Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.03.2015, Az.: 5 LA 50/14

Festbetrag; Festbeträge; Höchstbetrag; Höchstbeträge

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.03.2015
Aktenzeichen
5 LA 50/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 44977
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.02.2014 - AZ: 1 A 1488/12

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 5. Februar 2014 zugelassen.

Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen                                         5 LB 59/15 geführt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

Der Kläger, der als Versorgungsempfänger mit einem Bemessungssatz von 70 Prozent beihilfeberechtigt ist, begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für das ihm ärztlich verordnete Arzneimittel „C. (3 mg)“.

Der Kläger beantragte im Oktober 20..  die Gewährung einer Beihilfe für das vorbezeichnete Medikament, das er gemäß Rechnung vom 26. September 20..  zu einem Preis von 22,17 EUR erworben hatte.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 20..  erkannte die Beklagte insoweit einen beihilfefähigen Betrag in Höhe von 12,40 EUR an und setzte dementsprechend eine Beihilfe in Höhe von 8,68 EUR fest. In den zugehörigen Hinweisen bzw. Erläuterungen heißt es u. a., dass seit dem 1. Januar 2012 ein Arzneimittel, für das gemäß § 35 des 5. Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Festbetrag festgesetzt sei, nur bis zur Höhe dieses Festbetrages beihilfefähig sei (§ 17 Abs. 7 der Niedersächsischen Beihilfeverordnung - NBhVO -); für ein Arzneimittel, dessen Abgabepreis über dem Festbetrag liege, stehe eine ausreichende Auswahl von therapeutisch gleichwertigen Arzneimitteln zur Verfügung, deren Abgabepreis den Festbetrag nicht überschreite. Der Festbetrag für „C.“ betrage 17,40 EUR; eine Liste aller Arzneimittel, für die Festbeträge festgesetzt seien, befinde sich im Internet unter www.dimdi.de (Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information). Zudem minderten sich bei Arznei- und Verbandmitteln die beihilfefähigen Aufwendungen um 10 Prozent, mindestens jedoch um 5,00 EUR und höchstens um 10,00 EUR je Arznei- und Verbandmittel (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 NBhVO).

Mit seinem unter dem 29. Oktober 20.. erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Beklagte habe weder dargelegt, seit wann für das Medikament „C. (3 mg)“ ein Festbetrag festgesetzt worden sei noch habe sie angegeben, welches Medikament mit gleicher therapeutischer Wirkung zu dem Mindestpreis von 17,40 EUR zu erwerben gewesen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 20..  zurück. Bei dem Arzneimittel „C.“ (5541338) habe es sich zum Zeitpunkt des Kaufes um ein Festbetragsarzneimittel gehandelt, so dass die Aufwendungen nach § 17 Abs. 7 Satz 1 NBhVO nur bis zur Höhe des Festbetrages beihilfefähig seien. Arzneimittel mit gleichen oder vergleichbaren Wirkstoffen würden nach § 35 Abs. 1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in Festbetragsgruppen zusammengefasst. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) setze die Festbeträge für die Arzneimittel der Festbetragsgruppen fest. Dabei müssten gemäß § 35 Abs. 5 SGB V innerhalb der Festbetragsgruppen Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar sein. Für jedes Arzneimittel, für das ein Festbetrag festgesetzt worden sei, stehe daher auch ein zum Festbetrag erhältliches Arzneimittel zur Verfügung. Der Arzt, der ein Festbetragsarzneimittel verordne, habe die Wahl zwischen mehreren gleichen oder vergleichbaren Arzneimitteln. Die Frage, welche Arzneimittel der Festbetragsgruppe zum Festbetrag verfügbar seien, erfordere die Fachkenntnis eines Arztes oder Apothekers und könne daher nur von den behandelnden Ärzten bzw. der Apotheke beantwortet werden. Die Beihilfefestsetzungsstelle könne und dürfe hierzu keine Auskünfte erteilen. Dass bei dem Kläger ein medizinisch begründeter Ausnahmefall im Sinne des § 17 Abs. 7 Satz 2 NBhVO vorläge, bei dem die Aufwendungen über den Festbetrag hinaus beihilfefähig seien, habe er selbst nicht geltend gemacht.

