Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.04.2013, Az.: 7 ME 81/11
Erforderlichkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung für aktuelle Rahmenbetriebsplanzulassung für das Erkundungsbergwerk "Gorleben"
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.04.2013
- Aktenzeichen
- 7 ME 81/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 33616
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0402.7ME81.11.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG
- § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG
- § 55 Abs. 1 BBergG
- § 149 Abs. 1 Nr. 5 BBergG
- § 9a Abs. 3 S. 1 AtG
- § 9b Abs. 2 AtG
Fundstellen
- DVBl 2013, 4 (Pressemitteilung)
- DVBl 2013, 725-726
- DÖV 2013, 531
- NdsVBl 2013, 199-201
- NordÖR 2013, 249-251
Amtlicher Leitsatz
Umweltverträglichkeitsprüfung für aktuelle Rahmenbetriebsplanzulassung für das Erkundungsbergwerk Gorleben nicht erforderlich
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die unter dem 21.09.2010 bis zum 30.09.2020 ausgesprochene Verlängerung der Rahmenbetriebsplanzulassung für die untertägige Erkundung des Salzstocks Gorleben wiederherzustellen.
Diese Verlängerung hatte die Beigeladene mit Schreiben vom 30.03.2010 beantragt, weil die vorangegangene Planzulassung vom 29.09.2000 bis zum 30.09.2010 befristet war. Die Beigeladene betreibt zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Errichtung von Anlagen zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle seit 1983 die untertägige Erkundung des Salzstocks. Sie ist Eigentümerin des Betriebsgeländes. Das Verfügungsrecht am Salz steht überwiegend den Grundeigentümern zu. Etwa ein Drittel des Salzstocks ist bergfrei.
Die Antragsteller sind Vater und Sohn. Sie leben in C., das unmittelbar am Salzstock und etwa 7 km von den überirdischen Anlagen des Bergwerks der Beigeladenen entfernt liegt. Sie sind Eigentümer von Ländereien in unmittelbarer Nachbarschaft des Bergwerkgeländes und Inhaber des Abbaurechts für das unter ihren Grundstücken liegende Salz.
Sie haben am 19. Oktober 2010 gegen die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Unter dem 9. November 2010 ordnete der Antragsgegner auf Antrag der Beigeladenen die sofortige Vollziehung des Verlängerungsbescheides an; die unverzögerte weitere Untersuchung des Salzstockes liege im besonderen öffentlichen Interesse, das darin bestehe, die der Beigeladenen gesetzlich obliegende Endlagersuche für radioaktive Abfälle voranzubringen. Eine Eignung könne nur standortspezifisch und durch weitere unterirdische Erkundungen ermittelt werden.
Den dagegen gerichteten Aussetzungsantrag hat das Verwaltungsgericht als unzulässig abgelehnt, weil die Antragsbefugnis fehle. Es sei offensichtlich, dass die von den Antragstellern ins Feld geführten Abwehrrechte nicht bestünden. Die Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung - UVP - könnten sie mangels Betroffenheit in materiellen Rechten nicht rügen. Außerdem habe die Verlängerung der Rahmenbetriebsplanzulassung keiner UVP bedurft. Ein neuer Rahmenbetriebsplan mit UVP sei nicht obligatorisch, weil es sich vorliegend um die Fortführung des bereits mehrfach planzugelassenen Erkundungsbergwerkes handele. Was eine Gesundheitsgefährdung anbelange, legten die Antragsteller nicht einmal ansatzweise dar, ob und welche derartigen Gefahren ihnen durch den Erkundungsbetrieb drohten. Eine Antragsbefugnis könnten sie auch nicht aus ihren Salzabbaugerechtigkeiten ableiten, die von der angegriffenen Zulassungsentscheidung nicht berührt würden.
