Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 13.11.2007, Az.: 6 A 173/06
Anhörungsbogen; Behörde; Beifahrer; Ermittlungsschritt; Fahrer; Fahrtenbuchauflage; Foto; Gesicht; Information; Selbstbestimmung; Unkenntlichmachung; Verkehrsverstoß
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 13.11.2007
- Aktenzeichen
- 6 A 173/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71885
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31a StVZO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Ordnungswidrigkeitenbehörde darf nur die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes und der letztlich drohenden Fahrtenbuchauflage angemessenen Ermittlungsschritte vornehmen. Dementsprechend ist es zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Beifahrers bei einem dokumentierten Verkehrsverstoß gerechtfertigt, mit dem Anhörungsbogen nur ein Foto des Fahrers zu übersenden oder das Gesicht des Beifahrers auf dem übersandten Foto durch einen Balken etc. unkenntlich zu machen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, für seinen Pkw ein Fahrtenbuch zu führen.
Er ist Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D.. Nach den polizeilichen Messunterlagen wurde mit diesem Fahrzeug am 22.12.2005 in der Gemarkung Lüneburg, B 4 / B 209 - Ostumgehung -, Kilometer 11, 725, Richtung Süden, die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften nach Abzug eines Toleranzwertes um 21 km/h überschritten. Die Ordnungswidrigkeit wurde durch ein mobiles Geschwindigkeitsmessgerät und Frontfotos dokumentiert.
Am 23.01.2006 übersandte der Landkreis Lüneburg als Bußgeldbehörde dem Kläger einen Anhörungsbogen und ein Foto des Fahrers. Dieser sandte den Anhörungsbogen am 08.02.2006 zurück, machte dort die Pflichtangaben zur Person und gab zur Sache an, nicht der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen zu sein. Auf die nochmalige Aufforderung des Landkreises Lüneburg zur Mitteilung von Namen und Anschrift des Fahrzeugführers reagierte der Kläger nicht. Daraufhin bat der Landkreis Lüneburg die Polizeiinspektion E. um Amtshilfe bei der Fahrerermittlung. Ausweislich eines Telefonvermerks teilte der Kläger der Polizeiinspektion E. am 06.03.2006 telefonisch mit, dass er nicht angeben könne, wer mit dem Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gefahren sei. Tatsache sei, dass es sich bei dem verantwortlichen Fahrzeugführer weder um eines seiner Kinder, noch überhaupt um eine ihm bekannte Person handele. Die abgebildete Person sei ihm völlig unbekannt. Daraufhin wurde das Bußgeldverfahren eingestellt.
Unter dem 12.04.2006 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches für die Zeitdauer von 12 Monaten an. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht, die ihm gewährt wurde, und verwies darauf, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt nicht in E. gewesen sei. Im Übrigen habe der Landkreis Lüneburg die Ermittlungen erst vier Wochen nach der vermeintlichen Tat aufgenommen und es sei nicht ersichtlich, ob die vorgenommene Messung rechtmäßig gewesen sei.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10.05.2006 gab der Beklagte dem Kläger auf, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. oder ein Ersatzfahrzeug für die Dauer von 12 Monaten nach Bestandskraft des Bescheides ein Fahrtenbuch zu führen. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 31a StVZO könne die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich gewesen sei. Für die am 22.12.2005 mit dem Fahrzeug des Klägers vorgenommene Geschwindigkeitsüberschreitung habe der Fahrer nicht ermittelt werden können. Die Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h stelle keine geringfügige Verkehrsübertretung dar; sie sei mit einem Bußgeld von 50,00 Euro und der Eintragung von einem Punkt im Verkehrszentralregister zu ahnden. Damit handele es sich um einen groben Verkehrsverstoß, der die Anordnung eines Fahrtenbuches rechtfertige. Es komme nicht darauf an, ob bei der konkreten Verkehrssituation andere Verkehrsteilnehmer gefährdet worden seien. Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr sei es erforderlich, dem Kläger das Führen eines Fahrtenbuches aufzuerlegen, um ihn zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anzuhalten. Der Zeitraum von 12 Monaten stelle keine übermäßige Belastung dar und sei nicht unverhältnismäßig. Mit einem weiteren Bescheid vom 10.05.2006 setzte der Beklagte für die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches Kosten in Höhe von insgesamt 85,10 Euro fest. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Arbeitsaufwandes des Sachbearbeiters und der Schreibkraft erfolgte die Ausfüllung der Rahmengebühr von 21,50 Euro bis 93,10 Euro in der genannten Höhe. Zusätzlich wurden für die Zustellung des Bescheides Portokosten in Höhe von 5,10 Euro festgesetzt.
