Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.03.2015, Az.: 1 OA 13/15

außergerichtliche Kosten des Beigeladenen; Sachverständigengutachten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.03.2015
Aktenzeichen
1 OA 13/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 44988
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 10.06.2010 - AZ: 4 B 5550/09

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen, unter denen Kosten für ein privates Sachverständigengutachten zu erstatten sind, das ein Beteiligter im gerichtlichen Aussetzungsverfahren vorgelegt hatte.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 19. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Sachverständigenkosten, welche der Beigeladenen im Zusammenhang mit einem Eilverfahren entstanden sind/sein sollen, das ab dem Jahr 2009 um die Errichtung eines Verteil- und  Logistikzentrums für ihre Filialen in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein mit Trocken-, Frische- und Gefrier-Lebensmitteln sowie Haushaltswaren geführt worden war. Die Baugenehmigung für das im Gewerbegebiet N. gelegene Vorhaben hatte die Antragsgegnerin unter dem 28. September 2009 erteilt, ohne die Antragsteller im Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Deren Aussetzungsantrag lehnte der Antragsteller mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 ab. Am 3. November 2009 stellten die Antragsteller den Eilantrag. Über diesen verhandelte das Verwaltungsgericht mündlich zweimal (am 1.3. und 10.6.2010) und befragte dabei insbesondere die von allen Beteiligten aufgebotenen Sachverständigen zu Schallfragen, namentlich zu den Wirkungen tief-frequenten Schalls. Durch Beschluss vom 10. Juni 2010 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg (Senatsb. v. 22.10.2010 - 1 ME 145/10 -, NVwZ-RR 2011, 52 = BauR 2011, 245 = BRS 76 Nr. 176).

Der Kostenbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts hielt im Verfahren um die Festsetzung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen Aufwendungen in Höhe von 17.273, 55 € für erstattungsfähig, welche der Beigeladenen durch Beauftragung von Sachverständigen, deren Teilnahme an den beiden mündlichen Verhandlungen des Verwaltungsgerichts sowie Besprechungen mit diesen entstanden waren.

Auf Erinnerung der Antragsteller änderte das Verwaltungsgericht dies teilweise mit dem angegriffenen Beschluss und entschied, Kosten für die von der Beigeladenen im gerichtlichen Aussetzungsverfahren beteiligten Gutachter seien nur in Höhe von 10.300,-- € erstattungsfähig. Im Wesentlichen führte es aus, Kosten für Gutachten und Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen seien erstattungsfähig, nicht aber diejenigen, welche für manche Vorbesprechung geltend gemacht worden seien. Insoweit sei ein Zusammenhang zum Eilverfahren nicht deutlich geworden. Das sei aber erforderlich, weil bei der Erstattungsfähigkeit privater Gutachterkosten ein strenger Maßstab anzulegen sei. Auf die Einzelheiten des Beschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, der die Beigeladene entgegentritt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu deren Begründung ist auszuführen:

Dass die Kammer den Zweifeln nicht gefolgt hat, welche deren Vorsitzender in seiner prozessleitenden Verfügung vom 17. Juli 2013 aufgeworfen hatte, ist irrelevant. Jeder verständige Verfahrensbeteiligte muss wissen, dass kein Mitglied eines Kollegialgerichts andere in seinem Abstimmungsverhalten vorab binden kann. Zudem hatte der Kammer-Vorsitzende mit der in der Beschwerdeschrift zitierten Verfügung lediglich Fragen aufgeworfen. Das ist durch das Gebot fairen Verfahrens jedenfalls nicht verboten und schließt immer die Möglichkeit ein, dass diese Fragen dann anders beantwortet werden, als es zunächst aussieht/sich ein Beteiligter erhofft. Das Gebot fairen Verfahren oder die Pflicht zu rechtlichem Gehör gebietet nicht, ihn dazu zuvor neuerlich anzuhören. Das rechtliche Gehör war schon dadurch gewährt worden, dass die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten. Unfair ist es nicht, sich unter Berücksichtigung der auf die Anfrage eingegangenen Äußerungen ein anderes, abschließendes Urteil zu bilden.

