Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.02.2014, Az.: 11 LC 228/12

Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme als inzident zu prüfende Voraussetzung für die Gebührenpflicht im Streit über die Erhebung von Gebühren für die Unterbringung im polizeilichen Gewahrsam; Heranziehung zu Kosten einer Ingewahrsamnahme

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.02.2014
Aktenzeichen
11 LC 228/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 11218
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0224.11LC228.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 18.07.2012 - AZ: 10 A 1994/11

Fundstellen

  • DÖV 2014, 495-496
  • Jura 2015, 316
  • Life&Law 2014, 912-913
  • NVwZ-RR 2014, 552-557
  • NdsVBl 2014, 218-222
  • NordÖR 2014, 346-351
  • Polizei 2014, 151
  • RÜ 2014, 326

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Wird eine amtsrichterliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer polizeilichen Ingewahrsamnahme nicht getroffen, ist im Streit über die Erhebung von Gebühren für die Unterbringung im polizeilichen Gewahrsam die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme eine inzident zu prüfende Voraussetzung für die Gebührenpflicht.

  2. 2.

    Der Eingriffsgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) EMRK bietet keine ausreichende Grundlage für die Rechtfertigung einer Freiheitsentziehung im Wege eines polizeilichen Präventivgewahrsams.

  3. 3.

    Der polizeiliche Präventivgewahrsam kann nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b) EMRK gerechtfertigt sein.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 4. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der im Jahr 1992 geborene Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme.

Am 5. Februar 2011 fand in Hannover um 15.30 Uhr das Fußballbundesligaspiel von Hannover 96 gegen VfL Wolfsburg statt. Im Vorfeld der Begegnung kam es am Vormittag dieses Tages gegen 10.30 Uhr zu einem Angriff von Angehörigen der Ultra-Gruppe der Heimmannschaft gegen Ultra-Fans des Gegners. Nach polizeilichen Ermittlungen warfen aus einer Gruppe von bis zu 50 Personen hannoversche Fans zuvor an einer Baustelle aufgenommene Steine und Teile der Baustellenabsperrung in Richtung des Lokals "E." in der Altstadt von Hannover, in dem sich zu diesem Zeitpunkt bis zu 150 Wolfsburger Fans aufhielten. Dabei gingen Fensterscheiben der Gaststätte zu Bruch. Außerdem zündeten die hannoverschen Fans Knallkörper und entfachten bengalisches Feuer. Nach Beendigung des Angriffs gelang es Einsatzkräften der Polizei, einzelne Personen aus der Gruppe der hannoverschen Ultras zu verfolgen und festzunehmen. Darunter befand sich der Kläger. Mit anderen Festgenommenen wurde er in den Polizeigewahrsam überführt.

In seiner Beschuldigtenvernehmung, die am Vorfallstag um 13.14 Uhr begann und um 13.58 Uhr endete, ließ sich der Kläger dahingehend ein, dass er zwar der Gruppe angehört habe, aus der heraus die Lokalität, in der sich die Wolfsburger Fans aufgehalten hätten, angegriffen worden sei. Er selbst habe aber nichts gemacht. Er habe auch nicht gesehen, wie Scheiben eingeworfen worden seien. Er sei seit zwei Jahren Mitglied bei den Ultras Hannover. Eine Führungsperson dieser Gruppierung sei ihm nicht bekannt.

In einem Telefonat mit dem Bereitschaftsrichter um 13.10 Uhr am 5. Februar 2011 suchten die ermittelnden Polizeibeamten um eine richterliche Vorführung des Klägers und anderer in Gewahrsam genommener Personen nach. Der Richter erklärte, dass er bis etwa 16.00 Uhr mit Haftanträgen in anderen Sachen beschäftigt sei. Bei einer weiteren, für 16.00 Uhr vereinbarten Rücksprache teilte der Richter mit, dass eine Vorführung der in Gewahrsam genommenen Personen bis 16.10 Uhr wegen der vorrangigen Befassung mit der Verkündung von Haftbefehlen nicht möglich sei und auch danach bis 17.20 Uhr nicht sichergestellt werden könne. Nach einem polizeilichen Vermerk entschied der zuständige Richter, dass die in Gewahrsam genommenen Personen noch am selben Tag ab 17.20 Uhr nach Beendigung der Bundesligapartie in angemessenen Zeitabständen zu entlassen seien. Der Kläger wurde um 18.00 Uhr aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen.

Nach vorheriger Anhörung zog die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 18. April 2011 zu den Kosten der Unterbringung im Polizeigewahrsam am 5. Februar 2011 in Höhe von 25,-- EUR heran.

Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und weitere Beschuldigte wegen Landfriedensbruchs stellte die Staatsanwaltschaft Hannover mit Verfügung vom 25. April 2011 (F.) gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Es wurde vermerkt, dass dem Kläger eine konkrete Tatbeteiligung im Rahmen der Auseinandersetzung an der Gaststätte in der Altstadt von Hannover nicht nachzuweisen sei.

Am 10. Mai 2011 hat der Kläger gegen seine kostenrechtliche Heranziehung Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Es habe keinen Grund für seine Unterbringung im polizeilichen Gewahrsam gegeben. Seine Ingewahrsamnahme sei unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - .

