Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.01.2012, Az.: 7 B 81/12

Fahrtenbuch

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
20.01.2012
Aktenzeichen
7 B 81/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44402
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 24.04.2012 - AZ: 12 ME 33/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Führen eines Fahrtenbuches darf nicht angeordnet werden, wenn die Ermittlung des Täters einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften mit der Bußgeldbehörde zumutbaren Schritten möglich war. Dazu kann im Einzelfall die Anhörung des Kraftfahrzeughalters als Zeuge gehören. Seine Anhörung als Betroffener reicht dann erst Recht nicht aus, wenn der entsprechende Vordruck des Anhörungsschreibens zu der Bitte, die Personalien des Dritten (des tatsächlichen Fahrers) anzugeben, den insoweit falschen Passus enthält: "hierzu sind Sie nicht verpflichtet".
Vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. April 2012 - 12 ME 33/12 - (bestätigend). VGH Bad-Württ., Beschluss vom 4. August 2009 (- 10 S 1499/09 -, NJW 2009, 3802).

Tenor:

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 5. Januar 2012 (Az.: 7 A 80/12) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. Dezember 2011 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.400 € (in Worten: Zweitausendvierhundert EURO) festgesetzt.

Gründe

1. a) Am 6. Juli 2011 um 10.38 Uhr wurde mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … innerhalb des Gebietes der Stadt … das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage nicht beachtet (die Rotphase dauerte bereits 1,04 Sekunden an). Der Verstoß wurde mit Hilfe technischer Einrichtungen (Induktionsschleifen) festgehalten und mit einem Fotogerät (Traffiphot) dokumentiert. Das entsprechende Foto zeigt einen Fahrzeugführer, dessen Kopf-/Augenpartie jedenfalls teilweise voraussichtlich durch den Innenrückspiegel abgedeckt ist.

Mit Datum vom 15. Juli 2011 übersandte die Stadt … als im Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständige Ermittlungsbehörde und Bußgeldstelle dem Antragsteller ein Schreiben mit der Überschrift „Anhörung im Bußgeldverfahren“, in dem sie ihm vorwarf, den Verkehrsverstoß begangen zu haben. Sie gab Gelegenheit, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Weiter heißt es dort, dass er nicht verpflichtet sei, zur Sache auszusagen. Im Wortlaut führt dieses Schreiben aus:

"Hat eine andere Person die Ordnungswidrigkeit begangen, teilen Sie bitte innerhalb einer Woche neben Ihren Personalien zusätzlich die Personalien der verantwortlichen Person unter Nr. 3 ‚Angaben zur Sache’ mit, hierzu sind Sie nicht verpflichtet.“

Anwaltlich vertreten meldete sich der Antragsteller mit Schreiben vom 20. Juli 2011 mit der Bitte um Akteneinsicht bei der Stadt….

In dem Aktenübersendungsschreiben der Stadt … vom 22. Juli 2011 heißt es, dass es dem Antragsteller freistehe, „sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen“, und weiter im Wortlaut:

„Ich weise jedoch darauf hin, dass Ihrem Mandanten, falls entlastende Umstände nicht rechtzeitig vorgebracht werden, Nachteile bei der Kostenfestsetzung entstehen können, selbst wenn das Bußgeldverfahren mit einem Freispruch oder einer Einstellung endet."

Unter dem 10. August 2011 übersandte die Stadt … dem Bevollmächtigten des Antragstellers ein Schreiben „Bußgeldsache“, in dem es heißt, es werde „um Mitteilung bis zum 22.08.2011, ob Ihr Mandant das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat," gebeten.

Darauf beantragte der Antragsteller mit Telefax vom 16. August 2011, das gegen ihn gerichtete Verfahren einzustellen, da „er ausweislich des in der Akten befindlichen Fotos nicht Fahrer des Tatfahrzeugs gewesen sein kann“.

Schließlich führte die Stadt … noch einen Lichtbildabgleich mit dem Foto des Ausweisdokuments des Antragstellers bei der Gemeinde … durch und stellte das gegen den Antragsteller gerichtete Bußgeldverfahren mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 ein, weil die Person, die die Ordnungswidrigkeit begangen habe, nicht habe festgestellt werden können.

Mit Schreiben vom 23. November 2011 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu seiner Absicht an, ihm gegenüber das Führen eines Fahrtenbuches anzuordnen.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2011 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Führen eines Fahrtenbuches für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … (bzw. Ersatz-/ oder Nachfolgefahrzeug) für die Dauer von zwölf Monaten an. In den Gründen heißt es unter anderem, dass die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers trotz hinreichender Ermittlungen nicht möglich gewesen sei.

Der Antragsteller hat am 5. Januar 2011 Klage gegen diesen Bescheid erhoben und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er sei nicht als Zeuge gehört worden.

