Landgericht Göttingen
Beschl. v. 15.12.2006, Az.: 10 T 130/06

Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen die Bestimmung der Verfahrensart in einem Eröffnungsbeschluss im Insolvenzverfahren; Bindung des Insolvenzgerichts an die beantragte Verfahrensart; Verfahren bei unrichtiger Angabe der Verfahrensart durch den Antragsteller; Vermietung und Verpachtung von Grundstücken als selbstständige Tätigkeit i.S.d. § 304 Insolvenzordnung (InsO)

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
15.12.2006
Aktenzeichen
10 T 130/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 33165
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2006:1215.10T130.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 16.11.2006 - AZ: 74 IN 288/06

Fundstellen

  • EWiR 2007, 629 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • NZI (Beilage) 2007, 8 (amtl. Leitsatz)
  • ZIP 2007, 1031-1032 (Volltext mit red. LS)
  • ZInsO 2007, 166-167 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2007, 367-368 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Vermögen des xxx

In dem Insolvenzverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
D. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 28.11.2006
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 16.11.2006 - 74 IN 288/06 -
am 15.12.2006
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Göttingen zurückverwiesen.

Gründe

1

Der Schuldner hat am 05.09.2006 den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Gleichzeitig hat er die Bewilligung der Verfahrenskostenstundung und die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt.

2

Das Amtsgericht hat den Rechtsanwalt E. in Hannover mit der Erstattung eines Gutachtens über die Fragen, ob ein Eröffnungsgrund vorliege, die Verfahrenskosten durch die vorhandene Masse gedeckt seien sowie ob Anordnungen zur Sicherung der Masse erforderlich seien, beauftragt. Mit Schreiben vom 10.10.2006 hat der Sachverständige mitgeteilt, dass der Schuldner hälftiger Miteigentümer von drei Grundstücken sei. Im Hinblick darauf hat er die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung angeregt. Mit Beschluss vom 12.10.2006 hat das Amtsgericht daraufhin den Rechtsanwalt E. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und gleichzeitig angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.

3

In seinem Gutachten vom 13.11.2006 hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Schuldner bei der F. angestellt sei und dort ein monatliches Nettoeinkommen von 2.186,29 EUR beziehe. Bei drei unterhaltsberechtigten Personen ergebe sich ein pfändbarer Einkommensteil von 123,29 EUR monatlich. Der Schuldner sei gemeinsam mit seiner getrennt lebenden Ehefrau zu je 50% Eigentümer von drei Immobilien. Zum einen handele es sich um ein Zweifamilienhaus in G., das von der getrennt lebenden Ehefrau und den Töchtern des Schuldners bewohnt werde. Weiterhin sei der Schuldner hälftiger Eigentümer einer Eigentumswohnung in der H. sowie hälftiger Eigentümer einer Eigentumswohnung in I..

4

Mit Beschluss vom 16.11.2006 hat das Amtsgericht das Verfahren als Unternehmensinsolvenzverfahren eröffnet und zur Begründung ausgeführt, dass diese Verfahrensart hier zutreffend sei, weil die Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer ehemals selbständigen Tätigkeit stammten und die Vermögensverhältnisse unüberschaubar seien, weil Grundvermögen vorhanden sei.

5

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt vor, es treffe nicht zu, dass seine Verbindlichkeiten aus einer ehemals selbständigen Tätigkeit herrührten. Die Vermietung und Verpachtung der Grundstücke sei keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit. Vielmehr handele es sich hierbei um reine private Vermögensverwaltung. Darüber hinaus habe das Gericht ohne Anhörung des Schuldners das Verfahren nicht in einer vom Antrag des Schuldners abweichenden Verfahrensart eröffnen dürfen.

6

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Schuldners nicht abgeholfen und ausgeführt, da der Schuldner über mehrere Wohnungen verfüge, die er vermiete, könne er nicht als Verbraucher angesehen werden.