Der Kläger hat beantragt,

den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 18. April 2011 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert: Der Kläger sei im Zusammenhang mit dem Fußballspiel von Hannover 96 gegen den VfL Wolfsburg zur Verhinderung weiterer Auseinandersetzungen zwischen den gewaltbereiten Fans beider Clubs in Gewahrsam genommen worden.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2012 (- 10 A 1494/11 -, NVwZ-RR 2012, 925, [...]) die Klage abgewiesen. Zur Begründung des dem Kläger am 30. Juli 2012 zugestellten Urteils hat es ausgeführt: Der Kläger sei zu den Kosten seiner Ingewahrsamnahme heranzuziehen. Er habe nach den kostenrechtlichen Vorschriften Anlass zu der Amtshandlung gegeben. Für die Unterbringung im Polizeigewahrsam werde nach der maßgeblichen Gebührenordnung je angefangener Tag eine Gebühr von 25,-- EUR erhoben. Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme sei das Verwaltungsgericht im Wege der Inzidentkontrolle berufen, da eine zivilgerichtliche Entscheidung zu dieser Frage nicht ergangen sei. Die als Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamnahme in Betracht zu ziehende Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG sei sowohl verfassungsgemäß als auch mit der EMRK vereinbar. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK sei eine freiheitsentziehende Maßnahme zulässig, wenn sie - wie hier - die Verhinderung einer Straftat bezwecke. Außerdem sei das weitere Tatbestandsmerkmal der völkervertragsrechtlichen Vorschrift erfüllt, wonach die Freiheitsentziehung der Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde zu dienen habe. Diesem Zweck werde § 19 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG gerecht, der die Polizei verpflichte, im Falle einer Freiheitsentziehung unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung zu beantragen. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte - EGMR - zu deutschen landesrechtlichen Vorschriften, die den Polizeigewahrsam regelten, begründe nicht eine Unvereinbarkeit der niedersächsischen Regelung mit der EMRK. Der EGMR habe zwar in zwei Verfahren entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK Freiheitsentziehungen ausschließlich im Rahmen von Strafverfahren erlaube. Eine über die bloße Pflicht zur Berücksichtigung hinausgehende Bindungswirkung entfalteten die in beiden Urteilen enthaltenen Feststellungen jedoch nicht. In beiden Fällen habe sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht auf die zitierte Aussage erstreckt. Darüber hinaus spreche auch der Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK für die Zulässigkeit eines rein präventiven Gewahrsams. Wäre für die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung Voraussetzung, dass bereits eine Straftat begangen worden sei, bliebe die hier in Bezug genommene Variante der Norm ohne Anwendungsbereich. Zudem gebiete es auch die von der Konvention anerkannte Pflicht des Staates zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit gegenüber der Allgemeinheit, vorbeugende Maßnahmen zur Unterbindung von konkreten Straftaten aus Gründen des Opferschutzes zu ergreifen. Die Ingewahrsamnahme des Klägers am 5. Februar 2011 für etwa vier Stunden sei unerlässlich gewesen, um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen einer Gruppe der hannoverschen Fans gegenüber Fußballfans des VfL Wolfsburg am Vormittag des Vorfallstages sei aus der maßgeblichen Sicht der vor Ort eingesetzten Polizeibeamten zu befürchten gewesen, dass sich gewaltbereite hannoversche Fans wieder verabredeten und erneut versuchen würden, Wolfsburger Fans anzugreifen. Die Polizeibeamten hätten auch davon ausgehen müssen, dass der Kläger sich an der Begehung weiterer Straftaten beteiligen würde. Er habe der Gruppe hannoverscher Fans angehört, aus der heraus am Vormittag Straftaten verübt worden seien. Als Ultra-Mitglied wisse er um die Gewaltbereitschaft eines Teils der Gruppenmitglieder und unterstütze diese durch seine Mitgliedschaft in der Fangruppe und seine Anwesenheit vor Ort wenigstens psychisch. Ein anderes gleich geeignetes Mittel zur Verhinderung von Straftaten habe der Polizei nicht zur Verfügung gestanden.

Hiergegen hat der Kläger am 8. August 2012 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Berufung wird wie folgt begründet: Der Kläger habe nicht zur Verhinderung möglicher Straftaten für sechs Stunden eingesperrt werden dürfen. Es stelle sich schon die Frage, ob die Regelung des Gewahrsams in § 18 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG verhältnismäßig sei, soweit die polizeiliche Ingewahrsamnahme bereits bei Vorliegen einer Gefahr statthaft sei, also eines Sachverhalts, bei dem es nur möglicherweise zu einer Beeinträchtigung eines allgemeinen Interesses komme. Die allgemeine Vermutung, der Betroffene werde sich künftig kriminell verhalten, reiche jedenfalls für die Anordnung einer Haft nicht aus. Er sei an den Auseinandersetzungen zwischen Fans der beiden Fußballclubs nicht beteiligt gewesen. Die Freiheitsentziehung sei auch unverhältnismäßig gewesen. Als milderes Mittel sei ein Aufenthaltsverbot für das Stadtgebiet von Hannover in Betracht gekommen, mit dem ebenso wirkungsvoll wie mit einer Ingewahrsamnahme eine Beteiligung des Klägers an etwaigen weiteren Auseinandersetzungen zwischen den Fans der beiden Fußballclubs hätte verhindert werden können. Im vorliegenden Fall sei von der Polizei auch nicht unverzüglich eine die Freiheitsentziehung rechtfertigende richterliche Entscheidung nachgeholt worden. Der in § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG verankerte Präventivgewahrsam sei nach der EMRK und nach der Rechtsprechung des EGMR rechtswidrig. Deutsche Gerichte hätten Entscheidungen des EGMR zur Kenntnis zu nehmen und dessen Erwägungen in ihre Willensbildung einzubeziehen. Die Entscheidungsgründe des EGMR entfalteten Bindungswirkung, sofern ihnen - wie im vorliegenden Fall - Aussagen zu entnehmen seien, die über den Einzelfall hinausgingen. Das erstinstanzliche Urteil missachte die Aussagen in dem Urteil des EGMR vom 1. Dezember 2011 - 8080/08 und 8577/08 - zu einer polizeilichen Ingewahrsamnahme im Zuge des G8 - Gipfels in Heiligendamm. Nach der Rechtsprechung des EGMR erlaube der Haftgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK Freiheitsentziehung nur im Zusammenhang mit strafrechtlichen Verfahren und nicht als vorbeugende Maßnahme zum Schutz potentieller Opfer vor konkreten Straftaten und zum Schutz der Allgemeinheit im Vorfeld noch straffreier Vorbereitungshandlungen zu einer Straftat. Entgegen der Vorgabe in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK benenne das verwaltungsgerichtliche Urteil außerdem weder Ort und Zeit noch weitere Umstände einer durch die Freiheitsentziehung konkret zu verhindernden Straftat und lasse damit eine abstrakte Gefahr für die Ingewahrsamnahme ausreichen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 18. Juli 2012 den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 18. April 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Am Vorfallstag seien im Zuge zu erwartender weiterer Konfrontationen zwischen rivalisierenden Fangruppen beider Vereine hinreichend konkrete und spezifische Straftaten zu befürchten gewesen. Ein Aufenthaltsverbot sei kein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr, weil die effektive Kontrolle und Durchsetzung einer solchen Maßnahme durch die Polizei im Laufe eines Bundesligaspieltages kaum möglich sei. Die Aussage in Entscheidungen des EGMR, eine Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK sei nur in Verbindung mit einem Strafverfahren zulässig, habe bisher in keinem Fall an der Rechtskraftwirkung der Entscheidung teilgenommen, weil sie nicht zu den den gerichtlichen Ausspruch tragenden Entscheidungsgründen gehört habe. Außerdem könne aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK bei einer Zusammenschau mit Abs. 3 dieser Vorschrift lediglich das Gebot abgeleitet werden, die Freiheitsentziehung richterlich überprüfen zu lassen. Dem trage die niedersächsische Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG Rechnung. Soweit der EGMR im Falle eines deutschen Hooligans während des Berufungsverfahrens mit Urteil vom 7. März 2013 - 15598/08 - mit der Mehrheit der Richterstimmen entschieden habe, dass der dort zu entscheidende Fall eines Präventivgewahrsams zwar nicht aufgrund der Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK, sondern aufgrund der Bestimmung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b EMRK gerechtfertigt werden könne, überzeuge diese Entscheidung nicht. Sie könne zu einer deutlichen Lücke im Gefahrenabwehrrecht führen. Überzeugender seien die Ausführungen im Minderheitenvotum zu dem vorerwähnten Urteil des EGMR zur Anwendbarkeit der Fallgruppe des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK. Soweit der EGMR zur Rechtfertigung einer polizeilichen Ingewahrsamnahme nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b EMRK zusätzlich vor der Freiheitsentziehung eine Weisung oder Warnung durch die Polizei verlange, sei hier am Vorfallstag eine solche zusätzliche Maßnahme der Polizei in Form einer besonderen Ansprache oder eines Platzverweises nicht notwendig gewesen, weil der Kläger eindeutige und aktive Schritte unternommen habe, die auf einen Verstoß gegen seine Verpflichtung zur Friedlichkeit hingedeutet hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakten sowie auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten und auf die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hannover (1873 Js 26715/11) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2011, mit dem der Kläger zu den Kosten seiner Ingewahrsamnahme in Höhe von 25,-- EUR herangezogen wird, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers sind die §§ 1, 3 und 5 NVwKostG i.V.m. Ziff. 108.2.2 der Anlage zu der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen - AllGO -. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NVwKostG werden für Amtshandlungen in Angelegenheiten der Landesverwaltung Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Kostenschuldner ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG derjenige, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Der Kläger hat zu einer gebührenpflichtigen Amtshandlung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG Anlass gegeben. Nach Ziff. 108.2.2 der Anlage zur AllGO ist für die "Unterbringung im Polizeigewahrsam je angefangener Tag (24 Stunden)" eine Gebühr von 25,-- EUR zu erheben. Der Kläger war am 5. Februar 2011 vorübergehend im Gewahrsam der Beklagten, einer Polizeibehörde im Bereich der Landesverwaltung, untergebracht.