Der Antragsgegner tritt dem bezugnehmend auf die Gründe des angegriffenen Bescheides entgegen.

b) Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage des Antragstellers ist begründet. Der angegriffene Bescheid des Antragsgegners, mit dem er gegenüber dem Antragsteller das Führen eines Fahrtenbuches für die Dauer von zwölf Monaten verfügt, erweist sich voraussichtlich als rechtswidrig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist im Hinblick auf die Begründetheit entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg versprechenden Rechtsbehelf überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse.

Die materiellen Voraussetzungen des § 31a StVZO für die Anordnung, ein Fahrtenbuch für das eingangs bezeichnete Kraftfahrzeug zu führen, sind hier mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt.

Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeug wurde zwar eine erhebliche Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen, die dem Grunde nach zur entsprechenden Anordnung berechtigt, ein Fahrtenbuch führen zu müssen.

Die Feststellung des Fahrzeugführers war aber gerade nicht unmöglich.

Die Feststellung des Fahrzeugführers ist im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO "nicht möglich", wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Es kommt mithin darauf an, ob die zuständige Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen veranlasst, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, VRS 64, 466; Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, VRS 74, 233). An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Darin liegt die konkludente Erklärung, sich zur Sache nicht äußern zu wollen. Der Behörde werden in diesen Fällen weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht zugemutet. Zusätzliche Bemühungen der Behörde zur Feststellung des Fahrzeugführers ändern an dieser Rechtslage nichts. Sie deuten nicht darauf hin, weitere Maßnahmen zur Feststellung des Fahrzeugführers seien geboten gewesen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, diese Feststellung sei im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich (st. Rspr. des Nds. Oberverwaltungsgerichts, vgl. etwa Beschluss vom 25. Mai 2007 - 12 ME 141/07 - V.n.b.; Beschluss vom 31. Oktober 2006 - 12 LA 463/05 -, juris; Beschluss vom 2. November 2004 - 12 ME 413/04 -, ZFSch 2005, 268; Beschluss vom 8. November 2004 - 12 LA 72/04 -, DAR 2005, 231). Die Behörde ist nur dann zu weiteren Ermittlungen gezwungen, wenn sich im Einzelfall besondere Anzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten (Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 31. Oktober 2006 - 12 LA 463/05 -, juris; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, VRS 64, 466). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer, vgl. z.B. Kammerbeschlüsse v. 3. November 2009 - 7 B 2816/09 - und vom 19. Januar 2012 - 7 B 83/12 -.

Die Verfolgungsbehörde ist zwar "regelmäßig" und "grundsätzlich" nicht verpflichtet, Ermittlungsmaßnahmen anstellen, die "wahllos", "zeitraubend" und kaum Erfolg versprechend sind, wenn der Fahrzeughalter keine Angaben zum Fahrzeugführer macht oder ein Unternehmen nicht die notwendigen Vorkehrungen getroffen hat, um den Führer eines Firmenfahrzeuges festzustellen. Sie ist aber auch in solchen Fällen ausdrücklich nicht davon befreit, gezielte, Erfolg versprechende und wenig aufwendige Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, wenn diese ausnahmsweise einmal auf der Hand liegen sollten. Wenn die bisherigen Ermittlungsbemühungen zu Fortschritten bei der Aufklärung führen, so dass sich nun gezielt gegen bestimmte Verdächtige gerichtete, Erfolg versprechende und wenig aufwendige weitere Maßnahmen aufdrängen, darf die Verfolgungsbehörde davor nicht die Augen verschließen, indem sie dennoch das Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne weiteres einstellt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Einstellung gerade erst einmal gut die Hälfte der Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG abgelaufen ist. Würde man es den Behörden erlauben, das Ordnungswidrigkeitenverfahren auch in Fällen, in denen trotz des Schweigens des Fahrzeughalters ausnahmsweise gute Chancen auf rechtzeitige Ermittlung des Fahrzeugführers bestehen, vorschnell einzustellen und den Weg der Fahrtenbuchauflage zu gehen, wäre dies mit Sinn und Zweck des § 31a StVZO nicht vereinbar. Die Vorschrift soll dann, wenn ein Verkehrsverstoß wegen der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers nicht geahndet werden konnte, sicherstellen, dass sich solches in Zukunft nicht mehr wiederholt (vgl. zum Zweck der Vorschrift Hentschel u.a., Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 31a StVZO Rn. 2). Würde man sie dagegen auch in Fällen anwenden, in denen ausnahmsweise gute Chancen bestanden, den Fahrzeugführer noch innerhalb der Verjährungsfrist mit geringem Aufwand zu identifizieren, und in denen dies aller Wahrscheinlichkeit nur daran gescheitert ist, dass die Verfolgungsbehörde auf der Hand liegende Ermittlungsschritte unterlassen hat, wäre die Fahrtenbuchauflage letztendlich eine bloße Sanktion für das Schweigen des Halters (vgl. bereits Beschluss der Kammer vom 1. Oktober 2008 - 7 B 2577/08 -, juris).

