Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.02.2014, Az.: 10 LA 86/12

Verhinderung einer Vor Ort Kontrolle zur Überprüfung der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen durch Verweigerung der Mitwirkung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.02.2014
Aktenzeichen
10 LA 86/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 11229
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0213.10LA86.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 03.07.2012 - AZ: 6 A 492/11

Fundstelle

  • AUR 2014, 230-231

Amtlicher Leitsatz

Ein Betriebsinhaber macht eine Vor Ort Kontrolle zur Überprüfung der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bereits dann i. S. d. Art. 26 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 unmöglich, wenn er nach Ankündigung des Termins für eine solche Kontrolle seine notwendige Mitwirkung ohne hinreichenden Grund verweigert.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 3. Juli 2012 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 21.916,49 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13. April 2011 die Gewährung einer Betriebsprämie für das Jahr 2010 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger als Betriebsinhaber die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle unmöglich gemacht habe. Die zuständige Veterinärbehörde habe am 25. Mai, 13. September und 18. Oktober 2010 jeweils für den Folgetag eine Kontrolle angekündigt, ob der Kläger in seinem Betrieb u.a. die Cross-Compliance (= CC) relevanten Anforderungen an die Nutztierhaltung beachte. Die Kontrollen seien jedoch nicht durchgeführt worden, weil der Kläger angekündigt habe, aus Gründen nicht (dauernd) anwesend zu sein, die von der Beklagten als unzureichend oder nicht hinreichend belegt bewertet worden seien. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage auf Gewährung der Betriebsprämie abgelehnt. Die Beklagte habe zu Recht die Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 bejaht. Diese seien gegeben, wenn u.a. der Betriebsinhaber zumindest fahrlässig nicht alle Maßnahmen getroffen habe, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass die Vor-Ort-Kontrolle vollständig durchgeführt werden könne. Ein solcher Vorwurf treffe auch den Kläger. Die erste Kontrolle sei tatsächlich am 25. Mai 2010 für den Folgetrag angekündigt worden; soweit sich der Kläger auf eine Verhinderung für den 26. April 2010 berufe, sei dies also unerheblich. Eine krankheitsbedingte Verhinderung für den zweiten Kontrolltermin am 14. September 2010 sei nicht nachgewiesen. Schließlich sei er am 19. Oktober 2010, dem dritten Kontrolltermin, durch die Mitwirkung an oder die Überwachung von Mais-Erntearbeiten nicht gehindert gewesen, die CC-Prüfung in dem erforderlichen Umfang zu begleiten.

1. Ernstliche Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit dieser Entscheidung bestehen aus den vom Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrages vorgetragenen Gründen nicht.

Er vertritt die Ansicht, dass eine Vor-Ort-Kontrolle nur dann "unmöglich" gemacht werde, wenn die Prüfer tatsächlich vor Ort erschienen seien, unmittelbar mit der Kontrolle hätten beginnen wollen und dies misslungen sei. In dieser allgemeinen Annahme kann ihm nicht gefolgt werden. Wie sich aus der zu Art. 23 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 796/ 2004, der Vorgängervorschrift zu dem ab dem Jahr 2010 geltenden Art. 26 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009, ergangenen, zutreffend bereits vom Verwaltungsgericht als übertragbar angesehenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2013 - 3 C 25.12 -, [...], Rn. 44) ergibt, hat ein Betriebsinhaber eine Vor-Ort-Kontrolle nicht nur zu dulden, sondern aktiv an ihr mitzuwirken. Er hat den Kontrolleuren u.a. Zutritt zu Betriebsräumen zu gewähren sowie erbetene Auskünfte zu erteilen und erforderliche Unterlagen bereit zu halten (vgl. ergänzend OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.10.2013 - 16 A 641/11 -, [...]). Wenn der Betriebsinhaber oder ein sachkundiger Vertreter am vorgesehenen Kontrolltermin zu solchen notwendigen Mitwirkungshandlungen nicht bereit oder in der Lage ist, macht eine Kontrolle keinen Sinn. Sie ist dann "unmöglich", ohne dass die Kontrollbehörde noch den aussichtlosen Versuch ihrer Durchführung machen muss. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn es der Mitwirkung eines Dritten ersichtlich nicht bedarf. Ein solcher Ausnahmefall war hier jedoch nicht gegeben. Vielmehr hat das Veterinäramt des Landkreises D. als zuständige Kontrollbehörde die Anwesenheit des Betriebsinhabers oder einer anderen sachkundigen Person für notwendig erachtet (vgl. nur den Vermerk vom 9. August 2011).