Am 17.05.2006 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, § 31a StVZO sei verfassungswidrig, da der Adressat der Fahrtenbuchauflage genötigt werde, sich selbst zu bezichtigen und seine Zeugnisverweigerungsrechte gegenüber Ehepartnern und Angehörigen untergraben würden. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 31a StVZO nicht vor. Es werde bestritten, dass überhaupt ein Verstoß gegen Verkehrsvorschriften vorliege. Außerdem werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Messung am 22.12.2005 ordnungsgemäß erfolgt sei, der Abstand des Messgerätes zur Messlinie eingehalten wurde, die Verletzung der Höchstgeschwindigkeit sich an einem Streckenabschnitt ereignete, der wegen seiner Gefährlichkeit in der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beschränkt worden sei, es sich um einen Unfallschwerpunkt handele und der ermittelnde Beamte ausgebildeter Messbeamter sei. Möglicherweise habe ein kleines Fahrzeug den Messvorgang ausgelöst, das dann jedoch nicht auf den Fotos zu sehen sei. Im Übrigen sei der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften nicht schwerwiegend, da es sich lediglich um eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h handele. Aufgrund dessen sei zumindest die Dauer der Fahrtenbuchauflage von 12 Monaten als unverhältnismäßig zu beanstanden. Die Fahrtenbuchauflage sei im Übrigen erst dann zulässig, wenn angemessene und zumutbare Nachforschungen getätigt worden seien, um den Fahrzeugführer zu ermitteln. Er habe als Halter des Fahrzeugs binnen weniger Tage, spätestens zwei Wochen nach dem Verstoß, über die Identität des Fahrzeugführers befragt werden müssen. Hier habe die Ermittlungsbehörde erst einen Monat später die Ermittlungen aufgenommen. Außerdem sei ihm mit dem Anschreiben des Landkreises Lüneburg lediglich ein unscharfer Abzug des Fotos des Messgerätes übersandt worden. In dem Anhörungsbogen habe er deshalb wahrheitsgemäß angegeben, dass es sich bei ihm nicht um den verantwortlichen Fahrzeugführer handele. In seiner Familie verfügten die Ehefrau und zwei Kinder über eine Fahrerlaubnis. Das Fahrzeug werde als Familienfahrzeug genutzt. Ein Passfotoabgleich mit diesen Personen sei nicht erfolgt, obwohl diese Ermittlungen durchaus dienlich gewesen wären. Auch sei ihm ein in den Akten vorhandenes weiteres Tatortfoto nicht vorgelegt worden, auf dem eine zweite Person erkennbar sei. Zum Zeitpunkt der Ordnungswidrigkeit sei er bei seiner Mutter im Landkreis Dinslaken gewesen. Er habe die Fragen der Polizei wahrheitsgemäß beantwortet. Wer das Fahrzeug sonst nutzte, sei nicht gefragt worden. Darüber hinaus würden die vom Beklagten geltend gemachten Kosten der Höhe nach mit Nichtwissen bestritten. Der Bescheid bestehe lediglich aus Textbausteinen, sodass von einer Fertigung in kürzester Zeit auszugehen sei. Außerdem verlange er die Erstattung der entstandenen außergerichtlichen Anwaltsgebühren, welche auf die gerichtlich entstandenen Gebühren nicht anzurechnen seien, weshalb sie im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht festgesetzt werden könnten. Er sei daher gehalten, diese Gebühren als streitwertunerhebliche Nebenforderungen im dazugehörigen Klageverfahren geltend zu machen, um einen weiteren Prozess zu vermeiden. Der Prozessbevollmächtigte sei von ihm beauftragt worden, auf die Anhörung des Beklagten vom 12.04.2006 zu reagieren. Damit seien Kosten von 477,11 Euro entstanden.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 10.05.2006 aufzuheben und diesen zu verurteilen, an ihn 477,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
Weiterhin beantragt er,