Ein Ausnahmefall der beschriebenen Art liegt beispielsweise vor, wenn die Bußgeldbehörde einen Abgleich des Radarfotos mit dem Passfoto des Halters durchgeführt hat, dabei selbst zu dem Ergebnis kam, der Halter sei auch der Fahrer gewesen, dieser Schluss auch objektiv nachvollziehbar ist und die Behörde dennoch das Bußgeldverfahren eingestellt hat (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 28. April 2003 - 7 B 1422/03 -, juris). Gleiches gilt, wenn die Bußgeldbehörde einen Abgleich des Beweisfotos mit dem Passbild eines Familienangehörigen des Halters durchführt, der Familienangehörige aufgrund dessen ernsthaft als Fahrer in Betracht kommt, genügend Zeit bis zum Eintritt der Verjährung gegeben ist und dennoch keine weiteren Schritte in Bezug auf die Person des Angehörigen unternommen werden (vgl. VG München, Beschluss vom 20. September 2002 - M 23 S 02.3925 -, juris). Dagegen reicht es noch nicht aus, wenn ein Ermittlungsbeamter der Bußgeldbehörde nach einem persönlichen Besuch bei einem Halter, der bereits bestritten hat, selbst der Fahrer gewesen zu sein, subjektiv meint, den Halter als Fahrer erkannt zu haben, die schlechte Qualität des Beweisfotos es aber nicht erlaubt, diesen Schluss objektiv nachzuvollziehen (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 17. Juli 2007 - 6 A 433/06 -, juris).

Nach diesen Maßstäben spricht hier Alles dafür, dass die Stadt … nicht ausreichend versucht hat, den Fahrzeugführer des Verkehrsverstoßes festzustellen. Hier liegt ein erhebliches Ermittlungsdefizit vor, weil die Stadt … den Antragsteller nur als Beschuldigten, nicht aber als Zeugen gehört hat, ihn insbesondere nicht als Halter des betroffenen Fahrzeugs nach einer für die Tatzeit anstatt seiner Person in Betracht kommenden anderen Person gefragt hat. Damit hat die Stadt … schon einfache Ermittlungsbemühungen unterlassen und braucht sich der Antragsteller nicht etwa mangelnde Mitwirkung vorwerfen zu lassen. Die Stadt … hätte ihn jedenfalls schon sehr bald nach seiner Äußerung, selber nicht gefahren zu sein, als Zeugen in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren anhören müssen und seinerzeit das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn selbst einstellen können.

Nach § 46 Abs. 1 und 2 OWiG sind die Vorschriften der Strafprozessordnung über Zeugen im Bußgeldverfahren sinngemäß anzuwenden, soweit sie im Strafverfahren durch die Vernehmung eines Zeugen durch die Staatsanwaltschaft gelten. Daher besteht auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Pflicht des Zeugen grundsätzlich darin, bei der Behörde auf eine entsprechende Ladung hin zu erscheinen und zur Sache auszusagen. Diese generelle Pflicht zur Aussage ist nur durch bestimmte Zeugnisverweigerungsrechte (beispielsweise nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 52 StPO zugunsten von Angehörigen) eingeschränkt (vgl. zu Alledem <worauf sich der Antragsteller zu Recht bezieht>: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. August 2009 - 10 S 1499/09 -, hier zitiert nach juris, und auch darauf bezugnehmend Einstellungsbeschluss des Nds. OVG vom 25. Januar 2010 - 12 ME 308/09 -). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Straßenverkehrsbehörde vor der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nicht vornherein verpflichtet ist, den betroffenen Fahrzeugführer als Zeugen förmlich zu befragen. Ob dies eine der Behörde des Ordnungswidrigkeitenverfahrens noch zuzumutende Maßnahme ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162/87 -, NJW 1988, 1104). Diese Frage muss das Gericht hier bejahen. Insbesondere ist hierfür maßgeblich, dass die Bußgeldstelle der Stadt … seinerzeit noch hinreichend Zeit gehabt hätte, die Personen, die ihr der Antragsteller in seiner Rolle als Halter und damit als Zeuge, nicht als Beschuldigter, hätte benennen können/müssen, vor dem Eintritt der Verfolgungsverjährung des Verkehrsverstoßes vom 6. Juli 2011 anzuhören. Es stand - jedenfalls für das Gericht nicht erkennbar - auch nicht fest, dass der Antragsteller gleichgültig in welchem Verfahren bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht mitwirken werde. Insoweit wird auf die oben zitierten Hinweise in dem Anhörungsbogen der Bußgeldstelle der Stadt … für den Antragsteller Bezug genommen. Es geht zu Lasten des Antragsgegners, dass diese Bußgeldstelle diese vorbezeichneten Möglichkeiten nicht ausdrücklich ergriff. Im Einzelnen hält die Kammer dazu fest:

