Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.07.2006, Az.: 6 A 16/06
Anhörung; Antritt; Beweis; Beweisfoto; einmalig; einsetzen; Ergebnis; erheblich; erkennen; Ermessen; ermitteln; Fahrer; Fahrtenbuch; Fahrtenbuchauflage; Fehler; Foto; Führer; Geschwindigkeit; Geschwindigkeitsmesseinrichtung; Geschwindigkeitsüberschreitung; Grundsatz; Halter; innerorts; Messung; Mitwirkungspflicht; Motorrad; Nutzer; Qualität; Radar; Radarmessung; Verhalten; Verkehrsverstoß; Verstoß; zumutbar; Zweifel
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 21.07.2006
- Aktenzeichen
- 6 A 16/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53397
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31a StVZO
- § 418 ZPO
- § 98 VwGO
- § 114 VwGO
- § 154 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zur Notwendigkeit weiterer Ermittlungen, wenn der Halter nach einer durch ein Radargerät dokumentierten Geschwindigkeitsüberschreitung im Verfahren auf Anordnung eines Fahrtenbuchs die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung bestreitet (hier: Radargerät "Traffipax Speedophot").
2. Die geminderte Qualität eines bei einer Geschwindigkeitsmessung von dem Fahrzeug und dem Fahrer angefertigten Fotos befreit den Halter grundsätzlich nicht von seiner Pflicht, im Ordnungswidrigkeitenverfahren den das Fahrzeug nutzenden Personenkreis zu bezeichnen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, für sein Motorrad ein Fahrtenbuch zu führen.
Der Kläger ist Halter des Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen D.. Mit diesem Fahrzeug wurde am 6. September 2005 in R. (innerorts) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach Abzug eines Toleranzwertes um 21 km/h überschritten. Die Ordnungswidrigkeit wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät und Fotos dokumentiert.
Unter dem 14. September 2005 übersandte die Bußgeldstelle des Beklagten dem Kläger einen Anhörungsbogen zum Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit. Der Kläger sandte den Anhörungsbogen nicht zurück. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26. September 2005 teilte er mit, das Bild sei undeutlich, sodass er den Fahrer nicht erkennen könne. Er bitte um Übersendung der Ermittlungsakte.
Im weiteren Verlauf der Ermittlungen befragte der Ermittlungsdienst des Beklagten ohne Erfolg Nachbarn und Verwandte des Klägers. Der Kläger lehnte am 11. November 2005 eine Stellungnahme gegenüber dem Ermittlungsbeamten ab.
Unter dem 14. November 2005 übersandte der Beklagte die Ermittlungsakte an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, der den Vorgang unter dem 18. November 2005 zurücksandte. Mit Schreiben vom 25. November 2005 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, der Kläger könne nicht erkennen, wer der Fahrer gewesen sei; er könne nicht mit Sicherheit mitteilen, wer das Motorrad gesteuert habe. Der Beklagte stellte daraufhin das Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2005, der dem Kläger am darauf folgenden Tag zugestellt wurde, gab der Beklagte dem Kläger auf, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen E. zu führen; sofern er anstelle dieses Fahrzeugs ein Ersatzfahrzeug einsetze, erstrecke sich die Anordnung auch auf dieses Fahrzeug. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. Dezember 2005 setzte der Beklagte die Verwaltungskosten auf 75,40 Euro fest.
Am 9. Januar 2006 (einem Montag) hat der Kläger gegen beide Bescheide Klage erhoben. Er macht geltend, wegen unzureichender Qualität der bei der Geschwindigkeitsmessung angefertigten Fotos habe er keine weiterreichenden Antworten geben können. Die Regelfrist von 14 Tagen zwischen dem Verkehrsverstoß und der Anhörung zur Ordnungswidrigkeit sei überschritten, weil ihm der Anhörungsbogen erst am 22. September 2005 zugegangen sei. Zwischen dem Vorfall und der Übersendung der Ermittlungsakte habe ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten gelegen, sodass er sich nicht mehr habe erinnern können. Es habe auch keine ordnungsgemäße Messung stattgefunden. Nach dem Verwaltungsvorgang sei insbesondere der Standort der Messanlage unklar. Von einer Mitwirkungsverweigerung könne nicht die Rede sein. Die Fahrtenbuchauflage sei auch unverhältnismäßig, weil es sich um einen erstmaligen Verstoß von geringem Gewicht gehandelt habe.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 7. Dezember 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und tritt den Ausführungen des Klägers entgegen.