Gegen den Beschluss haben die Antragsteller fristgerecht Beschwerde eingelegt und diese ebenfalls fristgerecht begründet. Sie seien antragsbefugt, weil der Rahmenbetriebsplan eine Feststellungswirkung für die Rechtmäßigkeit des gesamten Vorhabens entfalte und damit auch ihre Bergbauberechtigungen betroffen würden. Der Rahmenbetriebsplan sei rechtswidrig, weil die für das Planvorhaben erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht durchgeführt worden sei und ihnen dieser absolute Verfahrensfehler nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG - ein Recht auf Aufhebung der Entscheidung verleihe. Verletzt seien weiter atomrechtliche Verfahrensvorschriften, weil die Beigeladene tatsächlich bereits ein atomrechtliches Endlager errichte, ohne dass das dafür erforderliche Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden sei.
Der Antragsgegner hält demgegenüber die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für zutreffend. Auch dann, wenn man die Antragsbefugnis der Antragsteller bejahte, würden sie durch die Rahmenbetriebsplanzulassung in ihren Rechten nicht verletzt. Diese sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt UVP-pflichtig.
Auch die Beigeladene beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Es sei nicht ersichtlich, in welche Rechte der Antragsteller die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans, der im Kern unverändert das ursprüngliche Erkundungsprojekt beinhalte und es fortschreibe, eingreife oder welche solche Rechte sie gar verletze.
Antragsgegner und Beigeladene haben auf Anfrage des Gerichts erklärt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Rahmenbetriebsplans durch die aktuelle politische Diskussion über die Weitererkundung des Salzstocks Gorleben nicht entfallen sei. Die Erkundungsarbeiten seien nicht unterbrochen; eine dahingehende verbindliche Entscheidung des Bundesumweltministers gebe es nicht. Die Antragsteller stimmen dem nach ihrem Erkenntnisstand zu.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe rechtfertigen im Ergebnis keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses, § 146 Abs. 4 S. 3, S. 6 VwGO.
1. Der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ist allerdings zulässig.
Es übersteigt die Anforderungen des § 42 Abs. 2 VwGO, den Antragstellern bereits die Klagebefugnis abzusprechen. Diese Befugnis ist nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger bzw. Antragsteller behaupteten Rechte bestehen und ihm als subjektives Recht zustehen können (BVerwG, Urt. v. 20.04.1994 - 11 C 17.93 -, BVerwGE 95, 333 <336>, Posser/Wolff, VwGO, Rn. 175 und 176 zu § 42 m.w.N.).
Der Vortrag der Antragsteller reicht, wie mit der Beschwerde zutreffend geltend gemacht wird, aus, jedenfalls die Möglichkeit einer derartigen Verletzung eigener Rechte anzunehmen.
a.) Die Antragsteller verweisen in ihrer Beschwerde auf ihre Salzabbaugerechtigkeiten, § 149 Abs.1 Nr. 5 BBergG, die in einem späteren Verlauf der weiteren untertägigen Erkundung entgegenstehen könnten, und - zutreffend - darauf, dass der Rahmenbetriebsplan die Feststellung enthält, dass das Gesamtvorhaben voraussichtlich zulassungsfähig ist. Die Vorschrift des § 52 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesberggesetzes - BBergG -i.V.m. § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG entfaltet schon bei der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans drittschützende Wirkung u.a. zu Gunsten von Eigentümern, deren Grundstücke durch das Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen werden sollen. Liegen bereits bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans Umstände vor, die der Bergbehörde Anlass geben, die Aufsuchung oder Gewinnung nach dieser Vorschrift zu beschränken oder zu untersagen, so hat sie dies in Ergänzung des § 55 Abs. 1 BBergG zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 29.06.2006 - 7 C 11.05 -, BVerwGE 126, 205 <209>; für den - hier nicht vorliegenden - Fall des § 55 Abs. 1 Nr. 8 vgl. Nds.OVG, Urt. 17.07.2008 - 7 LC 53/05 -, DVBl. 2008, 1391<1393>). Nichts anderes kann für die Inanspruchnahme anderer dinglicher Rechte ("Gerechtigkeiten") von Grundeigentümern gelte. Ob die Feststellungen der angefochtenen Rahmenbetriebsplanzulassung diese Rechte - im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes: voraussichtlich - tatsächlich verletzen, ist eine Frage der Begründetheit der Klage wie auch des Antrags.