(1) Schon der Anhörungsbogen „Anhörung im Bußgeldverfahren“ der Stadt … vom 15. Juli 2011 ist fehlerhaft, weil er nicht erwähnt, dass der Antragsteller als Halter des betroffenen Fahrzeuges als Zeuge gehört werde und insoweit Angaben zur Sache machen müsste. Irrigerweise heißt es dort sogar ausdrücklich, dass er zwar die Personalien einer anderen Person mitteilen solle, dazu aber nicht verpflichtet sei („hierzu sind Sie nicht verpflichtet“ Hervorh.d.d.Gericht). Dies ist falsch (so schon: Beschluss der Kammer vom 3. November 2009 - 7 B 2816/09 -). Auch enthält dieser Anhörungsbogen keine weiteren Hinweise für eine etwaige zeugenschaftliche Vernehmung. Der Antragsteller ist damit ausschließlich als Beschuldigter bzw. Betroffener des Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu dem Tatvorwurf gehört worden, was für hinreichende Ermittlungen im Sinne des § 31a StVZO bereits nicht ausreichend ist.

(2) Die Stadt … hat sodann auch mit ihrem Schreiben vom 22. Juli 2011 die Gelegenheit versäumt, auf eine etwaige zeugenschaftliche Befragung des Antragstellers hinzuwirken, indem sie sogar im Gegenteil in diesem Aktenübersendungsschreiben an den Bevollmächtigten des Antragstellers ausdrücklich weiterhin den Antragsteller als Beschuldigten betrachtet (und eben nicht als Zeugen), indem sie nämlich wörtlich ausführt:

„Es steht Ihnen frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ich weise jedoch darauf hin, dass Ihrem Mandanten, falls entlastende Umstände nicht rechtzeitig vorgebracht werden, Nachteile bei der Kostenfestsetzung entstehen können, selbst wenn das Bußgeldverfahren mit einem Freispruch oder einer Einstellung endet.“

Etwaige sonstige Hinweise, die auf die rechtliche Stellung eines Zeugen hinweisen könnten, enthält dieses Schreiben nicht.

(3) Mit dem Schreiben der Stadt … vom 10. August 2011 verhält es sich nicht anders, soweit es dort in der Überschrift wörtlich heißt:

„Bußgeldsache gegen Herrn …“.

Außerdem heißt es in diesem Schreiben ausdrücklich, es werde um Mitteilung gebeten, ob „Ihr Mandant das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat“ - es wird ausdrücklich eben gerade nicht danach gefragt, wer verneinendenfalls ansonsten das Fahrzeug geführt haben könnte, mithin eine zeugenschaftliche Aussage gerade nicht erbeten.

(4) Selbst wenn man aber der voranstehenden Auffassung zum Schreiben der Stadt … vom 10. August 2011 nicht folgen und insoweit davon ausgehen wollte, dort sei jedenfalls indirekt eine zeugenschaftliche Stellungnahme erbeten, würde dies nicht ausreichen, um hinreichende Ermittlungstätigkeiten im Sinne von § 31a StVZO annehmen zu können, da nämlich alsdann der Antragsteller anwaltlich vertreten mit seinem Schreiben vom 16. August 2011 ausdrücklich nochmals die Stadt … darauf hinweist, nicht Fahrer des Tatfahrzeugs gewesen zu sein, ohne weitere Angaben über etwaige andere Fahrer zu machen - auf dieses Schreiben hin jedenfalls hätte die Stadt … reagieren und Nachfrage halten müssen, wer denn ansonsten das Fahrzeug geführt habe.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Stadt … nicht hinreichende Ermittlungstätigkeiten entfaltet und schon an deren Anfang einen inhaltlich falsch abgefassten Anhörungsbogen versandt hat, in welchem sie zudem darauf hinweist, dass man nicht dazu verpflichtet sei mitzuteilen, wer tatsächlich das Fahrzeug gefahren habe.

Dies wirkt sich zu Lasten des Antragsgegners aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Der Wert ist abhängig von der Dauer der Fahrtenbuchauflage und beträgt 400,00 € je Monat, so dass bei einer Fahrtenbuchanordnung von insgesamt zwölf Monaten ein Wert von 4.800,00 € anzusetzen ist. Da im vorliegenden Eilverfahren lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.