die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h gelte generell als potenziell schwerwiegend. Anzumerken sei, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Bundesstraßen regelmäßig 100 km/h betrage, und dass es sich hier um einen Streckenabschnitt gehandelt habe, der wegen seiner Gefährlichkeit in der zulässigen Höchstgeschwindigkeit habe beschränkt werden müssen. Der verfügte Führungszeitraum des Fahrtenbuches sei nicht unverhältnismäßig. Die behauptete Fehlmessung des Geschwindigkeitsmessgerätes infolge der Störung durch ein anderes Fahrzeug sei haltlos; Anhaltspunkte dafür gäbe es nicht. Die Überschreitung der Anhörungsfrist von zwei Wochen sei unbeachtlich, da nicht das fehlende Erinnerungsvermögen des Klägers, sondern die Tatsache, dass es sich bei dem Fahrer nach seinen Angaben um eine völlig unbekannte Person gehandelt habe, ursächlich für die Nichtermittelbarkeit des Fahrers gewesen sei. Da der Kläger ausgeschlossen habe, dass es sich um eines seiner Kinder gehandelt habe, sei ein weiteres Befragen von Personen nicht in Betracht gekommen. Nach den vorgelegten Unterlagen (Messprotokoll; dienstliche Erklärung des Messbeamten; Bescheinigung zur Ausbildung des Messbeamten; Eichbescheinigung) sei die Messung rechtmäßig erfolgt. Bei dem für die Feststellung der Verwaltungskosten angesetzten Zeitaufwand handele es sich um einen Durchschnittswert, der verständlicherweise nicht bei jedem Vorgang mit der Stoppuhr ermittelt werde. Der Hinweis des Klägers auf einen unzutreffenden Zeitaufwand sei lediglich pauschal.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 10.05.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Fahrzeughalter getroffene Fahrtenbuchanordnung ist § 31 a Absatz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht; insbesondere werden durch die in erster Linie polizeilich begründete Mitwirkungspflicht aus § 31 a StVZO etwaige Aussageverweigerungsrechte und Zeugnisverweigerungsrechte im Ordnungswidrigkeitenverfahren oder Strafverfahren sowie mögliche entsprechende Rechte im verwaltungsbehördlichen Verfahren noch nicht berührt (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. vom 07.12.1981 - 2 BvR 1172/81 -, NJW 1982, 568 ff.).
Die Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 StVZO liegen vor. Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im genannten Sinne ist darin zu sehen, dass mit dem Kraftfahrzeug des Klägers am 22.12.2005 der im Tatbestand bezeichnete Verkehrsverstoß begangen wurde, indem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 21 km/h überschritten wurde. Das Gericht sieht keinen Anlass, die Richtigkeit der hinreichend dokumentierten, nicht bereits augenscheinlich fehlerhaften und mit einer geeichten Messanlage durchgeführten Messung in Frage zu stellen (vgl. Nds. OVG, Urt. vom 06.11.1996 - 12 L 2664/96 -, Beschl. vom 30.06.1999 - 12 L 2698/99 -, Beschl. vom 11.05.1999 - 12 L 2087/99 - DAR 1999, 424, Beschl. vom 29.11.1999 - 12 L 4605/99 -, VG Braunschweig, Urteil vom 09.06.2005 - 6 A 191/05 -).
Bei der hier eingesetzten Geschwindigkeitsüberwachungsanlage handelt es sich um eine Messeinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 EichG in Verbindung mit Abschnitt 11 der Anlage 18 zur Eichordnung, deren Funktionsfähigkeit in regelmäßigen Abständen zu überprüfen ist. Die Gültigkeitsdauer einer Eichung beträgt bei Geschwindigkeitsüberwachungsgeräten für den Straßenverkehr regelmäßig ein Jahr (Anhang B Nr. 18.3 zu den §§ 12 bis 14 EO). Ausweislich des bei den Akten befindlichen Eichscheines wurde das Geschwindigkeitsmessgerät am 05.12.2005 geeicht. Das ebenfalls vorgelegte Messprotokoll vom 22.12.2005 dokumentiert ordnungsgemäß den Messvorgang. Bei diesen Unterlagen handelt es sich um öffentliche Urkunden im Sinne des § 98 VwGO i. V. m. § 418 ZPO, die den vollen Beweis über die Funktionsfähigkeit des Messgeräts und die Ordnungsmäßigkeit der Messung und Auswertung erbringen (vgl. hierzu: Nds. OVG, Beschl. vom 29.11.1999 a. a. O. m. w. N.; VG Braunschweig, Urt. vom 01.09.2005 - 6 A 98/05 -).
