsverfahren nach § 240 ZPO unterbrochen worden ist. Der Insolvenzverwalter der Beklagten hat den Rechtsstreit bislang nicht aufgenommen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten ist mit Beschluss vom 24.07.2001 erfolgt, also etwa sechs Monate nach Eingang des Kostenfestsetzungsantrags der Klägerin vom 28.01.2001. Das Amtsgericht hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Unterbrechung des Rechtsstreits festgesetzt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.05.2002 ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 16. Mai 2002 zugestellt worden. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Beklagte bzw. der zwischenzeitlich an ihre Stelle getretene Konkursverwalter Rechtsanwalt Dr. Foltis mit Fax-Schriftsatz vom 29. Mai 2002 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten weisen darauf hin, dass während der Unterbrechung des Rechtsstreits auch eine Kostenfestsetzung nicht zulässig sei.
Das Amtsgericht Göttingen hat sich in einem Nichtabhilfebeschluss vom 26.06.2002 mit der rechtlichen Argumentation der Beklagten bzw. des Konkursverwalters auseinander gesetzt, der Beschwerde nicht abgeholfen und die sofortige Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten bzw. des Konkursverwalters ist zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig bei Gericht eingegangen. Die Einlegung der sofortigen Beschwerde mit Fax-Schriftsatz vom 29.05.2002, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tage, war rechtzeitig. Allerdings befindet sich bei den Akten lediglich die Seite 1 der Beschwerdeschrift. Die zweite Seite des Beschwerdeschriftsatzes mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist nicht zu den Akten gelangt. Dennoch geht die Kammer davon aus, dass der zweiseitige Beschwerdeschriftsatz am 29. Mai 2002 vollständig bei der Fax-Stelle des Amtsgerichts eingegangen ist. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben dargelegt und durch Vorlage des Sendeberichtes belegt, dass am 29.05.2002 um 15:31 Uhr zwei Seiten des Beschwerdeschriftsatzes an das Amtsgericht per Fax übermittelt worden sind. Aus dem Sendebericht ergibt sich auch, dass die Übertragung störungsfrei und erfolgreich durchgeführt worden ist. Dann aber muss die zweite Seite mit der maßgeblichen Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten tatsächlich ebenfalls mit der Seite 1 beim Amtsgericht eingegangen sein. Die Kammer ist davon überzeugt, dass dies so gewesen ist. Die . Kammer geht davon aus, dass die Seite 2 des Fax-Schriftsatzes vom 29.05.2002 gerichtsintern verloren gegangen sein muss. Das ist durchaus wahrscheinlich. Dies ist insoweit kein Einzelfall. Es ist bereits wiederholt vorgekommen, dass Folgeseiten eines Fax-Schriftsatzes nicht ordnungsgemäß zu den Akten gelangt sind, sondern auf dem Wege von der Faxstelle zur Geschäftsstelle verloren gegangen oder in andere Akten verfächert worden sind.
Unter den gegebenen Umständen bedarf es eines Eingehens auf den vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht.
Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hätte nicht ergehen dürfen. Das Verfahren war und ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten gemäß § 240 ZPO unterbrochen.
Nach allgemeiner Auffassung gelten die Bestimmungen der §§ 239 f. ZPOüber die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens im Grundsatz auch für das Kostenfestsetzungsverfahren, bei dem es sich um ein dem Hauptverfahren angegliedertes, wenn auch selbstständiges Nachverfahren mit dem Zweck der betragsmäßigen Ausfüllung des nach der Kostengrundentscheidung gegebenen Erstattungsanspruchs handelt. Das bedeutet, dass auf ein anhängiges Kostenfestsetzungsverfahren auch die Vorschrift des § 240 ZPO Anwendung findet. Das ist im Grundsatz anerkannt. Eine Ausnahme wird in der Rechtsprechung jedoch teilweise dann gemacht, wenn es sich um die Festsetzung der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz handelt, wenn die Unterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst im Berufungsverfahren eingetreten ist. Dann soll es nach dieser Meinung unbeschadet des § 240 ZPO durchaus zulässig sein, die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz festzusetzen. Diese Ansicht ist indes in der Rechtsprechung streitig. Eine offenbar im Vordringen befindliche neuere Rechtsprechung geht davon aus, dass die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO durchgängig gilt, gleichgültig, wann die Unterbrechung eingetreten ist. Von dieser Unterbrechungswirkung wird jedes anhängige Kostenfestsetzungsverfahren erfasst, gleichgültig, ob es sich auf die erste oder die zweite Instanz bezieht (so vor allem KG in NJW-RR 2000, 731/732; OLG Brandenburg in MDR 2001, 471/472; OLG Stuttgart in JurBüro 1991, 952; OLG Stuttgart in ZIP 1998, 2066).
Die Kammer schließt sich der zuletzt dargestellten neueren Rechtsprechung an, nach der die Unterbrechung gemäß § 240 ZPO ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der ersten Instanz auch dann erfasst, wenn die Unterbrechung erst während des Verlaufs eines Berufungsverfahrens eingetreten ist. Die differenzierende Handhabung der anderen Meinung ist nicht überzeugend. Eine tragfähige Begründung, warum ein anhängiges Kostenfestsetzungsverfahren hinsichtlich der ersten Instanz nicht erfasst werden soll, wenn die Unterbrechungswirkung erst in zweiter Instanz eintritt, findet sich in der abweichenden Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht. Es wird lediglich die Ansicht vertreten, dass eine solche Kostenfestsetzung zulässig sein soll. Nach Auffassung der Kammer müssen aber die Gesichtspunkte, die grundsätzlich für eine Anwendung des § 240 ZPO auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren gelten, generell zur Anwendung kommen. Nach dem Sinn und Zweck des § 240 ZPO soll jegliches Verfahren, das sich auf die Masse bezieht, angehalten werden, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird (so auch OLG Brandenburg, a.a.O.; KG, a.a.O.). Dabei kann es auch letztlich nicht darauf ankommen, ob es für den Konkursverwalter/Insolvenzverwalter einen größeren Aufwand erfordern würde, sich auf das noch anhängige Verfahren einzulassen. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob der jetzige Konkursverwalter/Insolvenzverfahren bereits als Prozessbevollmächtigter des Gemeinschuldner im Rechtsstreit erster Instanz tätig gewesen ist. Maßgeblich für die Entscheidung des Insolvenzverwalters sind die Belange der Insolvenzmasse insgesamt. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzverwalters, ob er ein anhängiges gerichtliches Verfahren fortsetzen will oder nicht. Das kann ihm im Hinblick auf die Regelung des § 240 ZPO nicht ohne weiteres aufgezwungen werden.
Im vorliegenden Fall ist das Verfahren bisher weder nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen worden noch ist das Insolvenzverfahren beendet. Im Hinblick auf die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO darf derzeit eine Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin nicht getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Wert des Beschwerdeverfahrens: 864,08 EUR.