Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.03.2015, Az.: 1 KN 42/13

Abwägung; Abwägungsergebnis; Abwägungsvorgang; Bestimmtheit; Flächenbedarf; Hafen; Hafenanlage; Hafenfunktion; hafenorientiertes Gewerbe; Inselversorgung; Inselversorgungshafen; Mole; Raumordnung; Verkehrsfunktion; Ziel; Ziel der Raumordnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.03.2015
Aktenzeichen
1 KN 42/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44993
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Plansätze 1.4 08, 4.1.4 02 und 03 Satz 1 LROP 2008 (gleichlautend im LROP 2012) sind wirksame Ziele der Raumordnung.

2. Die vorstehenden Ziele der Raumordnung verpflichten die Gemeinde, bei der Überplanung eines Hafens die klassischen Hafenfunktionen - bei einem Inselversorgungshafen die Bedürfnisse des Personen- und Frachtverkehrs - vorrangig zu berücksichtigen sowie die Ansiedlung hafenorientierter Wirtschaftsbetriebe zu ermöglichen. Eine anderweitige Nutzungszuweisung - mit anderen Worten eine Zweckentfremdung des Hafens - ist ihr nur in außerordentlich engen Grenzen gestattet.

3. Bei der Überplanung eines bestehenden Hafens sind im Rahmen des Abwägungsvorgangs die Flächenbedarfe der einzelnen Hafennutzungen sorgfältig zu ermitteln. Ist die Planung auf eine Veränderung der bestehenden Flächenverteilung gerichtet, muss sich die planende Gemeinde vergewissern, dass die Veränderung praktikabel ist und nicht zu übermäßigen Belastungen oder Nachteilen einzelner Nutzer führt.

4. Eine Planung, die einen Landeshafen zur touristischen Attraktion ausbauen möchte und zu diesem Zweck eine erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrsfunktion des Hafens in Kauf nimmt, ist im Ergebnis abwägungsfehlerhaft.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 20. März 2012 beschlossene Bebauungsplan Nr. 92 „Hafen“ wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 92 der Antragsgegnerin für den Landeshafen Norden-Norddeich, weil sie ihren Fährbetrieb zu den Inseln Juist und Norderney durch zu geringe Flächenzuweisungen gefährdet sieht.

Die Antragstellerin ist eine Aktiengesellschaft, die seit ihrer Gründung im Jahr 1871 den Schiffslinienverkehr zu den Ostfriesischen Inseln Juist und Norderney betreibt und die Aufgabe der Inselversorgung wahrnimmt. Ausgangspunkt der Überfahrten ist der Landeshafen Norden-Norddeich, der von der vom Land Niedersachsen kontrollierten Hafengesellschaft E. betrieben wird. Die Antragstellerin hat dort erhebliche Flächen langfristig - gegenwärtig bis zum Ende des Jahres 2039 - gepachtet und mit eigenen Anlagen zur Abfertigung von Passagieren und Gepäck bebaut. Für weitere Flächen bestehen Erbbaurechte.

Der im Jahr 1892 eröffnete und seit der Eröffnung in seiner baulichen Struktur nur wenig veränderte Hafen liegt nördlich des Nordener Stadtteils Norddeich vor der Hauptdeichlinie. Seine Hauptaufgabe liegt in der Inselversorgung; es handelt sich um den gegenwärtig zweitgrößten deutschen und größten niedersächsischen Personenfährhafen mit rund 2,5 Mio. Passagieren und rund 11.000 Schiffsbewegungen im Jahr.

Der Hafenbereich umfasst den flächenmäßig größeren West- und den kleineren Osthafen, die von einer Mole getrennt werden. Der Westhafen beherbergt Ausflugsschiffe, einige touristischen Zwecken dienende Fischkutter, Behörden- und Forschungsschiffe sowie einen Sportboothafen. Der Osthafen nimmt die aus weniger als zehn Kuttern bestehende Fischereiflotte mitsamt der erforderlichen Logistik, weitere Liegeplätze für Sportboote sowie industrielle und gewerbliche Nutzungen, darunter die Versorgung von Offshore-Windparks, auf. Die Mole dient ganz überwiegend der Abwicklung des Fährverkehrs mit den Inseln. Sie wird von der Eisenbahntrasse der Deutschen Bahn sowie dem Bahnhof Norddeich Mole in eine Ost- und eine Westmole geteilt. Auf der Westseite, und zwar im südlichen, landseitigen Bereich liegt die Fährbrücke 1 für den Personenverkehr nach Juist, nördlich grenzen Liegeplätze für Fährschiffe in Warteposition an. Die Fährbrücke 2 auf der Ostmole wird zur Abwicklung des Personenverkehrs nach Norderney genutzt. Die Fährbrücke 3 auf der Ostmole dient dem Frachtverkehr mit beiden Inseln. Auf der Ostmole sind zudem das Hafenterminal sowie umfangreiche Logistikflächen angeordnet, die dem Frachtumschlag sowie der Autoverladung im Norderneyverkehr dienen. Auf der Westmole liegen Kurzzeitparkplätze, die gegenwärtig vor allem von den Fährpassagieren mit Fahrtziel Juist genutzt werden, Logistikflächen und ein neu errichtetes Servicegebäude der Antragstellerin. Der Molenkopf beherbergt ein weiteres Servicegebäude der Antragstellerin sowie den Bahnhof.

An das überörtliche Straßennetz ist der Hafen über die Bundesstraße 72 angebunden; die im Jahr 2009 in Betrieb genommene zweistreifige Ortsumgehung Norddeich endet dort. Nordöstlich der Bundesstraße liegen landseits des Deichs im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 77 umfangreiche Parkflächen, die im Eigentum der Antragstellerin stehen und die die Fahrzeuge der Urlauber aufnehmen sollen. Eine zusätzliche Anbindung besteht über die alte Ortsdurchfahrt, die Norddeicher Straße. Westlich der Ortsdurchfahrt verfügt die Antragstellerin über weitere umfangreiche, teilweise überdachte Parkflächen.

Bei den Hafenflächen handelte es sich bis zum Jahr 2005 ebenso wie bei dem Küstenmeer, zu dem die Flächen vor dem Bau des Hafens gehörten, um gemeindefreies Gebiet. Mit dem Gesetz über Gebietsänderungen der Städte Borkum, Cuxhaven, Norden, Wilhelmshaven und Wittmund sowie der Gemeinde Wangerland vom 22. April 2005 (Nds. GVBl. S. 121) wurde das Hafengebiet in die Antragsgegnerin eingegliedert.

Die Antragsgegnerin nahm die Eingliederung des Hafens in ihr Gemeindegebiet zum Anlass, einen entsprechenden Bebauungsplan aufzustellen. Der Plan zielt darauf ab, die Hafenflächen in drei Nutzungszonen aufzuteilen. Der Westhafen einschließlich des südlichen Teils der Westmole soll als Freizeit-, Tourismus- und Fischereihafen entwickelt werden. Der westliche Teil des Osthafens einschließlich des Nordteils der Westmole (rund 140 m Kailänge) sowie die Ostmole sollen dem Fährverkehr dienen, während der östliche Teil des Osthafens als Gewerbe- und Industriehafen genutzt werden soll. Ziel der Planung ist es, den Fährverkehr im Osthafen zu konzentrieren und den Westhafen einschließlich der Westmole im Interesse des Fremdenverkehrsorts und Nordseebads Norden-Norddeich touristischen Nutzungen zuzuführen.

