Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2015, Az.: 4 LA 177/14

Zustimmung des Arbeitgebers zu einer Erwerbstätigkeit als Tagespflegeperson während der Elternzeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.03.2015
Aktenzeichen
4 LA 177/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 11943
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2015:0304.4LA177.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 12.06.2014

Fundstellen

  • FSt 2016, 240
  • FStBay 2016, 240
  • NJW 2015, 2987-2988
  • NVwZ-RR 2015, 582-583
  • NZA-RR 2015, 316-317
  • NordÖR 2015, 187
  • ZAP EN-Nr. 301/2015
  • ZTR 2015, 665

Amtlicher Leitsatz

Zustimmung des Arbeitgebers zu einer Erwerbstätigkeit als Tagespflegeperson während der Elternzeit

  1. 1.

    Die Ingangsetzung der vierwöchigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 4 BEEG, vor deren Ablauf der Arbeitgeber die Zustimmung zu einer anderweitigen Teilzeiterwerbstätigkeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin während der Elternzeit nur ablehnen kann, hängt nicht davon ab, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ergänzende Mitteilungen über Art, Umstände oder Örtlichkeit der beabsichtigten Erwerbstätigkeit macht, die dem Arbeitgeber bereits anderweitig bekannt sind.

  2. 2.

    Der Vorbehalt der Zustimmung des Arbeitgebers zu einer anderweitigen Erwerbstätigkeit während der Elternzeit gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 BEEG gilt auch für die in Satz 2 der Vorschrift geregelte Betätigung als Tagespflegeperson.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 12. Juni 2014 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn die von ihr benannten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

Ist das angefochtene erstinstanzliche Urteil auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt worden, hat dies zur Folge, dass dem Zulassungsantrag nur dann entsprochen werden kann, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt worden ist und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.5.2009 - 5 B 90.08 -; Urt. v. 2.10.2000 - 6 B 75.99 -; Beschl. v. 8.7.1999 - 11 D 9.99 -; Senatsbeschl. v. 23.9.2014 - 4 LA 33/14 - u. v. 29.7.2013 - 4 LA 96/12 - m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der die Klägerin eine Verpflichtung des Beklagten zur Zulässigkeitserklärung einer arbeitsrechtlichen Kündigung der Beigeladenen während deren Elternzeit erwirken wollte, als unbegründet abgewiesen und diese Entscheidung auf zwei jeweils selbständig tragende Begründungen gestützt: Die beabsichtigte Erwerbstätigkeit der Beigeladenen während ihrer Elternzeit in der "Kinderwerkstatt D." in Teilzeit als Tagespflegeperson sei aus zwei voneinander rechtlich unabhängigen Gründen als arbeitsrechtlich erlaubtes Verhalten zu qualifizieren und stelle deshalb aus beiden dieser Gründe nicht einen besonderen Fall im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG (in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung; heute § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG) dar, der Voraussetzung für die ausnahmsweise Zulässigkeitserklärung der Kündigung sei. Zum einen unterliege die in § 15 Abs. 4 Satz 2 BEEG geregelte Tätigkeit als Tagespflegeperson während der Elternzeit generell nicht dem Vorbehalt einer Zustimmung des Arbeitgebers gemäß Satz 3 der Vorschrift. Zum anderen sei der Beigeladenen die Tätigkeit als Tagespflegeperson arbeitsrechtlich jedenfalls nach § 15 Abs. 4 Satz 4 BEEG erlaubt, denn die Klägerin habe die Ablehnung der Zustimmung nicht innerhalb der dort geregelten Ausschlussfrist von vier Wochen nach Zugang des Antrags der Beigeladenen erklärt.