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, das Verwaltungsgericht habe dadurch Antragsteller-Rechte verkürzt, dass es eigentlich dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Sachverhaltsaufklärung in das Eilverfahren verlagert habe. Es ist in das pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wie weit es im Eilverfahren den Sachverhalt aufklärt. Der Senat hatte beispielsweise im Verfahren um das Kröpcke-Center in Hannover unter Teilnahme ehrenamtlicher Richter eine Ortsbesichtigung und im daran Anschluss eine mündliche Verhandlung durchgeführt (vgl. Senatsb. v. 31.3.1999 - 1 M 897/99 -, BauR 1999, 1163 = BRS 62 Nr. 190 = NVwZ-RR 1999, 716 = NdsVBl 2000, 10, JURIS-Rdnrn. 23 und 24). Dahinter steckt die Erkenntnis: Je irreversibler die Folgen einer ablehnenden Entscheidung sind, desto eher darf ein Gericht weitere Sachverhaltsaufklärung betreiben, wenn dies nach Lage der Dinge, d. h. der vorliegenden Unterlagen veranlasst ist. In Eilverfahren ist der Sachverhalt keineswegs stets und unterschiedslos nur summarisch zu überprüfen. Vielmehr kann es nach Lage der Dinge gerechtfertigt sein, es nicht bei dieser Ermittlungstiefe zu lassen (vgl. dazu Senatsb. v. 25.1.2007 - 1 ME 177/06 -, BauR 2007, 1394 = BRS 71 Nr. 165, JURIS-Rdnr. 16 mwN).

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die zahlreich aufgeworfenen Fragen in einer mündlichen Verhandlung hatte erörtert sehen wollen und zur Klärung der Frage tieffrequenten Schalls am 1. März 2010 die Sache vertagt und eine zweite mündliche Verhandlung anberaumt hatte, in der Schallfragen dann ganz umfassend erörtert worden sind. Gerade das Gespräch von Fachleuten untereinander - auch die Antragsteller hatten einen solchen aufgeboten - ist weit eher zur Klärung der anstehenden Fragen und zu Herstellung des Rechtsfriedens geeignet denn die Würdigung von Gutachten „am Schreibtisch“, d. h. ohne Rede und Gegenrede.

Aus dem zitierten Senatsbeschluss vom 25. Januar 2007 (aaO) folgt auch, dass die Nichtaufklärbarkeit eines Gesichtspunktes keineswegs den Erfolg des Eilverfahrens garantiert. Im Gegenteil: Nach dieser Rechtsprechung, welche nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht (vgl. 3. Kammer des Ersten Senats, B. v. 1.10.2008 - 1 BvR 2466/08 -, NVwZ 2009, 240 = BauR 2009, 1285), rechtfertigen erst überwiegende Erfolgsaussichten, einem Nachbar-Eilantrag stattzugeben. Lassen sich bestimmt Punkte nicht ausreichend aufklären, dann ist nicht etwa eine „vorsorgliche“ Antragstattgabe, sondern eine Ablehnung des gerichtlichen Aussetzungsantrages die Folge. Auch deshalb stellte die Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen weder das Gebot der Waffengleichheit noch das zu fairer Verfahrensgestaltung zu Lasten der Antragsteller in Frage. Diese erhielten (sich) dazu vielmehr die Möglichkeit, schon die Errichtung des Vorhabens einstweilen verhindern zu können. Gerade wenn „nur“ Fragen in Rede stehen, welche die Nutzung eines Vorhabens betreffen, kann die Verlagerung des Nachbarschutzes auf das Hauptsacheverfahren ausreichen.

Die Rügen greifen auch in der Sache nicht durch. Zu deren Beantwortung ist vorauszuschicken (vgl. zum Folgenden BVerwG, B. v. 11.4.2001 - 9 KSt 2.01 -, NVwZ 2001, 919 = DVBl. 2001, 1763; B. v. 4.9.2008 - 4 KSt 1010.07 -, insbes. JURIS-Rdnrn. 10 -12, 17 und 30f.; B. v. 8.10.2008 - 4 KSt 2000.08 -, insbes. JURIS-Rdnrn. 4 und 9-12; OVG Koblenz, B. v. 9.1.2012 - 8 E 11451/11 -, BauR 2012, 771, JURIS-Rdnrn. 3-6; Senatsb. v. 2.4.2012 - 1 OA 48/12 -, Vnb.):