Der angegriffene Bebauungsplan Nr. 92 setzt zu diesem Zweck drei verschiedene Sondergebiete (sonstiges Sondergebiet 1 - Freizeit-, Tourismus-, Fischereihafen; sonstiges Sondergebiet 2 - Fährhafen; sonstiges Sondergebiet 3 - Gewerbe- und Industriehafen) fest. Im Sondergebiet SO 1 sind gemäß § 1 der textlichen Festsetzungen vor allem bauliche Anlagen zum Betrieb des Freizeit- und Tourismushafens, des Fischereihafens, der Behördenschifffahrt und des Rettungsdienstes, daneben unter anderem Wohnmobilstellplätze, Aussichtspunkte und touristische Veranstaltungen wie Hafenfest, Fischmarkt, Ostermarkt, Drachenfest etc. zulässig. Fährbrücken für den Ausflugs- und Inselverkehr sind nur in Ausnahmefällen, z. B. bei Notfällen oder Verkehrsspitzen zulässig. Für das Sondergebiet SO 2 bestimmt § 2 der textlichen Festsetzungen, dass vor allem bauliche Anlagen und Einrichtungen zum Betrieb des Fährhafens zulässig sind. Im Sondergebiet SO 3 sind gemäß § 3 der textlichen Festsetzungen bauliche Anlagen und Einrichtungen zum Betrieb des Gewerbe- und Industriehafens zulässig; darunter fallen nach der beispielhaften Aufzählung zulässiger Nutzungen insbesondere hafenspezifische Gewerbebetriebe aller Art. Zum Schutz der landwärts liegenden Wohnbebauung sieht der Plan in § 7 der textlichen Festsetzungen Immissionskontingente nach DIN 45691 vor. Die 1. Änderung des Bebauungsplans setzt weite Teile des Sondergebiets SO 3 als Sondergebiet SO 4 fest und ergänzt die dort zulässigen Nutzungen um die Versorgung eines Offshorewindparks dienenden Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Lagerhallen und -plätze.

Das Planaufstellungsverfahren vollzog sich wie folgt: In seiner Sitzung am 26. April 2005 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss. In der Zeit vom 27. Oktober 2008 bis zum 28. November 2008 folgte die frühzeitige Bürgerbeteiligung. Vom 28. April 2010 bis zum 31. Mai 2010 lag der Plan öffentlich aus. Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 17. Mai 2010 - eingegangen am 18. Mai 2010 - Einwendungen. Insbesondere rügte sie, der Bebauungsplan könne die Nutzungen im Hafenbereich nicht detailliert regeln und insbesondere nicht den gesamten Fährverkehr im Osthafen konzentrieren. Eine Aufgabe des Fährverkehrs im Westhafen sei zurzeit nicht möglich.

Am 29. Juni 2010 gab die Antragsgegnerin gemeinsam mit der Hafengesellschaft die Erstellung eines Hafenentwicklungsplans bei zwei privaten Planungsgesellschaften - F. und G. - in Auftrag. In seiner Sitzung am 23. August 2010 beschloss der Rat über die Einwendungen sowie den Bebauungsplan als Satzung; in derselben Sitzung beschloss er zudem die 2. Ergänzung des Flächennutzungsplans. Eine Protokollnotiz zum Beschluss nimmt auf den Hafenentwicklungsplan Bezug. Darin heißt es:

Erweist sich aufgrund dieser Untersuchungen der Bebauungsplan Nr. 92 als änderungsbedürftig, so wird die Stadt Norden in Ausübung ihrer Planungshoheit auch Planänderungen vornehmen.

Der Landkreis Aurich versagte der 2. Ergänzung des Flächennutzungsplans mit Bescheid vom 29. Oktober 2010 die Genehmigung, woraufhin die Antragsgegnerin dessen Begründung überarbeitete. Im März 2011 legten die Gutachter den Hafenentwicklungsplan für den Hafen Norddeich vor; der Rat der Antragsgegnerin nahm davon in seiner Sitzung am 7. März 2011 Kenntnis. Unter dem 21. Februar 2012 genehmigte der Landkreis Aurich die 2. Ergänzung des Flächennutzungsplans. Die Antragsgegnerin überarbeitete im Hinblick auf die Genehmigung den Umweltbericht des Bebauungsplans. In seiner Sitzung vom 20. März 2012 beschloss der Rat die Aufhebung des Satzungsbeschlusses vom 23. August 2010 und fasste einen erneuten Satzungsbeschluss. Nach seiner Ausfertigung am 21. März 2012 wurde der Plan im Amtsblatt des Landkreises Aurich vom 30. März 2012 und erneut im Amtsblatt vom 12. Dezember 2014 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 215 BauGB öffentlich bekannt gemacht; die zweite Bekanntmachung wies auf die Möglichkeit hin, bei der Antragsgegnerin in die DIN 45691 („Geräuschkontingentierung“) Einsicht zu nehmen.

In seiner Sitzung am 3. Juli 2012 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 92; diese betrifft ausschließlich den nordöstlichen Bereich des Sondergebietes SO 3. Die von der Antragstellerin nicht angegriffene Änderung wurde am 12. Oktober 2012 öffentlich bekannt gemacht.

Mit Schreiben vom 25. März 2013 rügte die Hafengesellschaft - die Antragstellerin im Verfahren 1 KN 53/13 - gegenüber der Antragsgegnerin eine Verletzung des Entwicklungsgebots sowie einen Fehler des Abwägungsvorgangs. Das Rügeschreiben erwähnt einen Widerspruch gegen die parallele Änderung des Flächennutzungsplans vom 16. August 2010. In diesem auch der Antragsgegnerin übersandten Schreiben bemängelt die Hafengesellschaft unter anderem eine fehlende bzw. fehlerhafte Ermittlung der Flächenbedarfe im Hafen.