Um diese gesetzliche Beweisregel zu erschüttern, hätte der Kläger substanziiert eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für die Fehlerhaftigkeit der Messung darlegen müssen. Dies ist nicht geschehen. Insbesondere reicht insoweit ein Bestreiten mit Nichtwissen nicht aus. Dies gilt auch für die reine Behauptung des Klägers, möglicherweise habe ein kleineres Fahrzeug den Messvorgang ausgelöst, welches dann nicht auf den Fotos zu sehen sei. Insoweit wurden substanziierte Angaben, die diese Schilderung plausibel erscheinen lassen könnten (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 14.06.1999 - 12 M 2491/99 -), nicht gemacht. Das Gerät wurde vom Messbeamten nach dem von ihm erstellten Messprotokoll entsprechend der Bedienungsanleitung eingesetzt (vgl. auch die dienstliche Erklärung des Messbeamten vom 14.08.2006). Anhaltspunkte für eine mangelhafte Qualifikation des Messbeamten bestehen nicht.
In der Rechtsprechung der Kammer, die insoweit dem Bundesverwaltungsgericht wie auch dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht folgt (BVerwG, Urt. vom 17.05.1995 - BVerwGE 1998, 227; Nds. OVG, Beschl. vom 08.07.2005 - 12 ME 185/05 - m. w. N.), ist allerdings geklärt, dass nur ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage rechtfertigen kann. Dabei hängt die Wesentlichkeit des Verkehrsverstoßes nicht davon ab, ob dieser zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat. Ein wesentlicher Verkehrsverstoß in diesem Sinne ist regelmäßig bereits dann anzunehmen, wenn die Verkehrszuwiderhandlung vom Verordnungsgeber nach dem Punktesystem mit mindestens einem Punkt bewertet wird. Das ist hier der Fall, indem die zu den Hauptunfallursachen zählende Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h gemäß dem Punktesystem nach der Anlage 13 zu § 40 FeV im Falle einer Ahndung im Ordnungswidrigkeitenverfahren mit einem Punkt im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes erfasst worden wäre.
Die Feststellung des Fahrzeugführers, der bei dem Verkehrsverstoß vom 22.12.2005 das auf den Kläger zugelassene Fahrzeug gefahren hat, war bei der zuständigen Bußgeldbehörde darüber hinaus im Sinne des § 31a StVZO nicht möglich. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen diejenigen Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab oder erklärt er, dazu nicht imstande zu sein, so ist der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982 - Buchholz 442.16, § 31a StVZO Nr. 11, Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Nds. OVG, Beschl. vom 08.11.2004 - 12 LA 72/04 -). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Bußgeldbehörde hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen. Der Kläger hat an der Feststellung, wer das Fahrzeug am Tag des Vorfalls gefahren hat, nicht hinreichend mitgewirkt.
An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es bereits dann, wenn er im Anhörungsbogen der Bußgeldbehörde keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis macht, der das Tatfahrzeug benutzt (Nds. OVG, Beschl. vom 04.12.2003, DAR 2004, 607 und vom 08.11.2004, DAR aaO., 231; VG Braunschweig, Urt. vom 21.01.2004 - 6 A 309/03 -, st. Rsp.). So ist es hier gewesen. Zwar hat der Kläger den ihm übersandten Anhörungsbogen an die Behörde mit den Pflichtangaben zur Person zurückgesandt. Zur Sache hat er jedoch lediglich angekreuzt, nicht der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen zu sein. Trotz entsprechenden Hinweises im Text des Anschreibens zum Anhörungsbogen hat er keinerlei Angaben dazu gemacht, wer die Ordnungswidrigkeit begangen haben könnte. Auf die nochmalige schriftliche Aufforderung der Bußgeldbehörde am 10.02.2006 Namen und Anschrift des Fahrzeugführers anzugeben, hat er innerhalb der gesetzten Frist keine Reaktion gezeigt. Damit hat er konkludent erklärt, sich nicht weiter zur Sache äußern zu wollen. Der Behörde werden in solchen Fällen weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht zugemutet (vg. Nds. OVG, Beschl. vom 17.11.2006 - 12 LA 328/06 -). Die unabhängig von der Qualität des Tatortfotos bestehende Pflicht zur Benennung des in Betracht kommenden Benutzerkreises beeinträchtigt auch nicht das Zeugnisverweigerungsrecht des Klägers; denn die Fahrtenbuchanordnung ist keine unzulässige Sanktion oder eine Beschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts, sondern eine vom Verordnungsgeber auf gesetzlicher Grundlage vorgesehene Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit. Es gibt kein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Bußgeldverfahren zu Gunsten eines Dritten die Aussage verweigern zu dürfen, und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchanordnung verschont zu bleiben (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 03.06.2002 - 12 LA 469/02 - unter Berufung auf die o. zit. Rechtssprechung des BVerfG).