Kosten für die Erstattung von Gutachten zu Gesichtspunkten, welche die Nachbarverträglichkeit eines Vorhabens betreffen, für die Teilnahme von Gutachtern in gerichtlichen Verhandlungen und für Besprechungen, die zu deren Vorbereitung abgehalten werden, sind nicht etwa deshalb von vornherein nicht erstattungsfähig, weil all das Fragen beträfe, denen die Bauaufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren ohnedies hätte nachgehen müssen. Kosten, die im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Genehmigung des Vorhabens entstehen, hat zwar der Bauherr zu tragen. § 162 Abs. 1 VwGO zeigt aber, dass es außergerichtliche (insbesondere: Gutachter-)Kosten geben muss, die ein Nachbar nach vollständig oder teilweise erfolglosem gerichtlichem Eilverfahren übrigen Beteiligten, darunter auch/gerade dem Bauherrn zu erstatten hat. Dem kann er nicht grundsätzlich entgegenhalten, diese wären auch dann entstanden, aber nicht erstattungsfähig gewesen, wenn er im Baugenehmigungsverfahren entsprechend § 68 NBauO beteiligt worden wäre. Kosten für Sachverständigengutachten, deren Einholung die Baugenehmigungsbehörde vor Erlass des angegriffenen Bauscheins nicht für erforderlich gehalten hat, können vielmehr grundsätzlich erstattungsfähig sein (BVerwG, B. v. 4.9.2008 - 4 KSt 1010.07-, aaO; JURIS-Rdnr. 10). Diese Pflicht trifft den im Eilverfahren unterlegenen Nachbarn jedoch nur unter engen Voraussetzungen. Die Grenze zwischen beiden Bereichen - in das Genehmigungsverfahren gehörende Kosten („aufgesparter Genehmigungsbedarf“), die auch bei Präsentation im Gerichtsverfahren nicht erstattet werden können und solche, bei denen § 162 Abs. 1 VwGO dies gestattet - ist nach den oben zitierten  Entscheidungen nach folgenden Kriterien zu bestimmen:

Das Gutachten muss

·im Gerichtsverfahren vorgelegt worden sein. Kosten für intern gebliebene Äußerungen, welche ein Beteiligter „nur“ zur Formulierung seiner Schriftsätze verwandt hat, sind nicht erstattungsfähig.
·Fragen betreffen, welche
oder Nachbar im Gerichtsverfahren als (aus seiner Sicht) relevant aufgeworfen hat. Dabei ist dem Bauherrn nicht zuzumuten abzuwarten, welcher der Gesichtspunkte sich denn nun als entscheidungsrelevant herausstellen wird; das kann sich im Prozessgeschehen so rasch ändern, dass für die Beauftragung eines Gutachtens keine ausreichende Zeit mehr bleibt. Dies ist zugleich der Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“. Außerdem:
oso kompliziert sind, dass sie sich nicht mit „Bordmitteln“, d. h. letztlich mit Kenntnissen aus der Laiensphäre beantworten lassen. Maßstab ist dabei die ex-ante-Sicht eines vernünftigen, auf Kostenminimierung bedachten Beteiligten.
·trotz der Amtsaufklärungspflicht, d. h. der Möglichkeit des Gerichts veranlasst gewesen sein, den Sachverhalt unter anderem durch eigene Gutachteraufträge aufzuklären. Das kommt umso eher in Betracht, je weniger eine „Laiensicht“ ausreicht, d. h. je größeren Sachverstand die Beantwortung der Frage erfordert und je mehr das Gericht zu erkennen gegeben hat, es stelle es den Beteiligten anheim, die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, stehe mit anderen Worten nicht an, diesen Fragen von sich aus - u.a. durch Erteilung von Gutachteraufträgen - nachzugehen.
·aber nicht in dem Sinne „richtig“ gewesen sein, dass eine Erstattung nur in Betracht käme, wenn das Gericht seine Entscheidung dann auch auf dieses Gutachten gestützt hatte. Eine Richtigkeitskontrolle muss sich das Gutachten nicht gefallen lassen; schließlich hätte der Nachbar im Erfolgsfalle seinerseits auch dann einen Erstattungsanspruch, wenn sein zur Erläuterung des Tatsachenvortrags unterbreitetes Gutachten immerhin Anlass zur Nachfrage und gerichtlichen Aufklärung gegeben hätte, ohne dass es diese Fragen schon erschöpfend (und richtig) beantwortet hätte (vgl. dazu insbes. Senatsb. b. 2.4.2012 - 1 OA 48/12 -, Vnb);
·nicht von einem anderen Sachverständigen erstattet worden sein, als ihn der Bauherr schon im Genehmigungsverfahren beauftragt hatte. Dieser muss lediglich als Gutachter grundsätzlich taugen. Die Möglichkeit der Personenidentität ist nicht ausreichendes Zeichen für „aufgesparten Bedarf aus dem Genehmigungsverfahren“ und liegt zugleich im Kosteninteresse des Gegners/Nachbarn; so entfällt die anderen-/ebenfalls zu bezahlende Einarbeitungszeit.
·auch nicht in jedem Fall einen anderen Gesichtspunkt betreffen als den, den die Bauaufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren idealerweise als entscheidungsrelevant hätte aufwerfen müssen. Hat die Behörde im Genehmigungsverfahren einen Gesichtspunkt „nun einmal“ nicht für vertiefungsbedürftig gehalten, dann hat es damit sein Bewenden und schließt dies eine Erstattungsfähigkeit nicht aus (vgl. BVerwG, B. v. 4.9.2008 - 4 KSt 1010.07 -, JURIS-Rdnr. 10). Es mag zwar sein, dass dieser Gesichtspunkt unter („idealen“) Umständen schon dort vertieft worden wäre, wenn der Nachbar schon im Genehmigungsverfahren beteiligt worden wäre. Das ändert aber nichts daran, dass die Notwendigkeit, sich gegen entsprechende Angriffe mit gutachterlichem Beistand zur Wehr zu setzen, erst durch das Bestreben begründet worden ist, (nicht etwa später einmal das Widerspruchsverfahren, sondern jetzt) das Eilverfahren zu gewinnen und so den Bauschein vollzugsfähig zu erhalten. Dass beides auseinanderzuhalten ist, zeigt sich beispielsweise auch in der Rechtsprechung zur Frage, ob und unter welchen Umständen Anhörungsmängel durch behördliche Äußerungen geheilt werden können, die äußerlich betrachtet vermeintlich nur im gerichtlichen Aussetzungsverfahren abgegeben werden (vgl. dazu HessVGH, B. v. 4.12.1986 - 4 TH 1500/86 -, NVwZ 1987, 510 [BVerwG 04.12.1986 - BVerwG 4 TH 1500/86]; v. 20.5.1988 - 4 TH 3616/87 -, NVwZ-RR 1989, 113; Senatsb. v. 28.4.1989 - 1 OVG B  114/88 -, DVBl. 1989, 887 = BRS 49 Nr. 226; JURIS-Rdnr. 6; B. v. 31.2.2002 - 1 MA 4216/01 -, BauR 2002, 772, JURIS-Rdnr. 5 mwN). Auch hier sind beide Sphären - Äußerungen „nur“ zum Zweck, das Eilverfahren zur alsbaldigen Förderung des  Baugeschehens zu gewinnen, oder auch zu dem Zweck, auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens den Zweck der Anhörungspflicht jedenfalls nunmehr zu entsprechen - auseinanderzuhalten.