Mit ihrem am 15. März 2013 eingegangenen und mit Schriftsätzen vom 29. Mai 2013 und 29. August 2013 begründeten Normenkontrollantrag trägt die Antragstellerin vor, die Antragsgegnerin überschreite die Grenzen ihrer Planungshoheit für den Landeshafen. Es sei davon auszugehen, dass dieser aufgrund eines hoheitlichen Rechtsakts entstanden sei, sodass § 38 BauGB Anwendung finde. Zudem sei der Plan abwägungsfehlerhaft. Der Hafen diene seit jeher primär der Inselversorgung. Zu diesem Zweck würden drei Anleger benötigt, die nicht allein auf der Ostmole realisiert werden könnten. Eine Festsetzung von Teilen der Westmole als Freizeitgelände verbiete sich deshalb; die Westmole werde insgesamt für den Fährverkehr benötigt. Davon gehe auch der Hafenentwicklungsplan aus, der die Notwendigkeit von drei Anlegern bekräftige. Eine Verlagerung des Juistverkehrs im Westhafen nach Norden in Richtung Molenkopf sei an weitreichende Veränderungen der Gepäcklogistik geknüpft. Ob solche Veränderungen praktikabel seien, habe sie, die Antragstellerin, in einer Studie vom 28. November 2012 untersuchen lassen. Diese Studie nenne Mehrkosten in Höhe von rund 1,5 Mio. EUR pro Jahr, halte eine Verlagerung aber für möglich. Tatsächlich seien die erforderlichen Flächen im nördlichen Bereich der Westmole jedoch nicht vorhanden. Die geringe nutzbare Breite verhindere überdies eine sichere und zügige Verkehrsführung. Erst recht komme eine Verlagerung von Juistverkehren auf die Anleger auf der Ostmole nicht in Betracht. Diese Anleger seien bereits für den Norderneyverkehr zu klein dimensioniert; zudem überschnitten sich die Abfahrtszeiten nach Juist und Norderney in den aufkommensstarken Monaten. Diese Aspekte habe die Antragsgegnerin zu Unrecht nicht berücksichtigt; sie habe den Bebauungsplan bei bewusst unvollständiger Sachkenntnis beschlossen.

Die Antragstellerin beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 20. März 2012 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 92 „Hafen“ für unwirksam zu erklären. soweit darin der Westhafen als Sondergebiet für Freizeit-, Tourismus- und Fischereihafen festgesetzt worden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, der Plan verfolge den legitimen Zweck, den Hafen in Zonen mit unterschiedlicher Nutzung zu gliedern. Der Fährverkehr solle auf dem Molenkopf und im Osthafen konzentriert werden. Das diene drei verschiedenen Zielsetzungen: Die dem Westhafen gegenüberliegenden Wohngebiete sollten von Lärm entlastet werden; Juisturlauber sollten nicht mehr die Gleisanlagen queren müssen, und die Wege der Urlauber zu dem neuen zentralen Parkplatzangebot sollten möglichst kurz gehalten werden. Dies sei ihres Erachtens nach bis zur Aufstellung des Bebauungsplans unstreitig gewesen. Für den Fall, dass die Ostmole den Fährverkehr allein nicht aufnehmen könne, stehe entsprechend dem Hafenentwicklungsplan der nördliche Teil der Westmole zur Verfügung. Einem Erfolg des Normenkontrollantrags stehe zudem § 215 Abs. 1 BauGB entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Normenkontrollantrag ist begründet.

Die Festsetzung des Sondergebiets SO 1 verstößt gegen Raumordnungsrecht sowie gegen das Abwägungsgebot; der darin liegende Rechtsverstoß führt zur Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplans.

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Das Landesraumordnungsprogramm 2008 (LROP 2008) in der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses geltenden Fassung legt folgende Ziele fest:

Plansatz 1.4 08 LROP 2008: Die Voraussetzungen für eine dauerhafte und nachhaltige Besiedlung der Ostfriesischen Inseln sind zu gewährleisten. Die Fährverbindungen sowie die sonstige Ver- und Entsorgungsstruktur sind bedarfsgerecht anzupassen.

Plansatz 4.1.4 02 LROP 2008: Die landesbedeutsamen See- und Binnenhäfen sowie die Inselversorgungshäfen sind bedarfsgerecht zu sichern und zu entwickeln.

Plansatz 4.1.4 03 Satz 1 LROP 2008: Zur Ansiedlung von hafenorientierten Wirtschaftsbetrieben sind die erforderlichen Standortpotenziale zu sichern und in bedarfsgerechtem Umfang Flächen bereitzustellen und bauleitplanerisch zu sichern.

In den Erläuterungen dazu heißt es:

Die Weiterentwicklung der Schifffahrt ist von der Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Häfen abhängig. Die Erhaltung und Weiterentwicklung der Häfen ist deshalb für Niedersachsen eine ständige Aufgabe. Die als Vorranggebiete festgelegten Seehäfen bestehen bereits langjährig und sind für die Erschließung des niedersächsischen Küstenraumes für die Seeschifffahrt erforderlich. Mit dem niedersächsischen Hafenkonzept hat die Landesregierung ein die See- und Binnenhäfen umfassendes Konzept erarbeitet, in dem Leitlinien zur Weiterentwicklung der Seehäfen sowie zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den See- und Binnenhäfen entwickelt wurden. Eine Sonderstellung genießen die Inselversorgungshäfen, deren Funktionsfähigkeit für die Sicherung der Daseinsvorsorge der örtlichen Bevölkerung und für den Tourismus unerlässlich ist.

Bei den vorstehenden Plansätzen handelt es sich entgegen den von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Zweifeln um wirksame, insbesondere hinreichend bestimmte Ziele der Raumordnung. Solche sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Sie müssen hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar und rechtmäßig sein, um eine Anpassungspflicht der Gemeinde nach § 1 Abs. 4 BauGB auslösen zu können (vgl. m. w. N. BVerwG, Urt. v. 10.11.2011 - 4 CN 9.10 -, juris Rn. 5 = BVerwGE 141, 144 = BRS 78 Nr. 2). Den Zielen kommt die Funktion zu, räumlich und sachlich die zur Verwirklichung der Grundsätze der Raumordnung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. In ihnen spiegelt sich bereits eine Abwägung zwischen den durch die Grundsätze verkörperten unterschiedlichen raumordnerischen Belangen wider. Sie sind anders als die Grundsätze nicht bloß Maßstab, sondern als räumliche und sachliche Konkretisierung der Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Planungsraumes das Ergebnis landesplanerischer Abwägung. Einer weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe sind sie nicht zugänglich. Die planerischen Vorgaben, die sich ihnen entnehmen lassen, sind verbindlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003 - 4 CN 20.02 -, juris Rn. 26 = BVerwGE 119, 54 = BRS 66 Nr. 5).

Nach diesen Maßgaben sind die Plansätze 1.4 08, 4.1.4 02 und 03 Satz 1 LROP 2008 hinreichend bestimmt. Sie verpflichten die Gemeinden, bei der Überplanung eines Hafens die klassischen Hafenfunktionen - bei einem Inselversorgungshafen die Bedürfnisse des Personen- und Frachtverkehrs - vorrangig zu berücksichtigen sowie die Ansiedlung hafenorientierter Wirtschaftsbetriebe zu ermöglichen. Eine anderweitige Nutzungszuweisung - mit anderen Worten eine Zweckentfremdung des Hafens - ist ihnen nur in außerordentlich engen Grenzen gestattet. Einer Abwägung mit anderen Belangen sind diese Vorgaben - wie sich sowohl aus dem Normtext als auch aus der Begründung ergibt - nicht zugänglich.