Die zugrunde liegende Amtshandlung ist rechtmäßig. Erledigt sich - wie hier - die polizeiliche Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Heranziehungsbescheides auch die die Erhebung verursachende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (BVerfG, Beschl. v. 29.7.2010 - 1 BvR 1634/04 -, NVwZ 2010, 1482, [...], Rn. 49 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.9.2004 - 1 S 2206/03 -, NVwZ-RR 2005, 540, [...], Rn. 57, und Urt. v. 17.3.2011 - 1 S 2513/10 -, DVBl. 2011, 626, [...], Rn. 22; VG Oldenburg, Urt. v. 26.6.2012 - 7 A 2830/12 -, [...], Rn. 15; vgl. bereits Senatsurt. v. 26.1.2012 - 11 LB 226/11 -, NordÖR 2012, 355, [...], Rn. 22, zur Kostenpflicht bei polizeilicher Beförderung einer hilflosen Person). Da sich im vorliegenden Fall die mehrstündige Ingewahrsamnahme des Klägers mit seiner Entlassung um 18.00 Uhr am selben Tag erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Gebührenpflicht des Klägers.

Die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme des Klägers gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann u.a. die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG ist nicht verfassungswidrig. Der Kläger sieht zu Unrecht einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darin, dass die Vorschrift die Möglichkeit der Ingewahrsamnahme an das Vorliegen einer Gefahr knüpfe, also eines Sachverhaltes, bei dem es nur möglicherweise zu einer Beeinträchtigung eines allgemeinen Interesses komme. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2010 (- 1 BvR 1634/04 -, a.a.O., [...], Rn. 57) verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 18 Abs. 1 Nr. 2 SOG nicht erhoben (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 26.6.1997 - 2 BvR 126/91 -, [...]). Auch nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung verletzt eine landesrechtliche Vorschrift, die die Anwendbarkeit des Mittels der polizeilichen Ingewahrsamnahme davon abhängig macht, dass die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung unmittelbar bevorsteht und diese Straftat nur durch die Ingewahrsamnahme verhindert werden kann, nicht den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerwG, Urt. v. 26.2.1974 - I C 31.72 -, BVerwGE 45, 51, [...], Rn. 34; Bay.VerfGH, Entsch. vom 2.8.1990 - Vf 3 VII 89 u.a. - , NVwZ 1991, 664, [...]). § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben, indem er die polizeiliche Ingewahrsamnahme zur Verhinderung einer "unmittelbar" bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zulässt und die Maßnahme "unerlässlich" sein muss. Weitere Begrenzungen ergeben sich daraus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß § 4 Nds. SOG zu beachten ist.