Kosten für seine Wahrnehmung eines Gerichtstermins sowie der Vorbereitung hierauf sind erstattungsfähig, wenn entweder das Gericht das Erscheinen des Gutachters durch Ladung angeordnet hat oder wenn der Beteiligte unabhängig davon die Sistierung des Sachverständigen nach Lage des Prozessgeschehens für veranlasst ansehen durfte. Weil auch hier einerseits das Gebot zur Kostenminimierung, andererseits die ex-ante-Sicht eines verständigen Beteiligten gilt, kommt dies umso eher in Betracht, je umfangreicher der Prozessstoff und damit nicht verlässlich abzusehen ist, welchen dieser Gesichtspunkte das Gericht für letztlich ausschlaggebend halten und damit zur Stütze seiner Entscheidung machen wird. Insoweit geht es letztlich auf das Angriffsverhalten des Nachbarn zurück, in welcher Stärke Bauaufsichtsbehörde und Bauherr sachverständigen Verteidigungsbeistand für nach Lage des Prozessgeschehens veranlasst halten dürfen. Je größer die Zahl und die Intensität der durch Vortrag entfachten „Krisenherde“ ist, desto größer ist dann auch das Kostenrisiko. Das begrenzt dementsprechend auch die Pflicht zu sparsamer Prozessführung. Einerseits darf ein Beteiligter nicht das Kostenrisiko zu Lasten anderer Beteiligter unkalkulierbar erhöhen (OVG Koblenz, B. v. 9.1.2012 - 8 E 11451/11 -, JURIS-Rdnr. 4). Andererseits darf sich der auf breiter Front angreifende Nachbar dann auch nicht beklagen, wenn ihm der Bauherr dementsprechend „breit aufgestellt“ entgegentritt. Das ist lediglich ein Ausdruck des das Kostenrecht mitbeherrschenden Grundsatzes der Waffengleichheit.

Danach greifen die Angriffe der Antragsteller gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht durch.

Die von der Beigeladenen beauftragten Sachverständigen hatten die Aufgabe, ihr dabei zu helfen, das gerichtliche Aussetzungsverfahren zu gewinnen; das überregional bedeutsame Vorhaben sollte zügig realisiert werden. Dass die von den Sachverständigen vorgelegten Gutachten auch im Widerspruchsverfahren hätten verwandt werden können, reicht nach den vorstehenden Ausführungen nicht aus. Der jeweilige Beteiligte hat die Wahl/es in der Hand, welches Verfahren er mit sachverständiger Hilfe gefördert sehen will. Die Auftragsdaten sprechen nicht gegen die Annahme, die von der Beigeladenen aufgebotenen Sachverständigen hätten allein die Aufgabe gehabt, ihr zu helfen, das anstehende Eilverfahren (und nicht erst ein ferner durchzuführendes Widerspruchsverfahren) zu gewinnen und damit die Möglichkeit zu erhalten, das für die Beigeladene wichtige Vorhaben alsbald verwirklichen zu können. Die vom Sachverständigen Dr. O. mit Rechnung vom 25. Januar 2010 abgerechneten Arbeiten waren zwischen Oktober und Dezember 2009 durchgeführt worden. Da war die Baugenehmigung (28.9.2009) längst erteilt gewesen. Durch den (am 13.10.2009) abschlägig beschiedenen Aussetzungsantrag vom 30. September 2009 (Kopie Bl. 134 ff. GA; Bd. I) war deutlich geworden, dass sich die Beigeladene auf ein Eilverfahren einzurichten hatte. Schon auf Seite 1 dieses Gesuchs hatten die Antragsteller die besondere Dringlichkeit, die sie dieser Angelegenheit beimaßen, deutlich gemacht. Obwohl die aufgelisteten Rügen zahlreich waren, sahen die Antragsteller darin eine Frist von (fett gedruckt) 14 Tagen für ausreichend an und kündigten für den Fall erfolglosen Verstreichens einen gerichtlichen Eilantrag an. Unter diesen Umständen brauchte die Beigeladene die Einleitung des gerichtlichen Eilverfahrens nicht mit gleichsam verschränkten Armen abzuwarten. Es war vielmehr schon jetzt deutlich geworden, dass es zu einer eilgerichtlichen Auseinandersetzung kommen und dabei namentlich die Schallschutzfrage in verschiedenen Facetten zu betrachten sein werde. Die Beigeladene durfte sich angesichts dessen rüsten, und zwar auch und gerade durch Beauftragung von Sachverständigen.