In sachlicher Hinsicht folgt aus den Plansätzen 1.4 08, 4.1.4 02 und 03 Satz 1 LROP 2008 eine mehrfache Verpflichtung der Gemeinden, in deren Gebiet ein Inselversorgungshafen angesiedelt ist. Erstens sind sie gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit § 1 Abs. 4 BauGB gehalten, Bauleitpläne für den Hafenbereich aufzustellen, wenn eine Planung zur Sicherung und Entwicklung der Hafenfunktionen sowie zur Ansiedlung hafenorientierter Wirtschaftsbetriebe erforderlich ist (vgl. zur raumordnungsrechtlichen Planungspflicht BVerwG, Urt. v. 17.09.2003 - 4 C 14.01 -, juris Rn. 30 ff. = BVerwGE 119, 25 = BRS 66 Nr. 1). Zweitens besteht eine Bindung in inhaltlicher Hinsicht. Die Planung muss darauf abzielen, die klassischen Hafenfunktionen, nämlich die Liege-, Lade- und Löschfunktion (§ 2 Nr. 1 NHafenO; vgl. Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 527), für alle Hafennutzer zu gewährleisten. In diesem Rahmen kommt den Bedürfnissen der Inselversorgung besonderes Gewicht zu. Konkurrieren verschiedene klassische Hafennutzungen - etwa die Belange der Inselversorgung und die Belange der Binnenfischerei oder der Behördenschifffahrt - und ist es nicht möglich, die Nutzungsansprüche zu einem schonenden Ausgleich zu bringen, sind in einem Inselversorgungshafen in erster Linie und mit Vorrang vor weiteren Nutzungsansprüchen die für die Inselversorgung, d. h. für die Abwicklung des Güter- und Personenverkehrs mit den Inseln erforderlichen Flächen bereitzustellen und planerisch zu sichern. Wie Plansatz 4.1.4 02 LROP 2008 mit der Formulierung eines Entwicklungsauftrags deutlich macht, muss die Gemeinde dabei die zukünftige Entwicklung in ihre Betrachtung einstellen. Sie ist gehalten, den zukünftig zu erwartenden Flächenbedarf der einzelnen Hafennutzungen planerisch zu berücksichtigen, wenn ein solcher zukünftiger Bedarf in hinreichend konkreter Weise prognostiziert werden kann. Drittens treten zu den Erfordernissen der klassischen Hafenfunktionen, insbesondere der Inselversorgung, die Anforderungen der hafenorientierten Wirtschaftsbetriebe gemäß Plansatz 4.1.4 03 Satz 1 LROP 2008 hinzu. Um deren Ansiedlung zu ermöglichen, sind die in Betracht kommenden Flächen von konkurrierenden Nutzungen freizuhalten und in den Bauleitplänen mit entsprechenden Darstellungen bzw. Festsetzungen zu belegen.

Erst dann, wenn die planende Gemeinde den vorstehenden Anforderungen genügt hat, ist sie in ihrer Planung raumordnungsrechtlich frei. Auf Flächen, die in absehbarer Zeit weder für die klassischen Hafenfunktionen noch für die Ansiedlung hafenorientierter Wirtschaftsbetriebe benötigt werden, - und nur dort - darf sie vorrangig eigene planerische Zielsetzungen wie die Förderung des Tourismus betreiben. Auf allen anderen Flächen ist ihr eine dahingehende Planung verwehrt.

Das zugrunde gelegt ist die Festsetzung des Sondergebietes SO 1 rechtswidrig. Mit dieser Festsetzung missachtet die Antragsgegnerin die Bedürfnisse der Inselversorgung und setzt stattdessen in einem das raumordnungsrechtlich zulässige Maß erheblich überschreitenden Umfang hafenfremde Nutzungen fest.

Ausweislich der textlichen Festsetzung in § 1 sind im Sondergebiet SO 1 „Freizeit-, Tourismus- und Fischereihafen“ insbesondere bauliche Anlagen und Einrichtungen zum Betrieb des Freizeit- und Tourismushafens - darunter fällt unter anderem die Freizeit- und Ausflugsschifffahrt -, des Fischereihafens sowie der Behördenschifffahrt und des Rettungsdienstes zulässig. Hinzu kommen in erheblichem Umfang nicht hafenspezifische Nutzungen wie Wohnmobilstellplätze, Besucherparkplätze, Aussichtspunkte und Flächen für Gastronomie, Verkaufsstände, touristische Veranstaltungen und Feste. Die vorstehende Festsetzung, die rund die Hälfte der Hafenflächen (Wasser- und Landflächen) einnimmt, ist schon deshalb fehlerhaft, weil sie ein deutliches Ungleichgewicht zu Lasten der klassischen Hafenfunktionen aufweist. Tatsächlich sind im Hafen Norddeich nach Schließung der Dienststelle der Wasserschutzpolizei nur noch wenige Behördenschiffe anzutreffen; die Kutterflotte umfasst weniger als zehn Schiffe. Schon heute werden nach Angabe des Hafenkapitäns rund 80 % der Schiffsverkehre im Osthafen, aber nur rund 20 % der Verkehre im Westhafen abgewickelt. Die mit dem Plan verbundene weitere Verdichtung des Verkehrs im Osthafen bei gleichzeitiger Entlastung des Westhafens wird den Anforderungen an die Verkehrsfunktion des Hafens nicht gerecht.

Dies gilt in besonderer Weise für den Fährverkehr. Nur in Ausnahmefällen, nämlich beispielsweise bei Notfällen und Verkehrsspitzen, darf das Sondergebiet SO 1 für den Inselverkehr genutzt werden; darüber hinaus wird der Fährverkehr auf das Sondergebiet SO 2 konzentriert. Eine solche Festsetzung wäre nach den oben dargelegten Maßstäben nur dann zulässig, wenn den gegenwärtigen und künftigen Anforderungen der Inselversorgung an anderer Stelle genügt wäre. Das ist nicht der Fall. Der Bebauungsplan verfolgt im Gegenteil explizit die Zielsetzung, die dem Fährverkehr und damit der Inselversorgung zur Verfügung stehenden Hafenflächen erheblich zu verringern. Der gesamte Fährverkehr, der bislang auf der West- und Ostseite der Mole abgewickelt wird, soll ausweislich der Planbegründung im Osthafen konzentriert werden (Planbegründung, S. 4), wobei auch die nördlichen 140 m der Westmole als Sondergebiet SO 2 festgesetzt sind und damit weiterhin dem Fährverkehr dienen sollen. Der Westhafen soll so von Fährverkehr freigehalten und anderen touristischen Nutzungen zugeführt werden, womit eine Verringerung der der Inselversorgung gegenwärtig zur Verfügung stehenden Landflächen von gegenwärtig gut 51.000 qm (einschließlich der Straßen- und Schienenverkehrsflächen) um rund ein Drittel auf gut 33.000 qm einhergeht. Der rechnerisch ermittelte Flächenbedarf liegt demgegenüber schon heute bei mehr als 53.000 qm und damit höher als die zur Verfügung stehende Fläche (vgl. Hafenentwicklungsplan, Anlage 1 und Abbildung Anlage 1.1). Nach der Prognose für das Jahr 2025 steigt der Flächenbedarf bei jährlich um 1 bis 1,5 % wachsendem Passagier-, Fahrzeug- und Frachtaufkommen auf mehr als 55.000 qm an (vgl. Hafenentwicklungsplan, S. ii und Anlage 2), sodass sich das schon heute bestehende Flächendefizit weiter verschärfen wird. In einer solchen Situation ist es der Antragsgegnerin von vornherein verwehrt, die der Inselversorgung zur Verfügung stehenden Flächen zugunsten anderer, zumal in erheblichem Umfang hafenfremder Nutzungen zu reduzieren.