Der Kläger wurde am 5. Februar 2011 in den polizeilichen Gewahrsam genommen. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (BVerfG, Beschl. v. 15.5.2002 - 2 BvR 2292/00 -, BVerfGE 105, 239, [...], Rn. 23 und 28, zur Abschiebungshaft; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2011 - 1 S 2513/10 -, a.a.O., [...], Rn. 24). Dem Kläger wurde am Vorfallstag vorübergehend die Freiheit entzogen. Dies folgt aus Intensität und Dauer der gegen ihn ergriffenen, seine körperliche Bewegungsfreiheit nach allen Richtungen aufhebenden Maßnahme. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger bereits mit seiner Festnahme am 5. Februar 2013 in der Zeit zwischen 10.35 Uhr und 11.05 Uhr in einen auf § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG gestützten Gewahrsam der Polizei genommen wurde. Zweifel hieran könnten bestehen, weil der Kläger laut dem polizeilichem Vermerk vom PHK G., Polizeiinspektion H., vom 11. März 2011 nach seiner Festnahme mit weiteren vier festgenommenen Personen zunächst "zur weiteren Klärung des Sachverhaltes und Durchführung der ersten Ermittlungen" zu einer "vorläufigen Gefangenensammelstelle" gebracht und danach in die Polizeidienststelle überführt worden war. Jedenfalls ab 13.10 Uhr befand sich der Kläger in einem polizeilichen Gewahrsam im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG. Zu diesem Zeitpunkt nahm der ermittelnde PHK I. vom Polizeikommissariat J. laut Vermerk vom 5. Februar 2011 Kontakt zu dem Bereitschaftsrichter des Amtsgerichts Hannover auf und teilte diesem den aktuellen Sachstand hinsichtlich der "im Rahmen des Fußballeinsatzes festgenommenen bzw. in Gewahrsam genommenen Personen" mit. Die Ingewahrsamnahme des Klägers endete am 5. Februar 2011 um 18.00 Uhr.

Mit der Ingewahrsamnahme des Klägers wurde die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat verhindert. Der Begriff der "unmittelbar bevorstehenden Begehung" einer Straftat ist vor dem Hintergrund des hohen Ranges der Freiheit der Person auszulegen. Zu den Belangen des Gemeinwohls, gegenüber denen die Freiheit des Einzelnen unter Umständen zurücktreten muss, gehört der Schutz der Allgemeinheit und einzelner vor mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Straftaten. Der Begriff "unmittelbar bevorstehend" ist gleichzusetzen mit "unmittelbar bevorstehende Gefahr" oder "gegenwärtige Gefahr" im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchst. b Nds. SOG. Hieraus ergeben sich besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts. Darüber hinaus stellt der Begriff im Regelfall strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad. Demgemäß müssen nachvollziehbare, bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird (BVerwG, Urt. v. 26.2.1974 - I C 31.72 -, a.a.O., [...], Rn. 32; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 8.12.2011 - 5 A 1045/09 -, [...], Rn. 37). Das Verwaltungsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme Straftaten des Klägers von erheblichem Gewicht in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren.

Der Kläger gehörte einer Gruppe hannoverscher Ultras an, aus der heraus Täter am Vormittag des 5. Februar 2011 Landfriedensbruch, versuchte Körperverletzung und Sachbeschädigung begingen. Die (Gewalt-) Delikte richteten sich gegen Fußballfans des VfL Wolfsburg, die sich zum Zeitpunkt des Tatgeschehens in der Lokalität "E." in der Altstadt von Hannover aufhielten. Aus der Gruppe der hannoverschen Ultras wurden Steine und Teile einer Baustellenabsperrung auf die Außenwand des Lokals geworfen. Dabei wurden Fensterscheiben der Gaststätte zerstört. Die Randalierer entzündeten Knallkörper und entfachten ein bengalisches Feuer. Aus der maßgeblichen ex ante-Sicht der am Vorfallstag handelnden Polizeibeamten war zu befürchten, dass die hannoverschen Ultras nach Abschluss des Angriffs auf das Altstadtlokal "E." im weiteren Tagesverlauf bis zur Beendigung des für 15.30 Uhr angesetzten Fußballbundesligaspiels zwischen Hannover 96 und dem VfL Wolfsburg erneut die gewalttätige Auseinandersetzung mit Wolfsburger Fußballfans suchen würden. Dafür spricht zunächst, dass der Angriff der Ultras aus Hannover nach polizeilichen Ermittlungen lediglich eine Minute dauerte und sich die Personengruppe danach trennte und auf unterschiedlichen Wegen den Tatort verließ. Es handelte sich um ein erstes Aufeinandertreffen, dem weitere Tathandlungen folgen sollten. Dies ergibt sich daraus, dass sich die hannoverschen Ultras nach polizeilichen Erkenntnissen (vgl. den Vermerk von PHK G. vom 11.3.2011) durch die Ultragruppierung der Wolfsburger Fans provoziert fühlten, weil diese mit der "E." eine Gaststätte in unmittelbarer Nähe der Lokale "K." und "L." aufsuchten, die als Treffpunkte der hannoverschen Ultraszene bekannt sind. Ungewöhnlich war nach dieser polizeilichen Bewertung auch, dass sich die Ultras von Hannover 96, für ein Heimspiel untypisch, bereits am Vormittag um 9.00 Uhr in der Gaststätte des Postsportvereins an der Bult trafen. Dieses Verhalten kann nur so verstanden werden, dass dort das strategische Vorgehen gegen die Wolfsburger Ultras abgestimmt werden sollte. Wäre die Polizei nicht eingeschritten und hätte sie nicht mehrere Personen aus der Gruppe der hannoverschen Ultras festgenommen, wäre die Begehung weiterer Straftaten in allernächster Zeit zu befürchten gewesen.

Die vor Ort eingesetzten Polizeibeamten mussten auch davon ausgehen, dass der Kläger sich an der Begehung weiterer Straftaten beteiligen würde. Dieser polizeilichen Prognose lag zugrunde, dass der Kläger der Gruppe angehörte, aus der heraus am Vormittag des 5. Februar 2011 die angesprochenen Straftatbestände im Umfeld der Gaststätte "E." verübt wurden, und er nach Abschluss des Angriffs mit anderen Personen vom Tatort floh. Das Verwaltungsgericht hat ferner dem Umstand erhebliches Gewicht beigemessen, dass der Kläger bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 5. Februar 2011 angegeben hat, seit zwei Jahren den Ultras aus Hannover anzugehören. Die Ultrabewegung grenzt sich zwar von den Hooligans ab, bei denen die gewalttätige Auseinandersetzung mit anderen Gruppen im Vordergrund steht und Fußballspiele nur den Anlass dazu bieten. Bei einzelnen Ultra-Gruppierungen ist der Einsatz von Gewalt aber ein akzeptiertes Mittel im Rahmen der Auseinandersetzung mit gegnerischen Fangruppen. Angesichts der vorliegenden polizeilichen Erkenntnisse sind die Ultras aus Hannover den Gruppierungen zuzurechnen, die Konflikte mit Ultras anderer Fußballmannschaften mit Gewalt austragen wollen.