Der Kläger dringt auch nicht mit seinem Einwand durch, dass Verwaltungsgericht habe seine Annahme, die erste Vor-Ort-Kontrolle habe am 26. Mai 2010 - wie von der Beklagten angeführt - und nicht am 26. April 2010 - wie vom Kläger geltend gemacht - stattfinden sollen, nicht hinreichend i. S. d. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO begründet. Das Verwaltungsgericht hat dazu auf die "Unterlagen und Stellungnahmen des Veterinäramtes" verwiesen. Damit waren die zusammenfassenden Stellungnahmen vom 9. August 2001 und 5. März 2012 sowie die in der letztgenannten Stellungnahme ausdrücklich in Bezug genommenen "Unterlagen" gemeint; dies waren ein Vermerk des Tierarztes Dr. E. vom 18. Oktober 2010, ein Auszug aus einer Aufstellung über die von Tierärzten des Veterinäramtes D. am 26. und 27. Mai 2010 durchzuführenden "CC-Kontrollen" und insbesondere die Kopie aus dem Terminkalender von Dr. E. vom 26. Mai 2010. Jedenfalls nach den beiden letztgenannten, zeitnah und hinsichtlich der Mai-Termine nicht rückwirkend erstellten Unterlagen kann ein Versehen des Landkreises D. ausgeschlossen werden. Denn diese Unterlagen bezogen sich auf mehrere am 26. und 27. Mai 2010 jeweils in C., dem Betriebssitz des Klägers, zu kontrollierende, namentlich genannte Betriebe und es ist nicht ersichtlich, wie es bei allen gleichzeitig zu Verwechselungen mit dem Vormonat gekommen sein soll.

Der Kläger wendet sich weiterhin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass "auch die Absage des zweiten Termins vom ihm nicht hinreichend entschuldigt worden sei." Hierauf kommt es jedoch schon nicht mehr entscheidungserheblich an. Denn bereits der schuldhafte Abbruch einer Vor-Ort-Kontrolle durch den Betriebsinhaber verwirklicht den streitigen Versagungsgrund (vgl. BVerwG, a. a. O., Leitsatz 3). Dementsprechend macht ein Betriebsinhaber eine Vor-Ort-Kontrolle bereits dann "unmöglich", wenn er einmal ohne hinreichenden Grund die Mitwirkung an einer angekündigten und deshalb nicht durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle ablehnt; einer mehrfachen unbegründeten Ablehnung bedarf es nicht. Unabhängig hiervon steht der Kontrollbehörde auch nicht die vom Kläger sinngemäß geltend gemachte Dispositionsbefugnis zu, über die hinreichende Entschuldigung für die fehlende Mitwirkung des Betriebsinhabers bei einer CC-relevanten Vor-Ort-Kontrolle zu entscheiden. Denn nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 sind die spezialisierten Kontrolleinrichtungen, hier demnach das Veterinäramt des Landkreises D., zuständig für die Durchführung der Kontrollen in Bezug auf die Einhaltung der betreffenden Anforderungen und Normen. Demgegenüber verbleibt bei den Zahlstellen, hier also der Beklagten, gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 die Zuständigkeit für die Festsetzung der in den Einzelfällen vorzunehmenden Kürzungen oder Ausschlüsse gemäß Titel IV Kapitel III. Demnach ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, ob die spezialisierten Kontrolleinrichtungen oder die Zahlstellen über eine Beihilfeversagung nach Art. 26 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 entscheiden. Nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Norm obliegt diese Entscheidung, wie hier erfolgt, aber der Zahlstelle. Sie hat auf der Grundlage des Kontrollberichts über sich daraus ergebende Rechtsfolgen umfassend zu entscheiden; dies schließt die Entscheidungsbefugnis über das Vorliegen eines geltend gemachten Entschuldigungsgrundes für eine fehlende Mitwirkung ein. Der Kläger hat jedoch keine Nachweise dafür erbracht, am 14. September 2010 krankheitsbedingt an einer Mitwirkung gehindert gewesen zu sein. Sollte er sich darauf berufen wollen, irrtümlich geglaubt zu haben, einen solchen Nachweis nicht führen zu müssen, so kann offen bleiben, ob er sich überhaupt erfolgreich auf einen solchen Rechtsirrtum berufen könnte. Jedenfalls ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, warum ein solcher Irrtum für den Kläger unvermeidbar war. Allein die fehlende Anforderung von Attesten durch das Veterinäramt rechtfertigt diese Schlussfolgerung nicht.