7

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß §§ 6, 34 Abs. 2 InsO zulässig. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss unstatthaft ist, wenn sich der Beschwerdeführer nur gegen die Bestimmung der Verfahrensart (Regelinsolvenzverfahren oder vereinfachtes Verfahren) und die daraus folgende rechtliche Einstufung des Verwalteramts (Insolvenzverwalter oder Treuhänder) wendet (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung/Schmahl, § 34 Rdnr. 67). Die Kammer folgt jedoch insoweit der herrschenden Auffassung, die in den Fällen, in denen sich der Schuldner gegen den Eröffnungsbeschluss wendet, weil das Gericht das Verfahren im Verbraucher- statt im Regelinsolvenzverfahren oder umgekehrt eröffnet hat, für zulässig hält (vergleiche OLG Köln NZI 2001, 216; Vallender/Fuchs/Rey NZI 1999, 218, 219; Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung/Kirchhof, 4. Auflage § 34 Rdnr. 8; Henckel ZIP 2000, 2051 f.).

8

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist auch insoweit begründet, als das Verfahren aufzuheben und an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen ist. Dem Amtsgericht ist hier ein Verfahrensfehler unterlaufen, denn es hat das rechtliche Gehör des Schuldners verletzt. Das Insolvenzgericht ist grundsätzlich an den Antrag des Schuldners,

das Verfahren in einer bestimmten Verfahrensart zu eröffnen,

9

gebunden (vergleiche OLG Köln, NZI 2000, 216; AG Köln NZI 1999, 241, 242). Das Insolvenzgericht darf nicht von Amts wegen die für zulässig erachtete Verfahrensart dem weiteren Verfahren zugrunde legen (LG Göttingen ZInsO 2002, 244, 245)[LG Göttingen 30.01.2002 - 10 T 7/02]. Die Auffassung, dass bei Angabe einer unrichtigen Verfahrensart im Eröffnungsantrag entsprechend § 17 a GVG eine Abgabe in die richtige Verfahrensart erfolgen müsse (vergleiche Bork ZIP 1999, 303) hat sich in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt (Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung/Landfermann, 4. Auflage, § 305 Rdnr. 13). Das Amtsgericht hätte also hier, wenn nach seiner Auffassung das vom Schuldner gewählte Verbraucherinsolvenzverfahren nicht die zutreffende Verfahrensart war, den Schuldner hierauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben müssen, seinen Antrag auf die zulässige Verfahrensart umzustellen (LG Göttingen, NZI 2001, 218, 219; LG Mannheim NZI 2000, 490, 491). Wenn der Schuldner diesem Hinweis des Insolvenzgerichts nicht nachkommt, ist sein Antrag sodann insgesamt mit verfahrensabschließender Wirkung als unzulässig zurückzuweisen (OLG Köln, ZIP 2000, 2031, 2033; OLG Schleswig NZI 2000, 64; OLG Celle ZIP 2000, 802). Diese Vorgehensweise hat das Insolvenzgericht hier außer Betracht gelassen, denn es hat, ohne dem Schuldner Gelegenheit zur Äußerung zu geben, das Verfahren im Eröffnungsbeschluss als Regelinsolvenzverfahren eröffnet.

10

Für das weitere Verfahren merkt die Kammer an: Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der Schuldner hier ausschließlich den Regelungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens zuzuordnen (§ 304 Abs. 1 Satz 1 InsO). Im Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war der Schuldner nicht selbständig tätig, sondern als Angestellter bei der J.. Der Schuldner war auch nicht früher selbständig tätig. Eine selbständige Tätigkeit ergibt sich weder aus dem Gutachten noch aus sonstigen Anhaltspunkten im bisherigen Verfahren. Der Schuldner hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er früher nicht selbständig tätig war. Der Umstand, dass der Schuldner hälftiger Eigentümer von drei Grundstücken ist, von denen zwei Eigentumswohnungen vermietet sind, führt nicht zur Einordnung des Schuldners in die Gruppe der selbständig tätigen. Die Vermietung von zwei Eigentumswohnungen ist keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 304 InsO, vielmehr dient die Vermietung von Immobilien - sofern es sich wie hier um eine begrenzte Anzahl handelt - der privaten Vermögensverwaltung. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind, denn nach § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO ist diese Frage für die Einordnung des Verfahrens als Regelinsolvenzverfahren oder Verbraucherinsolvenzverfahren nur dann entscheidend, wenn der Schuldner eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat. Da dieser Fall hier nicht vorliegt, ist der Schuldner ungeachtet der Überschaubarkeit seiner Vermögensverhältnisse dem Verbraucherinsolvenzverfahren zuzuordnen.