Von dem Kläger war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Tatbeitrag bei der Begehung weiterer Straftaten durch die hannoverschen Ultras zu erwarten. Bezogen auf die Ereignisse rund um die Gaststätte "E." konnte ihm zwar keine konkrete Beteiligung am strafbaren Geschehen nachgewiesen werden. Es war jedoch zu befürchten, dass sich der Kläger nach seiner Flucht vom Tatort anderen Orts erneut mit Mitgliedern der hannoverschen Ultras zur Verabredung und Verwirklichung weiterer Straftaten einfinden würde. Als Mitglied der hannoverschen Ultras gehört er einem Personenkreis an, der regelmäßig durch Gewaltbereitschaft insbesondere gegenüber ebenfalls gewaltbereiten Fans einzelner anderer Fußballmannschaften auffällt. Kennzeichnend für solche Gruppierungen ist der große Zusammenhalt ihrer Mitglieder untereinander und ihr geschlossenes Auftreten nach außen.

Die von diesem Personenkreis verübten Straftaten haben zudem ein typisches Erscheinungsbild. Es handelt sich im Regelfall um Delikte wie Körperverletzung oder Sachbeschädigung, die aus einer homogenen Gruppe heraus in die Wege geleitet und im Einzelfall auch gesteigert werden. Typisch in diesem Sinne ist auch die Begehung eines Landfriedensbruches gemäß § 125 StGB. Strafbar ist nach Abs. 1 dieser Vorschrift, wer sich an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen (1.) oder Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit (2.), die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern. Im Rahmen der drei Tatvarianten dieser strafrechtlichen Bestimmung kann Täter eines gewalttätigen Landfriedensbruchs (Abs. 1 Alt. 1) und eines bedrohenden Landfriedensbruchs (Abs. 1 Alt. 2) sein, wer den eigentlichen Gewalttäter deckt, zur Ermöglichung weiterer Aktionen von der Polizei abschirmt oder durch anfeuernde Zurufe, aber auch schon durch ein ostentatives sich Anschließen in seinem Vorhaben bestärkt (Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., 2010, § 125, Rn. 14 und 15). Mit der Tatbestandsvariante des aufwieglerischen Landfriedensbruchs (Abs. 1 Alt. 3) werden "die Anheizer", die den friedensstörenden Charakter der Menschenmenge schaffen oder stärken, als Täter erfasst, auch wenn ihnen eine Einwirkung zur Begehung bestimmter Ausschreitungen oder eine Beteiligung an diesen selbst nicht nachgewiesen werden kann (Schönke/Schröder, a.a.O., § 125, Rn. 19). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme des Klägers die gegenwärtige Gefahr bestehen musste, dass der Kläger nicht unbedingt selbst gewalttätig wird, sondern sich darauf beschränkt, die Gewaltbereitschaft von anderen Mitgliedern der hannoverschen Ultras zu fördern und für diejenigen, die persönlich Gewalt anwenden, eine zumindest psychologische Stütze darzustellen. Ein solcher strafrechtlich zu ahndender Tatbeitrag des Klägers wäre nach seinem Vorverhalten als Mitläufer in einer 50 Personen umfassenden Gruppe der hannoverschen Ultras, aus der heraus Gewalttätigkeiten am Vorfallstag verübt wurden, ohne Einschreiten der Polizei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen.

Unerheblich ist, dass der Kläger vorher noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Klägers kann darauf zurückzuführen sein, dass die Polizei inzwischen durch ihr taktisches Vorgehen bei Fußballspielen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans wirksam bekämpfen kann. Angesichts der in der Gerichtsakte und der beigezogenen strafrechtlichen Ermittlungsakte dokumentierten polizeilichen Erkenntnisse hat das Verwaltungsgericht die Einlassung des Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung, er habe am Morgen noch gar nicht gewusst, dass die Wolfsburger schon in der Stadt seien, er habe überhaupt nichts gemacht und sei weggelaufen, als er gesehen habe, wie ein Stuhl und eine Leuchtrakete geflogen seien, zu Recht als Schutzbehauptung gewertet.

Die Ingewahrsamnahme des Klägers war auch "unerlässlich" im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG. Der Begriff "unerlässlich" bedeutet, dass das Mittel der polizeilichen Ingewahrsamnahme nur angewendet werden darf, wenn es zur Verhinderung der befürchteten Straftat geeignet und erforderlich ist. Wenn die mit Strafe bedrohte Handlung durch eine polizeiliche Maßnahme verhütet werden kann, die den Einzelnen und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt, ist die polizeiliche Ingewahrsamnahme nicht erforderlich und daher auch nicht unerlässlich (BVerwG, Urt. v. 26.2.1974 - I C 31.72 -, a.a.O., [...], Rn. 29). Unzutreffend ist die mit der Berufungsbegründung vorgetragene Ansicht, dass als weniger einschneidendes Mittel der Gefahrenabwehr die Erteilung eines Aufenthaltsverbotes für den Kläger im Stadtgebiet Hannovers hätte in Betracht gezogen werden müssen. Ein Aufenthaltsverbot gemäß § 17 Abs. 4 Nds. SOG, welches erforderlichenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass eine Gruppe von bis zu 50 hannoverschen Ultras erneut auf eine diese Stärke noch übersteigende Zahl von Anhängern des VfL Wolfsburg trifft, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, Straftaten zu verhindern. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften wäre es nicht möglich, ein Aufenthaltsverbot effektiv zu kontrollieren und durchzusetzen.

Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme des Klägers auch im Übrigen verhältnismäßig (§ 4 Nds. SOG). Auch die Dauer der Maßnahme ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht zu beanstanden. Der Kläger ist um 18.00 Uhr und damit mit einem geringen zeitlichen Abstand zum Ende des Bundesligaspiels zwischen Hannover 96 und dem VfL Wolfsburg gegen 17.15 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen worden.