Wie sehr diese ex-ante-Sicht berechtigt war, zeigt das weitere Verfahren. Das Verwaltungsgericht machte keine Miene, sich in den Gutachterstreit durch Beauftragung weiterer Gutachten einzumischen. In dem Zusatz zur Ladung vom 4. Februar 2010 für den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 1. März 2010 (Bl. m580 <581>: „Das Gericht sieht bisher keinen Anlass, vor Ort zu verhandeln. Das Gericht schlägt vor, dass die Beteiligten die Sachverständigen, deren Gutachten von den Antragstellern angegriffen werden, zur mündlichen Verhandlung mitbringen, um für Erläuterungen zur Verfügung zu stehen.“) hatte es vielmehr verdeutlicht, diese Sachverständigen selbst zwar nicht laden zu wollen, jedoch einverstanden zu sein, dass diese für die mündliche Verhandlung sistiert werden. Es besteht daher überhaupt kein Zweifel daran, dass die Beigeladene nicht nur die Förderung des Eilverfahrens - und nicht des einst einmal zu abzuschließenden Widerspruchsverfahrens - als vorrangige Aufgabe ansehen, sondern auch annehmen durfte, sowohl vom Standpunkt der Waffengleichheit als auch von der prozessualen Situation aus sei die umfassende Beauftragung der Sachverständigen „das Gebot der Stunde“.

Dies setzte sich dann am Ende der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2010 (Prot. Bl. 1028 <1035> GA; Bd. V) fort. Dort erhielt die Beigeladene gleichsam die gerichtliche Aufgabe nachzulegen. Die umfassende Erörterung in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2010 (Prot. Bl. 1788 GA; Bd. VIII) zeigt, wie berechtigt die Annahme war, dort würden nicht allein noch Fragen tieffrequenten Schalls erörtert werden. Es wäre - umgekehrt - eher fahrlässig gewesen, an eine Art „Abschichtung“ durch den ersten Gerichtstermin zu glauben und sich nicht umfassend auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass neuerlich oder weitere Lärmschutzfragen mit dem Ziel zur Diskussion gestellt wurden, eine Verwirklichung des Vorhabens zumindest einstweilen zu verzögern. Zu entsprechenden Anstrengungen war die Beigeladene des Weiteren durch die Zusage verbunden, während des Gerichtsverfahrens ruhig zu halten, d. h. keine Anstrengungen zur baulichen Verwirklichung des Vorhabens zu unternehmen. Das war honorig und im Interesse der Antragsteller, umgekehrt dann aber auch triftiger Anlass, nunmehr alles zu unternehmen, dass keine weiteren Verzögerungen hervortreten und der Erfolgsfall daher nur eingeschränkt, weil zeitlich beträchtlich verzögert eintritt. Ein Nachbar, der von diesen Vorteilen profitiert, wird nicht unbillig belastet, wenn der Bauherr alle Möglichkeiten zur „sachverständigen Sachverhaltskonsolidierung“ ergreift.

Nach alledem war nicht nur die Beauftragung der Sachverständigen, sondern - selbstverständlich - auch das Erscheinen der Gutachter in der mündlichen Verhandlung sowie veranlasst, sich zu deren Vorbereitung zu treffen. Eine Quotelung mit einem nachfolgenden Widerspruchsverfahren kommt nicht in Betracht. Die Aufgabe der Sachverständigen hatte allein im Eilverfahren ihren Fokus, welches das Verwaltungsgericht mit beträchtlicher Gründlichkeit und zeitlichen Straffung erledigt hatte. Zudem durfte die Bauaufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren die Gültigkeit des Bebauungsplanes zugrunde legen; möglicherweise fehlt ihr sogar die Befugnis, dessen Ungültigkeit zu Lasten des Bauherrn verbindlich anzunehmen.

Eine Rechnung P. vom 22. November 2009 mag es nicht geben.  Dieses Datum bezeichnet nach der Beschwerdeerwiderung der Beigeladenen vom 27. Februar 2015 (dort Seite 5) lediglich das Anerbieten, statt mit Lärmkontingenten allein auf der Grundlage der TA Lärm die Nachbarverträglichkeit zu ermitteln. Das geschah ersichtlich nach Abschluss des Baugenehmigungsverfahrens und ausschließlich mit Blick auf die von den Antragstellern erhobenen Rügen. Das reicht aus. Ob das Gutachtenergebnis insgesamt und ausschließlich das Richtige traf, ist nach den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen irrelevant. Dass es auf die Berechnungen Dr. O. aufbaut, ist nach den vorstehenden Ausführungen unschädlich.

Weitere Ausführungen zur Beschwerde sind nicht veranlasst.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es wegen Nr. 5502 der Anlage zum Kostenverzeichnis/GKG nicht.