Im Übrigen hat der Kläger auch seine unzureichende Mitwirkung an dem dritten, für den 19. Oktober 2010 geplanten Kontrolltermin nicht hinreichend entschuldigt. Der Verweis des Klägers darauf, dass er sich mit dieser Kontrolle letztlich doch einverstanden erklärt habe, geht am Kern des Vorwurfs vorbei, er "habe die CC-Prüfung nicht in dem erforderlichen Umfang begleiten" wollen. Der Vorwurf lautet also nicht, dass er eine Prüfung grundsätzlich abgelehnt hat, sondern dass er oder ein sachkundiger Vertreter nicht zur gebotenen Mitwirkung bereit war. Denn der Kläger selbst hätte wegen der Begleitung oder Überwachung von Mais-Erntearbeiten nicht zuverlässig für erforderliche Auskünfte zur Verfügung gestanden und seine Ehefrau wäre nach ihren Angaben zu solchen Auskünften nicht in der Lage gewesen. Dass die Erntearbeiten der Mitwirkung in dem erforderlichen Umfang zwingend entgegenstanden haben und ihnen Vorrang gegenüber der Mitwirkung zukam, hat das Verwaltungsgericht nicht feststellen können.

2. Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.

Die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage, ob das "Unmöglichmachen" i. S. d. Art. 26 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 (generell) voraussetzt, dass die Prüfer tatsächlich vor Ort erscheinen, kann nach den vorherigen Ausführungen ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens verneint werden.

Ebenso wenig kommt dem weiteren Teil der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob für ein solches "Unmöglichmachen" bereits der von dem Betriebsinhaber vorgetragene Wunsch für eine Verlegung ausreicht. Der Kontrolltermin wird von den zuständigen Behörden nach Art. 27, 47 ff. Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 festgelegt und unterliegt deshalb nicht der Vereinbarung mit dem Betriebsinhaber oder dessen Wünschen. Damit ist noch nicht gesagt, dass jede Terminsabsage bereits zur Beihilfeversagung nach Art. 27 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 führt. Entscheidend ist vielmehr, ob für eine solche Absage hinreichende Gründe bestehen. Diese Gründe können nicht abschließend benannt werden, zumal für den Betriebsinhaber keine Verpflichtung besteht, jederzeit auf dem Hof erreichbar zu sein (vgl. EuGH, Urt. v. 16.6.2011 - C-536/09 -, Slg. 2011, I-5367 Rn. 44). Ausreichend sind jedenfalls die in Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 i. V. m. Art. 31 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 bezeichneten Fälle höherer Gewalt bzw. außergewöhnlicher Umstände. Soweit der jeweilige Betriebsinhaber Rechtssicherheit über die Anerkennung eines geltend gemachten Absagegrundes begehrt, hat er sich nach den vorherigen Ausführungen an die zuständige Zahlstelle zu wenden.

3. Schließlich liegt aus den zuvor genannten Gründen in der Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf die Stellungnahmen und Unterlagen des Veterinäramtes weder ein Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO noch würde hierauf - wie für die Zulassung der Berufung erforderlich - das Urteil beruhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).