Hinsichtlich der zweitgenannten selbständig tragenden Begründung des angefochtenen Urteils, wonach der Beigeladenen während ihrer Elternzeit eine selbständige Tätigkeit als Tagespflegeperson arbeitsrechtlich erlaubt sei, weil die Klägerin als Arbeitgeberin die Ablehnung der Zustimmung nicht fristgemäß erklärt habe, greift der von der Klägerin diesbezüglich allein angeführte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht durch, denn aus ihren Darlegungen ergeben sich insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Während der Elternzeit bedürfen gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 BEEG Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber oder selbständige Tätigkeit der Zustimmung des Arbeitgebers. Dieser kann gemäß Satz 4 der Regelung die Zustimmung nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. Bei der in der letztgenannten Vorschrift geregelten Vier-Wochen-Frist handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, mit deren Ablauf das Zustimmungserfordernis entfällt. Der Arbeitnehmer darf in diesem Fall die Tätigkeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers aufnehmen (vgl. zur Vorgängerregelung in § 15 Abs. 4 Satz 2 BErzGG 1992: BAG, Urt. v. 26.6.1997 - 8 AZR 506/95 -, BAGE 86, 155 [BAG 26.06.1997 - 8 AZR 506/97]). Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Vier-Wochen-Frist im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der von der Klägerin mit Schreiben an die Beigeladene vom 5. November 2012 erklärten Ablehnung der Zustimmung bereits abgelaufen war, mit der Konsequenz, dass das Zustimmungserfordernis entfallen ist und der Beigeladenen somit die Aufnahme der Tätigkeit als Tagespflegeperson während der Elternzeit auch ohne Zustimmung der Klägerin erlaubt ist. Die Vier-Wochen-Frist des § 15 Abs. 4 Satz 4 BEEG wird in Gang gesetzt durch einen ordnungsgemäßen Antrag des Arbeitnehmers auf Erteilung der Zustimmung. Das setzt zumindest voraus, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitteilt, in welchem zeitlichen Umfang er welcher konkreten Tätigkeit nachgehen will; bei der beabsichtigten Aufnahme einer abhängigen Teilzeitbeschäftigung muss er auch angeben, bei welchem Arbeitgeber er die Teilzeitarbeit aufnehmen will (vgl. BAG, a.a.O.). Dies zugrunde gelegt, hat die Beigeladene die Vier-Wochen-Frist hier durch ihr Schreiben an die Klägerin vom 20. August 2012 und die ergänzende E-mail vom 4. Oktober 2012 in Gang gesetzt. Die Frist war somit zum Zeitpunkt der Ablehnung der Zustimmung mit Schreiben der Klägerin an die Beigeladene vom 5. November 2012 bereits abgelaufen. In dem Schreiben vom 20. August 2012 hat die Beigeladene die beabsichtigte Tätigkeit mit der Angabe "Tagesmutter in einer Großtagespflegestelle" ausreichend konkret bezeichnet und in der E-mail vom 4. Oktober 2012 der Klägerin auch den beabsichtigten Wochenstundenumfang der Tätigkeit mitgeteilt. Die Benennung des künftigen Arbeitgebers war der Beigeladenen weder möglich noch rechtlich erforderlich, da die Beigeladene beabsichtigte, selbständig tätig zu sein. Dies war für die Klägerin auch erkennbar, da der angegebene Beruf der "Tagesmutter" üblicherweise selbständig ausgeübt wird.