Die zusätzlichen Bemühungen der Behörde zur Feststellung des Fahrzeugführers im Wege der Amtshilfe durch die Polizei ändern an dieser Rechtslage nichts. Sie deuten nicht daraufhin, weitere Maßnahmen zur Feststellung des Fahrzeugführers seien geboten gewesen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, diese Feststellung sei im Sinne des § 31 a Abs.1 S.1 StVZO unmöglich (st.Rspr. des OVG Lüneburg, vgl. insbesondere Beschl. vom 02.11.2004 - 12 ME 413/04, ZfSch 2005, 268; Beschl. vom 17.11.2006, aaO.)
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, ihm seien die während der Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Fotos, welche den Beifahrer erkennen lassen, nicht übersandt worden. Die Bußgeldbehörde kann und darf nur die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes und der letztlich drohenden Fahrtenbuchauflage angemessenen Ermittlungsschritte vornehmen. Das folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Deshalb sind grundsätzlich solche staatlichen Maßnahmen jedenfalls nicht geboten, die die Belange des Betroffenen oder Dritter stärker beeinträchtigen als die Sanktion, auf die sie abzielen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 17.11.2006, aaO.; VG Braunschweig, Urteil vom 07.03.2007 - 6 A 427/06 -). Dementsprechend ist es zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrecht des Beifahrers bei einem dokumentierten Verkehrsverstoß gerechtfertigt, mit dem Anhörungsbogen nur ein Foto des Fahrers zu übersenden oder das Gesicht des Beifahrers durch einen Balken etc. unkenntlich zu machen.
Der Fahrtenbuchauflage steht auch nicht entgegen, dass dem Kläger nach dem Verkehrsverstoß vom 22.12.2005 erst mit Schreiben vom 23.01.2006 der Anhörungsbogen übersandt wurde. Zwar kann grundsätzlich von einem hinreichenden Ermittlungsaufwand der Bußgeldbehörde nur dann ausgegangen werden, wenn der Halter unverzüglich (vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß) von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug gefahren hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verzögerte Anhörung steht der Fahrtenbuchauflage jedoch nicht entgegen, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die Erfolglosigkeit der Täterermittlung nicht ursächlich gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.06.1987, Buchholz 442.16, § 31a StVZO Nr. 17; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Beschl. vom 14.05.1997 - 3 B 28/97 -). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Fahrzeughalter nicht bereits im Bußgeldverfahren auf eine fehlende Erinnerung an den Fahrzeugführer beruft oder von einer Mitwirkungsverweigerung auszugehen ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 08.11.2004, DAR aaO., 231; Beschl. vom 03.06.2002 - aaO. -). So ist es hier gewesen, denn der Kläger hat sich im Bußgeldverfahren zu keiner Zeit auf ein fehlendes Erinnerungsvermögen berufen. Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass auch eine frühere Anhörung des Klägers nicht zur Fahrerfeststellung geführt hätte.
Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung darstellt, dass eine Androhung nicht ausreicht, sondern die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (st. Rsp., vgl. BVerwG, Beschl. vom 09.09.1999, NZV 2000, 386 [BVerwG 18.10.1999 - BVerwG 3 B 105.99]; Nds. OVG, Beschl. vom 27.06.2000 - 12 L 2377/00; VG Braunschweig, Urt. vom 19.12.2003 - 6 A 738/02 -).
Auch wenn der Kläger bislang nicht verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten sein sollte, entspricht die Entscheidung des Beklagten dem Sinn und Zweck der Vorschriften. Die Verpflichtung des Fahrzeugführers zum Führen eines Fahrtenbuches soll sicherstellen, dass die Behörden künftig den Fahrzeugführer ohne Schwierigkeiten feststellen können, wenn mit einem Fahrzeug des Klägers (als Halter) erneut gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wird. Die Fahrtenbuchanordnung soll nicht nur Verkehrszuwiderhandlungen durch den Fahrzeughalter vorbeugen, sondern hat eine umfassendere Aufgabe: Mit ihr soll sichergestellt werden, dass bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug die Feststellung des Fahrers, anders als in dem Anlassfall, ohne Schwierigkeiten möglich ist. Sie richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Auch wenn von dem Fahrzeughalter selbst keine Verkehrszuwiderhandlungen zu befürchten wären, stünde dies der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen.
