Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.11.2004, Az.: 12 ME 413/04
Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches; Beschwerde gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.11.2004
- Aktenzeichen
- 12 ME 413/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34857
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2004:1102.12ME413.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 23.09.2004 - AZ: 7 B 3726/04
Rechtsgrundlagen
- § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO
- § 31a Abs. 1 StVZO
Fundstellen
- ZfS 2005, 268-269 (Volltext mit red. LS)
- zfs 2005, 268-269 (Volltext mit red. LS)
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 12. Senat -
am 2. November 2004
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer, Einzelrichterin - vom 23. September 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.200,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses den Antrag des Antragstellers abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen die mit Sofortvollzug versehene Anordnung der Antragsgegnerin vom 25. August 2004 wiederherzustellen, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen seines Beschlusses auf die Begründung des angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin Bezug genommen und im Übrigen ausgeführt, der Antragsteller sei zu dem am 2. März 2004 mit seinem Fahrzeug begangenen Rotlichtverstoß mit Schreiben vom 23. März 2004 angehört worden. Er habe den Anhörungsbogen allerdings nicht zurückgegeben, sondern lediglich über seinen Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht begehrt und erst am 16. Juni 2004 und damit nach Eintritt der dreimonatigen Verfolgungsverjährung mitgeteilt, er könne, wenn Interesse daran bestehe, den Personenkreis benennen, der üblicherweise sein Fahrzeug nutze. Zu diesem Zeitpunkt sei die Antragsgegnerin zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen nicht mehr verpflichtet gewesen. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin den Anhörungsbogen dem Antragsteller erst rund drei Wochen nach dem Verkehrsverstoß übersandt habe, begründe im Ergebnis kein relevantes Versäumnis in der Ermittlungstätigkeit der Antragsgegnerin.
Soweit der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde auf seinen gesamten bisherigen Verfahrensvortrag verweist, genügt dies nach den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Senates nicht dem in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO enthaltenen Darlegungserfordernis. Die übrigen Gesichtspunkte, die der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde anführt und auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde.
Es geht fehl, wenn der Antragsteller vorträgt, die Antragsgegnerin habe eine Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne des § 31a Abs. 1 StVZO nicht annehmen dürfen, weil das auf dem übersandten Anhörungsbogen angebrachte, durch eine automatische Verkehrsüberwachungsanlage gefertigte Foto des Fahrzeugführers unbrauchbar sei, die von der Antragsgegnerin darüber hinaus vorgenommenen Ermittlungsbemühungen für ihn nicht erkennbar gewesen seien und die Antragsgegnerin die Ermittlungen insoweit zögerlich geführt habe, als dem von seinem Prozessbevollmächtigten unter dem 31. März 2004 angebrachten Akteneinsichtsgesuch erst am 27. Mai 2004 entsprochen worden sei.
Der Antragsteller übersieht hierbei, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur: Beschl. vom 4.12.2003 - 12 LA 442/03 -, DAR 2004, 607 = Zfs 2004, 433 f. m.w.N.) die Ordnungswidrigkeitenbehörden im Rahmen ihrer nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO erforderlichen Ermittlungstätigkeit dann nicht Anlass zu umfangreichen weiteren Ermittlungen haben, wenn der Halter des Kraftfahrzeuges, mit dem der Verkehrsverstoß begangen worden ist, nicht hinreichend daran mitwirkt, den Fahrzeugführer zu bezeichnen. An einer solchen hinreichenden Mitwirkung fehlt es bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet bzw. weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Damit hat es regelmäßig sein Bewenden. Weitere Bemühungen der Ordnungswidrigkeitenbehörde zur Feststellung des Fahrzeugführers ändern an dieser Rechtslage nichts. Sie deuten nicht darauf hin, weitere Maßnahmen zur Feststellung des Fahrzeugführers seien geboten gewesen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, diese Feststellung sei im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich.