Der Gewahrsam des Klägers verstößt nicht gegen die Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden. Ist - wie hier wegen des Charakters des Eingriffs als Gefahrenabwehrmaßnahme - eine vorherige richterliche Anordnung nicht möglich, muss die richterliche Entscheidung nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG unverzüglich nachgeholt werden. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen die Vorschriften in § 19 Abs. 1 Nds. SOG. Kommt es aufgrund einer Maßnahme nach § 18 Nds. SOG zu einer Freiheitsentziehung, so hat die Polizei nach Satz 1 der genannten Bestimmung unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung zu beantragen. Nach Satz 2 bedarf es der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird.

Der in diesen Bestimmungen normierte verfassungsrechtliche Richtervorbehalt wurde im vorliegenden Fall eingehalten.

Die Polizei hat die richterliche Entscheidung unverzüglich beantragt. Das Merkmal der "Unverzüglichkeit" im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (BVerfG, Beschl. v. 15.5.2002 - 2 BvR 2292/00 -, a.a.O., [...], Rn. 26). Laut Vermerk des PHK I. von 5. Februar 2011 wurde der Bereitschaftsrichter des Amtsgerichts Hannover am selben Tag um 13.10 Uhr telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Kläger in den polizeilichen Gewahrsam genommen worden ist. Mit diesem polizeilichen Vorgehen ist die richterliche Entscheidung unverzüglich beantragt worden. Eine frühere Befassung des Bereitschaftsrichters schied aus, weil in dem Zeitraum vor 13.10 Uhr der Schwerpunkt des polizeilichen Handelns auf Maßnahmen gelegen haben dürfte, die sich wie die Festnahme, die Überführung und die Identitätsfeststellung des Klägers nach anderen Vorschriften richtete (vgl. §§ 127, 163 b StPO). Selbst wenn der polizeiliche Gewahrsam im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG etwas früher als um 13.10 Uhr begründet worden wäre, wäre die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung beantragt worden. Das Telefonat um 13.10 Uhr genügte auch den verfahrensrechtlichen Anforderungen, da keine förmliche Beantragung erforderlich ist (BVerfG, Beschl. v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 -, NVwZ 2006, 579, [...], Rn. 39).

Die sich an das Anhängigmachen der freiheitsentziehenden Maßnahme bei Gericht anschließende Verzögerung und das spätere Absehen von einer richterlichen Entscheidung waren aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Ausweislich des vorerwähnten polizeilichen Vermerks vom 5. Februar 2011 entschied der Bereitschaftsrichter in dem Telefongespräch um 13.10 Uhr nach Darstellung des aktuellen Sachstandes durch den anrufenden Polizeibeamten, dass hinsichtlich der Fortdauer der freiheitsentziehenden Maßnahme bis 16.00 Uhr rechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine Vorführung bzw. Anhörung der in Gewahrsam genommenen Personen vor diesem Zeitpunkt sei nicht möglich, da er bis dahin mit Haftsachen in anderen Verfahren beschäftigt sei. Nach einem weiteren Vermerk telefonierte der Polizeibeamte PHK I. mit dem Bereitschaftsrichter ein zweites Mal um 16.00 Uhr. Nach dem Vermerk entschied der Bereitschaftsrichter, die in Gewahrsam genommenen Personen am selben Tag ab 17.20 Uhr nach Beendigung der Bundesligabegegnung in angemessenen Zeitabständen zu entlassen. Bis dahin bestünden keinerlei Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der getroffenen freiheitsentziehenden Maßnahmen. Der Richter begründete sein Vorgehen damit, dass er bis 16.10 Uhr mit der vorrangigen Verkündung von Haftbefehlen beschäftigt sei und Vorführungen der in Gewahrsam genommenen Personen wegen der Fertigung etwaig erforderlicher Antragsunterlagen bis 17.20 Uhr nicht sichergestellt werden könnten. Bei dem in den beiden polizeilichen Vermerken geschilderten Tätigwerden des Bereitschaftsrichters handelte es sich nicht um eine richterliche Entscheidung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine solche Entscheidung setzt - auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG - eine mündliche Anhörung des Betroffenen voraus (BVerfG, Beschl. v. 7.10.1981 - 2 BvR 1494/80 -, BVerfGE 58, 208, [BVerfG 07.10.1981 - 2 BvR 1194/80] [...], Rn. 34 ff.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2011 - 1 S 2513/10 -, a.a.O., [...], Rn. 33; Schmidt/ Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Aufl., 2008, Art. 104, Rn. 18). Daran fehlte es hier. Das Verhalten des Bereitschaftsrichters kann daher nur so verstanden werden, dass er nach dem Antrag der Polizei geprüft hat, ob der Kläger angehört werden kann. Diese Gewährung rechtlichen Gehörs hat der Richter zunächst um 13.10 Uhr und später um 16.00 Uhr mit dem sachlich begründeten Verweis auf andere eilbedürftige Richtergeschäfte zunächst zurückgestellt bzw. verschoben und dann wegen des Wegfalls des Grundes der Maßnahme in Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG nicht mehr für erforderlich gehalten. Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Richter mit dem Antrag der Polizei hätte befassen können (17.20 Uhr), war das Bundesligaspiel beendet und der Kläger wurde auf richterliche Weisung entlassen.

Die vorstehende Auslegung ist mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Die EMRK gilt als völkerrechtlicher Vertrag innerstaatlich nicht unmittelbar; sie genießt - im Gegensatz zum Unionsrecht - keinen Anwendungsvorrang vor dem abweichenden innerstaatlichen Recht. Der völkervertragsrechtlichen Verpflichtung, ihr innerstaatlich Geltung zu verschaffen, ist die Bundesrepublik Deutschland durch Transformation der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle in die deutsche Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes nachgekommen (Gesetz vom 7. 8.1952, BGBl II S. 685). Auch wenn die EMRK damit unter dem Grundgesetz steht, ist sie als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Wegen des Verfassungsgrundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit sind Verwaltung und Gerichte verpflichtet, das innerstaatliche Recht in Einklang mit der EMRK auszulegen, soweit dies nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation vertretbar erscheint (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, BVerfGE 111,307, [...], Rn. 30 ff.; BVerfG, Urt. v. 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08 u.a. -, BVerfGE 128, 326, [...], Rn. 86 ff.). Angesichts der besonderen Bedeutung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - für das Konventionsrecht als Völkervertragsrecht haben dessen Urteile eine über den jeweils entschiedenen Fall hinausgehende Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK (BVerfG, Urt. v. 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08 u.a. -, a.a.O., [...], Rn. 89; BVerwG, Urt. v. 28.2.2013 - 2 C 3.12 -, BVerwGE 146, 98, [...], Rn. 46, und Urt. v. 16.12.1999 - 4 CN 9.98 -, BVerwGE 110, 203, [...], Rn. 17). Art. 5 EMRK und die Rechtsprechung des EGMR zu dieser Vorschrift stehen der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung des Klägers im vorliegenden Fall nicht entgegen.