b) Ob die Antragsteller als nur möglicherweise in eigenen materiellen Rechten Verletzte nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 UmwRG zulässigerweise rügen können, eine UVP sei rechtswidrig unterblieben (dies insoweit offenlassend Nds.OVG, Beschl. v. 21.10.2008 - 7 ME 170/07 -, NuR 2009, 58 <60> m.w.N.; zur Problematik allgemein Kopp / Schenke, VwGO17, Rnr. 95 zu § 42, Fußnote 178 m.w.N.), kann unentschieden bleiben, weil, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dies eindeutig nicht der Fall ist. Wie im Folgenden näher ausgeführt wird, führen die mit der Beschwerde dargelegten und den erstinstanzlichen Vortrag lediglich wiederholenden Gründe insoweit zu keiner abweichenden Beurteilung.
2. Es bleibt bei der vom Verwaltungsgericht erkannten Erfolglosigkeit des Aussetzungsantrages, weil dieser jedenfalls unbegründet ist. Die Planzulassung verletzt, wie bereits im summarischen Verfahren offensichtlich wird, keine subjektiven Rechte der Antragsteller, so dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, wie vom Antragsgegner dargelegt, überwiegt. Die Beschwerdebegründung führt insoweit zu keiner abweichenden Bewertung.
a.) Die angefochtene Planzulassung greift nicht - und damit auch nicht rechtswidrig - in dingliche Gerechtigkeiten der Antragsteller zur Gewinnung von Salz (§§ 149 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 3 Abs. 3 S. 1 BBergG) ein.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Betriebsplan zwar auch Felder umfasst, an denen das Gewinnungsrecht besteht, dass er aber die Prüfung daraus möglicherweise erwachsender Abwehrrechte der Antragsteller ausdrücklich ausklammert und sie auf das Verfahren zur Zulassung des jeweiligen Hauptbetriebsplans verlagert, dem allein erst eine gestattende Wirkung zukommt. Ein derartiges Ausklammern ist zulässig, wenn im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung nicht bereits ausgeschlossen werden kann, dass der Bergbauunternehmer die Berechtigung nicht erlangen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.11.1995 - 4 C 14.94 -, BVerwGE 100,1, LS 2). Davon kann angesichts der Möglichkeit, alte Salzabbaugerechtigkeiten notfalls gegen Entschädigung zu enteignen, nicht ausgegangen werden. Ein derartiges Stadium hat die Erkundung im Übrigen noch nicht erreicht. Damit zusammenhängende Fragen werden mit der angefochtenen Rahmenbetriebsplanzulassung in keiner Weise präjudiziert.
Die Beschwerde behauptet im Grunde auch nichts Gegenteiliges, sondern versucht, daraus jedenfalls eine Betroffenheit in eigenen Rechten abzuleiten, die dann die Möglichkeit der zulässigen Rüge einer angeblich rechtswidrig unterlassenen UVP eröffnen soll. Materiell ist deshalb im Beschwerdeverfahren dazu nichts weiter auszuführen.
b.) Die Antragsteller haben - die Befugnis, dies geltend zu machen, einmal unterstellt -auch nach § 4 Abs. 1 S. 1 UmwRG keinen Aufhebungsanspruch deshalb, weil vor der Rahmenbetriebsplanzulassung eine UVP durchzuführen gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht hat dies zutreffend verneint; die Kritik der Beschwerde daran geht fehl.