Ohne Erfolg macht die Klägerin demgegenüber geltend, dass ein ordnungsgemäßer Antrag der Beigeladenen erst vorgelegen habe, nachdem die Beigeladene ihr in der E-mail vom 1. November 2012 auch mitgeteilt habe, dass sie die Tätigkeit als Tagespflegeperson in der "Kinderwerkstatt D." aufnehmen wolle, folglich die Vier-Wochen-Frist erst mit dem Zugang dieser E-mail in Gang gesetzt worden und zum Zeitpunkt der Ablehnung der Zustimmung noch nicht verstrichen gewesen sei. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob über den allgemeinen Mindestinhalt hinaus, den ein Antrag des Arbeitnehmers auf Erteilung der Zustimmung haben muss, in Einzelfällen ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen ist, dass ihm der Arbeitnehmer auch die konkrete Örtlichkeit mitteilt, an dem er die abhängige oder selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will. Die Mitteilungsobliegenheiten des Arbeitnehmers im Rahmen der Antragstellung haben den Zweck, dem Arbeitgeber die notwendigen Informationen zugänglich zu machen, die er für eine sachgerechte Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung braucht. Die Ingangsetzung der Vier-Wochen-Frist kann deshalb jedenfalls nicht davon abhängen, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ergänzende Mitteilungen über Art, Umstände oder Örtlichkeit der beabsichtigten Tätigkeit macht, die dem Arbeitgeber ohnehin bereits anderweitig bekannt sind und die der Arbeitgeber somit auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis des Arbeitnehmers in seine Entscheidung über die Zustimmung einbeziehen kann. So verhält es sich hier. Zum Zeitpunkt des von der Beigeladenen mit Schreiben vom 20. August 2012 gestellten Zustimmungsantrags wusste die Klägerin bereits, dass die Beigeladene beabsichtigte, die Tätigkeit als Tagespflegeperson in der "Kinderwerkstatt D." auszuüben. Das ist zu ersehen aus den in der parallelen Verwaltungsstreitsache (Az. des Berufungszulassungsverfahrens: 4 LA 178/14) beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten betreffend den Antrag der Klägerin, die Kündigung der Beigeladenen nach § 9 Abs. 3 MuSchG für zulässig zu erklären. In diesem Verwaltungsverfahren hat die Klägerin dem Beklagten schon mit ihrem Schreiben vom 3. April 2012 eine Werbeanzeige aus einer Zeitung übersandt, in der auf die beabsichtigte Eröffnung der "Kinderwerkstatt" in D. hingewiesen und die Beigeladene als eine von zwei Leiterinnen der Einrichtung genannt worden ist. Außerdem hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Juli 2012 ein Werbe-Flugblatt für die "Kinderwerkstatt D." übersandt, in dem die Beigeladene ebenfalls als eine von zwei Betreiberinnen und Ansprechpartnerinnen der Einrichtung genannt wird. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Schreiben vom 5. Juli 2012 auch, dass der Klägerin bekannt war, dass die Beigeladene gemeinsam mit der anderen Betreiberin der Einrichtung beim Land Niedersachsen einen Antrag auf Gewährung eines Investitionszuschusses für den Betrieb der "Kinderwerkstatt D." gestellt hatte.

Da die auf das vom Verwaltungsgericht angenommene Verstreichen der in § 15 Abs. 4 Satz 4 BEEG geregelten Ausschlussfrist bezogenen Angriffe der Klägerin nicht durchgreifen, kommt es auf die weiteren, auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützten Rügen der Klägerin, die sich auf die andere das angefochtene Urteil selbständig tragende rechtliche Erwägung des Verwaltungsgerichts beziehen, nicht mehr an. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass er die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die in § 15 Abs. 4 Satz 2 BEEG geregelte Betätigung als Tagespflegeperson während der Elternzeit generell nicht der Zustimmung des Arbeitgebers bedürfe, nicht teilt. § 15 Abs. 4 BEEG entspricht mit geringen sprachlichen Abweichungen dem bis zum 31. Dezember 2006 geltenden § 15 Abs. 4 BErzGG. Der heutige § 15 Abs. 4 Satz 2 BEEG, wonach eine im Sinne des § 23 SGB VIII geeignete Tagespflegeperson bis zu fünf Kinder betreuen kann, auch wenn die wöchentliche Betreuungszeit 30 Stunden übersteigt, ist mit identischem Wortlaut erstmalig durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I, 3852) als Satz 2 in § 15 Abs. 4 BErzGG eingefügt worden. Wie sich aus der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs ergibt, erschöpft sich der Zweck der Regelung darin, dass Tagespflegepersonen eine Erwerbstätigkeit auch über die früher in § 15 Abs. 4 Satz 1 BErzGG und heute in § 15 Abs. 4 Satz 1 BEEG geregelte Wochenarbeitszeitgrenze von 30 Stunden hinaus möglich sein soll (vgl. BT-Drs. 15/676, S. 44). Auch soweit die Regelung über die Zustimmungsbedürftigkeit von Teilzeitarbeit bei anderen Arbeitgebern oder von selbständiger Tätigkeit in § 15 Abs. 4 Satz 3 BEEG anders als in der Vorgängerregelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 BErzGG einen ausdrücklichen Verweis auf Satz 1 der Regelung enthält, vermag der Senat daraus nicht auf einen Willen des Gesetzgebers zu schließen, dass die Tätigkeit als Tagespflegeperson nach § 15 Abs. 4 Satz 2 BEEG nunmehr vom Zustimmungserfordernis ausgenommen sein soll. Denn aus der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes ergibt sich, dass § 15 BEEG inhaltlich § 15 BErzGG entsprechen soll und gegenüber der Vorgängerregelung lediglich sprachlich überarbeitet und an die Struktur der Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 BEEG angepasst worden ist (vgl. BT-Drs. 16/1889, S. 27).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).