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Freiheit. Es darf nach Satz 2 der Vorschrift nur in den nachfolgenden Fällen der Buchst. a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Die Freiheitsentziehung des Klägers ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b) EMRK gerechtfertigt. Hingegen bietet der Eingriffsgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) EMRK entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall keine ausreichende Grundlage für die Freiheitsentziehung.

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) Variante 2 EMRK kann die Freiheitsentziehung einer Person gerechtfertigt sein, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat zu hindern. Weitere Voraussetzung ist nach dem Wortlaut der Bestimmung, dass eine Freiheitsentziehung, mit der eine Person an der Begehung einer Straftat gehindert werden soll, "zum Zweck der Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde" vorgenommen wird. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Freiheitsentziehung nach Buchst. c) deswegen nur im Zusammenhang mit einem Strafverfahren zulässig (Urt. v. 1.12.2011 - 8080/08 u. 8577/08 -, NVwZ 2012, 1089, [...], Rn. 71, und Urt. v. 7.3.2013 - 15598/08 -, NVwZ 2014, 43, [...], Rn. 67). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) Variante 2 EMRK erfasst danach nicht den polizeilichen Präventivgewahrsam, bei dem der Betroffene nicht unter Verdacht steht, bereits eine Straftat begangen zu haben. Der EGMR hat in seinem Urteil vom 7. März 2013 trotz der umfassenden, in der Entscheidung zusammengefasst wiedergegebenen Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Januar 2012 zu der konventionsrechtlichen Zulässigkeit des polizeilichen Präventivgewahrsams nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) Variante 2 EMRK zur Verhinderung einer konkret bevorstehenden Straftat an seiner gegenteiligen Auffassung festgehalten. Diese Auslegung durch den EGMR ist vom erkennenden Gericht zu berücksichtigen. Tragfähige Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Rechtsprechung des EGMR zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht zu beachten, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Urteile des EGMR in Individualbeschwerdeverfahren sind für die an dem Verfahren beteiligten Parteien nach Art. 46 EMRK verbindlich und haben damit begrenzte materielle Rechtskraft (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, a.a.O., [...], Rn. 38). Neben der aus der genannten Vorschrift folgenden Bindung der beteiligten Vertragspartei an das endgültige Urteil dienen die Entscheidungen des EGMR als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes sowie des innerstaatlichen Rechts unterhalb des Grundgesetzes. Sie sind zu berücksichtigen, d.h. die Konventionsbestimmung in der Auslegung des EGMR ist zur Kenntnis zu nehmen und auf den Fall anzuwenden, soweit die Anwendung nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere Verfassungsrecht, verstößt (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, a.a.O., [...], Rn. 62). Daran gemessen ist die gefestigte Rechtsprechung des EGMR, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) Variante 2 EMRK erlaube nicht die Freiheitsentziehung einer Person durch polizeilichen Präventivgewahrsam, zu beachten. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts und der Äußerung der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Januar 2012 in dem Individualbeschwerdeverfahren - 15598/08 - vor dem EGMR hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass die Variante 2 des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) EMRK nicht als überflüssig angesehen werden könne, da sie insbesondere gegen eine Person angeordnet werden könne, die strafbare Vorbereitungshandlungen zu einer Straftat vorgenommen habe, um die Begehung der Straftat zu verhindern (EGMR, Urt. v. 7.3.2013 - 15598 -, a.a.O., [...], Rn. 86). Nach Ansicht des EGMR in dem genannten Urteil ([...], Rn. 87) rechtfertigt die Pflicht des Staates aus Art. 2 und Art. 3 EMRK zum Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten auch nicht eine abweichende oder weiter gefasste Auslegung der in Art. 5 Abs. 1 EMRK erschöpfend aufgelisteten zulässigen Gründe für eine Freiheitsentziehung.

Nach dem oben Gesagten beruhte die Ingewahrsamnahme des Klägers am 5. Februar 2011 auf § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG. Die Ingewahrsamnahme war in dem hier maßgeblichen Zeitraum rein präventiv. Sie hatte nur den Zweck sicherzustellen, dass der Kläger als Mitglied der hannoverschen Ultras im Rahmen von mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut drohenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Fangruppierungen von Hannover 96 und VfL Wolfsburg nicht Straftaten begehen würde. Er war zu entlassen, sobald die Gefahr von solchen Auseinandersetzungen weggefallen war. Seine Ingewahrsamnahme zielte folglich nicht darauf ab, ihn im Rahmen einer Untersuchungshaft einem Richter vorzuführen und ein Strafverfahren gegen ihn zu eröffnen.

Der Gewahrsam des Klägers war nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b) EMRK gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift darf die Freiheit unter anderem "zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung" entzogen werden. Nicht ausreichend ist eine Freiheitsentziehung, mit der eine Person gezwungen werden soll, ihre allgemeine Verpflichtung zur Befolgung der Gesetze zu erfüllen. Es muss vielmehr gesetzlich zulässig sein, dem Betroffenen die Freiheit zu entziehen, um ihn dazu zu zwingen, eine ihm obliegende spezifische und konkrete Verpflichtung zu erfüllen, der er bis dahin nicht nachgekommen ist (EGMR, Urt. v. 7.3.2013 - 15598/08 -, a.a.O., [...], Rn. 69 und 90). Eine solche Verpflichtung kann darin bestehen, die Begehung einer nach Ort, Zeitpunkt und Opfer hinreichend konkretisierten Straftat zu unterlassen und stattdessen den Frieden zu wahren, d.h. die Straftat nicht zu begehen. Hinzukommen muss, dass der Betroffene vor seiner Ingewahrsamnahme die Gelegenheit der Pflichterfüllung versäumt hat. Nach der Rechtsprechung des EGMR bedarf es dazu, um den Einzelnen vor einer willkürlichen Freiheitsentziehung zu schützen, des Hinweises auf die konkret zu unterlassende Handlung und der Weigerung des Betroffenen, diese zu unterlassen (EGMR, Urt. v. 7.3.2013 - 15598/08 -, a.a.O., [...], Rn. 94; Dörr, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 13, Rn. 168). Die Freiheitsentziehung darf keinen Strafcharakter haben und muss verhältnismäßig sein. Diesen Anforderungen genügt die Ingewahrsamnahme des Klägers.

