Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.11.2004, Az.: 2 PA 1276/04

Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Zulassung zum Studium der Humanmedizin; Berechnung der maßgeblichen Prozesskosten und Bedeutung einer Honorarvereinbarung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.11.2004
Aktenzeichen
2 PA 1276/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34867
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2004:1130.2PA1276.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 10.11.2004 - AZ: 8 C 1337/04

Fundstellen

  • NVwZ 2005, V Heft 3 (amtl. Leitsatz)
  • NVwZ-RR 2005, V Heft 3 (amtl. Leitsatz)
  • NVwZ-RR 2005, 861-862 (Volltext mit amtl. LS)
  • NordÖR 2005, 140 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Zulassung zum Studium der Humanmedizin WS 2004/05

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 2. Senat - hat
am 30. November 2004
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 8. Kammer - vom 10. November 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. November 2004, mit dem dieses es abgelehnt hat, dem Antragsteller für das einstweilige Rechtsschutzverfahren - 8 C 1337/04 - vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, bleibt erfolglos. Denn die Prozesskostenhilfebeschwerde erweist sich als unbegründet, weil der Senat wie das Verwaltungsgericht die Einschätzung gewonnen hat, dass nach dem Kenntnisstand dieses Prozesskostenhilfeverfahrens einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits die Bestimmung des § 166 VwGO i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO entgegensteht.

2

Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 10. November 2004 zu Recht entschieden hat, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen werden kann, übersteigen die Kosten (Gerichtskosten und Vergütung des von dem Antragsteller beauftragten Rechtsanwalts), die der Antragsteller im Falle des Unterliegens in dem von ihm vor dem Verwaltungsgericht Göttingen gesetzten einstweiligen Anordnungsverfahren - 8 C 1337/04 - aufzubringen hätte, voraussichtlich nicht den Betrag von vier Monatsraten, die der Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse und insbesondere unter Berücksichtigung des als Vermögenswert vom Verwaltungsgericht zu Recht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.11.1972 - BVerwG VIII C 191.71 -, Buchholz 310 § 166 VwGO u. Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Sept. 2003, RdNr. 47 zu § 166) in Ansatz gebrachten Anspruchs des Antragstellers auf Prozesskostenvorschuss gegen seine Mutter bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das hier interessierende verwaltungsgerichtliche Eilverfahren aufzubringen hätte. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass er mit seinem Prozessbevollmächtigten angesichts des besonderen Charakters des hier vorliegenden Streitverfahrens um Zulassung zum Humanmedizinstudium, welches Zulassungsbeschränkungen unterliege, eine Honorarvereinbarung geschlossen habe, wonach der Prozessbevollmächtigte gegen ein Pauschalhonorar von 3.000,- EUR seinen - des Antragstellers - Zulassungsanspruch in ca. 20 einstweiligen Anordnungsverfahren durchzusetzen habe, kann dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Denn für die Anwendung der Ausschlussbestimmung des § 115 Abs. 3 ZPO kann nur auf das hier vorliegende einzelne einstweilige Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Göttingen, nicht aber darauf abgestellt werden, ob der Antragsteller zur Verbesserung seiner Chancen, mit Hilfe der Gerichte seine Zulassung zum Studium der Humanmedizin zu erreichen, noch weitere einstweiligen Anordnungsverfahren vor anderen Verwaltungsgerichten (gegen andere Universitäten) in Gang gesetzt hat. Dies ergibt sich aus Folgendem:

3

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, eine besondere Form der Sozialhilfe, soll in Ausformung der nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG Gewähr leisteten Rechtsgleichheit dazu dienen, auch einen unbemittelten Beteiligten in die Lage zu versetzen, seine Interessen in einer dem Gleichheitsgebot entsprechenden Weise im Rechtsstreit geltend zu machen (BVerfG, Beschl. v. 26.4.1988 - 1 BvL 84/86 -, BVerfGE 78, 104 (118) [BVerfG 26.04.1988 - 1 BvL 84/86] = NJW 1988, 2231 (2132) [BVerfG 26.04.1988 - 1 BvL 84/86]; Philippi, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004, RdNR. 1 der Vorbem. vor § 114). Allerdings ist es auch von Verfassungs wegen nicht erforderlich, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes vollständig anzugleichen. Die verfassungsrechtlich Gewähr leistete Rechtsgleichheit kann und will daher nur bewirken, dass der Unbemittelte wenigstens einigermaßen in der gleichen Weise Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, wie dies ein seine Prozessaussichten vernünftig erwägender Bemittelter tun könnte (BVerfG, Beschl. v. 13.3.1990 - 2 BvR 99/88 -, BVerfGE 81, 347 (357)); mehr fordert auch der Gerechtigkeitsgedanke nicht, bei dem auch die Rücksicht auf en Steuerzahler, der bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Prozesskosten des prozessierenden Unbemittelten zu tragen hat, nicht außer Betracht bleiben darf (BVerfG, Beschl. v. 22.1.1959 - 1 BvR 154/55 -, BVerfGE 9, 124 (130) [BVerfG 22.01.1959 - 1 BvR 154/55]).

4

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann für die nach § 115 Abs. 3 ZPO anzustellende Betrachtung entgegen der Ansicht des Antragstellers nur auf die Kosten des von ihm vor dem Verwaltungsgericht Göttingen in Gang gesetzten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und nicht auf die weiteren von ihm zur Verbesserung seiner Zulassungschancen anhängig gemachten Verfahren abgestellt werden. Allerdings kann es nicht als mutwillig i.S. des § 114 ZPO angesehen werden, dass der Antragsteller wegen der erheblichen Bedeutung dieses Numerus-clausus-Verfahrens für seine berufliche Zukunft nicht nur vor dem Verwaltungsgericht Göttingen seine Zulassung zum Humanmedizinstudium mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen versucht. Dies bedeutet aber nicht, dass es zur Wahrung der Rechtsgleichheit geboten wäre, die Chancenverbesserung in Gestalt der gleichzeitigen Anhängigmachung mehrerer Verwaltungsprozesse auf Kosten des Steuerzahlers (durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe) zu finanzieren. Vielmehr ist die von Verfassungs wegen geforderte Angleichung zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (s.o.) auch dann schon gewahrt, wenn es dem Antragsteller ermöglicht wird, in einem Numerus-clausus-Verfahren - namentlich in dem, welches nach der sachverständigen Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten die besten Erfolgsaussichten verspricht - den von ihm behaupteten Zulassungsanspruch gerichtlich überprüfen zu lassen; eine bessere Chancenverwertung braucht durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht ermöglicht zu werden.

5

Da eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das somit nur zu betrachtende einstweilige Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Göttingen an der Ausschlussbestimmung des § 115 Abs. 3 ZPO scheitern muss, hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Bewilligung hier abgelehnt, so dass die Beschwerde erfolglos bleiben muss.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

7

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO nicht anfechtbar.

Munk
Schmidt
Prof. Dr. Petersen