Zu Unrecht hält die Antragsgegnerin dem entgegen, den Anforderungen der Inselversorgung könne auch auf der verringerten Fläche und ergänzend auf Flächen außerhalb des Hafens in gleicher oder sogar besserer Weise entsprochen werden. Im Ausgangspunkt zuzustimmen ist der Antragsgegnerin zwar darin, dass sich die raumordnungsrechtlichen Anforderungen nicht auf das Hafengebiet beschränken. Auch binnendeichs ist die Antragsgegnerin nach Plansatz 1.4 08 LROP 2008 verpflichtet, die für die Inselversorgung erforderlichen Flächen - etwa Park- und Logistikflächen - planerisch festzusetzen. Ihre Annahme, sie habe den Anforderungen der Inselversorgung trotz der Verringerung der im Hafen zur Verfügung stehenden Flächen dadurch genügt, dass sie einen dritten Fähranleger an der Westseite des Molenkopfes ermöglicht und die planerischen Voraussetzungen für eine Verlagerung der Gepäcklogistik auf die binnendeichs angesiedelten Großparkplätze geschaffen habe, geht indes fehl. Die bei einer Verringerung der dem Fährverkehr zur Verfügung stehenden Fläche im Hafen und der Errichtung eines neuen Anlegers am Molenkopf erforderliche Verlagerung der Gepäcklogistik für den Juistverkehr ist keine raumordnungsrechtlich akzeptable Alternative, auf die sich die Antragstellerin einlassen müsste.

Der Senat lässt offen, ob es die Verlagerung der Gepäcklogistik überhaupt ermöglicht, die nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sowie dem Hafenentwicklungsplan unbestrittenermaßen erforderlichen drei Fähranleger für die Inselschifffahrt mitsamt den erforderlichen Logistikflächen im Sondergebiet SO 2 unterzubringen. Sowohl der Hafenentwicklungsplan als auch der Abschlussbericht zur Gepäcklogistik für den Fährverkehr Norddeich-Juist vom 28. November 2012 bejahen dies zwar. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vorstand der Antragstellerin hat indes sehr plausibel erläutert, dass die zwingend erforderlichen Vorstellflächen für die Gepäckabfertigung sowie die Parkflächen im Juistverkehr im Bereich des Molenkopfes aufgrund der beengten Platzverhältnisse nicht zu realisieren sind. Einem Mindestflächenbedarf von 5.000 bis 6.000 qm steht dort ein Flächenangebot im Umfang von maximal 2.000 bis 2.500 qm gegenüber. Dem vermochte die Antragsgegnerin nicht entgegenzutreten.

Selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, dass die Flächen im Sondergebiet SO 2 bei einer Verlagerung der Gepäcklogistik ausreichend dimensioniert wären, wäre die Festsetzung raumordnungsrechtlich fehlerhaft. Mit der Verlagerung der Gepäcklogistik sind Nachteile in einem Umfang verbunden, der den Bedürfnissen der Inselversorgung nicht gerecht wird. Erstens ist ein derartiges System, das die Gepäckannahme räumlich aus dem Hafenbereich auf die Parkflächen auslagert, bislang vollkommen unerprobt. Kein Hafenbetrieb in den Niederlanden, in Deutschland oder in Dänemark hat ein derartiges System realisiert; dem seit Jahrzehnten in der Praxis erprobten Stand der Technik entspricht vielmehr das bestehende System der Gepäckabfertigung im Hafen selbst. Zweitens ist eine Verlagerung der Gepäckabfertigung mit einer äußerst komplexen - und damit naturgemäß fehleranfälligen - Organisation verbunden. Erforderlich wären zwei Annahme-/Ausgabestellen auf den beiden räumlich getrennten Großparkplätzen sowie eine dritte Annahme-/Ausgabestelle für die Bahnreisenden im Hafen selbst. Das Gepäck müsste mithin getrennt erfasst und transportiert werden, wobei nur mit hohem Aufwand zu korrigierende Ladefehler nicht zu vermeiden sein werden. Drittens schlägt sich der vorgenannte Aufwand sowohl finanziell als auch zeitlich nieder. Er erfordert ausweislich des Abschlussberichts zur Gepäcklogistik Investitionen im Umfang von 5,4 Mio. EUR und verursacht einen jährlichen Mehraufwand von 1,5 Mio. EUR; der Abschlussbericht bezeichnet dies als wirtschaftlich nicht darstellbar (Abschlussbericht, S. 75 und 78). Demzufolge wäre eine Erhöhung der Fahrpreise - nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung im Umfang von etwa 3,- EUR pro Fahrt - zu erwarten, was zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der Insel Juist und damit zu einer Beeinträchtigung der vorgenannten Ziele der Raumordnung führte. Zudem verschlechtert sich die Servicequalität für Autoreisende aufgrund des unvermeidlichen Zeitverlusts von rund 20 bis 25 Minuten gegenüber dem heute erreichten Standard (vgl. Abschlussbericht, S. 78); diese Verzögerung ist gerade angesichts der Tideabhängigkeit des Juistverkehrs und des dadurch bedingten engen Zeitfensters von besonderem Gewicht. Diesen gravierenden Nachteilen stehen lediglich eine verringerte Flächeninanspruchnahme im Hafen und eine Entzerrung der Verkehrsströme durch weniger Autoverkehr auf der Ostmole gegenüber. Diese Vorzüge wiegen die vorstehenden Nachteile offensichtlich nicht auf, zumal eine Neuordnung der Flächen im Bereich der bestehenden Fährbrücke 1 - wie der Abschlussbericht Gepäcklogistik (Vorzugsvariante Layout II B, S. 42) anschaulich zeigt - ebenfalls zu einer erheblichen Verbesserung der gegenwärtig unstreitig unbefriedigenden Verkehrssituation auf der Ostmole führen würde.

Die Festsetzung des Sondergebietes SO 1 leidet zudem unter mehreren Abwägungsfehlern.

Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Die daraus folgenden Anforderungen an den Abwägungsvorgang entsprechen denen, die die Rechtsprechung aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB entwickelt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.4.2008 - 4 CN 1.07 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 131, 100; Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 2.11 -, juris Rn. 9 = DVBl. 2013, 507). Die so ermittelten und bewerteten öffentlichen und privaten Belange sind in einem weiteren Schritt gemäß § 1 Abs. 7 BauGB gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemeinde diese Anforderung an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 - 4 C 50.72 -, juris Rn. 45 = BVerwGE 45, 309 =  BRS 28 Nr. 4). Gemessen daran leiden sowohl der Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis unter beachtlichen Fehlern.