Die Freiheitsentziehung des Klägers diente der Erzwingung einer ihm obliegenden spezifischen und konkreten Verpflichtung. Die Polizei nahm den Kläger am Vorfallstag in den präventiven Gewahrsam, um ihn daran zu hindern, sich an gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Fans der Fußballvereine Hannover 96 und VfL Wolfsburg zu beteiligen und dadurch die Straftatbestände der Körperverletzung nach § 223 StGB und des Landfriedensbruches nach § 125 StGB zu verwirklichen. Der Kläger gehörte einer 50 Personen starken Gruppe von Ultra-Fans des Fußballclubs Hannover 96 an, aus der heraus am Vormittag des 5. Februar 2011 in der Altstadt Hannovers vor der Gaststätte "E." in strafbewehrter Weise die körperliche Integrität und das Eigentum dritter Personen attackiert wurde. Es war konkret zu befürchten, dass sich der Kläger nach diesem ersten Angriff in den nächsten Stunden bis zu dem Beginn des Bundesligaspiels und darüber hinaus bis zum Ende der Partie an weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Fans der Auswärtsmannschaft des VfL Wolfsburg vor dem Stadion und im weiteren Umfeld der Arena beteiligen würde. Für diese nicht zu beanstandende polizeiliche Einschätzung waren mehrere Gesichtspunkte maßgeblich. Der Kläger war seit zwei Jahren Mitglied der hannoverschen Ultras. Er gehörte damit einem Personenkreis an, der regelmäßig durch Gewaltbereitschaft insbesondere gegenüber ebenfalls gewaltbereiten Fans einzelner anderer Fußballmannschaften auffällt. Für eine Fortführung der gewalttätigen Auseinandersetzung unter Beteiligung des Klägers sprach die kurze Dauer des ersten Angriffs vor der Gaststätte "E.", der nach polizeilichen Erkenntnissen lediglich eine Minute dauerte und daher die Prognose nahelegte, dass ihm nach einem Rückzug und Sammeln weitere Übergriffe folgen sollten. Auf eine an diesem Tag anhaltende Gewaltbereitschaft deutete ebenfalls hin, dass sich die hannoversche Ultra-Gruppe entgegen der üblichen Gepflogenheit bei Heimspielen, erst unmittelbar vor Beginn des Spiels und direkt zum Stadion anzureisen, bereits um 9.00 Uhr am Vorfallstag mit 50 Personen in der Gaststätte des Postsportvereins an der Bult versammelte. Dieses Verhalten kann nur dahin verstanden werden, dass das Treffen dem Zweck diente, eine Strategie für die angestrebte gewalttätige Auseinandersetzung mit den Wolfsburger Fans zu entwerfen. Für ein planvolles Vorgehen der hannoverschen Ultras sprach auch, dass sie sich nach den polizeilichen Beobachtungen am Vormittag des 5. Februar 2011 in einer Gruppe von 50 Personen gezielt auf die Straße zubewegten, in der die Gaststätte "E." ansässig ist, und dort sofort mit den strafrechtlichen Handlungen begannen.

Aus dem Verhalten des Klägers war weiter zu erkennen, dass er nicht gewillt war, den Frieden durch die Nichtbegehung einer spezifischen und konkreten Straftat zu wahren. Der Kläger gehörte der Gruppe der hannoverschen Ultra-Fans an, aus der heraus die sich in der Altstadtlokalität aufhaltenden Wolfsburger Fans angegriffen wurden. Nach dem Vorgesagten hatte sich diese Gruppe zuvor verabredet, die tätliche Auseinandersetzung mit den Ultras der gegnerischen Mannschaft zu suchen und diese nach dem ersten Angriff auch fortzusetzen. Die Polizei konnte deshalb annehmen, dass der Kläger nicht bereit war, eine Beteiligung an der Begehung von erneuten Straftaten zu unterlassen. Eines ausdrücklichen Hinweises, welche konkrete Handlung er zu unterlassen habe, bedurfte es daher nicht.

Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 7.3.2013 - 15598/08 -, a.a.O., [...], Rn. 94) ist zwar erforderlich, dass der Betroffene im Vorfeld einer Ingewahrsamnahme, die ihre Rechtfertigung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b) EMRK finden soll, einen Warnhinweis erhält, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen seine Verpflichtung, den Frieden durch die Nichtbegehung einer spezifischen und konkreten Straftat zu wahren, nach sich ziehen kann. Im Gefahrenabwehrrecht stehen der Polizei für eine solche Warnung regelmäßig hinreichend geeignete Maßnahmen zur Verfügung, wie zum Beispiel allgemein bei Störern die Anordnung eines Platzverweises oder in besonderen Situationen die Wegweisung aus der Wohnung (bei häuslicher Gewalt), die Untersagung der Teilnahme bei Versammlungen oder die Durchführung von Gefährderansprachen, die Verhängung von Meldeauflagen oder die Anordnung von Aufenthaltsverboten im Zuge von (sportlichen) Großveranstaltungen, namentlich von Fußballspielen. Eines solchen Warnhinweises bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn der Betroffene eindeutige und aktive Schritte unternommen hat, die darauf hindeuten, dass er seiner Verpflichtung, den Frieden durch die Nichtbegehung einer spezifischen und konkreten Straftat zu wahren, nicht erfüllen wird (EGMR, Urt. v. 7.3.2013 - 15598/08 -, a.a.O., [...], Rn. 94). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nach den vorstehenden Ausführungen vor.

Die Ingewahrsamnahme des Klägers wies keinen Strafcharakter auf. Sie diente allein dazu, den Kläger von der Beteiligung an weiteren Straftaten abzuhalten. Wie bereits zu § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG ausgeführt, war die Maßnahme auch verhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m.

§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.