aa.) Abwegig ist zunächst die wiederholte Behauptung, mit der Planzulassung werde ein atomrechtliches Endlager nach § 9a Abs. 3 S. 1 Atomgesetz - AtG - genehmigt, für das dann nach § 9b Abs. 2 AtG bzw. nach § 1 Nr. 7 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben - UVP-V Bergbau - eine UVP durchzuführen wäre. Unabhängig davon, dass diese Verordnung, wie unten ausgeführt wird, vorliegend gar nicht zur Anwendung gelangt, ist zu bekräftigen, dass das Erkundungsbergwerk weder rechtlich noch tatsächlich der Beginn der Errichtung einer Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Sinne der genannten Vorschrift ist. Das ist von der Rechtsprechung mehrfach bestätigt worden und bedarf keiner weiteren Ausführungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.11.1995 - 4 C 14.94 -, BVerwGE 100, 1 <10>). Die stete Wiederholung gegenteiliger Behauptungen hat keinen Erkenntniswert.
bb.) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht weiter die Notwendigkeit einer obligatorischen UVP nach den §§ 52 Abs. 2a S.1, 57a und 57b BBergG verneint. Nach Art. 2 S. 2 des Bergrechtsänderungsgesetzes v. 12.02.1990 (BGBl. I, 215) sind diese seinerzeit neu eingefügten Bestimmungen für Verfahren, die vor dem 01.08.1990 bzw. dem europarechtlich maßgeblichen Stichtag 03.07.1988 begonnen worden sind, vorliegend nicht anzuwenden. Das gilt auch für die Fälle, in denen ein Zulassungsverfahren bereits abgeschlossen und das Vorhaben ganz oder teilweise schon zugelassen ist. Um einen solchen Fall geht es hier. Denn schon die Rahmenbetriebsplanzulassung aus dem Jahre 1983 erfasste das Erkundungsbergwerk als Ganzes einschließlich der dazu gehörenden Salzhalde, wenn auch nur mit allgemeinen Angaben und rahmenmäßig, so aber doch rechtsverbindlich und mit Wirksamkeit über den 01.08.1990 hinaus (so ausdrücklich zum Erkundungsbergwerk Gorleben BVerwG, Urt. v. 02.11.1995, a.a.O., <6><7>). Das Verwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen und sie entgegen der Behauptung der Beschwerde auch nicht verkürzt dargestellt oder gar falsch verstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hält auch in neueren Entscheidungen und unter europarechtlichen Gesichtspunkten an seiner Auslegung insoweit fest (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.11.2005 - 7 B 26.05 -, [...] Langfassung, Rn. 19). Zutreffend weist in diesem Zusammenhang der Antragsgegner darauf hin, dass diese Übergangsregelung nichts damit zu tun hat, dass ein zugelassener Rahmenbetriebsplan über seine Geltungsdauer hinaus in der Tat keinerlei Bindungswirkung für die Zulassung einer beantragten weiteren Verlängerung hat. Für die Erteilung der Zulassung kommt es dann darauf an, ob die Voraussetzungen der §§ 55 Abs. 1, 48 Abs. 2 BBergG erfüllt sind. Nur auf dieser Grundlage haben dann inzwischen eingetretene Änderungen der Sach- oder Rechtslage Bedeutung; auch solche hat es bis dato aber nicht gegeben.
cc.) Wegen der aufgrund der Übergangsregelung gegebenen Nichtanwendbarkeit von § 52 Abs. 2a S. 1 i.V.m. § 57c S. 1 Nr. 1 BBergG bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob das Vorhaben der Beigeladenen eine "Gewinnung von ... sonstigen nichtenergetischen Bodenschätzen" im Sinne des - auf § 57c BBergG gründenden - § 1 Nr. 1 a) UVP-V Bergbau ist, wie die Antragsteller auch mit ihrer Beschwerde meinen, oder ob es sich um eine davon zu unterscheidende Erkundung handelt, wie es das Verwaltungsgericht angenommen hat (dies offenlassend auch BVerwG, Urt. v. 02.11.1995, a.a.O. <6>).