Die Antragsgegnerin hat weder die Belange des Personen- und Güterverkehrs (§ 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB) noch die Belange der Wirtschaft (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 a) BauGB) in Gestalt der Belange der Berufsfischerei ausreichend ermittelt und diese Belange demzufolge auch nicht mit dem gebotenen Gewicht in ihre Abwägung eingestellt.

Zu den von der Antragsgegnerin zu berücksichtigenden Belangen des Personen- und Güterverkehrs gehören insbesondere die Anforderungen, die die Versorgung der Inseln Norderney und Juist an die Gestaltung des Hafens Norden-Norddeich stellt. Im Rahmen der Bauleitplanung wäre es angesichts der Bedeutung des Hafens im bundesweiten Vergleich die zentrale Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen, den entsprechenden Flächenbedarf zu ermitteln und in ihre Abwägung einzustellen. Das fehlt vollständig. Im Planaufstellungsverfahren hat die Antragsgegnerin über die vorgeschriebene Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit hinaus keinerlei Anstalten unternommen, die Anforderungen des Fährverkehrs zu ergründen. Einwänden sowohl der Antragstellerin (Schreiben vom 17.5.2010) als auch des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (Schreiben vom 28.5.2010), der Stadt Norderney (Schreiben vom 31.5.2010), der Inselgemeinde Juist (Schreiben vom 31.5.2010) und der Hafengesellschaft (unter anderem Schreiben vom 11.4.2008, 28.11.2008 und 28.5.2010), eine Konzentration des bislang auf der gesamten Mole abgewickelten Fährverkehrs im Osthafen sei aus Kapazitätsgründen nicht möglich, ist die Antragsgegnerin nicht nachgegangen. Dabei hatte die Hafengesellschaft in dem letztgenannten Schreiben explizit auf ein im eigenen Auftrag erstelltes aktuelles Gutachten zum Flächenbedarf für den Fährverkehr hingewiesen, das ein Flächendefizit von rund 2.500 qm ermittelt hatte. Mindestens das hätte die Antragsgegnerin bei einer Planung, die die sachlich begründeten Einwendungen nahezu aller Betroffenen missachtet, zu umfassenden eigenen Ermittlungen veranlassen müssen. Wenn sie im Rahmen der Abwägung in allgemeiner Weise ausführt, durch die Verlegung der Kutterflotte in den Westhafen und von Serviceflächen - gemeint ist wohl die Gepäcklogistik - auf die landseitigen Großparkplätze, würden die erforderlichen Flächen frei (Abwägungsvorgang, S. 33), ist das offenkundig nicht ausreichend. Mit den Anforderungen und Rahmenbedingungen für eine Verlagerung der Gepäcklogistik hat sich die Antragsgegnerin im Planaufstellungsverfahren überhaupt nicht beschäftigt. Die Planung beruht mithin auf dem Prinzip Hoffnung; vor möglichen Schwierigkeiten hat die Antragsgegnerin die Augen verschlossen.

Zu Unrecht beruft sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang auf den gemeinsam mit der Hafengesellschaft in Auftrag gegebenen Hafenentwicklungsplan. Dieser Plan, der seit März 2011 vorlag und dem Rat der Antragsgegnerin am 7. März 2011 vorgestellt wurde, kompensiert das vorstehende Ermittlungsdefizit aus zwei Gründen nicht.

Erstens enthält der Plan zwar eine ausführliche Darstellung der Anforderungen des Fährverkehrs einschließlich der Flächenbedarfe für die einzelnen Teilnutzungen und stellt damit grundsätzlich eine geeignete Tatsachengrundlage für die Bauleitplanung dar. § 2 Abs. 3 BauGB verlangt indes, dass eine solche der Antragsgegnerin vorliegende Tatsachengrundlage in das Planaufstellungsverfahren eingeführt wird und die entsprechenden Belange einer sachgerechten Bewertung unterzogen werden; beides fehlt. In das Planaufstellungsverfahren, das im August 2010 mit dem ersten Satzungsbeschluss faktisch abgeschlossen war und nach eher redaktionellen Anpassungen des Umweltberichts mit dem erneuten Satzungsbeschluss im März 2012 endete, ist der Hafenentwicklungsplan nicht eingeflossen. Weder im Rahmen der Planbegründung noch bei der Abwägung der betroffenen Belange wird der Plan in Bezug genommen; auch den Ratsprotokollen ist diesbezüglich nichts zu entnehmen. Dementsprechend sind die dort aufgeführten Belange weder in das Planaufstellungsverfahren einbezogen noch ihrem Gewicht entsprechend bewertet worden.

Zweitens beruht der Hafenentwicklungsplan auf der Prämisse, die Gepäcklogistik für den Juistverkehr werde auf die landseitig gelegenen Großparkplätze verlagert. Diese als „zweifelsfrei kompliziert und sicherheitstechnisch aufwändig“ beschriebene Verlagerung untersucht der Hafenentwicklungsplan nur überschlägig (vgl. Hafenentwicklungsplan, S. 61). Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Maßnahme hätte es für die von der Antragsgegnerin verfolgte Planung einer vertieften Betrachtung bedurft, um die mit einer solchen Verlagerung verbundenen Vor- und Nachteile sachgerecht bewerten zu können. Auch das fehlt. Der Abschlussbericht zur Gepäcklogistik, den die Antragstellerin in Auftrag gegeben hat, lag erst im November 2012 und damit nach dem zweiten Satzungsbeschluss vor.

Es hilft der Antragsgegnerin auch nicht weiter, dass bis in das Jahr 2008 hinein offenbar alle Beteiligten davon ausgingen, der Fährverkehr könne wenigstens mittelfristig auf die Ostmole verlagert werden. Noch während des Planaufstellungsverfahrens haben sich sowohl die Antragstellerin als auch die Hafengesellschaft und das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr von dieser Auffassung distanziert und Kapazitätsbedenken geltend gemacht. Es wäre die Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen, diesen sachlich eingehend begründeten Einwänden nachzugehen. Ebenso wenig hilft es der Antragsgegnerin, wenn der Hafenentwicklungsplan - wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - ihrer Planung nicht nur nicht widersprechen, sondern diese sogar bestätigen sollte. Die Vertretbarkeit des Abwägungsergebnisses lässt keinen Rückschluss auf einen ordnungsgemäßen Abwägungsvorgang zu.