Mit seiner am 13. Dezember 2012 erhobenen Klage hat der Kläger sein auf die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 3,34 EUR gerichtetes Beilhilfebegehren (70 Prozent des Kürzungsbetrages von 4,77 EUR) weiterverfolgt und zur Begründung sein Widerspruchsvorbringen vertieft. Ergänzend hat er gerügt, dass § 17 Abs. 7 Satz 1 NBhVO nicht von der gesetzlichen Ermächtigung in § 80 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) gedeckt und daher als nichtig anzusehen sei. Denn nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe g NBG sei der Verordnungsgeber nur dazu befugt, Regelungen „über Höchstbeträge in bestimmten Fällen“ zu treffen. Diese Vorgabe sei indes überschritten, wenn § 17 Abs. 7 Satz 1 NBhVO uneingeschränkt auf § 35 Abs. 5 Satz 5 SGB V verweise, welcher die überwiegende Mehrzahl der verfügbaren Medikamente umfasse.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. In der vom Kläger zitierten gesetzlichen Ermächtigung des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe g NBG werde durch den Zusatz „bestimmte“ klargestellt, dass ein gänzlicher Ausschluss der Beihilfegewährung für Arzneimittel unzulässig sei; die Formulierung lasse aber die Möglichkeit offen, entsprechend der Regelungen im SGB V die Beihilfegewährung auch für bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel auszuschließen oder zu begrenzen. Die Vorschrift des § 17 Abs. 7 Satz 1 NBhVO entspreche dieser Ermächtigung.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat die Klage mit Urteil vom 5. Februar 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 17 Abs. 7 NBhVO. Sie trage insbesondere dem Vorbehalt des Gesetzes Rechnung, wonach die grundlegenden Entscheidungen in wesentlichen Regelungsbereichen durch Parlamentsgesetz zu treffen seien. § 80 Abs. 6 Satz 1 NBG bestimme, dass das Nähere über Inhalt und Umfang sowie das Verfahren der Beihilfegewährung die Landesregierung in Anlehnung an das 5. und 11. Buch Sozialgesetzbuch sowie unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) durch Verordnung regle. Gesetzgeberischer Zweck dieser Vorschrift sei die wirkungsgleiche Übertragung von Änderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Beihilferecht. Die gesetzlich gewählte Formulierung „Höchstbeträge“ umfasse auch Festbeträge. Die in § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe g NBG enthaltene Formulierung „Höchstbeträge in bestimmten Fällen“ beziehe sich nicht nur auf Einzelfälle im Sinne von Höchstbeträgen bei einzelnen Medikamenten, sondern könne auch auf eine Gruppe von Medikamenten (auch auf die Gruppe der verschreibungspflichtigen Medikamente) bezogen werden. Dementsprechend habe die Beklagte eine weitere Beihilfe gemäß § 17 Abs. 7 NBhVO zu Recht abgelehnt. Der streitgegenständliche Bescheid sei auch hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung des Klägers gehe die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht so weit, dass die Beihilfestelle dem Beihilfeempfänger ein konkretes Medikament nennen müsse; diese Überprüfung obliege allein dem behandelnden Arzt und ggf. auch dem Apotheker.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt.

II.

Der u. a. auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (Nds. OVG, Beschluss vom 7.4.2011 - 5 LA 28/10 -). Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Nds. OVG, Beschluss vom 24.3.2011 - 5 LA 300/09 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 30.8.2011 - 5 LA 214/10 -, juris Rn. 3).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe führt das Vorbringen des Klägers (Zulassungsbegründung vom 12. März 2014, S. 3f.) zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Berufungsverfahren wird dem Senat Gelegenheit geben, die Frage, ob die Vorschrift des § 17 Abs. 7 Satz 1 NBhVO von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe g NBG gedeckt ist, einer Klärung zuzuführen. Die Entstehungsgeschichte des § 80 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe g NBG scheint zwar eher gegen die Auffassung des Klägers zu sprechen, die Formulierung „in bestimmten Fällen“ sei im Sinne einer Ausnahmefälle betreffenden Ermächtigung zu verstehen (vgl. LT-Drs. 16/1088, S. 32); die Auslegung der Ermächtigungsgrundlage des § 80 Abs. 6 NBG kann jedoch im Zulassungsverfahren nicht abschließend erfolgen, sondern muss der vertiefenden Betrachtung im Berufungsverfahren vorbehalten bleiben.

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).