Auf Aufforderung des Gerichts hat der Beklagte das Messprotokoll und eine dienstliche Stellungnahme des Messbeamten zu der am 6. September 2005 durchgeführten Geschwindigkeitsmessung vorgelegt. Auf diese Unterlagen wird wegen ihres Inhalts Bezug genommen (Blatt 58 und 60 der Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger damit nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Halter des Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen E. verfügten Fahrtenbuchauflage ist die Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge auferlegen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Zur Überzeugung des Gerichts ist mit dem Motorrad des Klägers am 6. September 2005 in R. die zulässige Höchstgeschwindigkeit abzüglich eines Toleranzwertes um 21 km/h überschritten und damit eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen worden. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit des bei der Radarmessung gewonnenen und dokumentierten Ergebnisses zu zweifeln. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde ausweislich der vorliegenden Unterlagen in einem standardisierten Verfahren mit dem Radargerät „Traffipax Speedophot“, einem allgemein anerkannten Messgerät, durchgeführt (vgl. zu diesem Gerät z.B. OLG Oldenburg, Beschl. vom 29.01.1996 - Ss 10/96 -, NZV 1996, 375 und juris; Brandenburgisches OLG, Beschl. vom 07.04.1998 - 07.04.1998 - 1 Ss(Owi)21B/98, juris; OLG Hamm, Beschl. vom 17.06.2004 -3 Ss Owi 315/04 -, juris - LS -). Das Gerät war ausweislich des vorliegenden Eichscheins im Zeitpunkt der Messung gültig geeicht und wurde vom Messbeamten nach dem von ihm erstellten Messprotokoll entsprechend der Bedienungsanleitung eingesetzt. Auch der nach dem vorliegenden Kontrollblatt zur Geschwindigkeitsmessung vom Messergebnis (74 km/h) abgezogene Toleranzwert ist mit 3 km/h korrekt ermittelt worden (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 3 StVO Rn. 59 m.w.N.). Bei dieser Sachlage sind ohne ein substanziiertes Bestreiten durch den Kläger weitere Ermittlungen nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Beschl. vom 09.12.1993 - 11 B 113.93 -, juris; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 11.05.1999 - 12 L 2087/99 -, insoweit teilw. abgedr. in DAR 1999, 424; VG Braunschweig, Urt. vom 08.02.2001 - 6 A 312/99 -). Dies gilt insbesondere für die im Messprotokoll und seinen Anlagen dokumentierten Tatsachen: Bei diesen Unterlagen handelt es sich um öffentliche Urkunden im Sinne des § 98 VwGO i. V. m. § 418 ZPO, die den vollen Beweis der in ihnen bezeugten Tatsachen begründen, es sei denn, derjenige, zu dessen Nachteil sich die Beweisregel auswirkt, erbringt nach substanziiertem Beweisantritt den Beweis der Unrichtigkeit (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 29.11.1999 - 12 L 5605/99 -; VG Braunschweig, aaO.). Der Kläger hat nach Vorlage des Messprotokolls und einer dienstlichen Stellungnahme des Messbeamten Einwände gegen das Messergebnis in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erhoben. Ob die Zuwiderhandlung bereits im Ordnungswidrigkeitenverfahren substanziiert bestritten werden muss, kann das Gericht daher offen lassen (vgl. dazu Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 11.05.1999, aaO.).
Die Feststellung der Person, die bei dem Verkehrsverstoß am 6. September 2005 das Fahrzeug gefahren hat, ist dem Landkreis Helmstedt als zuständiger Ordnungsbehörde nicht möglich gewesen. Nicht möglich im Sinne des § 31a StVZO ist die Fahrerfeststellung dann gewesen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Angemessen sind die Maßnahmen, die die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m.w.N.; Beschl. vom 21.10.1987, Buchholz, aaO., Nr. 18 m.w.N.; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 17.02.1999 - 12 L 669/99 -, Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00 - ; Beschl. vom 04.12.2003, DAR 2004, 607). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Bußgeldbehörde hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen. Der Kläger hat an der Feststellung, wer das Fahrzeug am Tag des Vorfalls gefahren hat, nicht hinreichend mitgewirkt.
An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es bereits dann, wenn er den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet bzw. keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis macht, der das Tatfahrzeug benutzt (Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 04.12.2003, DAR 2004, 607 und vom 08.11.2004, DAR 2005, 231; VG Braunschweig, Urt. vom 21.01.2004 - 6 A 309/03 -, ständige Rechtsprechung). So ist es hier gewesen. Der Kläger hat den ihm übersandten Anhörungsbogen nicht an die Behörde zurückgesandt. Stattdessen hat er auf die Übersendung des Anhörungsbogens durch seinen Prozessbevollmächtigten erklären lassen, das bei der Radarmessung angefertigte Foto sei so undeutlich, dass er den Fahrer in keiner Weise erkennen könne, es werde daher um Übersendung der Ermittlungsakte gebeten. Der Kläger hat auch im weiteren Verlauf des Bußgeldverfahrens weder den Kreis der das Fahrzeug benutzenden Personen eingegrenzt noch diese Personen konkret benannt. Auf eine persönliche Befragung durch den Ermittlungsbeamten des Beklagten am 11. November 2005 hat er nach dem vorliegenden Gesprächsvermerk eine weitere Stellungnahme abgelehnt. Auch das nach Einsicht in die Ermittlungsakte übersandte Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 25. November 2005 äußert sich nicht zum Kreis der Fahrzeugnutzer. Eine ausdrückliche Frage der Ermittlungsbehörde nach dem in Betracht kommenden Personenkreis war nicht erforderlich (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 04.12.2003, DAR 2004, 607).