Abwägungsfehlerhaft ist auch die Behandlung der Belange der Wirtschaft (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 a) BauGB) in Gestalt der Belange der Berufsfischerei. Der Bebauungsplan sieht vor, die Fischereiflotte vollständig in den Westhafen zu verlegen. Soweit die Antragsgegnerin dies in der mündlichen Verhandlung in Abrede gestellt hat, überzeugt das nicht. Sowohl Wortlaut und Systematik der textlichen Festsetzungen in § 1 und § 3 als auch die Planbegründung belegen das Gegenteil. § 1 trifft in Anknüpfung an die Bezeichnung des Sondergebiets als „Freizeit-, Tourismus- und Fischereihafen“ eine explizite Festsetzung, dass im Sondergebiet SO 1 bauliche Anlagen und Einrichtungen zum Betrieb des Fischereihafens (Kutterflotte) zulässig sind. Demgegenüber lässt § 3 nur in allgemeiner Form bauliche Anlagen zum Betrieb des Gewerbe- und Industriehafens zu. Aus dieser Regelungstechnik ergibt sich, dass § 1 die spezielle Regelung zur Kutterflotte darstellt, die einen Rückgriff auf § 3 verbietet. Dies entspricht der Planbegründung; diese führt aus, die bisher im Gewerbehafen untergebrachte Kutterflotte solle im Tourismushafen angesiedelt werden, da sie dort als eine der Sehenswürdigkeiten für den Fremdenverkehr mehr zur Geltung komme (vgl. Planbegründung, S. 4; Abwägung, S. 1). Eine Ermittlung und Bewertung der Anforderungen der Fischerei - diese ist ein Wirtschaftszweig und keine bloße Touristenattraktion - ist dem nicht vorausgegangen; mit der Bedeutung dieser Entscheidung für die Fischerei hat sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt. Dies wäre schon deshalb zwingend erforderlich gewesen, weil sich die gesamte Fischereilogistik einschließlich Kühlhaus und Fischverarbeitung im Osthafen befindet. Werden die entsprechenden Liegeplätze - anders als bislang - im Westhafen angesiedelt, erfordert das weitere Verkehrsbewegungen zum Transport der Fische und Ausrüstung. Vor den wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Fischer hat die Antragsgegnerin die Augen verschlossen, obwohl sie mit Schreiben der Hafengesellschaft  vom 28. Mai 2010 darauf ausdrücklich hingewiesen worden ist. Hinzu kommt, dass querende Verkehre im Hafen zu einer weiteren Verschärfung der angesprochenen Kapazitätsproblematik im Osthafen führen; auch dies hätte die Antragsgegnerin bedenken müssen.

Beide vorgenannten Fehler sind gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Sie betreffen wesentliche Punkte und sind offensichtlich, weil sie sich aus den Planaufstellungsvorgängen ergeben. Zudem besteht angesichts der infolge der Planung entstehenden Nachteile für den Fährverkehr bzw. die Fischerei die konkrete Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin bei zutreffender Ermittlung der betroffenen Belange eine andere Sachentscheidung getroffen hätte; der Fehler hatte daher Einfluss auf das Ergebnis. Die Fehler sind auch gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich, weil sie innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin gerügt worden sind. Die Hafengesellschaft hat mit Schreiben vom 25. März 2013 einen Fehler im Abwägungsvorgang geltend gemacht. Das Schreiben enthält zwar keine weitere Begründung; es bezieht sich allerdings auf ein vorangegangenes, die vorgenannten Fehler ausführlich darlegendes Schreiben vom 16. August 2010 (Widerspruch des Fachplanungsträgers). Diese Inbezugnahme reicht angesichts des Zwecks des § 215 Abs. 1 BauGB, es der Gemeinde aufgrund der Darstellung des maßgebenden Sachverhalts zu ermöglichen, in die Frage einer Fehlerbehebung einzutreten (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 19.1.2012 - 4 BN 35.11 -, juris Rn. 4 = BauR 2013, 55 = BRS 79 Nr. 50), aus. Die Antragsgegnerin war aufgrund des Schreibens in der Lage, sachgemäß über eigene weitere Schritte zu entscheiden. Das Schreiben der Hafengesellschaft wirkt für alle Beteiligten; einer eigenen Rüge der Antragstellerin bedurfte es nicht.

Die Festsetzung des Sondergebietes SO 1 ist auch im Ergebnis abwägungsfehlerhaft. Die Behandlung der konkurrierenden öffentlichen und privaten Belange entspricht nicht ihrer objektiven Gewichtigkeit.

Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Sondergebietsfestsetzung vor allem das Ziel, im Hafen mehr Platz zur Steigerung der touristischen Attraktivität von Norden-Norddeich zu gewinnen. Ausweislich des in Abstimmung mit der Antragsgegnerin erstellten Hafenentwicklungsplans fehlt zwar ein klar definiertes touristisches Konzept für den Hafen; als Ziele wurden jedoch unter anderem eine möglichst permanente Belegung der Liegeplätze im westlichen Hafenteil durch interessante unterschiedliche Schiffe (Rettungskreuzer, Behördenschiffe, Arbeitsschiffe etc.), die Schaffung von Liegemöglichkeiten für Gästeschiffe im westlichen Hafenteil (z. B. für Hafenfeste, Traditionsschiffe o. ä.), die Bereitstellung einer größeren, zusammenhängenden Fläche im westlichen Hafenteil sowie Anbindung des Areals an die bestehenden Grünflächen (Aktionsbereiche), eine flexible Infrastruktur für die Durchführung von Veranstaltungen und eine sparsame tourismusverträgliche verkehrliche Erschließung des westlichen Hafens mit Fokussierung auf den ÖPNV sowie abgestimmten Konzepten für Kurzzeitbesucher genannt (vgl. Hafenentwicklungsplan, S. 83 f.). Hinzu tritt das in der mündlichen Verhandlung nochmals betonte Ziel, mit einer Verlagerung des Fährverkehrs in den Osthafen die Voraussetzungen für eine Verkehrsberuhigung der Ortsdurchfahrt und des westlichen Hafenbereichs zu schaffen, um diese und die angrenzenden Flächen vorrangig touristisch nutzen zu können.

Beide Zielsetzungen sind im Ausgangspunkt legitim. Sie weisen jedoch bei objektiver Betrachtung nicht das erforderliche Gewicht aus, um die der wesentlichen Hafenfunktion - nämlich dem Verkehr mit den Inseln - zur Verfügung stehende Fläche um ein Drittel zu reduzieren und dadurch die Anbindung der Insel Juist aufgrund der mit der Verlagerung der Gepäcklogistik verbundenen längeren Reisezeit und höheren Kosten - wie ausgeführt - deutlich zu verschlechtern. Für die Ansiedlung touristischer Infrastruktur ist die Antragsgegnerin nicht auf den Hafenbereich angewiesen; sie verfügt weiter westlich über ausreichende Flächen für Freizeitnutzungen. Das Ziel, den Hafen selbst zu einer Touristenattraktion auszugestalten, ist angesichts der Widmung des Hafens als Verkehrsbauwerk und der Tatsache, dass es sich nicht um einen kommunalen, sondern um einen Landeshafen handelt, von nur geringem Gewicht; gegen die gegenläufigen Interessen der echten Hafennutzer vermag es sich von vornherein nicht durchzusetzen. Die Verkehrsproblematik entschärft die Planung allenfalls in geringem Umfang. Da weiterhin Fährverkehr auf der Mole - wenn auch nur noch auf der Ostmole und dem Molenkopf - zugelassen wird, wird es dort weiterhin Autoverkehr geben. Auch wenn dieser angesichts der dann binnendeichs zu findenden Gepäckannahme geringer ausfallen wird, bleiben die Grundprobleme - die Querung der Bahn, die Verkehrsdichte auf der engen Ostmole und das Ausweichen von Verkehren auf die Ortsdurchfahrt - im Grundsatz bestehen.