Auch im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Um die Fahrzeugbenutzung wirksam überwachen und den Fahrzeughalter künftig im Falle eines Verkehrsverstoßes zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers anhalten zu können, ist eine gewisse, nicht zu geringe Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich. Bei der Bemessung der Frist sind das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes und das Verhalten des Fahrzeughalters im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bußgeldstelle zur Tataufklärung zu berücksichtigen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 28.05.2002, DAR 2003, 90 [VGH Baden-Württemberg 28.05.2002 - 10 S 1408/01]; VG Braunschweig, Urt. vom 16.08.2004 - 6 A 477/03 -). Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Beklagte bei der Beurteilung der Schwere des Verkehrsverstoßes an den in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung geregelten Punktzahlen und den damit zum Ausdruck gekommenen Wertungen orientiert und auch in Anbetracht der in seinen Gebiet gehäuft auftretenden Geschwindigkeitsüberschreitungen in ständiger Verwaltungspraxis bei entsprechenden Geschwindigkeitsüberschreitungen eine Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten anordnet.
Frei von Ermessensfehlern ist die Fahrtenbuchanordnung auch, soweit sie sich auf ein Ersatzfahrzeug für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. erstreckt. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs für ein Ersatzfahrzeug, die ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO findet, ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel vereinbar. Nur so kann angesichts der mitunter beträchtlichen Verfahrensdauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sichergestellt werden, dass die Regelungen in § 31a StVZO nicht leerlaufen und der Halter sich nicht durch den Verkauf des von der Fahrtenbuchanordnung unmittelbar erfassten Fahrzeugs der Verpflichtung entzieht.
Der Bescheid des Beklagten vom 10.05.2006, mit dem für die Fahrtenbuchanordnung Gebühren in Höhe von insgesamt 85,10 Euro festgesetzt wurden, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Er entspricht den Erfordernissen der diesbezüglichen Rechtsvorschriften. Nach Nr. 252 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt. - in der hier anzuwendenden Fassung der Gesetzesänderung vom 24.09.2004 (BGBl. 2004 I, Seite 2374) beläuft sich der Gebührenrahmen für eine Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs von 21,50 Euro bis 93,10 Euro. Der Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, mit welchem zeitlichem Aufwand und welchem Kostenaufwand ein Sachbearbeiter der Behörde sowie eine Schreibkraft mit einem derartigen Vorgang befasst sind und dementsprechend innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühr mit 80,00 Euro bemessen. Sowohl diese (zulässig an Durchschnittswerten orientierte) Gebührenbemessung als auch die außerdem vorgenommene Festsetzung der Postauslagen für die Zustellung des Bescheides in Höhe von 5,10 Euro lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Kläger hat gegen die Richtigkeit der Gebührenfestsetzung auch keine substanziierten Rügen erhoben.
2) Soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 477,11 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Zum einen ist davon auszugehen, dass eine Verurteilung zur Erstattung der damit geltend gemachten außergerichtlich, das heißt im Verwaltungsverfahren, entstandenen Anwaltsgebühren allenfalls in Betracht kommen kann, wenn der Kläger in der Hauptsache obsiegt. Deshalb kann dieser Antrag bereits aufgrund der Abweisung der Klage gegen die Bescheide vom 10.05.2006 (s.o.) ebenfalls keinen Erfolg haben. Darüber hinaus kommt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Geltendmachung anwaltlicher Kosten jedenfalls erst im Kostenfestsetzungsverfahren in Betracht. Soweit der Kläger beantragt, die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren analog § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO auch für die anwaltlichen Kosten im Verwaltungsverfahren für notwendig zu erklären, kann dieser Antrag ebenfalls nur Erfolg haben, wenn der Kläger in der Hauptsache obsiegt hat. Anzumerken ist, dass das Verwaltungsverfahren bei der Ausgangsbehörde nach § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG in Verbindung mit § 9 VwVfG darüber hinaus kein „Vorverfahren“ ist, für das in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt werden kann. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass Kosten zu erstatten sind, die einem Beteiligten durch eine Antragstellung oder im Verwaltungsverfahren bei der Ausgangsbehörde entstanden sind. Dies gilt auch nach der Neuregelung der Gebührentatbestände im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (vgl. OVG Münster, Beschl. vom 10.05.2006 - 14 E 252/06 -, NVwZ-RR 2006, 856; VG Göttingen, Beschl. vom 19.04.2007 - 3 A 530/05 - rech. in der Nds. Rechtssprechungsdatenbank).