Diese Maßstäbe, die unabhängig davon eingreifen, ob der zu Grunde liegende Verkehrsverstoß fotografisch dokumentiert ist oder nicht, sind hier erfüllt. Der Antragsteller hat den Anhörungsbogen vom 23. März 2004 nicht an die Antragsgegnerin zurückgesandt und damit seine Mitwirkung an der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers von Anfang an verweigert, obwohl ihm, wie seine Ausführungen im Beschwerdeverfahren belegen, bewusst war, dass neben ihm als Fahrzeugführer (nur) vier bis fünf weitere Personen in Betracht kamen. Bei einem solchen Sachverhalt ist es, wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat (Beschlüsse vom 30.4.2002 - 12 ME 349/04 -, vom 3.6.2002 - 12 LA 469/02 - und vom 12.7.2002 - 12 ME 511/02 -) ohne Belang, dass der Antragsteller erst später als begehrt Akteneinsicht erhalten hat. Denn zum maßgebenden Zeitpunkt - dem Empfang des Anhörungsbogens - hat der Antragsteller eine Mitwirkungsbereitschaft nicht erkennen lassen und keinerlei Angaben über den ihm bekannten Kreis der Benutzer seines Fahrzeuges gemacht. Auch in dem erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährung bei der Antragsgegnerin eingegangenen anwaltlichen Schreiben vom 15. Juni 2004 hat der Antragsteller lediglich ausgeführt, er sei gerne bereit, eine Vielzahl von Personen zu benennen, die das Fahrzeug neben ihm selbst regelmäßig zu fahren pflegten; falls die Antragsgegnerin darauf Wert lege, bitte er um einen entsprechenden Hinweis, damit eine entsprechende Liste zur Akte gereicht werden könne. Unabhängig hiervon enthalten die Akten einer Ordnungswidrigkeitenbehörde in Fällen von Rotlicht - Verstößen in aller Regel und so auch hier über das bereits auf dem Anhörungsbogen angebrachte Foto hinaus nichts, was im Hinblick auf die Identifizierung des Fahrzeugführers von Bedeutung sein könnte (vgl. dazu allgemein: VGH Baden - Württemberg, Beschl. v. 23.8.1996 - 10 S 1867/96 -, NZV 1996, 470, 471).
Wegen der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers kommt es auch auf die weiteren erfolglosen Ermittlungsbemühungen der Antragsgegnerin in Gestalt von persönlichen und telefonischen Versuchen der Kontaktaufnahme, die dem Antragsteller, wie sein an die Antragsgegnerin gerichtetes Telefax-Schreiben vom 25. Mai 2004 erweist, durchaus zur Kenntnis gelangt sind, nicht an. Der Antragsteller ist gleichwohl darauf hinzuweisen, dass sein Einwand, er habe nicht wissen können, auf welche dringenden persönlichen Angelegenheit das von Mitarbeitern der Antragsgegnerin hinterlassene Benachrichtigungsschreiben habe hinweisen sollen, als rein formal und vorgeschoben erscheinen muss.
Der Antragsteller kann gegen die ihm auferlegte Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches schließlich nicht mit Erfolg einwenden, die Antragsgegnerin habe ihn nicht innerhalb von 14 Tagen zu dem Verkehrsverstoß vom 2. März 2004 angehört. Zwar gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem als Voraussetzung für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage zu fordernden angemessenen Ermittlungsaufwand grundsätzlich die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung. Verzögerte Ermittlungshandlungen der Behörde schließen gleichwohl die Fahrtenbuchauflage nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist (vgl. nur: BVerwG, Beschlüsse v. 13.10.1978 - 7 C 77.74 - und vom 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, Buchholz 442.16, Nrn. 5 und 17 zu § 31a StVZO).
Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt, dass die Nichteinhaltung der 14-Tages-Frist bei der Übersendung des Anhörungsbogens nicht ursächlich für die unterbliebene Ermittlung des Fahrzeuglenkers gewesen ist. Denn der Antragsteller wäre - wie seine Ausführungen im Beschwerdeverfahren belegen - jedenfalls zur Benennung der Betracht kommenden vier bis fünf Personen, die neben ihm sein Fahrzeug regelmäßig benutzen, in der Lage gewesen. Hinzu kommt, dass das von dem Verkehrsverstoß gefertigte Foto entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht vollkommen unbrauchbar war. Es handelt sich nicht um ein "total verschwommenes, absolut unidentifizierbares Foto, auf dem sich ein weißer Fleck befindet, der möglicherweise den Kopf eines Menschen darstellen könnte", die Aufnahme ist zur Überzeugung des Senats vielmehr geeignet, dem Betrachter die Identifizierung einer ihm bekannten Person zu ermöglichen. Deshalb hatte der Antragsteller den Fahrzeugführer aus dem in Frage kommenden, äußerst überschaubaren Kreis der Fahrzeugbenutzer namhaft machen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.200,- EUR festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 46.13 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (400,- EUR je Monat der angeordneten Führung des Fahrtenbuches). Der sich hiernach ergebende Betrag von 2.400,- EUR ist in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
Dr. Möller
Hüsing