Ob die Festsetzung des Sondergebietes SO 1 unter weiteren Rechtsfehlern leidet, lässt der Senat offen. Nur ergänzend und im Hinblick auf die weitere, auch raumordnungsrechtlich gebotene Bauleitplanung der Antragsgegnerin merkt der Senat daher an, dass auch § 38 BauGB der gemeindlichen Hafenplanung Grenzen setzen kann. Die Fachplanung soll sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegenüber der kommunalen Planung in den von § 38 Satz 1 BauGB erfassten Fallgruppen ganz allgemein dann durchsetzen, wenn sie als eine überörtliche Planung ein derartiges Gewicht entwickelt, dass die gemeindliche Bauleitplanung als eine Maßnahme der kleineren Planungseinheit gegenüber der größeren Einheit zurückzustehen hat. Der Vorbehalt zugunsten von Fachplanungen gemäß § 38 BauGB betrifft dabei nicht nur die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB, sondern schränkt auch die Gemeinde im Gebrauch ihrer Planungshoheit in Bezug auf die vorhandene Anlage der Fachplanung ein, indem er von der auf das jeweilige Gemeindegebiet bezogenen umfassenden Planungshoheit der Gemeinde bestimmten Zwecken dienende Vorhaben und Anlagen ausnimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 81, 111 = BRS 49 Nr. 3; Beschl. v. 10.5.1990 - 4 B 22.90 -, juris Rn. 7). Ein Fachplanungsvorbehalt dieses Inhalts gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch für Altanlagen, für die - wie in diesem Fall - kein förmlicher Planfeststellungsbeschluss vorliegt, die aber nach geltendem Recht der Planfeststellung bzw. einer vergleichbaren Genehmigung - hier der Gewässereingriff gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG bzw. gemäß § 68 Abs. 1  i. V. mit § 67 Abs. 2 WHG - bedürfen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1988, a. a. O., Rn. 21; Beschl. v. 27.4.1998 - 4 B 33.98 -, juris Rn. 5 ff. = NVwZ-RR 1998, 542 = BRS 60 Nr. 155; Urt. v. 13.12.2007 - 4 C 9.06 -, juris Rn. 63 = BVerwGE 130, 83 = BRS 71 Nr. 215).

Hält man diese Rechtsprechung ungeachtet der in der Literatur geäußerten Kritik (vgl. Erbguth, ZUR 2013, 643 <648 f.> m. w. N.) für anwendbar, stellt sich die Frage der räumlichen und sachlichen Reichweite des Fachplanungsvorbehalts, der im Wasserrecht nicht an die Errichtung einer bestimmten Anlage, sondern an den Eingriff in die Bundeswasserstraße bzw. das Gewässer anknüpft. Räumlich ist der Fachplanungsvorbehalt auf die Flächen begrenzt, die vor Errichtung der Anlage Bestandteil der Bundeswasserstraße bzw. des Gewässers waren. An das Gewässer angrenzende Landflächen sind unabhängig von ihrer Nutzung nicht in die Planfeststellung einzubeziehen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 15.3.2011 - 20 A 2148/09 -, juris Rn. 98 ff. = DVBl. 2011, 767; bestätigt von BVerwG, Urt. v. 19.2.2015 - 7 C 10.12 und 7 C 11.12 -, Pressemitteilung). Sachlich beschränkt sich der Fachplanungsvorbehalt auf den Gewässerausbau; er erfasst nicht die außerhalb des Hafenbeckens und seiner Ufer vorgesehenen Anlagen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2015 - 7 C 10.12 und 7 C 11.12 -, Pressemitteilung). Welche Reichweite dem Vorbehalt zukommt, ist im Einzelnen ungeklärt; äußerstenfalls kann er neben dem Hafenbecken, den Kaianlagen, Molen und Liegeplätzen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 20.3.2003 - 7 KS 2646/01 -, juris Rn. 23 = ZfW 2004, 101) die auf der Mole bzw. den äußeren Hafenbegrenzungen vorhandenen Hafen- und Verkehrsanlagen - unter Umständen auch die Gepäckabfertigung für den Inselverkehr - erfassen. In den auch bundesrechtlich vorausgesetzten Anwendungsbereich des Bauplanungsrechts (vgl. § 78 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 WHG, § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) fallen demgegenüber jedenfalls diejenigen Planungen, die sich auf Flächen ohne unmittelbare Verkehrsfunktion - etwa die Flächen für hafenorientiertes Gewerbe - beziehen; ferner steht es der Gemeinde frei, einen Hafen in einer Weise zu überplanen, die seine Verkehrsfunktion nicht berührt (vgl. Senat, Urt. v. 9.9.2014 - 1 KN 215/12 -, juris = BauR 2015, 61).

Die Unwirksamkeit der Festsetzung des Sondergebietes SO 1 führt zur Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplans. Letzteres ist nur dann nicht die Folge der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn außerdem hinzukommt, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 24.4.2013 - 4 BN 22.13 -, juris Rn. 3 = BRS 81 Nr. 77). Jedenfalls letzteres ist nicht der Fall. Mit den Festsetzungen der Sondergebiete SO 1 bis SO 3 teilt die Antragsgegnerin den Hafen in Zonen unterschiedlicher Nutzungen auf, die alle bisherigen Hafennutzungen erfassen. Dass sie daran für die Sondergebiete SO 2 und SO 3 in der geschehenen Form auch ohne die Festsetzung des Sondergebiets SO 1 festgehalten hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Die Folge wäre nämlich, dass der Plan nur für einzelne Nutzungen eine Regelung enthielte, obwohl das Planungsziel gerade auf eine umfassende Regelung aller Nutzungen gerichtet war. Hinzu kommt, dass die Festsetzung immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel auf den unterschiedlichen Sondergebietsfestsetzungen aufbaut und diese Festsetzung wiederum ein Kernstück der planerischen Konfliktbewältigung darstellt.

Stehen die verschiedenen Sondergebietsfestsetzungen in einem untrennbaren Zusammenhang, hindert § 88 VwGO den Senat nicht, den Bebauungsplan insgesamt - und damit über den Antrag der Antragstellerin hinaus - für unwirksam zu erklären. Aus der Funktion des Normenkontrollverfahrens folgt vielmehr, dass der Senat in einem derartigen Fall mit Allgemeinverbindlichkeit gegenüber jedermann feststellt, dass der bisherige Bebauungsplan nicht nur teilweise, sondern in seiner Gesamtheit unwirksam ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.8.1991 - 4 NB 3.91 -, juris Rn. 28 = NVwZ 1992, 567 = BRS 52 Nr. 36).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. mit § 709 Satz 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.