Der Kläger kann sich demgegenüber nicht erfolgreich darauf berufen, nach dem ihm übersandten, bei der Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Foto sei es ihm unmöglich gewesen, den Fahrer zu identifizieren. Die geminderte Qualität eines bei der Geschwindigkeitsmessung angefertigten Fotos steht der Bezeichnung des Personenkreises, der das Fahrzeug nutzt, jedenfalls grundsätzlich nicht entgegen und befreit den Halter somit regelmäßig nicht von seiner dahin gehenden Mitwirkungspflicht. Hinzu kommt, dass der Kläger auch nach Übersendung der Ermittlungsakte, die weitere Fotos enthält, keine weitergehenden Angaben gemacht hat. Dass die Bußgeldstelle ihm die Ermittlungsakte auf seine Anforderung mit Schreiben vom 26. September 2005 erst unter dem 14. November 2005 übersandt hat, steht der Annahme einer Mitwirkungsverweigerung nicht entgegen. Maßgeblich ist, dass der Kläger den Anhörungsbogen nicht zurückgesandt und in seiner ersten Reaktion auf den Anhörungsbogen im Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 26. September 2005 keine Angaben zum Kreis der Fahrzeugnutzer gemacht hat. Bei dieser Sachlage kommt es auf den weiteren Geschehensablauf im Bußgeldverfahren und damit insbesondere auch auf die zeitliche Verzögerung der beantragten Akteneinsicht nicht mehr an (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 02.11.2004 - 12 ME 413/04 -; Beschl. vom 03.06.2002 - 12 LA 469/02 - ). Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, zu welchen zusätzlichen Angaben der Kläger bei schnellerer Aktenübersendung bereit und in der Lage gewesen sein soll. Auch nach Akteneinsicht hat er jedenfalls keine weitergehenden, die Fahrerfeststellung erleichternden Angaben gemacht.
Selbst wenn die Bußgeldstelle dem Kläger den Anhörungsbogen zu einer Verkehrsordnungswidrigkeit nicht binnen zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß vom 6. September 2005 zugeleitet hat, steht dies der Fahrtenbuchauflage nicht entgegen. Zwar kann grundsätzlich von einem hinreichenden Ermittlungsaufwand der Bußgeldbehörde nur dann ausgegangen werden, wenn der Halter unverzüglich (vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß) von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verzögerte Anhörung steht der Fahrtenbuchauflage jedoch nicht entgegen, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die Erfolglosigkeit der Täterermittlung nicht ursächlich gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.06.1987, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 17; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Beschl. vom 14.05.1997 - 3 B 28/97 -). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Fahrzeughalter nicht bereits im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf eine fehlende Erinnerung an den Fahrzeugführer beruft oder von einer Mitwirkungsverweigerung auszugehen ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 08.11.2004, DAR 2005, 231; Beschl. vom 03.06.2002 - 12 LA 469/02 -). So ist es hier gewesen. Der Kläger hat im Bußgeldverfahren keine Angaben zum Fahrzeugführer bzw. zum Kreis der Fahrzeugnutzer gemacht und sich während dieses Verfahrens zu keiner Zeit auf ein fehlendes Erinnerungsvermögen berufen. Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass auch eine frühere Anhörung des Klägers nicht zur Fahrerfeststellung geführt hätte.
Auf die Entscheidungen des OVG Bremen vom 3. August 1993 (NZV 1994, 168 [OVG Bremen 03.08.1993 - 1 BA 17/93]) und des VG Frankfurt a.M. vom 18. April 1991 (DAR 1991, 314 [VG Frankfurt am Main 18.04.1991 - III/1 E 2126/89]) kann sich der Kläger nicht erfolgreich berufen, weil ihnen jedenfalls ein in wesentlichen Teilen anderer Sachverhalt zu Grunde lag.
Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung darstellt, dass eine Androhung nicht ausreicht, sondern die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urt. vom 17.05.1995, BVerwGE 98, 227 = NZV 1995, 460 m.w.N.; Beschl. v. 12.07.1995, NJW 1995, 3402; Beschl. vom 09.09.1999, NZV 2000, 386 [BVerwG 18.10.1999 - BVerwG 3 B 105.99]; Niedersächsisches OVG, Urt. vom 08.05.1995 - 12 L 7501/94 -; Beschl. vom 20.04.1998 - 12 L 1886/98 -; Beschl. vom 27.06.2000 - 12 L 2377/00 -; VG Braunschweig, Urt. vom 10.10.2000 - 6 A 322/99 - und 19.12.2003 - 6 A 738/02 -).
Selbst wenn der Kläger bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten sein sollte, entspricht die Entscheidung des Beklagten dem Sinn und Zweck der Vorschriften. Die Verpflichtung des Fahrzeughalters zum Führen eines Fahrtenbuches soll sicherstellen, dass die Behörden künftig den Fahrzeugführer ohne Schwierigkeiten feststellen können, wenn mit einem Fahrzeug des Klägers (als Halter) erneut gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wird. Dies ist hier schon wegen des konkreten Vorfalls weiter erforderlich. Nach den Erfahrungen in dem vorliegenden Fall ist jedenfalls nicht hinreichend sicher auszuschließen, dass der Kläger in einer vergleichbaren Konstellation erneut keine Angaben zum Kreis der Fahrzeugnutzer macht. Dies genügt für die Anordnung eines Fahrtenbuchs. Dabei ist unerheblich, ob die Gefahr besteht, dass der Kläger als Fahrzeugführer gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird. Die Fahrtenbuchanordnung soll nicht nur Verkehrszuwiderhandlungen durch den Fahrzeughalter vorbeugen, sondern hat eine umfassendere Aufgabe: Mit ihr soll sichergestellt werden, dass bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug die Feststellung des Fahrers anders als in dem Anlassfall ohne Schwierigkeiten möglich ist. Sie richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Auch wenn von dem Fahrzeughalter selbst keine Verkehrszuwiderhandlungen zu befürchten wären, stünde dies der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen.
Auch im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Um die Fahrzeugbenutzung wirksam überwachen und den Fahrzeughalter künftig im Falle eines Verkehrsverstoßes zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers anhalten zu können, ist eine gewisse, nicht zu geringe Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich. Bei der Bemessung der Frist sind das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes und das Verhalten des Fahrzeughalters im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bußgeldstelle zur Tataufklärung zu berücksichtigen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 28.05.2002, DAR 2003, 90 [VGH Baden-Württemberg 28.05.2002 - 10 S 1408/01]; VG Braunschweig, Urt. vom 16.08.2004 - 6 A 477/03 -). Für die Beurteilung der Schwere des Verkehrsverstoßes darf sich die Behörde an den in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geregelten Punktzahlen und den darin zum Ausdruck gekommenen Wertungen orientieren. Danach und unter Berücksichtigung der Mitwirkungsverweigerung des Klägers im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist ein Ermessensfehler des Beklagten bei der Fristbemessung nicht erkennbar. Eine Überwachung für die Dauer von sechs Monaten liegt im unteren Bereich dessen, was nach dem Zweck der Fahrtenbuchauflage im Sinne einer effektiven Kontrolle geboten ist. Ob der Beklagte eine längere Frist hätte vorsehen können, weil der Geschwindigkeitsverstoß innerorts festgestellt wurde, kann das Gericht offen lassen (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 13.10.1978 - 7 C 49.77 -, VkBl. 1979, 209).
Frei von Ermessensfehlern ist die Fahrtenbuchanordnung auch, soweit sie sich auf ein Ersatzfahrzeug für das Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen HE-KO 4 erstreckt. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs für ein Ersatzfahrzeug, die ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO findet, ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel vereinbar. Nur so kann angesichts der mitunter beträchtlichen Verfahrensdauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sichergestellt werden, dass die Regelungen in § 31a StVZO nicht leer laufen und der Halter sich nicht durch den Verkauf des von der Fahrtenbuchanordnung unmittelbar erfassten Fahrzeugs der bestehenden Verpflichtung entzieht. Anhaltspunkte, die für den vorliegenden Fall eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
Gegen die Gebührenfestsetzung durch den Beklagten, gegen die auch der Kläger keine gesonderten Einwände erhoben hat, bestehen unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 15. Februar 2006 keine rechtlichen Bedenken (vgl. dazu VG Braunschweig, Urt. vom 02.04.2003 - 6 A 83/02 -; Urt. vom 21.01.2004 - 6 A 57/03 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus der Anwendung der §§ 167 VwGO, 711 und 708 Nr. 11 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 GKG (400 Euro je Monat der getroffenen Fahrtenbuchanordnung - vgl. den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327, II Nr. 46.13 - zuzüglich Betrag der festgesetzten Verwaltungskosten).
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO sind nicht ersichtlich.